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Drei Bäume
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eBook92 Seiten1 Stunde

Drei Bäume

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Über dieses E-Book

… Die Gedanken der Autoren, die vor Jahrzehnten gedacht, die Gefühle darin, die in anderen Zeiten, ja Epochen gefühlt, die Tränen, auf Grund überschäumender Emotionen, die empfunden worden sind, nehmen mich gefangen und üben einen unwiderstehlichen Reiz aus. Ich greife danach. Das Papier des Buches, es raschelt wie welkes Laub, es schlägt eine Brücke zwischen mir und dem Text …

Diese Brücke von Worten und zwischen den Zeiten, zwischen der Vergangenheit und dem Hier und Jetzt, schlägt der Autor mit seinen tiefgreifenden Kurzgeschichten, die für ihn vielleicht auch Mittel
und Weg sind, all das Erlebte zu verarbeiten und bestimmte Dinge –
so wie sie sind – einfach zu akzeptieren.

Gerd l’Etienne hat in seinem Leben schon vieles miterlebt und ist oft enttäuscht worden, doch hat er auch erfahren, wie es ist, lieben zu dürfen und geliebt zu werden. In seinen Erzählungen möchte er dem Leser seine eigenen Lebenserfahrungen näherbringen, zurückschauen in die Geschichte, die kein Deutscher je vergessen sollte, denn aus Fehlern in der Vergangenheit sollte man lernen. Die Kurzgeschichten „Drei Bäume“ des Autors geben Einblick in ergreifende Schicksalsschläge, machen betroffen, vermitteln aber genauso auch Hoffnung und regen zum Nachdenken an. Sie sind Nahrung für Seele, Körper und Geist – diese Einheit, die uns als Menschen erst zu einem Ganzen werden lässt.
 
SpracheDeutsch
HerausgeberEuropa Edizioni
Erscheinungsdatum31. Okt. 2022
ISBN9791220133869
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    Buchvorschau

    Drei Bäume - Gerd l'Etienne

    DIE TAUBE

    In Düsseldorf am Hauptbahnhof, von Aachen kommend, sitze ich jetzt auf einer Bank auf Bahnsteig 7 und warte auf meinen Anschlusszug nach Berlin. Der Bahnsteig ist leer, es ist ein grauer Tag. Auf den kleinen Mosaiksteinen des Bahnsteigs sehe ich sie – die Taube. Das grausilbrig glänzende Gefieder aufgeplustert, steht sie etwas zur linken Seite geneigt vor mir und schaut mich an. Am linken Fuß fehlen alle Zehen, und sie stützt sich mühsam mit dem Stumpf am Boden ab. Rechts hat sie nur noch zwei Zehen, die seltsam verkrümmt am Boden haften. Ich mag keine Stadttauben.

    Sie sind dreckig, lästig und oft aufdringlich … und doch ist sie, diese Taube, irgendwie anders. Auf ihren verkrüppelten Füßen stehend schaut sie mich an – und tut mir leid! „Na, du hast bestimmt Hunger, sonst würdest du wohl nicht so vor mir stehen? Wo du dich wohl wieder herumgetrieben hast, so wie du aussiehst, bestimmt hast du die Zehen irgendwie beim Klauen verloren – oder hast nicht gut aufgepasst …" 

    „Irrtum …" 

    Erstaunt blicke ich auf! 

    „Ihr Menschen hasst uns, schadet uns, wo ihr nur könnt. Ihr legt Gift aus, schlagt spitze Nägel dorthin, wo wir sitzen können; und überhaupt …" 

    „Aber deine Beine, da hast du nicht aufgepasst …" 

    „Nein, nein! Eure menschlichen Haare sind schuld, sie legen sich um unsere Zehen, sodass diese absterben … Ihr seid wirklich das Letzte …" 

    „Nun mach aber mal einen Punkt! Wir tun so viel für den Tierschutz, füttern die Tiere im Winter, bauen Nistkästen im Wald und die Vogelhäuser im Winter …" 

    „Und wir Tauben? – Gift! Und alles, was wir essen könnten, wird weggefegt!" 

    „Aber wir Menschen sind eben menschlich …" 

    „Ein Schimpfwort ist das, pfui!" 

    „Unsere Wissenschaft, die Ingenieurskunst, Humanismus …" 

    „Und die 40 Gramm, die wir täglich brauchen – einfach weggefegt." 

    Ich öffne meine Tasche und hole ein belegtes Brötchen daraus hervor – mein Reiseproviant. Ich breche ein Stückchen ab und werfe es auf den Bahnsteig. Die Taube pickt es auf und verschlingt es gierig. Ich gebe ihr noch etwas, sie tut mir leid … „Aber, wir Menschen, seit Jahrtausenden haben wir uns entwickelt! Was menschliche Intelligenz alles hervorgebracht, ja geschaffen hat! Wir – wir sind doch die Krone der Schöpfung!" 

    „Ach ja? Und die Kriege? Habgier? Verbrechen? Wozu benutzt ihr denn eure Intelligenz? Um euch gegenseitig zu betrügen? Menschen in Vernichtungslagern zu quälen? Umzubringen? Krone der Schöpfung? Bei euch gibt es diese Krone. ER hat diese besondere Krone aus Dornen für euch getragen. Für euch ist er gestorben ... 

    Gut, dass es sie gibt, diese Krone. Sie schützt euch – ein Symbol der Vergebung und der Erlösung. Die Möglichkeit für euch, dass ihr in eurer Schuld bestehen – ja mit ihr leben könnt." 

    Aus der Ferne höre ich den Zug. Scheinbar langsam, aber mit rasender Geschwindigkeit wird die graue, schlanke Nase des ICE größer. Die Taube erhebt sich in

    10

    die Luft. Die kranken Zehen sind im grauen Gefieder verschwunden.

    Die Wolken reißen auf und man sieht den blauen Himmel im Lichte eines Sonnenstrahls. Die Taube – Symbol des Friedens – steigt immer höher und höher und entschwindet im immer helleren Schein der Sonne. Der ICE steht, die Türen öffnen sich. Einsteigend höre ich die Durchsage: „ICE nach Berlin Hauptbahnhof, mit Weiterfahrt über Südkreuz nach Auschwitz Birkenau." – Krachend werden die hölzernen Türen der Viehwaggons zugeschlagen … und verriegelt … Schreie … Männer in derben Stiefeln rennen über den Bahnsteig … Der Zug setzt

    sich langsam in Bewegung …

    DAS HOCHHAUS

    Ein grauer Umschlag. Durch das Sichtfenster kann ich die Umrisse des Stadtsiegels erkennen. Offenbar ist es jetzt so weit. Hastig reiße ich den Brief auf. „Sehr geehrter Herr hmm … hmm … hmm … wir bitten Sie, sich am Montag, den 13. September, um 09:30 Uhr im Hochhaus Zimmer 4.012 im 4. Stock zu melden. Dieses Schreiben und die erforderlichen Papiere bringen Sie bitte mit und geben Sie sie dort im Vorzimmer ab. Ich weise Sie darauf hin, dass Sie bei Nichterscheinen mit einer Zwangsvorführung zu rechnen haben. Diese Mitteilung ist maschinell erstellt und daher nicht unterschrieben." Ich lasse das Schreiben sinken und starre die Wand in meinem kleinen Zimmer an.

    Was wissen die? Was gebe ich besser zu und was muss ich unbedingt verschweigen?

    Es sind ja noch drei Tage, ich habe also noch etwas Zeit, mich auf alles vorzubereiten. Trotzdem – ich mache mir Sorgen. Es wird ein Wochenende, was ich mit Angst vor der möglichen Katastrophe und den, für mich schwerwiegenden, möglichen Folgen verbringen werde.

    Ich höre einen mir bekannten, oft vernommenen Ton, ein Klirren, in meinem Kopf. Erst leise, dann immer lauter werdend. Gleich ist es wieder da, dieses milchige undurchsichtige Etwas, was alle Umrisse wie im Nebel erscheinen lässt. Ich gehe ins Schlafzimmer und presse die Fingerspitzen gegen meinen Kopf und hoffe, dass es nachlässt – oder zumindest besser, erträglicher wird.

    Am Montag stehe ich schon um 09:05 Uhr vor dem Hochhaus. Ich habe mir die alten Jeans und ein abgetragenes Sakko angezogen. Dazu ein kariertes Hemd, weil ich

    nicht sicher war, ob eine Krawatte, dem Anlass entsprechend, angebracht gewesen wäre. Ich betrete sieben Minuten vor dem angegebenen Termin das Hochhaus und gehe schnellen Schrittes zur Anmeldung. Ein kleiner, freundlicher Mann in einer schäbigen Uniform prüft meinen Ausweis und sieht mich lächelnd an.

    „Gehen Sie bitte in Zimmer 117 im ersten Stock und warten Sie, bis Sie aufgerufen werden …!"

    Er wendet sich dem Nächsten zu. „Aber … ich sollte mich doch um 09:30 Uhr … „Tun Sie, was ich sage, es ist eine Anweisung von oben!

    Sein Gesicht ist nicht mehr so freundlich, eher verschlagen, hinterhältig. Ich gehe die Treppe zum ersten Stock hinauf. Den Fahrstuhl möchte ich nicht nehmen. Es könnte ja möglicherweise nicht angebracht sein. Der Flur ist eng und dunkel, und ich habe Mühe, das Zimmer 117 zu finden. Es gibt keine Stühle

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