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Zeitenwenden in Deutschland: Aufbruch von Ost nach West
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Zeitenwenden in Deutschland: Aufbruch von Ost nach West
eBook151 Seiten1 Stunde

Zeitenwenden in Deutschland: Aufbruch von Ost nach West

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Über dieses E-Book

»Zeitenwenden in Deutschland« ist ein biografischer Roman. Carin-Martina Tröltzsch erzählt darin die Geschichte ihrer Eltern mit besonderem Fokus auf das Leben ihres Vaters. Als Sohn einer Unternehmerfamilie im Vogtland wächst er während des Zweiten Weltkriegs auf und verbringt seine Jugend in der Deutschen Demokratischen Republik, bis er Mitte der 50er-Jahre in den Westen Deutschlands flieht.
Das Werk enthält Elemente zeitgenössischer Geschichte sowie gesellschaftliche Betrachtungen in unterschiedlichen Epochen. Geschildert werden dabei verschiedene Milieus des gehobenen Bürgertums während der Zeit des Nationalsozialismus und der DDR. Der Roman legt Zeitzeugnis ab über die Schwierigkeiten mittelständischer Unternehmen und ihrer Familien im Osten Deutschlands im Dritten Reich und in der DDR.
SpracheDeutsch
Herausgebertredition
Erscheinungsdatum6. Dez. 2022
ISBN9783347725171
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    Buchvorschau

    Zeitenwenden in Deutschland - Carin-Martina Tröltzsch

    Teil I

    Am Ende siegte die Familientradition

    An diesem friedlichen Herbstmorgen des Jahres 1913 war die Welt des Deutschen Kaiserreiches noch in Ordnung. Allmählich zogen sich die weißen Nebelfelder zurück, die sich des Nachts über den noch grünen Auen des Flusses Göltzsch bei Reichenbach im Vogtland ausgebreitet hatten. Ein warmer, goldener Oktobertag kündigte sich an. Ideale Bedingungen für eine Tagesfahrt ins weiter nördlich gelegene Altenburger Land. Der Chauffeur in korrekter Uniform stand schon bereit. Der Unternehmer Martin Tröltzsch, erst seit kurzem stolzer Besitzer eines prächtigen, bordeauxfarbigen Mercedes 28/50 PS, freute sich bereits auf die Autofahrt mit seinem 19-jährigen Sohn Fritz. Viel zu selten bot sich die Gelegenheit, einmal allein mit dem Nachwuchs durch die Lande zu fahren und ungestört über die Zukunft zu sprechen.

    Das frisch geputzte Automobil glitt durch die Herbstlandschaften Ostthüringens und Westsachsens zunächst nach Zwickau und dann weiter über Meerane in Richtung Altenburg. Nach etwa zweistündiger Fahrt erreichten die beiden Ausflügler die Ortschaft Nobitz. Fritz hatte sich schon die ganze Zeit gefragt, wohin die Fahrt denn wohl gehen würde. Sein Vater hatte es ihm bewusst nicht verraten, denn am Ziel wartete eine Überraschung der besonderen Art auf den Sohn. Und dieses Ziel war das Rittergut Stallwitz. Das Auto näherte sich dem Gutshaus über eine lange Allee mit uralten Eichen. Das Anwesen mit vierflügeliger Anlage hatte Tradition und wurde erstmals im 12. Jahrhundert erwähnt. Das jetzige Herrenhaus stammte aus dem Jahr 1706. Wirtschaftsgebäude, Scheune und Stallgebäude waren indes noch keine 100 Jahre alt und gut erhalten, ebenso wie der Kuhstall aus dem Jahr 1858.

    Der Betrieb war offenkundig bewirtschaftet, Vieh, Gerätschaften für die Ernte und einige Landarbeiter waren zu sehen. Aber kein Gutsherr trat zur Begrüßung der Gäste aus dem kunstvoll verzierten Holzportal heraus, als der Mercedes von Martin Tröltzsch auf dem knirschenden Kies vor der Treppe des Herrenhauses zum Stehen kam. Fritz schaute seinen Vater fragend an. Da lüftete er endlich das große Geheimnis und sagte: „Willkommen auf Gut Stallwitz. Ich beabsichtige, dieses Anwesen zu kaufen. Es hat zuvor schon zweimal den Besitzer gewechselt und steht nun erneut zum Verkauf. Ich bin überzeugt, dass sich aus dem Gutsbetrieb etwas machen lässt. Und ich bin überzeugt, dass Du in Zukunft mit Erfolg den Betrieb führen wirst. Bis dahin kümmert sich der Verwalter um das Anwesen."

    Vor lauter Überraschung war Fritz verstummt und schaute den Vater mit großen Augen an. Damit hatte er nicht gerechnet, wenngleich ja bereits die Nachfolge für die Firma R. Tröltzsch & Sohn in Reichenbach geregelt war. Denn im selben Jahr war sein älterer Bruder Karl an der Seite seines Vaters in das 1849 durch Robert Tröltzsch gegründete Familienunternehmen eingetreten. Die Zukunft von Fritz schien also noch ungeklärt. Und jetzt plötzlich die Perspektive des Landwirts und Gutsherren! Der Fabrikantensohn war hoch erfreut. Schon immer hatte er eine Liebe zur Landwirtschaft und zu Tieren verspürt. Tatsächlich gab es in der Geschichte der Familie Tröltzsch über Generationen hinweg diese ausgeprägte Neigung, von der auch Fritz und seine Nachkommen ergriffen waren.

    Was für einen Gegensatz würde die ländliche Idylle im Altenburger Land im Vergleich zu den Industriestädten des Vogtlandes darstellen. Zu den ratternden Maschinen der Fabrikanlagen und den rauchenden Schornsteinen. Fritz war sich sicher, dass die Übernahme von Gut Stallwitz zu einer Erfolgsgeschichte werden würde. Das Zauberwort hieß „Rotliegendes" – einen der besonders fruchtbaren Böden Deutschlands, wie er auch in der Vorerzgebirgssenke und andere Regionen zu finden ist. So träumte Fritz auf der Rückfahrt nach Reichenbach von fruchtbaren Äckern, Viehherden und einer eigenen Pferdezucht, für die er als exzellenter Reiter besonderes Interesse hegte. Kaum zu glauben, dass er dies alles schon bald besitzen würde.

    Doch schon wenige Jahre danach war der schöne Traum von Rittergut Stallwitz ausgeträumt! Es hatte sich recht bald nach Eintritt seines Bruders Karl in die Firma R. Tröltzsch & Sohn ergeben, dass der Vater plötzlich Zweifel bekam, ob sein älterer Sohn die gewaltigen Herausforderungen des elterlichen Betriebes allein würde meistern können, wenn er, Martin Tröltzsch, eines Tages nicht mehr leben würde. Denn mittlerweile war der Krieg ausgebrochen. Blutige Kämpfe gegen die Zarenarmee tobten in Ostpreußen, und in Frankreich forderte der Stellungskrieg in den Gräben von Sedan schreckliche Opfer. Viele Söhne des Vogtlandes, auch Reichenbacher, waren bereits gefallen, und die wirtschaftlichen Folgen des Krieges standen drohend am Horizont. Bei einem abendlichen Spaziergang über die der Familie Tröltzsch gehörenden Ackerflächen in Reichenbach oberhalb der Fabrik kam es zu einem längeren, ernsten Gespräch mit Fritz über die Situation des Betriebes. Martin bat seinen Sohn, von den vorherigen Zukunftsplänen als Gutsbesitzer im Altenburger Land doch wieder Abstand zu nehmen und die Führungsetage bei R. Tröltzsch & Sohn zu leiten.

    Große Enttäuschung empfand Fritz, als mit einem Mal alle landwirtschaftlichen Träume zerplatzten. Aber seine Verpflichtung, die er angesichts seiner familiären Bindung für das Fortbestehen des Unternehmens empfand, half ihm alsbald, sich mit der unerwarteten Kehrtwendung in seinem Leben abzufinden und künftig zusammen mit seinem Bruder Karl die Firma zu leiten. Von Martin Tröltzsch war dies eine hellseherische Entscheidung. Denn nur wenige Jahre nach dem Krieg, am 17. Juni 1924, erlitt er einen tödlichen Hirnschlag. Gerade 30 Jahre alt war Fritz, als er zusammen mit seinem Bruder allein die Last des Unternehmens tragen musste. Gottseidank waren die schwierigsten Jahre mit politischen Unruhen und Inflation schon wieder überwunden, und mit den „Goldenen Zwanzigern" begann auch im Vogtland ein kleiner Wirtschaftsaufschwung.

    In diesen Jahren fand Fritz auch sein privates Glück. Schon länger waren die Unternehmerfamilien Tröltzsch und Chevalier miteinander geschäftlich verbunden. Max Chevalier war Eigentümer der Gebrüder Chevalier Kammgarnweberei im nur wenige Kilometer von Reichenbach entfernten Mylau. Auch privat trafen sich die Familien ab und zu zum geselligen Beieinander. Es war eines dieser fröhlichen Sommerfeste, zu denen eines Tags Max und Paula Chevalier in den Park ihrer Villa in Mylau in schöner Hanglage in der Rotschauer Straße einluden. In der milden Abendsonne saßen die Gäste auf der Veranda und im Garten des 1897 errichteten Hauses und genossen Speisen und Getränke. Als die Nacht hereinbrach, wurden Fackeln entzündet, die das Areal in ein stimmungsvolles Licht hüllten. Der 1924 verstorbene Martin Tröltzsch war nicht mehr dabei.

    An diesem Abend veränderte sich das Leben von Fritz Tröltzsch grundlegend. Im Gartenpavillon hinter der Villa traf er auf eine fröhliche Dreiergruppe. Dort saßen im flackernden Fackellicht mit einem guten Glas Meißner Wein in der Hand sein drei Jahre älterer Bruder Karl mit seiner Verlobten Hildegard Chevalier. Für den September war bereits die Hochzeit der beiden in Planung. Neben Hilde saß ihre jüngere Schwester Ilse Chevalier. Allesamt waren sie in bester Stimmung. Fritz setzte sich dazu und berichtete mit der inzwischen nach zehn Jahren gewonnenen inneren Distanz auf humorige Weise von seinem verhinderten Gutsbesitzerdasein im Altenburger Land. Er bemerkte, wie ihn Ilse anlächelte und fühlte sich plötzlich zu ihr hingezogen. Er erwiderte ihr Lächeln. Karl und Hildegard blickten sich an und realisierten die Situation. Unter einem Vorwand zogen sie weiter und ließen Fritz und Ilse allein zurück. Über eine Stunde saßen die beiden dort und entdeckten ihre Zuneigung zueinander. So wurde am Ende aus der Vermählung von Karl und Hildegard nach nur wenigen Monaten eine „Doppelhochzeit" und aus den Tröltzschens und Chevaliers eine große gemeinsame Familie. Mit der Geburt des Sohnes Hans-Georg Tröltzsch im Jahr 1929 öffnete sich die Tür für die dritte Generation nach dem Firmengründer Robert Tröltzsch. Fritz war nun endgültig in der Familientradition angekommen. Er sollte erfolgreich die Firma R. Tröltzsch & Sohn in die Zukunft führen und diese zu einem bedeutenden Unternehmen ausbauen.

    Die Villa am Berge

    Mit Karacho raste der Leiterwagen talwärts über die abschüssige Rasenfläche hinter der wunderschönen Mylauer Jugendstilvilla. Hans-Georg Tröltzsch und sein Spielkamerad „Ritter Karli, der als Sozius mitfuhr, mussten dabei einiges an Geschick bei der Handhabung der Deichsel aufbringen, um das Gefährt ohne Bremsen unter Kontrolle zu halten und in die richtige Richtung zu lenken. Begleitet wurden die Jungen durch Dackel „Hannes, der die vor Freude johlenden Rennfahrer laut kläffend verfolgte. Die wilde Abfahrt startete stets am Gartenpavillon auf der Rückseite des Wohnhauses, dort wo eine prächtige, Schatten spendende Rotbuche stand, und endete am unteren Teil des Gartens beim „Pilz".

    Der Pilz – ein überdachtes, pilzförmiges Sitzrondell – diente besonders im Sommer in der Abenddämmerung als Ort der Ruhe und Entspannung für das Ehepaar Tröltzsch. Fritz konnte hier von den langen und anstrengenden Arbeitstagen abschalten, die häufig in aller Frühe begannen, und den Sonnenuntergang erleben. Kaum ein Geräusch war dann zu hören, nur gelegentlich ein kurzes Rattern der Eisenbahn, die in Reichenbach Anschluss an die seit 1851 nach Einweihung der Göltzschtalbrücke bestehende Hauptstrecke von Leipzig nach Hof bot. Ein romantischer Ort. Weit schweifte von hier aus der Blick hinab ins Tal der Göltzsch, über den Ort Mylau hinweg bis hin zu den gegenüberliegenden Bergen. Zu den Füßen des „Pilz" lagen die Gebäude der Firma Gebrüder Chevalier an der Hauptstraße von Mylau nach Reichenbach.

    Kein Wunder, dass Fritz Tröltzsch diesen

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