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Der Lotuskrieg 3: Endsinger
Der Lotuskrieg 3: Endsinger
Der Lotuskrieg 3: Endsinger
eBook862 Seiten10 Stunden

Der Lotuskrieg 3: Endsinger

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Über dieses E-Book

Nach Stormdancer und Kinslayer der Abschluss der Lotuskrieg-Trilogie des Bestseller-Autors Jay Kristoff – ein großartiges Fantasy-Epos mit japanischem Flair. Wie ein Lauffeuer breitet sich der Bürgerkrieg im Inselreich Shima aus. Da es der Lotusgilde nicht gelungen ist, die Kazumitsu-Dynastie zu retten, entfesselt sie ihre gefährlichste Schöpfung: einen mechanischen Giganten, den sie den Erdzerstörer nennen. Mit seiner Hilfe wollen sie das zerrüttete Reich unter das Joch der Angst zwingen. Die Gilde rüstet sich, gemeinsam mit dem Tiger-Clan und ihrer Marionette Daimyō Hirō, für die Schlacht um die absolute Herrschaft über die Inseln. Yukiko und Buruu sind gezwungen, die Führung der Kage-Rebellion zu übernehmen, neue Verbündete zu gewinnen und alte Freunde zusammenzurufen, um die Inseln gegen die Herren des Chis zu vereinen. Da tritt ein neuer Feind in den Krieg ein, der das Inselreich zu zerreißen droht, und es sieht so aus, als könnten die Sturmtänzerin und ihr Arashitora kaum genug Kraft aufbringen, in den Kampf zu ziehen – geschweige denn ihn zu gewinnen. Geheime Bündnisse innerhalb der Gilde ringen miteinander: Eine Seite strebt auf die Finsternis zu, die andere aufs Licht. Dann spaltet sich die Erde, und Armeen prallen aufeinander. Die Schlacht um ein Reich, das nur noch aus lebloser Asche besteht, bringt das letzte Geheimnis des Blutlotus ans Licht. Die Menschen Shimas müssen einer schrecklichen Wahrheit ins Gesicht sehen. Eine Mutter würde alles tun, um ihre Kinder bei sich zu behalten. Alles!
SpracheDeutsch
HerausgeberCross Cult
Erscheinungsdatum27. Mai 2022
ISBN9783966586429
Der Lotuskrieg 3: Endsinger

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    Buchvorschau

    Der Lotuskrieg 3 - Jay Kristoff

    ERSTER TEIL

    GEBURT

    Durch Finsternis wanderte er,

    Der heilige Izanagi, Schöpfer und Vater.

    Seine verlorene Geliebte suchte er,

    die herrliche Izanami, Mutter

    allen Seins,

    In der schwarzen Tiefe Yomis,

    und die Sorgen lasteten schwer

    auf seinen Schultern.

    Doch was er endlich fand,

    nach unzähligen Meilen

    und Prüfungen,

    Ließ er zurück.

    Das Buch der zehntausend Tage

    PROLOG

    Das Balg in Mutters Bauch wollte raus.

    Angeschwollen und schwerfällig schleppte sich die Sonnengöttin auf den Ozean zu. Es wurde rasch kälter: Die Schatten der Berge wurden länger, und sie krochen auf den staubigen kleinen Hof und die elenden Felder zu, die ihn umgaben. Der Wind brachte den ersten eisigen Hauch des Winters mit sich. Er blies gerade kräftig genug, dass sich die schweren Dunstschwaden über den toten Landen wie unter der Berührung eines Liebhabers leise regten. Die Oberfläche schien sich jedes Mal zu kräuseln, wenn Mutter schrie.

    Tetsuo und Hikita kauerten in der Abenddämmerung nebeneinander am Rand eines Blutlotusfelds. Die Brüder trugen fadenscheinige Lumpen, ihre Gesichter waren schmutzverkrustet. Sie waren aus dem Haus geflüchtet, als sie es nicht mehr ausgehalten hatten. Tetsuo war in Tränen ausgebrochen, weil Mutter so schrecklich geschrien hatte. Da hatte Hikita seinen kleinen Bruder an der Hand genommen und ihn nach draußen geführt. Er musste jetzt stark sein: Er war der Mann im Haus, auch wenn er erst zehn Jahre alt war. Auf seinen schmalen Schultern lastete die Verantwortung für die Familie, und sie wog so schwer wie die ganze Welt.

    Die Nachbarin war mit der Hebamme gekommen, und die beiden Frauen hatten sich in Mutters winziges Schlafzimmer gedrängt. Ab und zu kam eine nach draußen, um einen Eimer rot gefärbtes Wasser auf die rissige Erde auszuleeren oder blutige Lappen auszuwringen. Hikita sah ihnen dabei zu, die Augen hinter rußverschmierten Gläsern verborgen.

    Er wusste, was es für seine Familie bedeutete, ein weiteres hungriges Maul stopfen zu müssen. Auf ihrem erbärmlichen Stück Land gab es nicht einmal mehr genug gute Erde, um drei Leute vom Verkauf der Erträge zu füttern. Aber das Kind kam zur Welt, ob Hikita es wollte oder nicht. Immerhin konnte es ja nirgendwo anders hin.

    Tetsuo bohrte mit einem Stock in der ascheartigen Erde herum. Der Blutlotus, der sie umgab, schwankte und wogte. In den trockenen Blättern wisperte es.

    »Glaubst du, es wird wieder ein Junge?«

    »Das weiß bloß der Schöpfer«, erwiderte Hikita.

    »Ich hätt lieber eine Schwester.«

    »Und ich hätt’s lieber, wenn der Sauhund, der ihr das Balg angehängt hat, da drinnen bei ihr wär. Noch lieber hätt ich, Vater wäre noch am Leben.« Hikita stand auf und schaute finster vor sich hin. »Was man nicht alles gerne hätte.«

    Er starrte das Tōnan-Gebirge im Westen an, schwarze zerklüftete Silhouetten vor dem letzten roten Licht der untergehenden Sonne. Zwischen den Lotushöfen und den Bergen erstreckte sich in der Dämmerung das Ödland, durchzogen von tiefen Erdspalten, über denen erstickender Rauch hing. Durch die Schwaden sah er hier einen kaputten Wagen, da eine zusammengefallene Scheune – einst hatten auch dort Lotushöfe gestanden. Doch die toten Lande, die sich vom Schandfleck her ausbreiteten, hatten sie verschlungen. Hikita wusste, dass irgendwo im Gebirge das Erste Haus aufragte, die Bergbastion der Gilde. Die Gilde, so oder so ähnlich hatte er es schon im Schallapparat gehört, kochte Dünger aus den Rundaugen. Und sie blutete das Land aus, um immer mehr Lotus zu pflanzen und Kraftstoff zu gewinnen.

    Nachts flogen manchmal Himmelsschiffe über den Hof. Dann klirrten die Fenster, Tetsuo wachte auf und glaubte, Dämonen stiegen aus den Höllen empor. Hikita aber wusste, dass Oni Besseres zu tun hatten, als törichten kleinen Jungen den Schlaf zu rauben. Die Kinder der dunklen Mutter lebten tief, tief unter der Erde, in der Finsternis Yomis. Menschen waren es, die in ihren dröhnenden Maschinen den Himmel rot, die Erde aschgrau und den Regen schwarz färbten. Nicht Dämonen, nicht Götter, sondern Menschen.

    Ein heiserer Laut des Jammers drang durch das Halbdunkel: Mutter hatte sich die Kehle wund geschrien. Hikita schob sein Tuch beiseite und spuckte aus. Bruder oder Schwester, wen interessierte das schon? Er würde das Balg verabscheuen – genau wie dessen Vater, der sich bei Mutter eingeschmeichelt, ihr schöne Augen gemacht hatte. Ein elender Hund, der die Einsamkeit einer Witwe zu seinem Vorteil ausgenutzt, sie entehrt und mit einem Bastard im Bauch hatte sitzen lassen. Sollte Hikita ihm noch einmal über den Weg laufen, würde er ihn umbringen: Er würde ihm zeigen, dass sie zwar am Rand des Schandflecks leben mochten – im ärmsten Landstrich auf allen sieben Inseln des Reiches Shima –, aber dennoch zum Ryū-Clan gehörten. Drachenblut floss in ihren Adern.

    Die Scheiben klirrten, und Hikita blickte auf: Er erwartete, ein Gildenschiff aus der Dämmerung auftauchen zu sehen. Aber am wolkenverhangenen, beinahe dunklen Himmel konnte er keins entdecken. Das Klirren wurde lauter, und der Boden schwankte so heftig, dass er auf die Knie fiel. Tetsuo kam zu ihm gekrochen. Ein fürchterliches Grollen stieg aus der Tiefe auf; die Brüder klammerten sich aneinander, und Tetsuo schrie vor Angst.

    »Schon wieder ein Erdbeben?«

    Das fünfte in ebenso vielen Wochen. Das Rumpeln wurde leiser und verklang langsam, bis nur noch zu hören war, wie im Ödland trockene, veraschte Erde in die Spalten rieselte. Ein dünner Schrei ertönte: das verwirrte Jammern eines Neugeborenen, das zappelnd aus der Wärme und Geborgenheit des Mutterleibs gerissen worden war.

    »Es ist da!«, rief Tetsuo. Das Erdbeben hatte er schon vergessen. Er entschlüpfte Hikitas Armen, rappelte sich auf und rannte ins Haus; seine schmutzigen Fersen trommelten über die Verandadielen.

    Langsam erhob sich auch Hikita. Er lauschte den hungrigen Schreien des Balgs. Mutter weinte und rief ihn, ihre Stimme voller Freude: Er solle sich sein Schwesterchen ansehen. Doch der Junge schüttelte den Kopf und leckte sich die Asche von den Lippen. Er blickte über das Blutlotusfeld auf das verwüstete Land um die Berge herum.

    Dann blinzelte er. Spähte in die Finsternis.

    Im Lotusfeld waren zwei kleine Lichter aufgetaucht. Blutrot leuchteten sie zwischen den Stängeln hervor. Und was knirschte da? Es klang wie kleine Füße, die über vertrocknete Blätter und dürre Erde trippelten. Hikita starrte mit verengten Augen ins Dunkel. Das Geschrei des Säuglings hallte ihm in den Ohren. Die Dunstschwaden über den toten Landen waren dick wie Öl, sie wogten wie schwarzes Wasser. Die Lotusstängel wiegten sich sanft – irgendetwas bewegte sich durch die Pflanzen auf ihn zu –, und die kleinen Lichter flackerten, einmal, zweimal, funkelten wie die längst erloschenen Sterne.

    Nein, sie flackerten nicht, begriff er.

    Da blinzelt jemand!

    Eine kleine Gestalt kam aus dem Feld geschlurft. Das Geschöpf war von Kopf bis Fuß mit schwarzer Erde und Asche verschmiert und nicht mal einen Meter groß. Es hatte viel zu lange Arme, die über die Erde schleiften, und einen grässlichen Buckel. Es witterte in die Luft wie ein Tier. Seine Augen glommen blutrot, und ihr schreckliches Licht fiel über eine wulstige Stirn, einen haarlosen Kopf und geschwollene Lippen. Das Geschöpf erblickte den Jungen am Rand des Feldes und grinste idiotisch – ein Kleinkind, das einen neuen Spielkameraden gefunden hatte. Bloß ragten gelbe Hauer aus seinem Unterkiefer hervor, und Hikita sah jetzt, dass seine Haut unter der Schicht aus Erde und Asche mitternachtsblau war.

    »Ah-hahhhhhhhhh!«, sagte es und streckte die Arme aus.

    Hikitas Blick war starr auf die Klauen gerichtet, die scharf wie Katanaklingen aus den Fingern des Geschöpfes wuchsen.

    »Hrnnnnn-ahhh …«

    »Oni!«, wisperte Hikita. »Großer Izanagi, rette mich!«

    Der Dämon fuhr zusammen, als Hikita den Namen des Schöpfergottes aussprach, und riss die glühenden Augen weit auf. Dann kreischte er vor Zorn und sprang auf den Jungen zu.

    Und Hikita schrie gemeinsam mit seiner neugeborenen Schwester im Schatten der zerklüfteten Berge, am Rand des Schandflecks, der wie Hautkrebs auf der Insel wucherte. Schrie, als würde er nie wieder Atem holen. Als sei es vorbei mit ihm.

    Als ginge die Welt selbst zu Ende.

    1

    BRUCH

    Blitze tauchten den Himmel in grellweißes Licht und gleißten auf dem schwarzen Glas.

    Buruu und Kaiah ragten über ihr auf, ihre Gedanken ein wütender Sturm in ihrem Geist.

    Und ihr Kopf und ihr Bauch taten so weh.

    YUKIKO …

    Wovon spricht sie?

    – SAG ES IHR. –

    Was sollst du mir sagen? Wer sind »sie«?

    YUKIKO, DU BIST SCHWANGER …

    »Yukiko.«

    Sie schlug die Augen auf und blinzelte in den Zedernholzrauch, der süß duftend von der Feuerstelle aufstieg. Es dauerte einen Augenblick, bis sie richtig zu sich gekommen war und sich erinnerte, wo sie war. Wer sie war. Was sie hergebracht hatte.

    In dieses Zimmer in einem einfachen Haus im Herzen des Dorfs in den Baumkronen. Eine eisige Kälte hatte sich von den Bergen herabgesenkt, die einem bis in die Knochen drang. Hungrig wie ein Geist strich sie durch die Hochburg der Kage und sagte den Winter voraus. Und tatsächlich konnte Yukiko ihn riechen; er wartete hinter der Bühne auf seinen Auftritt. Sturmwolken, weißer Raureif und schwarzer Regen.

    Fünf weitere Personen saßen mit ihr um das Feuer herum. Der blutende, geköpfte Leib der Rebellion.

    Soldaten, die ihren Hauptmann verloren hatten?

    Oder Schafe, die ihren Schäfer vermissten?

    Kaori starrte Yukiko über die flackernden Flammen hinweg an. Unter ihren stahlblauen Augen lagen tiefe Schatten. Ihr langer schräger Pony verdeckte die Narbe, die auf ihrer Stirn begann und sich bis zum Kinn hinunterzog. Blass war sie, ihr Gesicht verhärmt. Sie kniete auf Daichis Kissen – da sie seine Tochter war, gingen alle davon aus, dass sie seinen Platz als Anführer der Kage einnehmen würde, nun, da er fort war.

    Nein, nicht fort, dachte Yukiko. Gefangen genommen.

    Neben Kaori saß Maro, das einzige andere verbliebene Mitglied des ursprünglichen Militärrats, die langen Haare zu Kriegerzöpfen geflochten. Vor seinem fehlenden Auge trug er eine Augenklappe aus Leder. Neben ihm hatte sich Schwarzdrossel niedergelassen, jener Himmelsschiffkapitän, der die Kage aus den flammenden Ruinen der Stadt Kigen herausgeflogen hatte. Er hatte einen Bart wie eine Hecke. Der gewaltige Strohhut auf seinem Kopf verbarg den größten Teil seiner skeptischen Miene. Michi war da, klein, aber gefährlich wie eine Klinge. Sie hatte sich ein Kettensägendaishō auf den Rücken geschnallt: Sowohl auf dem Katana als auch auf dem Wakizashi prangte das Wappen einer adeligen Tiger-Familie. Der schwarz-weiße Welpe Tomo, den sie aus Aishas Gemächern gerettet hatte, lag auf ihrem Schoß und nagte auf einem verknoteten Seil herum.

    Dunkle Gewitterwolken hingen am Himmel. Hin und wieder zuckte ein Blitz auf.

    Der Pulsschlag des Waldes hämmerte in Yukikos Kopf; die Gabe des Gespürs war stärker denn je. Sie gab sich die größte Mühe, den Lärm zu dämpfen und alle Wahrnehmungen nur durch schmale Spalte in der Mauer einzulassen, die sie zu ihrem Schutz in ihrem Geist errichtet hatte. Dennoch spürte sie in weitem Umkreis jedes einzelne Lebewesen, von der herabstoßenden Eule bis zur fliehenden Maus. Und im Baumwipfeldorf brannten flammend hell die Geister der Männer, Frauen und Kinder. Yukikos Hand stahl sich auf ihren Bauch, in dem die beiden winzigen Funken glühten.

    In mir!

    Es war, als würde der Gedanke nicht richtig in ihren Kopf passen. Sie konnte es einfach nicht begreifen.

    Akihito ergriff ihre andere Hand und umschloss sie mit seiner gewaltigen Pranke. Sie lächelte ihn an. Monatelang hatte sie geglaubt, er sei im Kigener Gefängnis gestorben. Als sie ihn wiedergesehen hatte, war es gewesen, als käme sie nach Hause. Auf dem Schiff von Schwarzdrossel hatten sie zusammengesessen, und der Hüne hatte ihr erzählt, wie es ihm ergangen war: wie er mit seinem verletzten Bein in Kigen festgesessen, sich dort den Kage angeschlossen und Hana und Yoshi kennengelernt hatte. Yukiko hatte ihm die Blitzfangeinrichtung der Gaijin beschrieben, die Meeresdrachen und die Fangzähne. Und zum Schluss hatte sie ihm mit hängendem Kopf erzählt, warum ihre Gabe so an Kraft gewonnen hatte.

    Sie hatte ihm gesagt, wer der Vater war, und er hatte nicht einmal mit der Wimper gezuckt. Hatte sie bloß in eine seiner furchterregenden Akihito-Umarmungen gezogen, ihre Stirn geküsst und gesagt, alles werde gut.

    Jetzt saß er neben ihr, die Haare zu kleinen, festen Zöpfen geflochten. Der rechte Oberarm war verbunden: Er hatte sich das Symbol des Shōgun von der Haut brennen lassen. Yukiko erinnerte sich daran, wie Daichi dasselbe für sie getan hatte, hier in diesem Zimmer. Der Gedanke, dass der alte Mann angekettet in irgendeinem Kapitelhaus lag, erfüllte sie mit loderndem Zorn. Unwillkürlich sah sie das Bild des Jungen vor sich, der sie alle verraten hatte. Den Anführer der Kage ans Messer geliefert. Er war in den Schoß der Gilde zurückgekehrt, der er doch den Rücken gekehrt hatte.

    Der Junge, der gesagt hatte, er liebe sie.

    Sie seufzte und fuhr sich mit der Hand durchs Gesicht.

    Götter, Kin, wie konntest du nur?

    Am Himmel tauchte Kaiah durch die dunklen grollenden Wolken und genoss den Sturm. Buruu lag zusammengerollt auf der Terrasse und beobachtete Yukiko. Sein Schwanz zuckte unruhig, und er hatte den Kopf schief gelegt. Er sorgte sich um sie.

    GEHT ES DIR GUT, SCHWESTER?

    Sorgte sich um die Zwillinge in ihrem Bauch.

    Ihr Götter. Ihr Mund war staubtrocken. Sie konnte kaum schlucken. Zwillinge …

    »Yukiko!«, sagte Kaori nun auch. »Ist alles in Ordnung?«

    Yukiko blinzelte. Sie schüttelte den Kopf, als könne sie die Gedanken damit vertreiben. »Entschuldige. Ich bin bloß müde.«

    »Wir sind alle müde. Schlafen kannst du, wenn du tot bist.«

    »Mir geht’s gut.« Sie straffte die Schultern und strich sich die Haare aus den Augen. »Mach ruhig weiter.«

    »Na dann«, sagte Kaori. »Wir müssen unsere nächsten Schritte planen. Da die Hochzeit nicht stattfinden konnte, fühlen sich die Drachen den Tigern nicht länger verpflichtet. Und da der Daimyō des Fuchs-Clans, Isamu, es abgelehnt hat, auch nur nach Kigen zu reisen, um den Festlichkeiten beizuwohnen, können wir wohl davon ausgehen, dass auch die Kitsune den Tigern nicht gerade zugeneigt sind. Das könnte unsere Chance sein, Shima ein für alle Mal von der Gilde zu befreien!«

    »Ganz so einfach ist es nicht«, wandte Yukiko ein. »Dieser Erdzerstörer, von dem ihr mir erzählt habt … Er wird sich bald unter Hiros Kommando in Bewegung setzen. Auch wenn es ihm nicht gelungen ist, ins Kazumitsu-Geschlecht einzuheiraten, könnten die anderen Clan-Oberhäupter ihm aus Angst vor einer solchen Maschine noch Gefolgschaft schwören. Da die Phönix-Daimyō seine Gefangenen sind, stehen ihm ihre Streitkräfte bereits zur Verfügung. Sollten sich ihm die anderen Clans anschließen und gemeinsam mit ihm gegen die Iishis ziehen, haben wir ihnen nichts entgegenzusetzen.«

    »Und die Gilde weiß, wo wir sind«, sagte Michi leise. »Der Verräter hat es ihnen sicher gesagt.«

    Der Welpe kletterte von ihrem Schoß, trippelte durchs Zimmer und schnüffelte in einer Ecke herum.

    Yukiko nickte und schluckte bitteren Zorn hinunter. »Wir müssen davon ausgehen, dass Kin ihnen alles erzählt hat. Wir können uns nicht länger hier verstecken. Vermutlich ist es das Beste, den Fuchs-Daimyō zu ersuchen, uns Unterschlupf in Yama zu gewähren. Dort haben sie wenigstens eine Feste. Eine Flotte. Eine Armee.«

    »Du hast uns schon einmal dazu aufgefordert, Fremden zu vertrauen«, sagte Kaori. »Und sieh nur, was daraus geworden ist.«

    Yukiko starrte sie ungläubig an. »Willst du damit sagen, dass wir Daichi verloren haben, sei meine Schuld?«

    »Ich will sagen, dass mein Vater sich in den Händen der Gilde befindet, weil wir Fremden vertraut haben, die du hergebracht hast! Von nun an bleiben die Kage unter sich.«

    »Allein können wir nicht gewinnen, Kaori.«

    »Ach nein? Nicht mal, wenn wir die mächtige Sturmtänzerin auf unserer Seite haben?«

    »Hör mal, ich weiß, du bist wütend auf …«

    »Dein heiß geliebter Kin hat meinen Vater ausgeliefert. Und dein einstiger Galan Hiro führt eine Armee ins Gebirge, um uns zu vernichten. Sieh es mir mach, wenn ich nicht viel Vertrauen in dein Urteilsvermögen setze, Sturmtänzerin!«

    »Kaori, ich habe Daichi auch geliebt …«

    »Lass das!«, fuhr Kaori sie an. »Rede nicht über ihn, als sei er schon tot!«

    Michis Welpe fing plötzlich an zu bellen: Er rannte im Kreis und blickte zur Decke hoch.

    »Tomo!«, zischte Michi. »Aus!«

    Stumm starrten Yukiko und Kaori einander an. Nur das Knistern des Feuers war zu hören. Kaoris Blick war beinahe gehässig. Schließlich wandte sie sich Akihito zu.

    »Was ist mit den Schattenseiten-Geschwistern, die du in Kigen aufgelesen hast, Akihito-san? Dass sie die Gabe des Gespürs besitzen, könnte sie zu wertvollen Verbündeten für uns machen. Immerhin haben wir jetzt zwei Donnertiger … Wenn auch nur einer von beiden lernen könnte, das Weibchen zu reiten …«

    Der Hüne räusperte sich und warf Yukiko einen unbehaglichen Blick zu. »Weiß nicht, ob wir ihnen viel zumuten können. Yoshi hat ’ne schlimme Gehirnerschütterung. Könnte auch ein Schädelbruch sein. Und Hana ist ziemlich verstört … Sie schläft kaum.« Er schnitt eine Grimasse. »Das Auge muss ihr verdammt wehtun.«

    »Ihr Auge. Da sagst du was.« Kaori seufzte. »Deswegen haben wir schon Grund zur Besorgnis.«

    »Die Wunde wird heilen.« Akihito zuckte mit den Schultern. »Es braucht nur seine Zeit.«

    »Ich rede nicht von dem, das sie verloren hat, Akihito-san, sondern von dem leuchtenden.«

    »Oh.« Er nickte. »Stimmt schon.«

    »Was sagt denn dein Gaijin dazu, Sturmtänzerin?«, fragte Maro. »Er ist ganz schön zusammengefahren, als er das Mädchen zum ersten Mal gesehen hat.«

    Yukiko hörte ihn kaum, ihr Blick hing an Kaori. Die Worte der Frau hatten sie zutiefst bestürzt.

    »Yukiko, was sagt dein Gaijin?«, wiederholte Maro.

    Da blickte sie nach draußen. Piotr stand in sein Wolfsfell gewickelt auf der Terrasse und schaute in den Wald. Unter dem verhangenen Himmel war es so dunkel, dass er nicht viel mehr als ein Schatten war. Die Glut seiner Pfeife erhellte nur sein narbiges Gesicht, das blinde weiße Auge und den Spitzbart. Grauer Rauch, der nach Zimt und Honig duftete, drang zwischen seinen blassen Lippen hervor. Immer wenn ein Blitz aufzüngelte, glitzerte die Schiene an seinem lahmen Bein.

    Buruu peitschte Piotrs Waden mit dem Schwanz. Hin und wieder warf der Gaijin ihm einen entnervten Blick zu; dann lag der Donnertiger jedoch stets vollkommen reglos da, als könne er kein Wässerchen trüben. Wandte Piotr sich ab, schlug er erneut mit dem Schwanz gegen die Beine des Mannes. Piotr hatte Yukiko und ihm geholfen, den anderen Gaijin zu entkommen: Sie schuldeten ihm etwas. Der Donnertiger war darauf aus, Piotr seine Zuneigung zu beweisen und dabei so lästig zu sein, wie er nur konnte.

    »Es ist nicht gerade leicht, ihn zu verstehen«, sagte Yukiko. »Piotr spricht bloß gebrochen Shimanisch. Er redet über Hana, als sei sie gesegnet oder so was. Ich habe in der Blitzfangeinrichtung eine Gaijin-Frau gesehen, die ein Auge wie Hana hatte. Dieselbe Farbe, und es hat auch geleuchtet. Die Männer haben sie mit großem Respekt behandelt. Ein bisschen wie eine Heilige.«

    »Sprich mit Hana«, schlug Michi vor. »Sie ist stark, und wir brauchen jede Waffe gegen Hiro und den Erdzerstörer, die wir in die Hände bekommen können. Ganz gleich, ob wir hier oder auf Kitsune-Land kämpfen … Zwei Sturmtänzerinnen sind besser als eine.«

    Yukiko nickte müde.

    Tomo bellte wieder, und Yukikos Kopfschmerz flammte auf.

    KLEINER WOLF, WENN DU NICHT GLEICH DAMIT AUFHÖRST, VERSCHLINGE ICH DICH IN EINEM BISSEN!

    Buruu knurrte drohend. Tomo klemmte den Schwanz zwischen die Hinterbeine und gab klugerweise keinen Mucks mehr von sich.

    »Das ist noch nicht alles«, sagte Yukiko. Sie holte ein abgegriffenes Ledermäppchen hervor und hob es hoch, damit die anderen es sehen konnten. »Hier habe ich einen Brief … Der Werkmeister, der Piotr mit seinem Bein geholfen hat, hat ihn geschrieben. Er war von den Gaijin gefangen genommen worden. Piotr hat von ihm gelernt, Shimanisch zu sprechen. Wenn man in seinem Fall von ›sprechen‹ reden kann …«

    »Ein Brief von einem Gildenmann?« Kaori verengte die Augen. »An wen?«

    »Seine Liebste.«

    »Unsinn. Gildenmänner haben keine …«

    »Ayane hat uns die Wahrheit erzählt, Kaori: Es gibt wirklich eine Rebellion innerhalb der Gilde! Piotrs Werkmeister hat dazugehört. Und weil er wusste, dass die Gaijin ihn nicht am Leben lassen würden, hat er an seine Liebste geschrieben, eine Frau namens Misaki. Er bittet sie eindringlich, nicht aufzugeben und die Gilde niederzuwerfen.« Sie nahm das abgegriffene Papier aus dem Mäppchen, hielt es in den Feuerschein und las vor: »Und ich bete für dich und alle Rebellen, die noch am Leben sind: dass ihr beenden könnt, was wir zusammen begonnen haben. Tod den Schlangen! Ein Ende der Gilde! Freiheit für Shima …«

    »Tod den Schlangen?« Michi runzelte die Stirn.

    Yukiko zuckte mit den Schultern.

    »Sie foltern meinen Vater!«, zischte Kaori. »Eben jetzt, in irgendeiner ihrer Gilden-Höllengruben. Und warum? Wegen dieser kleinen Schlampe mit den Spinnenbeinen! Und du erwartest, dass wir auch nur ein Wort von dem glauben, was sie gesagt hat?«

    »Am glaubwürdigsten lügt man, wenn man die Wahrheit einflicht. Falls es wirklich eine Splittergruppe gibt, die von innen heraus gegen die Gilde arbeitet, und wir diese Misaki finden können …«

    »Du willst, dass wir Seite an Seite mit Chi-Händlern in die Schlacht ziehen?«, fragte Michi skeptisch.

    Akihito sah plötzlich so aus, als sei ihm übel. Er rieb sich seinen vernarbten Oberschenkel. »Wenn das stimmt … Wenn es Rebellen in der Gilde gibt, haben wir vielleicht beim Angriff auf Kigen Rebellen erschlagen …«

    »Ja.« Yukiko starrte ins Feuer und dachte an die Gildenschiffe, die sie über den Iishis vom Himmel geholt hatte. »Sie sind wie wir. Sie sehen, wie falsch das ist, was geschieht. Und wir haben sie ermordet.«

    IM KRIEG GIBT ES KEINE MÖRDER.

    Buruus Gedanken rollten wie Gewitterwolken über sie hinweg.

    Was würden wohl die Hinterbliebenen dazu sagen?

    DU KANNST DIR DAS NICHT ZUM VORWURF MACHEN, SCHWESTER. DU HAST ES NICHT GEWUSST.

    Aber jetzt weiß ich es. So geht es nicht weiter, Buruu. Ganz gleich, ob sie uns helfen können oder nicht, umbringen dürfen wir sie nicht! Das ist einfach falsch.

    »Kann ich mal sehen?« Kaori streckte die Hand aus. Yukiko reichte ihr den Brief und sah zu, wie Kaori ihn überflog. Ihre stahlblauen Augen und ihr Gesicht waren dabei so kalt wie Schnee.

    Tomo kläffte schrill, und Yukiko zuckte zusammen. Mit einem Fluch griff sie nach dem Geist des Hundes, drauf und dran, ihn anzubrüllen, dass er endlich still sein sollte …

    … silberne spitzen …

    Sie verengte die Augen.

    … rotes auge sieht mich an böse böseböseböse …

    SCHWESTER, PASS AUF!

    Buruu fuhr in die Höhe, stieß Piotr beiseite und sprang mit einem gewaltigen Satz von der Terrasse aufs Dach. Er landete mit einem splitternden Krachen, Maro schrie alarmiert auf, Tomo jaulte, und die Kage rappelten sich eilig hoch und wichen zurück, als zerbrochene Balken und Stroh herabregneten.

    »Beim Atem des Schöpfers!«, brüllte Kaori. »Was ist denn in den gefahren?«

    Buruu ließ sich durch das Loch fallen, das nun im Dach klaffte, landete inmitten des Chaos und schüttelte heftig den Kopf wie ein Wolf, der seiner Beute das Genick brechen will. Entgeistert sahen die Kage zu. Schließlich spuckte Buruu ihnen einen Metallklumpen vor die Füße: silbernes Räderwerk, zarte Spinnenbeine, ein Aufziehschlüssel im Rücken, ein glühendes rotes Auge.

    »Bei Izanagis Klöten!«, zischte Michi.

    Der Rat versammelte sich um den zerstörten Apparat. Er war nicht größer als eine Faust. Eins der zerbrechlichen Beine zuckte, blaue Funken sprühten, und das Licht in dem roten Auge erlosch. Buruu knurrte, und Yukiko spürte das tiefe Grollen in ihrer eigenen Brust.

    »Was bei allen Höllen ist das?«, knurrte Kaori.

    Michi sank in die Hocke, und der entsetzte Welpe nutzte die Gelegenheit, um ihr auf den Schoß zu krabbeln. Sein Blick war starr auf Buruu gerichtet. Der Donnertiger schnaubte. Sein Schwanz schwang mit katzenhafter Eleganz durch die Luft.

    DU HAST GUTE AUGEN, KLEINER WOLF … VIELLEICHT FRESS ICH DICH JA DOCH NICHT.

    »Das ist eine Überwachungsdrohne der Gilde«, sagte Michi. »Im Palast hat’s von denen nur so gewimmelt.«

    Akihito stieß die Drohne mit dem Fuß an. »Wozu sind sie gut?«

    »Was sie sehen, erfährt die Gilde.«

    Der Hüne riss die Augen auf. Ehe noch jemand etwas sagen konnte, schwang er seinen Streitkolben in die Luft und ließ ihn auf den Klumpen aus Metall und Räderwerk niedersausen.

    Michi drückte den schreckensstarren Tomo an ihre Brust. »Götter, das Ding ist hin, Akihito!«

    Entschuldigend hob der Hüne die Schultern und schlug dann prompt noch einmal zu, um ganz sicherzugehen.

    »Aber wo kommt die her?«, fragte Yukiko.

    »Kann sie ein blinder Passagier auf der Kurea gewesen sein?« Akihito sah Schwarzdrossel an.

    »Bei Amaterasus Titten, Mann.« Der Kapitän hob eine Augenbraue. »Warum sollte die Gilde Drohnen auf meinem Schiff verstecken? Hätten die geahnt, dass ich was mit der Rebellion am Hut hab, säße ich längst bei denen im Folterkeller … Das wär schneller gegangen, als eine Hafenviertelhure den Kimono hebt, um die Marineinfanterie in der Stadt willkommen zu heißen!«

    Michi kraulte dem Welpen die Ohren, um ihn zu beruhigen. »Eine der Erschafferinnen, die ich in Aishas Gemächern erschlagen habe, hatte so ein Ding in der Kugel auf ihrem Rücken.« Sie sah Kaori an. »Vielleicht gehört diese der Erschafferin, die ihr hier festgehalten habt.«

    Yukiko sank das Herz. »Ayane …«

    »Ausspioniert hat sie uns«, flüsterte Kaori. »Selbst als sie noch eingesperrt war, hat das kleine Miststück alles gesehen, was wir gemacht haben!« Sie packte die Drohne und schleuderte sie ins Feuer. Ihre zornige Stimme wurde immer lauter. »Wer weiß, wie lange das Ding uns schon beobachtet hat! Und du willst mit diesen Schlangen ins Bett steigen, Yukiko?«

    »Kaori, hör mal …«

    »Was soll ich mir denn anhören? Die Lotusgilde hat unsere Verbündeten und Freunde ermordet! Tausende Gaijin abgeschlachtet! Falls es wirklich eine Rebellion innerhalb der Gilde geben sollte, besteht sie aus Feiglingen, die Däumchen drehen, während ganz Shima untergeht!« Kaori wandte sich zu Maro um. »Mach dich auf den Weg zu den Horchposten. Wir senden heute Abend. Nennen diese Misaki beim Namen … Wir werden ja sehen, was die Daimyō sagen, wenn sie erfahren, dass in der Gilde ein Aufstand droht!«

    »Das kannst du nicht machen!«, rief Yukiko.

    »Du schreibst mir nicht vor, was ich zu tun und zu lassen habe, Sturmtänzerin.«

    »Was glaubst du denn, wie die Gilde reagiert, wenn du Misakis Namen bekannt gibst? Die bringen sie um, Kaori!«

    »Eine Chi-Händlerin weniger! Vielleicht kriegen ihre Rebellenfreunde ja dann die Ärsche hoch.«

    »Ist das dein Ernst? Seit wann geht’s uns darum, Unschuldige ans Messer zu liefern?«

    »Unschuldige?«, fauchte Kaori. »Soll das ein Witz sein?«

    »Wir können uns mit den Gildenrebellen zusammentun! Wir sind auf derselben Seite, verdammt noch mal!«

    »Ach, tatsächlich? Und was haben diese Leute getan, während die Gilde den Himmel in Blut getaucht und die Flüsse in Teer verwandelt hat?«

    »Lies den Brief! Jahrelang haben sie sich vorbereitet, haben nur darauf gewartet …«

    »Genau!«, brüllte Kaori. »Gewartet haben sie … Und Tausende sind gestorben! Vögel sind vom Himmel gefallen, Wälder abgeholzt und Gaijin zu Dünger verarbeitet worden. Und worauf haben sie gewartet? Auf eine Einladung? Auf den perfekten Zeitpunkt, der, das wissen wir alle, niemals eintritt?«

    »Es ist nicht richtig, Kaori! Welches Recht haben wir, die Leben dieser Menschen aufs Spiel zu setzen?«

    »Ach, was bist du doch für ein leuchtendes Vorbild! Die mächtige Arashi no …«

    »Nun hör endlich auf mit diesem Sturmtänzer-Scheiß!«

    Sie standen einander jetzt so dicht gegenüber, es hätte nicht viel gefehlt, und ihre Nasenspitzen hätten sich berührt. Kaoris Hand lag auf dem Griff ihres Wakizashi; Yukiko hatte ihr Katana noch nicht angerührt. Die Klingen waren Schwestern: Daichi hatte sie geführt, ehe er sie an seine Tochter und die Sturmtänzerin weitergegeben hatte, zwei Frauen, von denen er gehofft haben musste, dass sie Seite an Seite kämpfen würden, wenn er einmal nicht mehr da sein sollte.

    Buruu hielt sich dicht neben Yukiko. Er knurrte; sein wachsender Zorn spiegelte ihren eigenen. Kaiah landete auf dem Dach und spähte durch das Loch. Überall im Dorf wurden Laternen angezündet, und vom Schlaf zerzauste Menschen steckten die Köpfe aus ihren Häusern, um nachzuschauen, was der Lärm zu bedeuten hatte. Kaori schien nichts davon mitzubekommen; sie brüllte weiter.

    »Wir kämpfen und sterben, Yukiko! Wir zahlen den Preis, während deine Gildenrebellen sich in ihren Kapitelhäusern die Eier schaukeln! Tja, aber jetzt werden sie rausfinden, wie es ist, wenn man blutet! Wie wir! Wie ich

    »Es geht hier aber nicht um dich!«

    »Um uns alle geht es! Um alle im Dorf, die einen Vater oder Freund in ihm gesehen haben.« Kaoris Augen verengten sich zu papierdünnen Schlitzen. »Er hat immer so große Stücke auf dich gehalten. Dich geliebt. Du trägst sein Schwert am Obi, und trotzdem schlägst du vor, dass wir mit den Hunden gemeinsame Sache machen, die ihn uns weggenommen haben? Kannst du dir vorstellen, was er durchzustehen hat? Immer angenommen, dass sie nicht längst Dünger aus ihm gekocht haben!«

    »Verflucht, Kaori, um Daichi geht es auch nicht! Du willst die Leute umbringen lassen, die unsere Verbündeten sein könnten! Zusammen sind wir stärker als allein, verstehst du das nicht?«

    »Nicht ›wir‹, Sturmtänzerin! ›Wir‹ und ›die‹! Und ›die‹ verdienen das, was auf sie zukommt – Kin, Ayane und alle anderen auch. Du willst, dass ich der Gildenrebellen wegen Rotz und Wasser heule? Ich spucke auf sie! Jeden Einzelnen wünsche ich in die tiefste aller Höllen! Du verlangst, dass wir diesen Abschaum willkommen heißen? Du bringst Schande über uns und alles, wofür wir einstehen!«

    »Wie blind dein Hass dich macht«, sagte Yukiko leise. »Wie er über dich bestimmt. Über dein Denken. Dein Handeln. Und alles nur wegen eines einzigen Augenblicks. Götter, Kaori.« Sie wich zurück. Ihr Blick blieb an der Narbe der Frau hängen. »Ich bin nicht mal sicher, ob Yoritomo klar war, wie hässlich er dich machen würde.«

    Die Zeit schien stillzustehen. Kaoris Augen weiteten sich, ihre Pupillen zogen sich zusammen. Sie hielt den Griff des Wakizashi so fest umklammert, dass ihre Fingerknöchel schneeweiß geworden waren. Und dann hielt sie das Schwert mit einem Mal in der Hand, und das Sirren von Stahl hing hell und klar im Zimmer.

    »Yukiko!« Akihito riss seinen Streitkolben in die Höhe.

    Kaoris Klinge fuhr auf Yukikos Kopf zu. Sie hielt sich nicht zurück: Es war ein tödlicher Angriff.

    Yukiko wehrte ab und schrie auf, als die Klingen zusammentrafen. Funken stoben, Stahl klirrte. Kaori trat Yukiko wuchtig vor den Brustkorb und brachte sie ins Taumeln.

    »Hör auf! Sie ist schwanger!« Akihitos Worte schnitten durch die Luft wie der gefaltete Stahl in Kaoris Hand.

    Ein furchtbares Brüllen ertönte – wie Donner, der über den Himmel rollt, aber näher, viel näher –, dann stand Buruu zwischen Kaori und Yukiko, die Schwingen ausgebreitet. Blauweiße Funken regneten von seinen Federn. Kaiah sprang durch das Loch im Dach, setzte neben Yukiko auf und warf sich über sie, um sie mit ihrem Leib abzuschirmen.

    Buruu brüllte wieder, außer sich, den scharfen Schnabel weit aufgesperrt. Er war kurz davor, Kaori den Schwertarm am Ellenbogen abzuhacken, ihr die Eingeweide aus dem Leib zu reißen und sie vor den Augen der entsetzten Kinder auf dem Dorfplatz zu verstreuen.

    Die Kage schoben sich näher heran, die Waffen erhoben.

    »AUFHÖREN!«, schrie Yukiko.

    Diesen Schrei hörten sie nicht nur, sie spürten ihn. Die Vögel im Geäst der Bäume flogen zeternd auf; den Menschen standen die Haare zu Berge. Er drang ihnen in die Knochen und erweckte dort etwas Uraltes, Reptilienhaftes in ihrem Stammhirn, das sich heute nur noch leise regt, wenn man hungrig ist, durstig oder lüstern. Das Tier in ihnen.

    Und es fürchtete sich.

    »Hört auf!«, befahl Yukiko.

    Kaori keuchte mit offenem Mund, ihr Atem hing weiß in der Luft. Yukiko kroch unter Kaiah hervor, schob ihr Katana in die Scheide und legte Buruu eine Hand auf die Schulter. Er knurrte so tief, dass es klang, als würde der Himmel einstürzen. Es donnerte, und ein klagender Wind fuhr durch die Baumwipfel. Ein Blitz zuckte auf, dann fing es an zu regnen.

    Die Tropfen waren so klar wie echtes Glas. Eiskalt, als wollten sie sich bald in Schneeflocken verwandeln. Und sie fielen so dicht und schwer, als hätte Susanoo das Wasser wochenlang in seinen Händen gesammelt, um es nun mit einem Mal über der Welt auszuleeren. Das Feuer des Zorns erlosch, als hätte der Guss es erstickt. Doch die rauchenden Kohlen glühten weiter.

    »Schwanger?« Kaoris Stimme ging im Rauschen des Regens beinahe unter.

    »Zwillinge«, sagte Yukiko.

    »Wer ist der Vater?«

    »Das geht dich einen Dreck an.«

    »Dein Kin?«

    Yukiko leckte sich die Lippen. Schwieg.

    »Oder vielleicht unser Möchtegern-Shōgun Hiro?«

    Wieder zuckte ein verästelter Blitz über den Himmel und tauchte die Szenerie in ein grelles, unangenehmes Weiß.

    »Um ehrlich zu sein, weiß ich nicht mal, was schlimmer wäre«, sagte Kaori. »Es erklärt jedenfalls eine Menge.«

    »Das war’s dann.« Yukiko strich sich mit einer heftigen Bewegung die Haare aus den Augen. »Ich verschwinde.«

    »Du gehst?« Akihito starrte sie entsetzt an. »Wohin?«

    »Nach Yama.« Yukiko wandte sich der Menge zu, die sich auf der Terrasse versammelt hatte. »Alle, die mich begleiten möchten, sind willkommen«, rief sie. »Ich werde versuchen, ein Bündnis mit den Gildenrebellen zu schmieden. Dem Daimyō der Kitsune meine Hilfe anbieten. Und wenn der Erdzerstörer aufmarschiert, stelle ich mich ihm in den Weg. Aber ich mache mich nicht mitschuldig daran, andere Rebellen zu ermorden. Ich bleibe nicht in diesem Dorf, wenn die Kage so etwas zu tun bereit sind!«

    »Dann hau doch ab!«, fauchte Kaori. »Zieh deine Bastardkinder zwischen Gildenhunden auf. Passend ist das ja … Spielt gar keine Rolle, für welchen Verräter du die Beine breitgemacht hast, die Gören sind vom selben Schlag!«

    Es wurde ganz still. Dann brüllte Buruu markerschütternd und lehnte sich nach vorn, Kaori entgegen. Er grub die Klauen in die Dielen, und sie zersplitterten. Yukiko streckte eine Hand nach ihm aus. Sie war bleich. Der Donnertiger wandte den Kopf und blickte sie an. Sein peitschender Schwanz sprühte Wassertröpfchen in den Regen. Das Mädchen schüttelte den Kopf, die Lippen zu einer schmalen Linie zusammengepresst. Buruu fuhr wieder zu Kaori herum, mit einem Knurren, das sie zusammenfahren ließ. Aber er blieb, wo er war.

    Die Gesichter der versammelten Dorfbewohner waren erschüttert. Entsetzt. Als könnten sie kaum begreifen, wie ihnen geschah. Ein Mädchen trat vor; im strömenden Regen war nur an seinen zuckenden Schultern zu erkennen, dass es weinte.

    »Du kannst uns doch nicht allein lassen! Sturmtänzerin!«

    »Ich kann nicht hierbleiben«, sagte Yukiko. »Nicht unter diesen Umständen. Die Gildenrebellen sind wie wir. Sie sehen, was mit der Welt nicht stimmt – der Welt, die wir alle zusammen geschaffen haben! –, und sie wollen es in Ordnung bringen. Es steht uns nicht zu, darüber zu urteilen, wie sie das machen. Wir haben kein Recht, sie bloßzustellen und in Gefahr zu bringen. Wir sind nicht besser als sie! Und wenn wir uns einreden, wir wären es, können wir auch gleich das nächste Shōgunat gründen.

    Aber es steht euch frei, mich zu begleiten.« Sie wandte sich dem Himmelsschiffkapitän mit dem riesigen Strohhut auf dem Kopf zu. »Schwarzdrossel-san, würdest du sie auf der Kurea mitnehmen? Alle, die auch nach Yama wollen?«

    »Du hast mein Leben gerettet. Meine Mannschaft und mein Schiff.« Der Kapitän nickte. »Ich bringe dich und die Deinen, wohin du willst.«

    Akihito trat hinzu, und die aufgebrachten Arashitora fuhren knurrend zu ihm herum. Die Flügel ausgebreitet, die Schwänze aufgerichtet. Der Hüne erstarrte.

    »Yukiko, das kannst du nicht machen …«

    »Es lässt sich nicht ändern, Akihito. Du musst dich für eine Seite entscheiden.«

    Das Mädchen kletterte auf Buruus Rücken und schaute über die Dorfbewohner und die Wolkenwandler hinweg. Dieser kleine Knotenpunkt der Rebellion, der sich nun rascher auflöste, als irgendjemand hätte ahnen können. Eine Festung aus Lehm, die im Regen zusammensackte.

    »Das müsst ihr alle«, sagte Yukiko.

    Ein Donnerschlag krachte am Himmel.

    »Entscheidet euch.«

    2

    KAPITULATION

    Kigen, die Schöne, hatte ihre erste Tochter verloren.

    Die Stadt trug Trauerschwarz. Der breite Holzsteg der Bucht war mit den ausgebrannten Wracks von Himmelsschiffen übersät. Auf der Schattenseite brannten hier und da noch Feuer, Rauch stieg in die sowieso schon stark verschmutzte Luft auf. Die Kleider der Menschen waren rußfleckig, ihre Mienen verstört. Soldaten patrouillierten mit hängenden Schultern durch die Straßen, die Köpfe vor Scham gesenkt. Eine Mutter wanderte am schwarzen Flussufer entlang, ihr Blick so leer wie der verkohlte Korbwagen, den sie vor sich herschob.

    Als die Sturmtänzerin auf dem Markplatz gelandet war und die Stadtbewohner dazu aufgefordert hatte, die Augen zu öffnen und die Fäuste zu heben, hatte sich das ganz leicht angehört. Wie etwas Wunderbares, Ermächtigendes. Und in gewisser Weise war es das auch. Doch es hatte auch eine hässliche Seite: die Konsequenzen, brutal, herzlos und blutig.

    Nun fand Shimas Bevölkerung heraus, was es bedeutete, wenn man nicht länger auf den Knien lag. Im Schatten der Tyrannei wird einem die Freiheit nicht geschenkt, man muss sie sich erkämpfen. Wie sie es versprochen hatten, hatten die Kage-Rebellen genau das getan: Sie hatten Kigen angezündet und verhindert, dass Tora Hiro die Dynastie rettete, die Shima neun Generationen lang regiert hatte – und zwar, indem sie die Herrin Aisha ermordet hatten.

    Wer noch am Leben war und laufen konnte, kam zu ihrer Feuerbestattung. Schweigend standen die Menschen beisammen, Männer, Frauen und Kinder. Ihre schöne Herrin! Die letzte Tochter einer stolzen Familie. Sie hatte eine längst vergangene Zeit der Pracht und Herrlichkeit verkörpert. Shōgun Yoritomo, ihr Bruder, war respektiert und gefürchtet gewesen. Aisha hingegen – weise, schön und anmutig – hatten alle einfach geliebt.

    Und nun war sie tot.

    Reglos schaute ihr Bräutigam zu, wie die Flammen ihren Leichnam verschlangen. Seine Rüstung war in der Farbe des Todes emailliert, sein Gesicht mit Asche bestäubt, als würde auch er gleich auf den Scheiterhaufen gelegt werden. Er gab sich nicht die Blöße, öffentlich Tränen zu vergießen. Doch als das Feuer heruntergebrannt war, wandte sich der Daimyō des Tiger-Clans der Menge zu. In seinen Augen erblickten sie eine Leere, die ihren eigenen Verlust widerzuspiegeln schien.

    »Nichts kann aufwiegen, was uns genommen worden ist«, sagte er. »Kazumitsus letzte Tochter ist nicht mehr. Mit ihr sind alle unsere Hoffnungen für die Zukunft gestorben. Doch schwöre ich, dass sie nicht allein vor König Enma treten muss! Die Sturmtänzerin und jene elenden Kage haben diese Stadt in Brand gesteckt und uns allesamt zu Trauernden gemacht. Sie sollen meiner Braut in den Tod folgen! Auf ihre Asche will ich sie betten. Und wenn ich sterbe, sollen sie mich in den Höllen begrüßen.«

    Einige jubelten. Andere weinten. Die meisten starrten ihn nur stumm an. Was bedeuteten Worte ihnen noch? Die schönen Reden über Widerstand und Gerechtigkeit waren von der Wirklichkeit eines zerstörten Heims verdrängt worden, einer blutbesudelten Straße, eines leeren Kinderwagens. Und nun gingen junge Soldaten an Bord gepanzerter Gildenschiffe, küssten Mütter ihre Söhne, Frauen ihre Ehemänner zum Abschied, vielleicht zum letzten Mal.

    Die Zeiten waren hart. Die Winterstürme wüteten, und der Frühling lag noch in weiter Ferne.

    Sie hatten es sich selbst eingehandelt.

    Hatten es nicht anders gewollt.

    Nun herrschte Krieg.

    Fünfzehn Tage.

    Hiro stand am Geländer, die Arme hinter dem Rücken verschränkt, und blickte auf die riesige Karte der sieben Inseln hinab, die ein Stockwerk tiefer kunstvoll auf den Boden gemalt war. Sein langes schwarzes Haar war zu einem Knoten aufgesteckt, Asche hing ihm im kleinen Spitzbart und bedeckte sein Gesicht. Die eiserne Prothese, die seinen rechten Arm ersetzte, spie Chi-Rauch in die verrußte Luft. Seit dem Brand waren die Reispapierwände grau verfärbt.

    Sechs eiserne Samurai bildeten seine Leibgarde. Auch ihre Gesichter waren mit der Asche verbrannter Opfergaben bedeckt. In ihren totenweißen Rüstungen waren sie größer als zwei Meter. Ihre Mempō waren wie Oni-Fratzen gearbeitet: Sie hatten Hauer, Hörner und grinsende Mäuler voller Fangzähne. Ihre Augen über den Halbmasken glichen den Augen von Toten.

    Shateigashira Kensai stand neben Hiro am Geländer. »Ein fünfzehntägiger Marsch, Daimyō«, sagte er, und seine Stimme klang, als schwirrten viele zornige Insekten ungeduldig mit den Flügeln. »Dann seid Ihr mit dem Erdzerstörer in den Iishis.«

    Hiro warf ihm einen Blick zu. Kensais Atmos-Panzer aus Messing war mit verschnörkelten Einlegearbeiten verziert, und anstelle des insektenhaften Helms, den die meisten anderen Gildenmänner trugen, war seiner dem Kopf eines schönen Jünglings nachempfunden. Der Schmollmund des Knaben war zu einem Schrei erstarrt, und segmentierte Kabel quollen daraus hervor. Kensais glühende blutrote Augen betrachteten Hiro starr. Seelenlos.

    Drei Werkmeister waren mit der zweiten Blüte gekommen. Auch sie steckten in nietenbesetzten Messingpanzern. Ihre Mech-Abaki klickten und surrten, die Perlen auf den Streben glitten scheinbar willkürlich vor und zurück. Ob einer von ihnen geholfen hatte, den Ersatz für den Arm zu entwerfen, den sie ihm abgerissen hatte?

    Die Finger, die er nicht mehr hatte, schmerzten. Er kämpfte gegen den Drang an, sie zu massieren.

    Zu schreien.

    Das Zimmer, in dem die Männer sich versammelt hatten, war als »der Aussichtsturm« bekannt. Es befand sich im Herzen des Palastes, maß fünfzehn mal fünfzehn Meter und war zwei Stockwerke hoch. Fenster gab es keine. Betrat man das Obergeschoss, konnte man an ein Geländer um ein großes kreisrundes Loch im Boden herantreten und hatte einen wunderbaren Blick auf über tausend Kacheln, die eine gewaltige Karte der sieben Inseln bildeten. Kleine, in die Decke eingelassene Scheinwerfer strahlten winzige Armeen an: Sie waren in Kigen, in der Phönix-Hauptstadt Danro und auf dem Versuchsgelände der Gilde in der Nähe des Ersten Hauses aufgestellt worden.

    Ein Land bereitete sich auf einen Krieg vor.

    Hiro starrte gebannt die winzigen Gipfel des Iishi-Gebirges an. Einer der kleinen Scheinwerfer war auf die Stelle gerichtet, an der sich die Hochburg der Kage befand.

    Wo sie auf mich wartet.

    »Nordnordost«, sagte er. »Vom Ersten Haus zu den Iishis. Vergrößern.«

    Die Diener im Untergeschoss betätigten eine Reihe von Hebeln und drehten an Einstellrädern. Hiro hörte, wie unter den Kacheln der Mechanismus arbeitete. Dann war es, als liefe eine Welle über einen Ozean. Die Kacheln versanken, andere stiegen an ihrer Stelle an die Oberfläche und fügten sich zu einem vollständigen Bild zusammen. Nun zeigte die Karte eine vergrößerte Abbildung des nordöstlichen Inselreiches. An der Decke verschoben sich die Scheinwerfer. Im nächsten Moment leuchteten sie die Angriffsroute rot aus.

    »Wir nähern uns über Umwege«, stellte Hiro fest. »Warum marschieren wir nicht direkt aufs Gebirge zu?«

    »Die toten Lande in der Provinz Jukai solltet Ihr meiden, Daimyō.« Kensai deutete auf die grauen Kacheln um das erste Haus herum – gemeinhin wurde das Gebiet »der Schandfleck« genannt. »Der Erdzerstörer selbst hätte keine Schwierigkeiten, das Ödland zu durchqueren; einige Erdspalten dort sind jedoch zu breit, als dass die Häcksler sie überwinden könnten. Außerdem müsst Ihr unterwegs Eure Streitkräfte zusammentrommeln.«

    Hiro runzelte die Stirn. »Die Phönix-Flotte wartet nur auf meinen Befehl. Die Daimyō Shin und Shō haben mir in ihrer Güte das Kommando über ihre Armee übertragen. Meine eigenen Männer formieren sich eben jetzt.«

    »Und die Clans Ryū und Kitsune?«

    »Die Drachen können sich nicht entscheiden, und die Füchse haben sich in ihrem Bau verkrochen. Wir brauchen sie nicht. Mit dem Erdzerstörer, einhundert Häckslern und der Himmelsschiffflotte der Phönixe haben wir genug Angriffskraft, um die Kage zu vernichten.«

    »Die Drachen und die Füchse beugen sich Euch vielleicht doch noch, wenn sie erst den Erdzerstörer sehen.«

    »Nur die Vernichtung der Rebellion ist von Bedeutung, Kensai-san.«

    Die Stimme der ersten Blüte wurde frostig. »Es ist einen kleinen Umweg wert, Ryū und Kitsune die Möglichkeit zu geben, sich unserem Feldzug anzuschließen.«

    »Nein.«

    »Nein?«

    »Ich verschwende sicher keine Zeit damit, um Hilfe zu ersuchen, die ich nicht brauche! Solange Yuki…« Hiro stockte. Er atmete tief durch. »Solange das Herz von Yoritomo no Miyas Attentäterin schlägt, lebt die Elite Kazumitsus in Schande. Die Kage haben meine Stadt in Brand gesteckt. Meine Verlobte in ihrem Bett ermordet! Sie müssen sterben, allesamt. Das kann nicht warten, Kensai. Es muss jetzt sein!« Er hieb mit der eisernen Faust auf das Geländer.

    »Also noch einmal.« Kensai verschränkte die Arme vor der Brust. »Ihr führt den Ryū und den Kitsune den Erdzerstörer vor. Und sollten sie Euch daraufhin die Treue schwören wollen, nehmt Ihr an.«

    »Du vergisst dich, Gildenmann. Ich bin dein Shōgun!«

    »Das seid Ihr eben nicht, Hiro-san. Daimyō Haruka vom Drachen-Clan hat Euch keinen Eid geleistet. Und Daimyō Isamu vom Fuchs-Clan hat nicht einmal die Einladung zu Eurer Hochzeit angenommen. Tiger- und Phönix-Clan befehligt Ihr aus einem einzigen Grund: Die Lotusgilde versorgt Euch mit den Waffen. Wir sind Eure Stärke. Daher lasst es Euch gesagt sein: Sollten die Füchse oder die Drachen vor Euch kapitulieren, nehmt Ihr Euch die Zeit, sie mit offenen Armen zu empfangen! Ihr mögt es auf einen ehrenvollen Freitod abgesehen haben, doch auch nachdem die Rebellion zerschlagen ist, muss jemand die Verantwortung für das Wohl des Reiches übernehmen. Der Krieg gegen die Gaijin muss fortgeführt werden! Wir brauchen mehr Land. Mehr Sklaven. Mehr Inochi. Daher werden wir tun, was wir können, um endlose Scharmützel mit den Füchsen und den Drachen zu vermeiden.«

    »Ich werde nicht …«

    »Ihr werdet tun, was man Euch heißt!«

    Wie ein Mann zogen Hiros Samurai ihre Kettensägenkatanas und drückten auf die Zündknöpfe. Im Licht der Laternen, die an den Wänden im Obergeschoss hingen, schimmerten die wirbelnden Klingen sowie die Augen der totenweißen Samurai über ihren Dämonenhalbmasken. Die Schwerter machten einen mörderischen Krach: Die Kettensägenklingen kreischten, die Motoren dröhnten.

    Kensai lachte hohl. »Eure Männer ziehen ihre Waffen gegen mich? Ich beliefere Euch mit dem Chi, das sie antreibt! Dank mir habt Ihr jene gewaltige Kriegsmaschine, die Ihr gegen die Kage ins Feld führen wollt!« Der Shateigashira gluckste. »Die Rebellen haben nicht nur Euren Hafen, sondern auch Eure Flotte in Rauch und Flammen aufgehen lassen, Daimyō. Ohne die Hilfe der Gilde könnt Ihr nicht einmal Eure Truppen bewegen!«

    »Die Züge fahren noch! Ich kann meine Armee ebenso gut auf diese Weise nach Norden schicken.«

    »Und wer liefert den Kraftstoff für die Lokomotiven?« Kensai schüttelte beinahe mitleidig den Kopf. »Steckt eure Schwerter weg, Kinder, und erinnert euch daran, wer ihr seid.«

    »Wir sind Krieger des Tiger-Clans! Samurai!«

    Kensai seufzte. »In erster Linie«, sagte er, »gehört ihr uns.«

    Hiros Unterkiefer war verspannt, die Hände hatte er zu Fäusten geballt. Doch schließlich gab er seinen Männern ein Zeichen. Widerstrebend streiften die Samurai je einen Panzerhandschuh ab, ritzten sich in die Finger, schmierten einen Blutstropfen auf den blankgezogenen Stahl und schoben dann die Schwerter wieder in ihre Scheiden. Kensai schaute zu. Sein Gesichtsausdruck blieb hinter der Maske des Jünglings verborgen.

    »Eure Rede am Scheiterhaufen der Herrin Aisha war sehr bewegend, Daimyō«, sagte er. »Aber die Zeit für Gespreize ist nun vorbei. Es stimmt: Die Sturmtänzerin stellt eine Bedrohung für diese Nation dar, die nicht unterschätzt werden darf. Innerhalb weniger Wochen hat sie die Bevölkerung aufgewiegelt und die Hauptstadt des Reiches in Schutt und Asche gelegt. Doch gaukelt Euch nicht vor, durch ihren Tod würden sich die Probleme des Shōgunats in Luft auflösen! Wenn Ihr Euch nicht um die Zukunft Eures Landes schert, beweist wenigstens genug Verstand, auf jene zu hören, denen sie am Herzen liegt.«

    Seine Augen glühten so blutrot wie die sterbende Sonne selbst.

    »Habt Ihr mich verstanden, Hiro-san?«

    Hiro starrte auf seinen Räderwerk-Arm hinab, auf die Kugelgelenkfinger. Die eisengrauen Spanndrähte waren nun knochenweiß emailliert. Die Farbe des Todes. Und der Tod erwartete ihn – ein ehrenvoller Tod, wie Bushidō es vorschrieb. Bald würde er sterben, und mit ihm das Mädchen, das ihn einst seinen Liebsten genannt hatte.

    »Ja«, sagte er. »Ich habe verstanden.«

    »Sobald Ihr Euch dem Erdzerstörer anschließt, marschiert er los«, sagte Kensai. »Und fünfzehn Tage später seid Ihr in den Iishis.«

    Knochenweißes Metall ballte sich zur Faust.

    Hiro nickte. »Fünfzehn Tage.«

    3

    DIE HAUT ABSTREIFEN

    Bei jedem Atemzug, den er mühsam durch zusammengebissene Zähne zog, flammte der Schmerz auf wie Sonnenlicht, das auf zerbrochenem Glas gleißt. Daichi hustete röchelnd und schmeckte schwarzen Auswurf auf der Zunge. Er saß vornüber gesunken in einer fensterlosen Zelle auf einem Stuhl aus Eisen. Metallschellen schnitten in seine Handgelenke. Seine Nase war gebrochen, aber den überwältigenden Chi-Gestank nahm er trotzdem wahr. Das Wummern unzähliger Maschinen drang durch den Boden.

    Wie lange war er jetzt schon hier? Tage? Wochen? Sein Magen war so leer, dass er nicht einmal mehr knurrte. Sein Kopf dröhnte – gerade erst hatten sie ihn das letzte Mal verprügelt. Aber noch hatten sie seinen Willen nicht gebrochen. Noch hatte er sie nicht angefleht. Noch nicht.

    Natürlich wusste er, dass es nur eine Frage der Zeit war. Selbst Berge verwandelten sich in Sand, fiel der Regen nur lange genug. Und wenn sie ihn gerade in Ruhe ließen, setzte ihm stattdessen die Rußlunge zu. Unerbittlich. Sogar wenn die Erdbeben die Wände zum Wanken brachten und in der Finsternis Staub auf ihn herabsank, sogar wenn die Lotusmänner anderes zu tun hatten, als auf ihn einzudreschen, sammelte der Feind in seinem eigenen Leib seine Truppen. Wer würde dieses Rennen letzten Endes wohl gewinnen? Wer würde ihn umbringen?

    Er hatte einen klaren Favoriten.

    Die Zellentür öffnete sich, und schmerzhaft grelles Licht fiel herein. Schwere Stiefel trommelten über den Steinboden und mischten sich mit dem Sirren der Räderwerk-Panzer. Wie viele waren es dieses Mal? Vier? Fünf?

    Spielte es überhaupt eine Rolle?

    Kühle glatte Finger an seinem Handgelenk. Jemand hob sein Augenlid, und flüchtig sah er lange, silberne Spinnenglieder, blutrote Augen in einem Gesicht, das kaum ausgestaltete Züge besaß. Eine Wespentaille. Glänzendes Metall. Die Geräusche, die an sein Ohr drangen, erinnerten ihn unangenehm an wimmelnde, klickende Insekten.

    »Wie ist sein Zustand?«

    Eine tiefe, summende Männerstimme. Daichi öffnete die Augen einen Spaltbreit, spähte durch den wabernden Dunst und erblickte ein Gesicht, das er kannte: das Antlitz eines Knaben, in brüniertes Messing gegossen. Eisenkabel wanden sich aus dem offenen Mund. Der Sprecher der Stadt Kigen – Kensai, die zweite Blüte, höchstselbst.

    Der Herr der Lotusfliegen war endlich zum Festmahl erschienen.

    »Er ist geschwächt, Shateigashira.« Die Stimme einer Frau, dünn und zischelnd. »Unterernährt und dehydriert. Außerdem hat er eine Gehirnerschütterung. Ich gehe davon aus, dass er beträchtliche Schmerzen leidet.«

    »Beträchtliche Schmerzen, hm? Das lässt sich doch sicher noch optimieren.«

    Eine dritte Stimme mischte sich ein – ein Mann, der sich anhörte, als murmele er im Schlaf. »Wir können keinen Sinn darin erkennen, Shateigashira.«

    Ohne die Augen weiter zu öffnen, ließ Daichi seinen Blick zu dem Mann hinüberwandern. Er war kurz gewachsen, dunkel gekleidet und trug eine Atemmaske, die wie ein grinsender Mund aussah. Blauschwarze Rauchschwaden drangen aus den Filtern. Zu Daichis Überraschung war das Gesicht des Mannes nicht weiter verhüllt. In seinen Augen waren so viele Äderchen geplatzt, dass das Weiße rot geworden war. Um ihn herum schien sich die Dunkelheit der Zelle zu verdichten.

    »Ein Urteil über meine Entscheidungen steht dir nicht zu, Inquisitor«, erwiderte Kensai. »Ich bin die zweite Blüte dieses Kapitelhauses.«

    »Der Junge hat uns diesen Mann ausgehändigt. Ist das kein Beweis seiner Loyalität?«

    »Kein stichhaltiger.«

    »Er ist zu Großem berufen, Shateigashira. Kioshis Sohn wird zu höheren Würden aufsteigen, als sein Vater es sich hätte erträumen können. Die Rauchkammer enthüllt die Wahrheit.«

    »Dann hast du nichts zu befürchten.« Kensai wandte sich der Tür zu. »Schickt ihn herein.«

    Ein weiterer Lotusmann trat ein, die Hände vor dem Bauch gefaltet. An seinem Panzer erkannte Daichi, dass es sich um einen Werkmeister handelte, einen jener Tüftler, die für die Erfindung aller Maschinen und Wunder verantwortlich zeichneten, die die Gilde hervorgebracht hatte. Verschnörkelte Einlegearbeiten aus Eisen schmückten das glänzende Messing. Das Muster erinnerte Daichi an wabernden Rauch.

    »Zweite Blüte«, sagte der Werkmeister und verneigte sich tief.

    Daichis Herz setzte einen Schlag aus. Er ballte die Fäuste. Selbst verzerrt durch die Lautsprecher erkannte er die Stimme: der Junge, dem er vertraut hatte. Der ihn diesen Hunden ausgeliefert hatte, damit sie ihre Zähne in sein Fleisch schlagen konnten.

    »Kin-san.« Der kleine Mann in Schwarz verbeugte sich ebenfalls.

    »Kin-san?«, knurrte Kensai. »Dein Vater hat dir seinen Namen vererbt, als er starb. Ein ehrenhafter Sohn würde ihn mit Stolz tragen.«

    »Nachdem dein junger Bruder diesen Kage-Abschaum hier seiner gerechten Strafe zugeführt hat, Shateigashira, hat ihn die verehrungswürdige erste Blüte zur fünften Blüte ernannt«, sagte der kleine Mann. »Er hat sich seinen Namen verdient, würdest du nicht sagen?«

    Mit einem Ruck setzte Daichi sich kerzengerade auf und bleckte die Zähne, wobei ihm die aufgesprungenen Lippen noch weiter einrissen. Seine Ketten spannten sich, als er sich vorbeugte. »Elender Verräter!«, krächzte er. »König Enma möge dich verdamm…«

    Ein Lotusmann schlug ihm so wuchtig ins Gesicht, dass Daichi glaubte, alle seine Zähne wackeln zu spüren. Er fiel gegen die Lehne zurück. Der Lotusmann trat hinter ihn und legte ihm die Hände auf die Schultern. Gegen die mechanische Stärke des Panzers kam Daichi nicht an. Er konnte sich nicht mehr rühren.

    Kin warf nicht einmal einen kurzen Blick in seine Richtung.

    »Du hast nach mir geschickt, zweite Blüte?«, fragte der Junge. »Was befiehlst du?«

    »Die Inquisition hat sich eingehend mit den Informationen beschäftigt, die du im Laufe deines … Aufenthalts bei den Kage gesammelt hast. Da wir bereits wissen, wo genau die Rebellen sich verschanzt haben, wie viele es sind und mit welcher Gegenwehr wir bei einem Angriff zu rechnen haben, ist es nicht mehr erforderlich, diesen hier«, er winkte in Daichis Richtung, »zu befragen.«

    »Ich möchte meine Fehler wiedergutmachen«, sagte Kin. »Wenn ich auch nur einen bescheidenen Beitrag leisten kann, die Rebellion niederzuwerfen, war es die Zeit auf … auf Irrwegen wert. Der Lotus muss blühen!«

    »Der Lotus muss blühen.« Rauchfäden stiegen aus der Maske des kleinen Mannes auf.

    »In der Tat.« Kensai wirkte gänzlich unbeeindruckt. »Nun, so wie die Dinge liegen, brauchen wir den Gefangenen nicht mehr. Er soll liquidiert werden.«

    Daichi biss die Zähne zusammen. Eine Woge der Angst spülte über ihn hinweg. Krampfartig überkam ihn der Husten; er schluckte schwer, um ihn zu unterdrücken. Zwang sich, still zu sitzen und zu Boden zu blicken.

    Hier? In dieser Höllengrube?

    »Wenn du meinst, zweite Blüte …«

    »Du scheinst Zweifel zu haben?«

    Zum ersten Mal sah der Junge Daichi an. Der Mech-Abakus auf seiner Brust klickte und schnatterte. Perlen glitten hin und her, präzise wie die Zeiger einer Uhr, als würden sie die Zeit messen, die Daichi noch blieb.

    »Ich dachte nur, es würde eine öffentliche Hinrichtung geben«, sagte Kin. »Um den Hautlosen zu zeigen, was geschieht, wenn sie sich uns widersetzen.«

    »Für dich ist nicht von Belang, was die Hautlosen denken. Wohl aber, was die erste Blüte befiehlt.«

    »Ja, zweite Blüte.«

    Stille senkte sich herab. Nur die Blasebälge waren zu hören, der sägende Atem jener Ungeheuer, die sich in Messingpanzern verbargen. Daichi zerrte an seinen Ketten, erreichte damit aber nur, dass seine Handgelenke schmerzten und noch dunkler anliefen. Der Gildenmann hinter ihm versetzte ihm einen Schlag gegen den Kopf.

    »Vergib mir die Frage, Shateigashira«, sagte Kin vorsichtig, »aber warum bin ich hier? Es kümmert mich nicht, ob dieser Rebell lebt oder sti…«

    »Du bist zu seinem Henker bestimmt. Kin-san.«

    Kensai griff in seinen Gürtel und holte ein faustgroßes Knäuel aus Röhren, Trommeln und Düsen hervor. Eine Waffe wie diese hatte Daichi erst einmal in seinem Leben gesehen. Er erinnerte sich jedoch deutlich, welchen Schaden sie einer Ōyoroi zufügen konnte – und dem Leib, der in der Rüstung steckte.

    Ein Eisenwerfer.

    »Du willst, dass ich …«

    »Allerdings, Kin-san«, erwiderte Kensai. »Ich will, dass du diesen Mann erschießt.«

    »Hier?«

    »An Ort und Stelle. Jetzt.«

    Der Junge rührte sich nicht. Er atmete nicht einmal mehr. Daichi dachte an seine Tochter: ihr Feuer, ihren Zorn, die schönen stahlblauen Augen, die sie von ihm geerbt hatte. Er sah ihre Narbe vor sich, den Grund, warum er vor

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