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der jäger und die hast
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eBook391 Seiten5 Stunden

der jäger und die hast

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Über dieses E-Book

Eine wundervoll illustrierte Ausgabe von Band 3 der außergewöhnlichen Buchreihe "der dämon und die lethargie" - aus der Feder der Künstlerin Jeanette Y. Hornschuh.

Eine Kindheit zwischen den Erwartungen, die Rolle eines zukünftigen Jägers zu erfüllen, und dem Wettbewerb mit seinem Freund Levian, der ihn in einfach allem zu überragen scheint, ist für Traian alles andere als einfach. Als Levian und Nileyn schließlich fortgehen, um fortan in ihrem alten Elternhaus zu wohnen, bricht für ihn eine Welt zusammen. Traian sehnt sich danach, wie Levian endlich als vollwertiger Jäger anerkannt zu werden.
Doch dieses Ziel scheint unerreichbar…

Melancholisch, stilvoll und mitreißend - ein Werk, das ohne jeden Zweifel wohl zu den schönsten Büchern zählt!
SpracheDeutsch
Herausgebertredition
Erscheinungsdatum1. Nov. 2022
ISBN9783347721876
der jäger und die hast
Autor

Jeanette Y. Hornschuh

Jeanette Y. Hornschuh lebt mit ihrer Familie umgeben von goldenen Feldern und malerischen Wiesen. Schon als Kind zeichnete sie gern Geschichten und betrachtete die Welt hierbei auf ihre ganz eigene Weise. Später studierte sie Finance / Accounting / Controlling / Taxation in Eberswalde; seit 2012 ist sie im Bereich Transfer Pricing tätig und arbeitet außerdem als freischaffende Illustratorin und Autorin. Jeanette bewegt sich in einem interessanten Umfeld zwischen Zahlen und Farben - was für eine Mischung! Sie zieht einen einzigartigen Humor hieraus und verarbeitet ihn zu lebendigen und mitreißenden Geschichten. Ihre Jugendromane schaffen eine Welt, die den Leser vom ersten Augenblick an verschlingen.

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    Buchvorschau

    der jäger und die hast - Jeanette Y. Hornschuh

    1.

    „Komm, beeil dich!" Sie zieht kräftig an meinem Ärmel.

    „Mh… is‘ ja gut…" murmle ich und lasse mich mitschleifen. Wir laufen durch den Flur. Die ganze Zeit hält sie meine Hand. Als sie die Haustür öffnet, fällt das helle Licht auf uns. Ich reibe mit der Hand über meine Augen. Es ist noch so früh…

    „Schau mal, Traian, hier!" ruft Nileyn und zeigt auf die unterste Stufe der Treppe vor unserer Villa.

    „Was?"

    „Die Pflanze! Schafgarbe! Sie blüht feuerrot!"

    Sind die nicht immer rot? Egal, ich mache einfach ein erstauntes Gesicht: „Ah…"

    Ich gucke auf die roten Blüten. Sie wippen in der Sommersonne hin und her. Nileyn schiebt ihr Gesicht vor meins und erzählt: „Weißt du, die sind echt selten! Mael und ich haben uns mal ein Buch angesehen. Darin stand, dass die hier eigentlich gar nicht wächst! Ich kenne nur weiße Schafgarbe. Die rote soll irgendwo wachsen, wo…"

    Und es geht wieder los… Seitdem Nileyn und ihr älterer Bruder Levian bei mir und Mael wohnen, versucht Nileyn mich für Blumen oder Kräuter oder Sträucher oder was auch immer zu begeistern… Ich bin nicht wirklich ein Freund von Grünzeug… Aber das ist nicht schlimm, denn seit die beiden bei uns sind, sind die Tage viel spannender!

    „…und man kann aus der roten Schafgarbe dasselbe machen wie aus der weißen, glaube ich, aber…"

    Ich lebe schon bei Mael, seitdem ich vier Jahre alt bin. Er hat mich damals bei sich aufgenommen, nachdem meine Eltern gestorben waren. Mael hat mir erzählt, dass es ein Dämon war, der sie ermordet hat. Meine Eltern waren damals mit mir auf der Durchreise in Maels Gebiet gekommen und da hatte der Dämon uns aufgelauert. Mael meint, es geht vielen Kindern von Jägern so, dass sie ihre Eltern früh verlieren, denn wir Jäger leben ja für den Kampf gegen die Dämonen und die sind ziemlich stark. Ich kann mich nicht mehr an meine Eltern erinnern, aber sie sollen Nomaden gewesen sein. Das heißt, sie lebten nicht wie Mael die ganze Zeit an einem Ort, sondern wanderten herum und kämpften dabei gegen Dämonen.

    „…trocknen kann man die ganz sicher genauso wie…"

    Ich weiß nicht, wie mein Leben früher so war. Aber ich mag mein Leben hier in Maels Stadt. Er ist ein toller Meister, bringt uns viele spannende Sachen übers Kämpfen bei und er zeigt uns super Techniken, übt mit uns, erzählt uns über Dämonen und wie wir Jäger lernen können, sie mit unserem Bann zu erlösen.

    „…TRAIAN?!"

    „Ahhh! Ja! Schrei doch nicht so!"

    Nileyns blaue Augen gucken mich grimmig an, sie macht einen Schmollmund: „Du kannst mir ja sagen, wenn du dich nicht dafür interessierst…"

    „Ne… ich meine… doch! Rote Schafgarbe, echt klasse… Ich grinse Nileyn breit an, aber irgendwie ist sie immer noch sauer. „Sag mal…, fällt mir da ein, „…Nileeeyn, magst du nach dem Frühstück mit zur Brücke kommen?"

    In Maels Stadt gibt es viele Brücken. Hier fließen viele kleine und große Kanäle, die von Menschen gemacht wurden. Aber natürliche Flüsse gibt es nicht viele. Nur ganz wenige Brücken sind so gebaut, dass man darunter noch einen trockenen Platz am Rand hat. Solche Plätze findet man nur bei Flussbrücken, nicht bei Kanalbrücken. Genau so eine Brücke führt über den kleinen Fluss, der zwei Straßen weiter hinter unserer Villa langfließt - das ist ,unsere Brücke‘. Vom Platz unter der Brücke aus kann man prima in den Fluss springen, ohne gesehen zu werden. Naja… streng genommen ist das Baden im Fluss nicht verboten, aber mjööö… erlaubt ist es irgendwie auch nicht… Keine Ahnung, warum.

    „Heute nicht…" meint Nileyn jetzt und schaut zum Boden. Komisch…

    „Warum?" will ich wissen.

    Sie pustet leise aus und antwortet: „Levian und ich haben heute was vor."

    „Was denn?"

    „Darüber mag ich nicht reden…"

    Verwirrt streiche ich mir mit der Hand durch meine zotteligen braunen Haare. Nileyn starrt weiter auf die roten Blüten und sagt nichts. Ihre glatten blonden Haare wehen ihr um die Nase. Ich kicke ein Steinchen mit dem Fuß an.

    Dann schaue ich zur Villa.

    Ich kicke noch ein Steinchen.

    Dann stecke ich die Hände in die Taschen meiner kurzen Hose und frage: „Äh… und warum?"

    Da meint sie laut: „Mensch! und flüstert danach: „Na, weil heute der Todestag unserer Eltern ist.

    „Oh… mache ich nur. Es ist so lange her, dass Levian und Nileyn hier her in unsere Villa gekommen sind… zwei Jahre schon. Bei uns Jägern trauert man eigentlich nicht um die Toten. Mael sagt, dass es uns schwächen würde. Was er damit meint, weiß ich nicht, aber es hört sich an, als wäre es ihm wirklich wichtig, dass wir nicht so oft an unsere Eltern denken. „Und da wollt ihr das wieder fei… äh… nmmmh… Was sagt man denn da?!

    Nileyn schaut zur großen hölzernen Eingangstür unserer Villa und flüstert: „Naja, wir wissen auch noch nicht, was wir machen wollen. Vielleicht sitzen wir auch wieder einfach beide zusammen und reden. Aber den Tag einfach das zu machen, was wir sonst so machen, kommt uns komisch vor."

    Rumsitzen und reden wollen die… Na, da kann ich mir an einem sonnigen Sommertag wirklich Spannenderes vorstellen…

    Mein Magen grummelt leise. Ich reibe mir über den Bauch und seufze: „Schade, dann gehe ich heute allein baden. Aber erst sollten wir nen‘ Happen essen gehen!"

    Nileyn lächelt ein wenig, dann laufen wir die Stufen der breiten Treppe hoch.

    Wenn die Sonne im Sommer auf unsere gelbe schöne Villa scheint, dann strahlt sie richtig. Wenn ich mir andere Häuser in der Stadt anschaue, dann sind viele von denen viel… äh… verschnörkelter als unseres. Sie haben Vorgärten, die so aussehen, als hätte noch nie ein Kind darin getobt, und viele haben auch große Balkone oder Türme. Unsere Villa hat keinen Vorgarten und keinen Turm, aber trotzdem ist es das schönste Haus hier in der Stadt. Und vor allem ist es das Größte. Da gibt es wirklich genug Platz für jeden - ja eigentlich so viel, dass man im Haus gut Ball abjagen spielen könnte oder ein Hindernisrennen machen oder… weiß nicht, ein Hundewettrennen veranstalten könnte oder so. Aber natürlich erlaubt Mael das alles nicht… Nileyn, Levian und ich haben unsere Zimmer im ersten Stock. Dort sind auch drei kleinere Gästezimmer und zwei Bäder. Unten im Erdgeschoss ist das Wohnzimmer, das eigentlich nie einer benutzt, das Esszimmer, Küche, ein weiteres Bad, die Bibliothek, ein Arbeitszimmer und Maels Schlafzimmer.

    Als Nileyn und ich ins Esszimmer kommen, sitzen Mael und Levian schon an dem wuchtigen Tisch und warten. Ich werfe ein fröhliches „Morgen! in die Runde, aber Levian nickt nur, denn er hat gerade den Mund voll, und Mael meint im selben Tonfall wie immer: „Ihr seid spät.

    Nileyn setzt sich an den Tisch neben Levian und sprudelt los: „Entschuldige, ich habe Traian noch eine rote…"

    Hngaaa! Als wäre diese Pflanze die Sensation des Tages! Während Nileyn ohne Luft zu holen über die rote Blume, keine Ahnung was das nochmal für eine war, berichtet, setze ich mich auch an den Tisch, gegenüber von Nileyn und Levian. Mael sitzt am Kopfende und hört ihr zu, Levian kaut auf seinem Butterbrot rum. Mael sieht eigentlich aus, wie man sich einen Meisterjäger so vorstellt: er hat graue kurze Haare, strenge Augen und er lächelt nie. Ich nehme mir eine Scheibe vom frischen Brot und lege ein bisschen Wurst drauf. Dann esse ich mein Wurstbrot so schnell ich kann. Heute ist unser freier Tag. An jedem anderen Tag haben wir bis zum Nachmittag Unterricht bei Mael. Dann lernen wir Lesen, Schreiben, Rechnen, aber vor allem das Kämpfen. Das Training macht echt Spaß, aber einen ganzen Tag lang frei zu haben und machen zu können, was man will, ist was Besonderes. Die Zeit will ich gern mit lustigen Sachen verbringen.

    Als ich mein Brot gegessen habe, hat Nileyn immer noch nicht mit dem Frühstück angefangen… Ob Mael es merken würde, wenn ich mich jetzt herausschleiche? Er hört sich die ganze Zeit Nileyns Geplapper über die rote Blume an… Ich nehme mir schnell einen Apfel aus dem Obstkorb vom Tisch und stehe gaaanz langsam auf - „Traian, wo willst du jetzt hin?" hallt die tiefe Stimme von Mael über den Tisch. Uaaaa! - ich bleibe gleich stehen und hebe meinen Kopf. Er sieht irgendwie sauer aus, so wie er mich anguckt… auwei…

    „Najaaaaaa…, ich kratze mich am Kopf, dann grinse ich: „…ich muss mal ins Bad.

    „Mit einem Apfel in der Hand?"

    Uhhh…

    „Als… Proviant? frage ich lächelnd, aber Maels Mund zuckt nicht mal. Naja, hätte ja klappen können… Ich setze mich wieder auf meinen Stuhl, stöhnend… Nileyn hält sich die Hand vor dem Mund und kichert, Levian hebt eine Augenbraue, sagt aber nichts, und Mael lehnt sich zurück und schaut einfach nur streng. Dann - herrje! - fängt Nileyn wieder an, von Pflanzen zu erzählen. Nach achtzehn Stunden, so lange hat es sich für mich jedenfalls angefühlt, sind endlich alle fertig mit dem Frühstück. Noch während Mael seinen Stuhl vom Tisch abrückt, renne ich schon zur Tür, rufe noch „Schönen freien Tag euch allen! und bin auch schon verschwunden.

    Ganz schnell laufe ich den gepflasterten Gehweg herunter, gehe über eine breite Hauptstraße und eine schmalere Straße und dann bin ich schon bei der Brücke. Sie ist aus beigefarbenen Steinen gebaut und sie ist gerade breit genug, dass eine Kutsche darüberfahren kann. Der Rand der Brücke ist aus breiten Steinen gemauert und geht mir bis zum Bauch. Darauf ist ein Metallgeländer mit geschwungenen Kringeln festgemacht. Ich bleibe davor stehen und schaue auf den Fluss runter. Ich bin so oft hier am Fluss, die Stelle kenne ich gut. Immer gucke ich auf das Wasser, das hier mal langsam, mal schnell vor sich hinfließt. Es muss ja irgendwo herkommen, das ganze Wasser… Ich würde gern wissen, wo der Fluss eigentlich anfängt… Vielleicht kommt er ja von einer kleinen Quelle im Wald? Mael hat mir mal erzählt, dass seine Stadt ringsherum von Tannen umgeben ist… Aber gesehen habe ich das selbst noch nicht. So weit darf ich noch nicht allein laufen und bei Maels Ausflügen, wenn er Dämonen bekämpfen geht, dürfen wir ja leider nicht mit. Ich schaue mich um - gerade ist niemand in der Nähe! Also laufe ich schnell zu den Büschen neben der Brücke, dräng mich durch und rutsche den Abhang runter. Im Sommer wachsen am Flussufer so viele Pflanzen, dass es für Nileyn eine wahre Freude sein muss. Sogar aus dem Wasser sprießt das Zeug wie Hulle. Ein wenig schmule ich zu den bunten, wippenden Blumen, aber ich kann hier keine rote Blume sehen, die so ähnlich aussieht wie das, was an unserer Treppe wächst. Ich kenne nicht viele Orte in Maels Stadt, die so grün und… naja bunt sind. Irgendwie finde ich es lustig, in dieser ordentlichen Stadt einen Platz zu haben, der nicht so gepflegt ist. Am Ufer und unter dem Brückenfuß liegen viele große und kleine Steine. Ich setze mich auf einen großen Stein und lege meinen Lederbeutel neben mir ab. Dann beuge ich mich ganz weit vor. Ich kann mein Spiegelbild im Flusswasser sehen, das zwischen den Pflanzen und Steinen schwappt. Meine braunen Haare stehen wie immer zu allen Seiten ab. Ich schaue auf meine grünblauen Augen, die sich im Wasser spiegeln und die grünen Male auf meinen Wangen. Dann denke ich an Nileyn und Levian mit ihren ganz blauen und Mael mit seinen hellblauen Malen und Augen. Jeder Jäger ist total unterschiedlich… Nicht nur die Farbe unserer Male, auch wo die Male sind, ist bei jedem anders. Bei mir sind sie am rechten Arm, bei Levian und Nileyn am linken Arm, bei Mael an beiden Armen. Mael sagt, das hat was damit zu tun, mit welcher Hand wir unseren Bann einsetzen können. Der Bann ist das, womit wir Jäger die Dämonen bekämpfen. Er soll so aussehen wie ein blaues leuchtendes Band, das von unserer Hand losgeschossen wird. Wenn wir damit Dämonen treffen, lösen die sich auf. Ich würde so gern wissen, wie das aussehen würde, wenn ich meinen Bann loslasse. Aber das… Hmpf… Mürrisch hebe ich meine rechte Hand in die Luft und strecke Zeige- und Mittelfinger aus. Aber es passiert gar nichts… Klar passiert gar nichts… Ich kann meinen Bann noch nicht loslassen. Mael meinte, das muss man als Jäger erst lernen. Man muss sich selbst dafür kontrollieren und sich konzentrieren. Ich bin in beidem leider nicht so gut… Hmpfff… Ich entscheide mich, heute nicht mehr daran zu denken, sondern mich lieber mit den spaßigen Dingen zu beschäftigen, wie ich es geplant hatte. Also stehe ich auf und ziehe mich bis auf die Badehose aus. Dann laufe ich von Stein zu Stein, runter bis zum Wasser. Das ist gar nicht so einfach, denn die Steine sind ganz schön glitschig! Als ich den letzten Stein vom Ufer erreicht habe, springe ich mit dem Po zuerst ins Wasser.

    PLATSCH!!!

    Das kalte Wasser spritzt im hohen Bogen nach oben und schwappt über mir zusammen. Ich tauche unter, dann strample ich wieder hoch zur Wasseroberfläche. Ich strecke den Kopf aus dem langsam fließenden Wasser raus und lache laut: „Hahahahahahhaha!"

    „Was gibt’s denn da zu lachen?" fragt plötzlich irgendwer über mir.

    Schnell drehe ich mich um. Wer hat mich hier entdeckt?! Aber dann sehe ich, wer das ist, und ich grinse: „Na, komm doch rein, dann weißt du, was es hier zu lachen gibt!"

    Levian lächelt, schüttelt aber den Kopf und meint: „Heute mag ich nicht."

    Er steht zusammen mit Nileyn auf der Brücke. Beide haben sich ganz weit über den kleinen Metallzaun gelehnt, um mich zu beobachten.

    „Schade!" rufe ich. Da verschwinden ihre Köpfe wieder. Ein paar Blätter rascheln. Als ich mich wieder aus dem Wasser ziehe, kommen sie gerade unter die Brücke gelaufen.

    „Was macht ihr hier?" will ich wissen.

    „Wir brauchten einen Platz, an dem wir Ruhe haben." sagt Levian.

    „Zum Quatschen?!" frage ich.

    „Ja…"

    Ich schaue Nileyn an. Sie lächelt.

    „Ach so…" murmle ich zu den beiden. Ich dachte die machen das Zuhause… Aber bestimmt wollen sie nicht, dass Mael davon weiß. Muss ich denn da mit machen, also so beim Quatschen? Kann ich nicht einfach weiter baden…?! Die beiden setzen sich auf die Steine. Nileyn zieht ihre Sandalen aus und steckt die Zehen ins Wasser. Ich setze mich weiter unten ans Wasser. Dann pflücke ich ein Rohrkolbendings und zupfe dran. Keiner sagt was. Das ist irgendwie komisch…

    „Solltet ihr nicht mal anfangen? Mit Quatschen?" frage ich.

    „Ah… Nileyn guckt mich an, dann Levian, dann sagt sie ganz leise: „Ich weiß nicht, was ich sagen soll…

    Levian guckt auf seine Füße und sagt: „Darum geht’s ja nicht. Was willst du denn sagen?"

    „Ich mag ja gar nicht über Helen und so reden…" meint sie.

    Mael hat mir erzählt, wie Levians und Nileyns Eltern gestorben sind. Sie hatten wohl einen Dämon bei sich wohnen lassen. Der hieß Helen, war so groß wie ihre Mama, aber hat trotzdem viel mit Levian und Nileyn gespielt. Aber als Mael dann da aufgetaucht war, ist der Dämon ausgeflippt. Levian und Nileyn waren da gerade in ihrem Versteck im Wald gewesen. Als sie wieder nach Hause kamen, waren ihre Eltern tot…

    Ist klar, dass sie darüber nicht reden will…

    „Ich würde lieber über unsere Eltern reden…" nuschelt Nileyn.

    Ich zupfe weiter die braunen Buschel vom Rohrkolben und werfe sie ins Wasser. Manche Buschel werden durch die Strömung weggespült, andere bleiben hängen und gehen unter…

    „Geht mir auch so…" sagt Levian. Die ganze Zeit guckt er auf seine Füße. Wieder sagt keiner was. So werden die ja nie fertig!

    „Man, na dann macht das doch!" schlage ich vor.

    Da gucken mich beide an.

    „Hä?" mache ich. War das falsch?

    „Naja aber…, stammelt Nileyn, „…ich weiß ja nicht mal mehr… wie… wie sie aussahen…

    „Ist doch normal…, sagt Levian, „…du warst ja auch noch so klein…

    Nileyn war erst vier, als ihre Eltern gestorben sind, Levian war sechs.

    „Find ich auch." meine ich.

    „Kannst du dich denn noch an deine Eltern erinnern, Traian?" fragt Nileyn.

    „Was? Der Rohrkolben fällt aus meiner Hand und landet im Wasser. Warum fragt die mich denn plötzlich?! Ich winke kräftig hin und her: „Ne, ne, ne, ne, kann ich nicht, war ja auch noch klein. Aber ich will ja gar nicht über sowas reden, so wie ihr.

    „Warum?" fragt Nileyn. Aber Levian weiß, was ich meine.

    Ich kratze an meiner Wange, dann sage ich das, was Mael zu mir sagte: „Das schwächt uns nur…"

    Nileyn schaut immer noch so komisch.

    „Außerdem…, ich stehe auf und grinse, „…ist heute Spaß-Tag! Dann hüpfe ich über die glitschigen Steine und springe wieder ins Wasser.

    2.

    Wenn wir Unterricht haben, beginnen unsere Tage immer sehr früh. Mael weckt uns um sechs Uhr morgens… SECHS UHR morgens! Keine Ahnung, warum wir nicht zwei oder drei Stunden später mit dem Unterricht anfangen können. Ich habe schon so oft nachgefragt, ob das geht, aber Mael sagt immer: „Keine Diskussion, Traian." Blähhhh… Wie ich es hasse, wenn er das sagt. Wenn wir am Frühstückstisch sitzen, bin ich immer der Einzige, der deswegen schlechte Laune hat. Nileyn und Levian sind da vorbildlicher, die gähnen nicht mal! Ich glaube Mael muss die beiden auch nicht wecken, die sind bestimmt schon immer wach, wenn er bei denen anklopft…

    Nach dem Frühstück haben wir immer noch kurz Zeit, um uns fertig zu machen, dann beginnt der Unterricht. Mael ist ein ziemlich strenger Lehrer. Man muss bei ihm immer gut aufpassen, sonst schimpft er gleich. Das ist schwierig, wenn man frühs noch so müde ist… Einschlafen sollte man in seinem Unterricht jedenfalls lieber nicht… Normale Sachen wie Schreiben oder Rechnen oder Erdkunde unterrichtet er im Arbeitszimmer. Das liegt im Erdgeschoss direkt neben der Bibliothek. Da hat er drei Tische für uns aufstellen lassen und dort steht auch sein großer Schreibtisch, an dem er seinen Papierkram macht - Briefe an andere Jäger schreiben, solche Sachen halt. Das Arbeitszimmer sieht eigentlich aus wie jedes andere Zimmer in der Villa. Es hängen Streifentapeten an der Wand, unten sind an den Wänden Holzplatten festgemacht. Weiße Gardinen und dicke Vorhänge hängen vor den hohen Fenstern. Der Boden ist aus Holz. Die Möbel sind dunkelbraun und ziemlich schwer. Als ich noch kleiner war, habe ich mal versucht, daraus eine Burg zu bauen, aber die Dinger lassen sich für ein Kind echt schwer schieben… Auch wenn Levian und Nileyn mit bei sind, ist der normale Unterricht eigentlich immer ziemlich langweilig. Finde ich jedenfalls…

    Wenn der Unterricht vorbei ist, gibt es Mittag. Danach fängt der spannende Teil des Tages an! Dann lernen wir Jägersachen! Am tollsten finde ich die Kampfübungen. Die finden immer draußen, hinter der Villa statt - auf dem Hof, auf dem gerade mal ein Baum steht. Nileyn hat mir mal erzählt, was für ein Baum das ist, aber ich vergesse es immer wieder… Rasen gibt es da kaum, der Hof ist mit Steinen zugepflastert. Ein hoher Metallzaun trennt ihn von der Straße. Mael sagt, dass es wichtig ist, die Kampfübungen draußen zu machen, egal ob es regnet oder schneit. Die Dämonen treffen uns ja auch nicht extra in der Wohnstube, damit sie es beim Kämpfen schön warm haben… Nileyn macht beim Jägerunterricht nicht mit.

    Immer wenn ich sie frage, warum sie nicht mal mitkommt, lächelt sie nur. Ich weiß gar nicht, was sie macht, wenn Levian und ich üben…

    Als Levian und ich auf dem Hof stehen und auf Mael warten, schaue ich kurz hoch in den blauen Sommerhimmel. Keine Wolke zu sehen. Dann stupse ich Levian an und frage: „Und? Was ist heute der Einsatz?"

    Er rollt mit den Augen: „Man, Traian… Willst du wirklich noch weiter machen? Ist dir das nicht über?"

    Ich grinse: „Nö! Also?"

    „Hgaa…" macht Levian. Tse… er tut immer so, als wäre er zu erwachsen für sowas, aber trotzdem macht er immer wieder mit. Jedes Mal, bevor wir mit dem Kampftraining anfangen, wetten wir, wer von uns beiden beim ersten Kampf heute gewinnt. Die Trainingseinheit endet jeden Tag damit, dass wir das Gelernte nochmals üben - an uns selbst. Ich zähle nicht mehr mit, aber trotzdem ist klar: ich gewinne nicht so oft wie Levian…

    „Deinen Nachtisch morgen Mittag." meint Levian jetzt.

    „Was?!, rufe ich und mache ein wütendes Gesicht, „Neee! Das ist unfair, darum wetten wir nicht!

    „Dann nicht." meint er und legt die Hände hinter seinen Kopf.

    Hng………………

    „Na schön…" murmle ich und halte ihm meine rechte Bann-Hand hin. Er schlägt mit seiner linken ein.

    Heute üben wir Defensivkampftechniken - mal wieder… Mael erklärt uns, dass die für uns noch wichtiger sind als Angriffstechniken: „Dämonen bewegen sich wesentlich schneller als jeder Mensch in der Lage wäre. Noch dazu sind sie uns in Bezug auf das Kräfteverhältnis weit überlegen. Wenn ihr dem Angriff eines Dämons nicht ausweichen könnt, dann kann dieser eine Schlag euch bereits das Leben kosten."

    Mael zeigt uns, wie wir einem Frontalschlag ausweichen, indem wir die Hand des Gegners nach oben lenken und uns seitlich darunter wegdrehen. Dann sollen wir in der Bewegung die Hand, in der wir unser Messer halten würden, zum Gegner hinführen. Dabei erklärt er: „Die Defensive eines guten Jägers besteht nicht darin, sich proaktiv mit seiner eigenen Kraft zu verteidigen. Vielmehr solltet ihr euch die immense Kraft eures dämonischen Gegners zunutze machen. Ihr setzt an, wenn der Angriff eures Gegners noch im vollen Gange ist und nutzt seine Bewegungsenergie. Angriff und Verteidigung verschmelzen. So versetzt ihr den Angreifenden in eine Situation, in der ihr agiert und er reagiert."

    Die Bewegungen, die wir dabei üben, wirken ein bisschen wie Tanzschritte. Eine ganze Weile drehen wir uns um unseren unsichtbaren Gegner. Solange, bis Mael meint, wir würden nun die Bewegungen gut können. „Stellt euch auf, Levian und Traian., ruft er, „Wir wollen das nun anwenden.

    „Juchuuuh! freue ich mich. Wieder rollt Levian mit den Augen. „Levian wird derjenige sein, der die Rolle des Angreifers übernimmt. bestimmt Mael.

    „Immer ist er zuerst der Angreifer…" maule ich.

    Da ruft Mael: „Traian!"

    „Uääh! Ja?!"

    „Du wirst dich verteidigen, wie wir es geübt haben. Sobald Levian einen Treffer landet, hast du verloren. Wenn du zuerst einen Treffer landest, hat Levian verloren."

    „Jaha…" antworte ich und dann stellen wir uns auf. Levian war schon immer ein klein wenig größer als ich, aber heute kommt der mir irgendwie noch größer vor als sonst. Ist der schon wieder gewachsen?! Levian schaut eine Weile zu mir herüber. Er lächelt dabei nicht, atmet ruhig und ich bin mir ziemlich sicher, dass er auch nicht blinzelt… irre!

    Dann, ganz plötzlich, stürmt er auf mich zu und lässt mir seine Hand entgegensausen.

    „Goaaaahag!" rufe ich und versuche schnell, seine Hand nach oben zu lenken, aber zu spät: Levians Hand trifft mich am Hals…

    „Traian ist tot." meldet Mael.

    „Klasse…" antworte ich.

    Levian schaut mich mit hochgezogenen Augenbrauen an. Bevor ich noch etwas sagen kann, ruft Mael: „Zweite Runde." Die nächsten Runden übernimmt Levian wieder den Angriff. Und die laufen fast genauso wie die erste Runde… Levian ist viel zu schnell, dem kann man einfach nicht ausweichen… Nachdem er mich elf Mal besiegt hat, soll ich nun der Angreifer sein. Wir stellen uns wieder auf. Ich überlege mir, wo ich am besten hinziele. Vielleicht auf den Hals, denke ich… weil Levian das auch immer so gemacht hat… Dann renne ich los, auf ihn zu. Als meine Hand anfängt, sich nach oben zu bewegen, wird sie sofort von Levian weggelenkt. Er dreht sich schnell, dann trifft mich seine Hand in der Seite.

    „Hua… puste ich aus. Bei den nächsten Runden gucke ich mir ganz genau an, wie Levian sich bewegt. Mh… anders als ich fängt er viel früher damit an, meine Hand beiseitezuhauen. Wir wechseln die Rollen noch ein paar Mal. Ich werde jedes Mal ein bisschen schneller. Einmal als Levian angreift, schaffe ich es sogar, ihn abzuwehren und meine Hand an seine Seite zu hauen. „Hahaaaa! Super, oder?! freue ich mich.

    Levian reibt sich die Seite und sagt: „Toll! Du bist schneller geworden. Aber deinen Nachtisch kannst du trotzdem vergessen."

    Ich stöhne: „Ja ja…"

    Musste er mich daran erinnern…

    Am Nachmittag ist das Training zu Ende. Nileyn kommt auf den Hof raus, um Levian und mich abzuholen. Wir holen unsere Sachen und machen uns sofort auf zur Brücke. Im Sommer sind wir eigentlich fast jeden Tag da. Nachdem wir die schmale Straße überquert haben, lege ich den Rest des Weges hüpfend und wie immer auch vor mich hinsummend zurück. Ich kann einfach nicht anders! Heute ist so gutes Wetter! Und ich freue mich aufs Baden! Und ich bin noch gut gelaunt vom freien Tag gestern! Und am wichtigsten: „Hihi, haha, Nileyn stell dir mal vor, ich habe Levian heute besiegt!"

    „Ach so? Toll für dich!" lächelt Nileyn.

    Levian aber steckt seine Hände in die Taschen und pustet aus: „Da übertreibst du aber ganz schön, Traian. Du hast ja nur einen Treffer gelandet."

    „Hnnnn… wenn du das SO sagst, klingt das ja ganz anders… maule ich. Ich werfe meinen Lederbeutel über die Schulter und sage: „…Lass mich doch! Ich freu mich halt!

    Levian grinst: „Naja, du bist ja auch noch ein Jahr jünger als ich…"

    „Ha! Und trotzdem habe ich dich getroffen!"

    „Is‘ ja gut…" wedelt er ab.

    Ich grinse und drehe mich zu seiner Schwester um: „Nileyn? Soll ich dir mal zeigen, wie ich Levian besiegt habe?!"

    „Äh… Wenn du willst?" sagt sie.

    „Schau mal! rufe ich und hänge meinen Beutel schnell über den Arm. Ich hebe meine Hand hoch, so als wäre da wieder der unsichtbare Gegner vor mir. Dann drehe ich mich und lasse meine Hand mit dem unsichtbaren Messer zur Seite fliegen: „Huaaa!

    „Hihihi!" kichert Nileyn - ich weiß gar nicht, was sie da so lustig findet, aber egal.

    „Huaaa?!" lacht Levian nun.

    Ach so…

    „Hä? Klingt doch mega stark, wenn man das dabei ruft!" finde

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