Faul sein ist auch eine Tugend / Ein Gesellschaftsroman mit vielen Selbst-Entrümpelungs-Ideen: Gwendolin - Das Jahr der Neuerung / Das Leben ist wandelbar
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Über dieses E-Book
«Herzchen, mach deinen Kopf faul, dann wird's schon werden.»
Dieser Wohlfühlroman erzählt eine Geschichte, die aus dem Leben greift. Mit herrlichen Akteuren, die sich rund um Gwendolin scharen.
Cornelia Hättenschwiler
Cornelia Hättenschwiler, geb. 1955, hat ihren Lebensmittelpunkt in der attraktiven Stadt St. Gallen - Schweiz. Als Betriebsökonomin und Immobilienexpertin arbeitete sie insbesondere im Medien- und Dienstleistungsbereich. im Jahre 2008 erschien die Erstauflage des Buches "Der Orgasmus der Frau und andere Lügen". Heute betätigt sie sich vorwiegend mit Schreiben von Geschichten, Essays und Ratgebern zum Wohlfühlen. Dabei würzt sie ihre Texte gerne mit viel Humor und einer Prise Witz und Ironie. Sie organisiert Workshops für Gleichgesinnte und in ihrer KreativSchreibstube entstehen u.a. Bilder für Geschenkskarten.
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Buchvorschau
Faul sein ist auch eine Tugend / Ein Gesellschaftsroman mit vielen Selbst-Entrümpelungs-Ideen - Cornelia Hättenschwiler
Die Erkenntnis
Für Gwendolin gab es schlicht weg keine Ausrede, den 70. Geburtstag der Mutter zu umgehen. Madame Tilda Gilgen-Blom ist eine Dame, die nicht zulässt, dass man ihr einen Wunsch abschlägt, so nach dem Motto «Mein Wunsch ist euer Befehl».
Es war ein Wochenende voller Nettigkeiten, die man auch als Scheinheiligkeiten bezeichnen könnte. Gäste aus aller Herren Länder waren zugegen und amüsierten sich über ihre eigenen Anekdoten und erzählten ihre Freuden und Leiden, vorwiegend aus früheren Leben, als sie noch jung und knackig waren. Alljährlich wird dieses Marionettenspiel aufgeführt, wobei alle Mitmarionetten ihre Rolle schon super gelernt haben und die Hauptmarionette Tilda nur selten noch die Fäden aus der Hand gibt, denn sie ist ein Profi im Fäden ziehen.
So sitzt nun Gwendolin im Flugzeug, einer Edelweiss Airbus A320 auf dem Rückflug von Alicante nach Zürich, lässt die letzten Tage Revue passieren und sinniert vor sich hin.
Nach dem Tod des Vaters, Stephan Gilgen, hatte Mutter Tilda ihren Wohnsitz nach Spanien verlegt – wegen dem Wetter, wie sie meinte. Doch böse Zungen denken, dass sie sich den Augen ihrer Kinder und dem Bünzlitum der Schweiz entziehen wollte.
***
Das Verhältnis ihrer Eltern hat Gwendolin nie ganz verstanden. Sie denkt, dass ihr Vater die 16 Jahre jüngere Tilda Blom für ihre Vitalität und ihr Anderssein geliebt hat. Dabei ist zu erwähnen, dass es bei der Familie Gilgen aus der Innerschweiz, wie auch bei der Familie Blom, aus Südschweden, Usanz ist, dass die Ehefrauen deutlich jünger sind als die Männer. Vater Gilgens Elternhaus war konservativ, stur und immer auf einen guten Ruf bedacht, was Mutter Tilda natürlich vollkommen abging und sie auch nicht im geringsten interessierte. Sie liebt es laut, Gesellschaften jeglicher Art, Menschen jeglicher Herkunft und Unterhaltungen rund um die Uhr und rund um die Welt. Mutter Tilda tanzte in jungen Jahren beim Königlichen Ballett in Stockholm. Das Graziöse aber auch das Abgehobene sind ihr bis heute geblieben. Mutter Tilda wurde mit 53 Jahren bereits Witwe und lebt nun ein Leben, in das Gwendolin wenig Einblick hat. Schon als Kind verspürte sie eine innigere Beziehung zu den Kindermädchen als zur Mutter.
***
Eine lächelnde Flugbegleiterin, welche auf den baldigen Start aufmerksam macht, reißt Gwendolin aus ihren Gedanken. Diese Hostessen werden immer jünger und pflegen eine Ausstrahlung, die weder strahlt noch nach sonst was aussieht. Dies ist natürlich rein Gwendolins Meinung und die ist nicht über alle Vorurteile erhaben. Angewidert von diesem Anblick widmet sich Gwendolin dem Edelweiß Journal mit den schönen Hotels, mit den Empfehlungen für verschiedene Destinationen. Diesmal wird München groß angepriesen, Ayurveda ist Kult, Yoga auch.
Und dann passiert es. Die fliegenden Kellnerinnen bringen das «Kleine Frühstück». Damit diese Nichtigkeit auch serviert werden kann, muss der Klapptisch, der an der Rückseite des Vordersitzes mit einem Drehverschluss angebracht ist, runtergelassen werden. Gwendolin schiebt die Zeitschrift in das dafür vorgesehene Netz, löst wie gewohnt, den Drehverschluss. Doch es ist sonderbar. Der Klapptisch ist einfach zu groß. Gwendolin setzt sich in ihrem Sitz steifgerade. Das kann doch nicht wahr sein. Der Tisch lässt sich nicht richtig platzieren. Gwendolin holt tief Luft und zieht ihren Bauch ein. Sie setzt sich nochmals steifer und gerader hin. Der Tisch steht immer noch an und lässt sich einfach nicht richtig runterlassen. Gwendolin ist wütend. Was ist das für eine Fehlplanung, so ein enger Sitz, das ist echt Sch…. Verstohlen sieht sie sich um. Keiner der anderen Passagiere hat Probleme mit diesen Brettern. Sie stehen waagrecht vor jedem Bauch. Nur bei Gwendolin nicht. Ihr läuft der Schweiß von der Stirn. Sie ist überzeugt, dass alle Mitfliegenden von Sitz 10b bis Sitz 10f nur auf ihren Bauch schauen und der steht eindeutig an diesem Brett an, so dass dieses wie eine Rutschbahn vor ihr liegt. Mit Mühe drückt sie ihren gut gepolsterten Hintern hin und her und probiert kraftvoll das Brett gerade zu platzieren. Die Tischfläche flutscht unter ihren Bauch und dieser wulstet sich in voller Dimension darauf aus.
OK. Gwendolin reißt schwitzend und wutentbrannt das Brett hoch. Drehverschluss zu. Die Lust auf das «Kleine Frühstück» ist ihr vollends vergangen. Nicht nur das. Gwendolin würde am liebsten losheulen. Sie kommt sich grausam erniedrigt und elendiglich vor. Dass sie sich ihre Schamhaare nur noch vor dem Spiegel rasieren kann, hat sie auch frustriert. Doch sie hat sich daran gewöhnt und es einfach ignoriert. Aber das, das geht eindeutig zu weit. Man kann sich ja viel einreden. Dick macht glücklich. Dick ist nicht schlimm. Dick ist im Alter normal. Dick ist nicht dick, sondern nur etwas mollig. Ich bin nicht dick nur etwas kräftiger. Diesen blöden Tisch nicht mal waagrecht vor den Bauch zu bekommen, das bringt Gwendolin zur Weißglut. Sie wendet ihr Gesicht dem Fenster zu. Dicke Tränen rollen über ihre Wangen. Ihr ganzer Körper bebt und zittert und sie mag kaum atmen. Was hat ihr Großmutter Freda beigebracht. «Herzchen, mach den Kopf faul, dann wird‘s schon werden.»
***
Von Klein an verbrachte Gwendolin die Ferien bei ihren Großeltern in Südschweden. Das waren immer herrliche Zeiten. Sie durfte auch hie und da ihre Schulfreundin Carola oder ihren Spielgefährten Diego mitbringen. Sie hatte nie das Gefühl, abgeschoben zu werden, ganz im Gegenteil, für sie, und auch für ihre Brüder Thomas und Lars war hier ihr zweites Zuhause. Großmutter Freda hatte immer ein offenes Haus. Der Gutsbetrieb liegt unmittelbar am kleinen Alsen See außerhalb von Askersund in Südschweden. Der Großvater Thore Blom hatte viel Wald und eine große Holzhandlung, die heute von Gwendolins Onkel und seinem Sohn geführt wird. Großmutter Freda war eine absolute Bilderbuch-Großmutter. Sie starb mit 83 Jahren, am 15. Februar – am 25. Geburtstag von Gwendolin. Das war hart. Doch ihre Worte «Herzchen, mach den Kopf faul, dann wird‘s schon werden», bleiben Gwendolin immer in schöner Erinnerung und wenn sie daran denkt, huscht stets ein Lächeln über ihr Gesicht.
***
So auch jetzt. In diesem Edelweiß Flugzeug Airbus A320. Je länger der Flug dauerte, je klarer wird ihr, dass jetzt wirklich eine Veränderung ihres Daseins kommen muss. Hundertpro. Doch in wie vielen Situationen hat sie schon daran gedacht, etwas in ihrem Leben zu verändern. Gwendolin, 42 Jahre alt, hat es einfach noch nicht geschafft!
Vor 5 Jahren gab es ein Erlebnis, das ihr zu denken gab. Ihr Ehemann David stand auf, küsste Gwendolin liebevoll auf die Stirn, ging duschen, Kaffee machen, Zeitung aus dem Briefkasten holen, und brachte alles wie gewohnt ans gemeinsame Bett. Er agierte und sie behauptet sich, ohne große Worte, ohne Anspruch, ohne Murren, ohne Probleme. Es war einfach nur langweilig. So kam es, dass sich Gwendolin an diesem Morgen, nach dem Küsschen und dem »Tschüss und bis später«, ins Bad bewegte, sich auf die Kloschüssel setzte und dachte, was tue ich da? Ist das mein Leben? Und wo ist der Sinn dabei?
Nur – geändert hat sich nichts. Weder tote Katzen, Schlaganfälle von Familienangehörigen, Beinbrüche von Kollegen, die Feuersbrunst im Nachbarhaus, nicht mal die eigene Scheidung, der Verlust einer sicheren Ehe und die damit einhergehende Erniedrigung, dass der Ehemann eine andere hat, konnten Gwendolin aus ihrem fad gewordenen und langweiligen Dasein locken.
Nicht etwa, dass sie bis anhin groß gelitten hätte – oh nein, ganz im Gegenteil, Gwendolin war und ist immer von sich und ihrer Umwelt überzeugt. Es läuft wies läuft, es ist alles gut, es muss so sein, es ist wie es ist. Das Leben plätschert weiter – bis heute. Sie dreht sich in ihrem Hamsterrad und macht den Kopf faul. Dass sie damit allen Anforderungen und Disharmonien aus dem Weg geht, ist ihr zwar bewusst, doch es scherte sie einfach keinen Deut,