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Shinobi - Der Weg der Schatten
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eBook508 Seiten6 Stunden

Shinobi - Der Weg der Schatten

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Über dieses E-Book

Japan, August 1578 Japan wird vom jahrhundertelangen Bürgerkrieg verwüstet, als Iga, eine kleine, demokratische Provinz, in der mitten in all dem Chaos Frieden und Harmonie herrscht, von einem der größten Kriegsherrn Japans bedroht wird. Yujiro, ein Shinobi, der seine unzweifelhafte Treue allein dem Iga-Clan geschworen hat, gehorcht seinem Clan-Anführer, ohne dessen Autorität in Frage zu stellen, und tut alles in seiner Macht stehende, um die erhaltenen Aufträge auszuführen, sei es Spionage, Sabotage oder gar Attentat. Nach einem völlig unerwarteten Ereignis wird Yujiro von seiner Vergangenheit eingeholt. Dunkle Geheimnisse aus seiner Kindheit und Jugend, zu denen er keine Erklärungen findet, suchen ihn unaufhörlich heim. Als er dann Zeuge einer Verschwörung gegen Iga wird, weiß er, dass es keine Möglichkeit gibt, die Invasion seiner Heimat zu vermeiden. Zusammen mit seinen Gefährten und Waffenbrüdern, die ihren Feinden zahlenmäßig weit unterlegen sind, werden sie gezwungen, für ihr Überleben zu kämpfen, um ihre Heimat und ihre Familien zu beschützen. Yujiro macht mit nervenzerreißenden Missionen, qualvoller Folter und einem Chaos bringenden Krieg Erfahrung, als er dem tyrannischen Kriegsherrn des Oda-Clans wagemutig die Stirn bietet.
SpracheDeutsch
Herausgebertredition
Erscheinungsdatum15. Sept. 2020
ISBN9783347112254
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    Buchvorschau

    Shinobi - Der Weg der Schatten - Danny Seel

    Vorwort

    Das Hauptanliegen dieses Buches ist keinesfalls der Zeitvertreib oder die Unterhaltung. Dessen Verfassung dient auch dazu, dem Leser eine neue Perspektive auf die geheimnisvollen Shinobi zu verschaffen, eine Perspektive, die versucht Mythos und Legenden von der Wahrheit zu trennen.

    Das Ziel dieses Werkes ist es, das Leben der sagenumwobenen Shinobi oder Ninja, wie man sie heutzutage nennt, zu beleuchten – ihren Lebensstil, ihre Denkart sowie ihre Rolle in der Geschichte Japans. Hätten die Shinobi nie existiert, so wäre die japanische Staatsgewalt vielleicht nicht so, wie wir sie heute kennen. Ohne sie hätte der Fall des Ashikaga-Shogunats höchstwahrscheinlich nie stattfinden können und – obwohl dieses Buch nicht von dem obenerwähnten Geschehnis berichtet – das fortgeschrittene Japan von heute wäre womöglich nicht eines der Länder, das mit seinem technologischen Wissen zu den Besten der Welt zählt.

    Aus historischen und chronologischen Gründen wird der Monat sowie das Jahr bei ausgewählten Kapiteln angegeben. Hierbei sind die Übersetzung und Erklärung sämtlicher japanischer Begriffe und Wörter am Ende des Buches, im Glossar, zu finden. Da die Mehrzahl im Japanischen mit der Einzahl identisch ist, wird dies in diesem Buch ebenfalls berücksichtigt, sodass sich hier der Plural dem Singular gleicht.

    Der Familienname wird in dieser Kultur vor dem Vornamen gestellt. Außerdem wird in Japan viel Wert auf das Verhalten sowie die Etikette gelegt, weshalb die Suffixe an Vor- oder Nachnamen angehängt werden, die dem Rang, dem Alter und/oder dem Geschlecht der Person entsprechen. Es sei noch angemerkt, dass nur Samurai das Recht hatten, einen Nachnamen zu besitzen, doch aus praktischen Gründen wurde dies in dieser Buchreihe nicht für alle Bauern übernommen.

    Obwohl der Autor sich dessen bewusst ist, dass manche Historiker nicht einer Meinung mit ihm sein werden, hat er beschlossen, die Kurzschwerter, die die Shinobi in diesem Buch anwenden, als Ninjatō zu bezeichnen, wenngleich ihre Existenz fraglich ist. Praktische Gründe haben ihn dazu veranlasst sie trotz alledem Teil seiner Saga werden zu lassen.

    Die Organisation im damaligen Japan ist äußerst gut, auch wenn nicht immer gerecht, gewesen, wobei die Rangordnung von wesentlicher Bedeutung war. Normale Menschen mussten sich immer vor Samurai verbeugen, während die Letzteren sie komplett ignorieren durften, was oftmals auch der Fall gewesen war. Wenn ein Bauer Diebstahl oder eine andere kriminelle Tat beging, war seine Strafe weitaus schlimmer als die eines Samurai. Zudem hatten die Samurai das Recht, einen einfachen Bauern hinzurichten, ohne dafür einen validen Grund zu haben. Beispielsweise wurde die Qualität des Stahls eines neuen Schwertes am Torso eines Bauern geprüft, was immer zur Todesfolge des Letzteren führte.

    Während der Großteil des Volkes aus Bauern, Handwerkern und Kaufleuten bestand, umfassten die Samurai ungefähr zehn Prozent der gesamten Bevölkerung Japans, wobei jeder einzelne Samurai als Elite bezeichnet werden konnte. Die gewöhnlichen Krieger wurden „Ashigaru" genannt. Meistens war ein Ashigaru ein Bauer, der gezwungen wurde zu den Waffen zu greifen, um für die Interessen eines Daimyō, eines Kriegsherrn, zu kämpfen, und ohne große Zweifel für ihn sogar zu sterben.

    Das Zeitalter, in dem die folgende Geschichte stattfindet, wird heute als Sengoku Jidai (1467-1603) bezeichnet, die Ära des bürgerlichen Krieges. Diese Kriege, die sich über eine einhundert Jahre lange Zeitspanne erstreckten, scheuten das ganze Land auf, in dem sich die überwältigende Mehrheit den Frieden herbeiwünschte. Viele zehntausende Leben wurden für sinnlose Ziele eines Daimyō verschwendet und unzählige Dörfer sowie Städte niedergebrannt und geplündert.

    Während dieser Zeit des Grauens gab es eine Gruppe von Menschen, die ihre Isolation im Gebirge von Iga genoss. Dieser Clan, der wegen des Namens seiner Provinz „Iga-Clan" getauft wurde, stammte vermutlich von örtlichen Jizamurai-Familien ab, die in Iga lebten. Diese Landsamurai, die Landgut besaßen, brachten ihren Bauern das Kämpfen bei, wobei sie auch Taktiken und Techniken in den Mittelpunkt stellten, die zuvor größtenteils von Banditen und Spionen angewandt worden waren. Es waren die Jizamurai, die aus diesen unorthodoxen Fertigkeiten eine Militärstrategie aufbauten, weil sie auf Guerilla-Taktiken zurückgreifen mussten, um sich vor Kriegsherren oder größeren Armeen beschützen zu können. Schließlich war die Bevölkerung Igas nicht sehr zahlreich.

    Trotz des Friedens, der oftmals in Iga herrschte, gerieten ihre neuen Künste nicht in Vergessenheit, sondern wurden immer wieder praktiziert und weiter ausgebaut, bis eine Kunst namens Ninjutsu geboren wurde. Es ist eine Kunst der Spionage, der Irreführung, der Strategie, der Informationsgewinnung und der Infiltration. Raffinierte Taktiken und Techniken gingen in Fleisch und Blut über und wurden durch schonungsloses Training in den Gehirnen dieser einfachen Menschen versiegelt. Darüber hinaus ist es womöglich auf die Tatsache zurückzuführen, dass ihre völlige Isolation zu der Entwicklung der Vielfalt von geheimen Künsten beigetragen hat, die sich deshalb in besonderem Maße der Aufklärung sowie der Spionage widmete.

    Dazu muss es noch erwähnt werden, dass während die sozialen Unterschiede im ganzen Land von erheblicher Bedeutung waren, fanden sie in Iga allerdings keine große Beachtung. Obwohl der soziale Status dort allen bekannt war, konnte sogar ein einfacher Bauer ein Samurai werden, wenn er sich, zum Beispiel, als ein begabter Krieger bewährte.

    Wegen der eher unzugänglichen Landschaft ihrer Heimat wurde dieser kleine Clan von allen umgebenden Kriegsherren stets ignoriert, da er weder strategisch wichtig war, noch eine große wirtschaftliche Bedeutung besaß. Inmitten der Kriegszeit verbrachten die Iga ihr Leben friedlich in den Bergen, ohne von jeglichen Daimyō unterdrückt zu werden. Doch als viele Jahrhunderte später die Blicke einiger machtgieriger Daimyō immer häufiger auf Iga hängen blieben, kam die Zeit, sich auf den Krieg vorzubereiten. Dieses Buch berichtet genau über diese Zeitperiode.

    In diesem Werk, welches der Autor während seiner vierzehnten und fünfzehnten Lebensjahre geschrieben hat, sowie den zwei darauffolgenden Bänden, werden wahre, historische Ereignisse beleuchtet, die nicht wenige reale Persönlichkeiten, wie zum Beispiel Momochi Tanba, Oda Nobukatsu sowie andere enthalten. Und obwohl das Buch mögliche Ungenauigkeiten oder gar Fehler beinhalten könnte, hat sich der Autor viel Mühe gegeben, nebst einer unterhaltsamen Saga, möglichst geschichtstreu über die damaligen Ereignisse zu berichten.

    1. Ein alter Bekannter

    Japan, Nabari, Juli 1565

    Ein eisiger Wind wehte ungestüm über das große Tal und hörte sich wie das Geflüster von Geistern an, die ein schreckliches Ereignis vorhersagten. Grollender Donner und erleuchtende Blitze, die am Horizont einschlugen, erhellten den dunklen Nachthimmel, begleitet vom lauten Peitschen des Regens, der sich über das gesamte Dorf von Nabari ergoss.

    Doch Jiraiya schien nichts davon zur Kenntnis zu nehmen. Bis auf die Haut durchnässt eilte er durch die menschenleeren Straßen seines Heimatorts. Nachdem er eine Besorgung in einem benachbarten Dorf gemacht hatte, in dem er länger geblieben war, als geplant, hatte er keinen sehnlicheren Wunsch, als wieder zurück in seinem gemütlichen Zuhause zu sein.

    Hastig öffnete er die Tür seines Hauses und flüchtete hinein. Kaum hatte er den Eingangsbereich betreten, wurde er von dessen Stille und Leere wieder daran erinnert, dass er mit Ausnahme eines seiner Söhne, den er nicht allzu oft zu Gesicht bekam und der auch jetzt wahrscheinlich nicht da war, schon seit einiger Zeit alleine lebte. Seitdem sein anderer Sohn und seine Tochter das Elternhaus verlassen hatten, um in ihr eigenes zu ziehen, schien ihm sein Leben viel einsamer geworden zu sein. Obwohl er sie fast jeden Tag in Nabari sah, hatte er nicht mehr so oft die Möglichkeit mit ihnen zu sprechen wie früher, als sie noch bei ihm gewohnt hatten.

    Nachdem Jiraiya sich schnell umgezogen hatte, ging er in sein Schlafzimmer und öffnete eine Holzkiste, um dort einen Futon herauszuholen. Langsam breitete er diese Schlafmatratze auf dem Boden aus.

    Müde legte er sich hin, zuckte jedoch auf, als er spürte, wie ein spitzer Gegenstand sich in seinen Rücken bohrte. Er setzte sich auf und griff nach dem Objekt, wobei er es sich direkt vor die Nase hielt. Sobald er begriff, was es war, erweichten seine Gesichtszüge.

    Es war die Haarnadel seiner Frau.

    Er seufzte betrübt, als er an sie dachte. Zehn Jahre waren bereits nach ihrem Tod vergangen. Er erschauerte und korrigierte sich selbst: Nein, nachdem sie ermordet wurde. In seinen Armen hatte sie ihren letzten Atemzug gemacht, während ihr Blut seine Kleidung durchtränkte.

    Gekränkt brach er mit diesen Erinnerungen ab. Sie waren viel zu schmerzvoll für ihn und er wollte sie lieber dort lassen, wo sie hingehörten – in der Vergangenheit. Schnell verscheuchte er seine Gedanken und legte sich hin, um zu schlafen.

    Kaum waren zehn Minuten vergangen, als er auf einmal aufwachte. Er hatte ein Geräusch wahrgenommen, das für ungeübte Ohren nicht einmal bemerkbar wäre.

    Hastig setzte er sich auf. Außer ihm sollte eigentlich niemand im Haus sein. Plötzlich bekam er eine schlechte Vorahnung …

    Er schluckte, als die Angst in ihm hochstieg und griff furchtsam, aber entschlossen nach seinem Kurzschwert, welches neben ihm lag und in einer Schwertscheide steckte. Nur einen einzigen Gedanken hatte er im Kopf.

    Er ist wieder da.

    Jiraiya wusste nicht, wie es möglich sein könnte, doch er spürte seine Anwesenheit. Er wusste, dass es er war und kein anderer. Und er wusste auch, weshalb er gekommen war …

    Er wollte Rache …

    Jiraiya blieb totenstill und lauschte angestrengt. Draußen wütete immer noch das Gewitter, das jedoch schon etwas abgenommen hatte, sodass er jede Bewegung in seinem Haus viel leichter hören konnte. Die meisten Dorfbewohner schliefen bereits tief und fest, weil es Mitternacht war. Nur er nicht …

    Er atmete tief ein und schloss einen Moment lang die Augen, um seine fünf Sinne zusammenzunehmen. Seine drei größten Feinde verbannte er aus seinem Verstand: das Zögern, die Furcht und den Zweifel. Sein Körper spannte sich unwillkürlich an, als er die Anwesenheit eines Menschen schlagartig hinter sich wahrnahm.

    Er spürte den Angriff, bevor er ihn sah.

    Instinktiv seinen Oberkörper nach links neigend, ließ er sich in diese Richtung fallen und fühlte einen kleinen Luftzug an seiner Wange, als eine Klinge knapp seinen Kopf verfehlte. Ihm gelang es, seinen Sturz in eine Seitwärtsrolle umzuwandeln und auf die Beine zu springen. Abwehrbereit drehte er sich um und riss mit einer geschickten Bewegung sein Schwert aus der Scheide, die er sogleich fallen ließ. Seine Augen weiteten sich, bevor er sie wieder wütend zusammenkniff, als sich seine schlimmsten Befürchtungen bestätigten.

    Er schnappte nach Luft. „Takeru."

    Der Mann, der ihn angegriffen hatte, schaute ihn zuerst emotionslos an. Gelassen trat er einen Schritt auf ihn zu, sodass Jiraiya sein vernarbtes Gesicht noch besser erkennen konnte, dessen Bleiche selbst einen erwachsenen, kampferprobten Mann einschüchtern konnte. Seine Mundwinkel verzogen sich zu einem boshaften Lächeln.

    „Freust du dich denn nicht, mich wiederzusehen, alter Freund?"

    Jiraiya ignorierte die Frage. „Wie kannst du es wagen, wieder zurückzukommen? Du hast geschworen, dich hier nie wieder blicken zu lassen! Ich habe dich vor langer Zeit aus Nabari verbannt!"

    Takeru schnaubte verächtlich. „Du bist ein Narr, wenn du geglaubt hast, dass ich diesen Schwur halten würde. Das Verlangen nach Vergeltung hat mich dich aufsuchen lassen, denn ich habe eine unerledigte Angelegenheit, die ich zu Ende bringen muss. Ich glaube, du weißt ganz genau, was ich meine."

    Drohend machte er einen Schritt auf Jiraiya zu und hob leicht sein Kurzschwert. Der Letztere bemerkte, wie Takeru heimlich ein paar Shuriken, Wurfsterne, aus einer verhüllten Tasche herauszog.

    Unsicher darüber, wie er darauf reagieren sollte, blieb er bewegungslos stehen und starrte seinen Rivalen an. „Was willst du?"

    Takeru grinste grimmig. „Dir ein Ende setzen!"

    Plötzlich warf er zwei Shuriken nacheinander auf seinen Gegner. Bedenkenlos wich Jiraiya zur Seite aus und zerspaltete einen der Wurfsterne direkt in der Luft, bevor er sich in seinen Hals bohren konnte. Er musste nicht aufsehen, um zu wissen, dass Takeru mit einem Schwertstoß aufeinanderfolgen würde. Unverzüglich hob er sein Ninjatō, sein gerades Kurzschwert mit einer viereckigen Parierstange, um den Angriff zu parieren.

    Mit einem Klirren prallten zwei Klingen aufeinander. Einen Augenblick lang verharrten die beiden Männer in dieser Stellung und starrten sich gegenseitig in die Augen. Im Blick seines Widersachers konnte Jiraiya nur Hass sehen, blinden Hass, der schon in ihrer Kindheit Wurzeln geschlagen hatte.

    Mit einem unterdrückten Schrei versuchte Takeru seinen Gegner gegen die Papierwand zu werfen, indem er sein ganzes Gewicht nutzte, um ihn vorwärts zu stoßen. Der Hauch eines Lächelns erschien auf Jiraiyas Gesicht, als er seine Chance sah. Statt sich zu widersetzen, zog er sein Schwert an sich und duckte sich.

    Zu spät bemerkte Takeru seinen Fehler. Erschrocken riss er vor Angst die Augen auf, bevor er über Jiraiyas Rücken taumelte. Mit dem Kopf knallte er heftig gegen die Papierwand vor ihm, die sofort zerriss und deren Balken mit einem lauten Krach zerbrach.

    Fluchend und hustend, erhob er sich, als ihm Staub in die Luftröhre gelangte. Eilig schaute er sich um, bis er seinen Feind erneut finden konnte. Jiraiya bückte sich und betrat das dunkle Zimmer, ohne der gebrochenen Wand seines Hauses die mindeste Aufmerksamkeit zu schenken. Dann stand er genauso still wie zuvor. Sein Rivale kannte ihn nur allzu gut und wusste, dass dieser einen Trick im Ärmel hatte und ihn im günstigsten Moment einsetzen würde.

    „Worauf wartest du? Auf eine Einladung?"

    Takeru lachte leise vor sich hin, als er diese Stichelei hörte. Der Ton seiner Stimme deutete unverkennbaren Spott an.

    „Wenn ich auf eine Einladung gewartet hätte, wäre ich nicht hier. Ergib dich hier und jetzt! Wenn du’s tust, schwöre ich deinen Tod schmerzlos zu machen."

    Jiraiyas Augen verengten sich zu Schlitzen. „Ich habe dich schon einmal besiegt und ich schaffe es nochmal."

    „In meinem ganzen Leben habe ich nur eine einzige Niederlage erlitten – eine einzige!", zischte Takeru und warf sich auf seinen Gegner.

    Gewandt wich Jiraiya dem Angriff aus und konterte mit einem stechenden Schwerthieb. Sobald er abgewehrt wurde, konnte er ohne Schwierigkeiten den konsekutiven Stoß seines Widersachers vorhersagen und bereitete sich darauf vor, ihn zu blockieren.

    Zornig umklammerten Takerus beide Hände den Griff seines Ninjatō, während er es mit unglaublicher Geschwindigkeit über seinen Kopf hob. Im nächsten Augenblick schlug er mit einer flinken, vertikalen Bewegung nach unten. Jiraiya parierte blitzschnell, indem er sein Kurzschwert innerhalb einer Sekunde von links nach rechts in der Form eines Bogens schwang und gegen die Waffe seines Gegners prallen ließ.

    Das gegnerische Ninjatō wurde beim Aufprall ein wenig umgelenkt und ließ die rechte Seite seines Besitzers einen Augenblick lang ungeschützt. Dies war der Moment, auf den Jiraiya gewartet hatte.

    Zu Takerus Entsetzen sah er, wie eine Klinge aus dem Ärmel seines Widersachers hervorblitzte. Pfeilgeschwind stieß sie ihm dieser in die Seite. Mit einer Verwünschung wich Takeru zurück, als er den brennenden Schmerz in seiner Seite spürte. Gleich darauf sprang Jiraiya hoch und trat ihm kraftvoll ins Gesicht, bevor er sich verteidigen konnte. Mit einem Stöhnen fiel er zu Boden, ein paar Meter von seinem Rivalen entfernt, dem er jetzt den Rücken zuwandte.

    Zitternd vor Zorn wischte Takeru das Blut von seiner gebrochenen Nase ab. Er konnte die Verwundung an seiner Seite deutlich spüren, die bei der geringsten Bewegung äußerst wehtat. Sein Gesicht lief rot an, als er von schäumender Wut über sein bisheriges Versagen gepackt wurde. Hinter sich hörte er leichte Schritte, die nicht weit von ihm wieder verstummten.

    „Wie konntest du bloß zurückkehren, Takeru?, fragte ihn Jiraiya. „Du hast deinen Schwur nicht gehalten, obwohl ich dein Leben verschont hatte … deshalb bleibt mir keine andere Wahl, als dich dafür bezahlen zu lassen …

    Das kaum hörbare Geräusch einer Klinge, die durch die Luft sauste, ertönte. Statt zu blockieren oder auszuweichen, griff Takeru nach einem Metsubushi, eine Eierschale, in die er vor einigen Tagen mithilfe einer Nadel ein Loch gebohrt und anschließend vorsichtig mit verschiedenen Bestandteilen gefüllt hatte, zu denen Salz, pulverisierte Paprika, Mehl, Asche, Eisenspänen sowie Staub gehörten. Unvermittelt schleuderte er diese eigenartige Mischung ins Gesicht seines Angreifers.

    Jiraiya hob instinktiv seinen Arm, sobald er begriff, dass er überlistet worden war, und drehte aus Reflex den Kopf zur Seite. Er sprang zurück, um diesem Ablenkungsmanöver nicht zum Opfer zu fallen. Schnell wischte er sich mit dem Handrücken übers linke Auge, das eine gehörige Portion des blendenden Pulvers abbekommen hatte.

    „Stirb!"

    Zu spät konnte er den Angriff seines Rivalen mit seinem unversehrten Auge wahrnehmen. Verzweifelt versuchte er den Schwerthieb zu parieren. Mit einem lauten Schmerzensschrei warf er den Kopf zurück und blieb wie gelähmt stehen, als er spürte, wie das gegnerische Kurzschwert ihm den Bauch durchbohrte.

    Mit weit aufgerissenen Augen starrte er Takeru an. Der Letztere grinste heimtückisch und schadenfroh.

    „Ich habe von Anfang an gewusst, dass dieser Tag kommen würde", höhnte er.

    Plötzlich drehte er sich im Kreis und trat seinem Widersacher mit der immensen Schwungkraft gegen die Brust. Mit einem gequälten Stöhnen flog Jiraiya zurück und schlug auf den Tatami, den Strohmatten, auf, die den ganzen Boden bedeckten.

    Zuckend atmete er schlagartig ein. Eine gewaltige Menge von Blut sprudelte aus seinem Bauch hinaus und sickerte in die Tatami. Die unerwartete Wärme der roten Flüssigkeit ließ ihn unwillig erschaudern und er öffnete schwach die Augen. Zuerst konnte er nur verschwommen sehen und es dauerte einen Augenblick, bis er verstand, dass Takeru vor ihm in einer halb knienden, halb hockenden Position verharrte und ihn gefühllos anschaute.

    „Ich habe fast mein ganzes Leben lang auf diesen Moment gewartet. Wer hätte gedacht, dass ich nach zehn Jahren des Exils endlich meine Rache bekommen würde?"

    „Mein Tod wird von keiner Bedeutung sein!, zischte Jiraiya. „Das Schicksal selbst wird dich für dein böses Wesen bestrafen!

    Takerus Grinsen verschwand, als eine schmerzliche Erinnerung in seinem Gedächtnis aufblitzte und er wurde ganz ernst. Der Hass loderte in ihm wieder auf.

    „Das Schicksal hat dich für deine Missetaten büßen lassen. Du hast mir das weggenommen, was ich am meisten geliebt hatte. Jetzt werde ich dir das Gleiche antun."

    Jiraiyas Kinnlade klappte herunter und die Hoffnungslosigkeit wurde deutlich an seinem Gesicht erkennbar. „Du wirst es nicht wagen!"

    Leider kannte er seinen Rivalen viel zu gut und wusste, dass er dazu fähig war. Doch die Schadenfreude sowie der Spott in Takerus Gesicht schienen darauf zu deuten, dass er Jiraiya einfach nur quälen wollte und seine Worte nicht ernst meinte.

    Matt bemühte sich der Letztere, sein Bewusstsein nicht zu verlieren, als mehr Blut aus ihm herausfloss. Zugleich versuchte er sein Schwert, das neben ihm lag, zu sich zu ziehen. Takerus fieses Lächeln kam wieder zurück, sobald er Jiraiyas armselige Reaktion sah und er schubste das Ninjatō aus der Reichweite des Sterbenden. Erbarmungslos näherte sich seine Hand der Brust seines Gegners.

    Jiraiya spannte entsetzt seinen ganzen Körper an, als er die Absicht seines Widersachers erkannte. Takeru wollte Dim Mak, die Kunst der tödlichen Berührung, anwenden, um ihn zu töten.

    „Fünfundzwanzig Jahre lang hast du mich terrorisiert und diese Unterdrückung wird heute ein Ende nehmen. Ich will, dass du leidest, so wie ich all diese Jahre gelitten habe."

    Hasserfüllt drückte er fest auf einen Nervenpunkt auf Jiraiyas Brust. Der Letztere zuckte vor Qual auf und spürte, wie seine Atemwege versperrt wurden. Er begann schmerzvoll zu husten.

    In Todesangst versetzt, versuchte er tiefe Atemzüge zu nehmen, doch keine Luft kam in seine Lungen hinein. Brennende Schmerzen durchzuckten seinen ganzen Körper und er konnte wegen der Pein kein einziges Wort mehr über die Lippen bringen. Mit einem sterbenden Husten blickte er schwach zu seinem Rivalen auf.

    „Wir werden unseren Kampf im nächsten Leben fortsetzen, meinte Takeru und hob sein Messer. „Schlaf gut, flüsterte er spöttisch und stieß die Klinge in Jiraiyas Herz.

    2. Dreizehn Jahre später

    Japan, Nagahama, August 1578

    Hunderte von Menschen hatten sich auf dem Marktplatz versammelt. Auf den Straßen von Nagahama befanden sich viele Marktstände, wo alles Erdenkliche zum Verkauf stand: von Pfirsichen, Aprikosen und Bohnenquark bis zu den diversesten und farbenfreudigsten Kleidern. Die Okonomiyaki, gebratene Pfannkuchen, die mit verschiedenen Zutaten gefüllt waren, wie zum Beispiel Fleisch, Fisch, Käse oder Gemüse, erregten besonders viel Aufmerksamkeit bei ein paar Jungen, die zu erraten versuchten, was diese enthielten und jedes Mal in Gelächter ausbrachen, wenn im Pfannkuchen etwas drin war, was derjenige, der ihn abbiss, nicht mochte.

    Inmitten des ganzen Geschehens versuchte ein Bauer, der einen blauen Kimono, ein traditionelles, japanisches Gewand, trug, sich einen Weg durch die Menschenmenge zu bahnen. Seine feingeschnittenen Gesichtszüge deuteten eine Männlichkeit an, die vor nicht allzu langer Zeit eingetreten war. Seine Haut war leicht gebräunt, anscheinend eine Folge der Feldarbeit.

    Er schaffte es nach einigen Minuten die Straße zu verlassen und auf eine noch überfülltere als die Letztere zu gelangen. Die dumpfen Schläge von Reisschälmaschinen waren sogar von weitem zu hören, während Händler, die ihre Waren anpriesen, den Lärm zu übertönen versuchten.

    Der junge Mann ignorierte all dies und ging direkt auf einen anderen Bauern zu, der mindestens zehn Jahre älter wirkte und durchtrainiert aussah. Die Glätte der Gesichtshaut des Letzteren wies auf eine frische Rasur hin. Sein umherschweifender Blick verlieh ihm den Anschein der Vorsicht, sodass man wegen seines imposanten Gesamteindrucks nicht verleugnen konnte, dass er eher gutaussehend war.

    „Suzaku, muss ich noch lange auf dich warten?", fragte dieser und hob unzufrieden die Augenbrauen.

    Suzaku zuckte einfach nur mit den Achseln. „Entschuldige, ich wurde kurz aufgehalten."

    Der Mann schüttelte einfach ungläubig den Kopf, bevor er sich von neuem am Ende einer Warteschlange anstellte. Diese wartete vor einem großen Gebäude auf dem in schöner Schrift „Gamo – Reis besserer Qualität findet ihr in ganz Nagahama nicht" geschrieben stand. So viele Menschen wollten ihren Reis bei Gamo kaufen, dass die zwei Bauern lange in der Schlange anstehen mussten.

    „Yujiro, wandte sich Suzaku an seinen Begleiter. „Ich finde, wir sollten auch einen kleinen Sack Reis kaufen. Du weißt schon … um keinen Verdacht zu erregen.

    Er sagte die letzten Worte im Flüsterton, sodass ihn keiner außer seines Gefährten hören konnte.

    „Das habe ich auch vorgehabt", antwortete Yujiro mit einem leichten, listigen Lächeln.

    Sie warteten eine ganze Weile lang, bis auch sie schließlich an die Reihe kamen und betraten dann ein luxuriös aussehendes Haus. Volle Fässer, die mit vielen verschiedenen Sorten von Reis gefüllt waren, standen zu beiden Seiten des Eingangs. Ein kaufmännischer Angestellter näherte sich ihnen und verbeugte sich.

    „Guten Tag, wie kann ich ihnen helfen?"

    Die Bauern erwiderten die Verbeugung, bevor sie eine Antwort gaben.

    „Wir sind wegen zweier Angelegenheiten gekommen", begann Yujiro. „Wir möchten gerne einen Sack Reis kaufen und würden vorzugsweise noch Gamo-san sprechen."

    „Verzeiht mir, doch das ist leider nicht möglich, antwortete der Angestellte ein wenig verlegen. „Gamo-san empfängt niemanden.

    „Aber dies ist äußerst dringend", widersprach Suzaku.

    „Versteht dies bitte nicht falsch, aber Gamo-san hat keine Zeit, um einfache Bauern zu empfangen. Vielleicht könntet ihr mir über euer Anliegen berichten und ich würde es ihm später mitteilen?"

    „Ich bitte um Verzeihung, aber wäre es vielleicht möglich, dieses eine Mal eine Ausnahme zu machen?"

    Die zwei Bauern blieben hartnäckig. Der Angestellte öffnete den Mund, um etwas zu sagen, als er hinter sich Schritte vernahm. Er warf einen Blick über die Schulter, bevor er sich erleichtert wieder an seine Kunden wandte.

    „Entschuldigt mich bitte für eine Sekunde."

    Ein übergewichtiger Mann, der aus einer anderen Tür im Zimmer gekommen war und zweifellos der Besitzer des Ladens war, ging direkt auf den Ausgang zu, als er von seinem Angestellten aufgehalten wurde. Ein paar Sekunden lang redeten sie leise miteinander, bevor Gamo aufseufzte und auf seine Kunden zusteuerte.

    „Guten Tag. Ich bin zurzeit leider äußerst beschäftigt, deshalb wenn Ihr mich sprechen wollt, würde ich euch raten, es kurz zu fassen."

    Während er redete, setzte er ein höfliches Lächeln auf, doch es war offensichtlich, dass es bloß gezwungen war.

    „Guten Tag, Gamo-san, erwiderte Yujiro, nachdem weitere Verbeugungen des Grußes ausgetauscht worden waren. „Wir wollten uns nur darüber erkundigen, wie Sie solch einen guten Reis herstellen. Es ist außergewöhnlich, dass die meisten in Nagahama ihren Reis bei Ihnen kaufen, statt bei den anderen Händlern.

    „Ich hab’ ja auch die besten Reisschälmaschinen in ganz Nagahama, prahlte er stolz. „Außerdem bekomme ich sie von einem zuverlässigen Freund von mir.

    „Ach, wirklich? Dann muss er doch etwas Besonderes mit dem Reis machen, sonst würde er sicherlich nicht so wohlschmeckend sein."

    Der Kaufmann bemerkte nicht, wie Yujiro ihn an der Nase führte und ihn so in ein angenehmes Gespräch zu verwickeln versuchte, um Gamo seine Geheimnisse preisgeben zu lassen.

    „Ach was, winkte dieser ab. „Es ist ein ganz normaler Reis, den ich aber nicht aus dieser Gegend bekomme. Die Reisfelder meines Lieferanten befinden sich nicht einmal hier in Omi, sondern auf der anderen Seite des Biwa-Sees!

    „Und in welcher Provinz wären die Reisfelder zu finden?", fragte Suzaku unbedacht.

    Yujiro hätte sich beinahe auf die Stirn geschlagen, als er die Voreiligkeit seines Begleiters hörte. Suzaku hatte alles vermasselt. Jetzt würde der Händler ihnen garantiert nichts mehr verraten.

    Wie kann man bloß so naiv sein?, fragte er sich, Suzaku einen vorwurfsvollen Seitenblick zuwerfend.

    Gamo blinzelte den Bauer einen Moment lang unverwandt an, bevor er seine Augenbrauen vor schockierter Erkenntnis hob.

    „Entschuldigt, aber keine Fragen mehr! Ich habe jetzt auch sowieso keine Zeit – vielleicht sehen wir uns noch später. Auf Wiedersehen!"

    Der Kaufmann ging wieder auf den Ausgang zu, als er plötzlich stehen blieb. „Oh! Ich hab’ meinen Geldbeutel vergessen!"

    Er drehte sich um und eilte zurück durch die Tür, durch die er erst vor kurzem eingetreten war.

    „Da habt ihr aber Glück gehabt", flüsterte der Angestellte, sobald sein Arbeitgeber weg war. „Gamo-san weigert sich meistens mit seinen Kunden zu reden … natürlich, außer wenn es Samurai sind. Mit denen hat er ja keine andere Wahl."

    Die Bauern begriffen sofort, was der Angestellte damit meinte. Die Bushi, auch Samurai genannt, die dem Weg des Kriegers folgten, waren die Führungsklasse in ganz Japan und durften Kaufleute sowie Bauern hinrichten, ohne hierfür ein überzeugendes Motiv zu haben. Selbst die Nichtbeantwortung einer Frage wäre hierfür Grund genug.

    Der Angestellte, der inzwischen einen kleinen Sack mit Reis gefühlt hatte, überreichte ihn seinen Kunden und nannte den Preis.

    „Vielen Dank für euren Einkauf", bedankte er sich und nahm das Geld entgegen.

    „Schönen Tag noch", antwortete Suzaku und ging zusammen mit Yujiro aus dem Laden heraus.

    3. Enttarnt

    „Wieso konntest du nicht einfach deinen Mund halten?", fragte Yujiro Suzaku in einem seltsam ruhigen Ton, der darauf hinwies, dass er versuchte seine Wut zu bändigen, als er am Ende des Korridors stehen blieb, um eine Schiebetür zu öffnen und ein kleines Zimmer zu betreten.

    Beide lebten während ihres Aufenthalts in Nagahama, in einem ärmlichen Wirtshaus, wo sie einen Raum gemietet hatten, der eigentlich nur groß genug fürs Essen und Schlafen war. Das ganze Zimmer wurde mit Ausnahme des Lichts, das durch die Papierwände drang, ausschließlich von einer kleinen Kerze beleuchtet, die äußerst wenig Licht spendete.

    Schuldbewusst blickte Suzaku auf ein paar Hähnchenspieße hinab, die er auf dem Weg gekauft hatte, während er seinem Begleiter in den Raum folgte. „Es tut mir leid, es ist mir herausgerutscht."

    Yujiro schnalzte frustriert mit der Zunge und setzte sich in eine Ecke des Zimmers. Dort hob er das Rasiermesser auf, das er heute Morgen benutzt hatte, und begann es zu schärfen, mit der Absicht seine nächste Rasur angenehmer zu machen. Währenddessen ließ sich Suzaku auf den Boden, neben der Kerze, nieder und machte es sich dort gemütlich, um in Ruhe seine Zwischenmahlzeit genießen zu können.

    „Ich glaube, wir sollten unsere Waffen noch besser verstecken. Für den Fall, dass Polizisten oder Samurai auf uns aufmerksam werden …", äußerte er seine Meinung, nachdem er einen der Hähnchenspieße bereits verspeist hatte.

    Yujiro hielt mit dem Messerschärfen inne. Er blickte auf und schaute Suzaku warnend an. Eine frisch zugefügte Schnittwunde war auf seinem Kinn zu sehen.

    „Yujiro?", fragte Suzaku beunruhigt, als er den eiskalten Blick sah.

    Yujiro starrte einfach seinen Gefährten an. Dann wandte er sich wieder dem Messerschärfen zu, als wäre nichts geschehen.

    „Nachdem, was gestern Nacht passiert ist, möchte ich alle meine Waffen griffbereit haben. Für den Fall, dass irgendein Neuling … Er schaute Suzaku vielsagend an. „durch seine Unachtsamkeit, die er auch heute bewiesen hat, nicht wieder einen Kampf provoziert. Da hast du zwei perfekte Beispiele, weshalb ich es bevorzuge, entweder allein oder mit reifen Männern zu arbeiten.

    Suzaku zuckte entschuldigend mit den Schultern. „Du behandelst mich manchmal so, als ob ich ein Hindernis statt einer Hilfe wäre."

    „Weil es auch oft der Fall ist. Wegen deiner voreiligen Einmischung konnten wir bis jetzt nur ein Quota des Auftrags erledigen. Wenn du nur geschwiegen hättest, hätten wir vielleicht alles, was wir wissen müssen, aus ihm herausbekommen."

    „Du solltest dich nicht so aufregen. Schließlich haben wir beinahe unsere gesamte Mission erfüllt", meinte Suzaku.

    Belustigt blickte ihn Yujiro an. „Unser Auftrag ist es Informationen über Nagahama zu sammeln. Erstens, über die Rekrutierung von Kriegern, zweitens über den Handel von Feuerwaffen und drittens über den Lieferanten des größten Reishändlers der Stadt. Bislang haben wir nur zwei Punkte erfüllt. Verstehst du es denn nicht? Uns läuft die Zeit davon. Nach einem ganzen Monat in dieser Stadt können Polizisten auf uns aufmerksam werden … Wenn wir versagen, werden wir vor Momochi-sama in Erklärungsnot stehen."

    Kopfschüttelnd legte er sein Messer beiseite und nahm stattdessen ein Kurzschwert, das er im Zimmer versteckt hatte. Gemächlich besah er es von allen Seiten, bevor er anfing, es zu polieren.

    „Ich hoffe bloß, wir werden nicht auf eine schlechtere Position verwiesen", flüsterte er.

    Es herrschte Stille für eine kurze Zeit, bei der jeder mit seiner eigenen Tätigkeit beschäftigt war.

    „Ich wundere mich, wie weit Rintaro mit seinen Untersuchungen ist. Wo ist er jetzt eigentlich?", wollte Suzaku nach einer Minute wissen.

    Plötzlich wurde die Schiebetür aufgerissen. Verwundert blickten die beiden Männer auf. Vor ihnen erschien ein Mann in Bauernkleidung, der einen kurzen Kinn- sowie Schnurrbart hatte und dessen Haare zu einem Haarknoten zusammengebunden waren. Ein kleines Rinnsal Blut lief ihm die Stirn hinunter, die aus einem kleinen Schnitt kam, der tödlich wäre, falls er etwas tiefer gewesen wäre. Einer seiner Ärmel war aufgerissen und sein Arm blutbefleckt. Sein Blick deutete auf starke Beunruhigung hin, als er die zwei Bauern vor sich ansah.

    „Die Polizei – wir wurden entdeckt!", rief er, während er versuchte seinen Atem zu beruhigen.

    Die Augen der anderen beiden weiteten sich. Unverzüglich sprangen sie auf die Füße und sammelten innerhalb weniger Sekunden all ihre Sachen. Yujiro zog seinen Strohhut bereits innen an und sie stürzten aus dem Zimmer Richtung Ausgang. Sie hatten beinahe die Schiebetür erreicht, als diese auf einmal aufgerissen wurde und ein grob aussehender Mann, der einen blauweißen, breitschultrigen Kimono trug, mit wütenden, durchdringlichen Augen hereinstolperte.

    „Da sind sie!", schrie der Dōshin, ein nachrangiger Samurai, der zur Polizei gehörte, und nahm sofort die Verfolgungsjagd auf.

    Instinktiv drehten sich die drei Bauern um und rannten schnell den Gang zurück, den sie gekommen waren, sodass sie wegen ihrer Hast beinahe mit einer Magd zusammenstießen.

    „Habt ihr einen Hinterausgang?", wollte Suzaku wissen, ohne sich zu entschuldigen.

    „Ja … äh er ist dort drüben", antwortete sie verwirrt und zeigte auf eine Tür am Ende des Korridors.

    Mit einem flüchtigen Dankeschön liefen die drei Gejagten auf den Ausgang zu.

    „Bleibt stehen, ihr hinterhältigen Kriminellen!", rief der Polizist, der an der Spitze und nur noch einige Schritte hinter ihnen war.

    Die drei Bauern öffneten die Tür, verließen eilig das Gasthaus und sprangen in die Menschenmenge, was viel Aufruhr verursachte. Als sie einen Blick über die Schulter warfen, konnten sie eine Schar Dōshin erkennen, die ihnen dicht auf den Fersen war. Schubsend rannten sie hindurch und rempelten nicht wenige Passanten an.

    „Passen Sie doch auf!", schrie ein schlecht gekleideter Kaufmann, als Yujiro ihn fast überrannte.

    Die Polizisten waren inzwischen schon in der Menge und bahnten sich ungeschickt einen Weg zu den Flüchtenden.

    „Haltet die Shinobi auf!"

    Kaum hatten die Menschen dieses Wort gehört, brachen manche in Panik aus und versuchten so schnell wie möglich den Marktplatz zu verlassen. Die drei Shinobi, die drei professionellen Spione und Kundschafter, rannten jetzt noch schneller, da sie wussten, dass die Dōshin, sofern möglich, Verstärkung holen würden.

    „Wir müssen uns aufteilen", schlug Rintaro vor, als er sah, wie eine weitere Gruppe von Dōshin von rechts auf sie zugerannt kam.

    „Wie bitte? Aber so fangen sie uns sofort!" Suzaku war verwirrt.

    „Ich bin mit Rintaro einverstanden", sagte Yujiro.

    Weiterlaufend betrachtete Suzaku seine Kameraden. Als er ihre Entschlossenheit sah, seufzte er. „Wenn es sein muss. Aber wo treffen wir uns?"

    „Hinter dem Tempel, den wir bei unserer Ankunft östlich in der Stadt gesehen hatten", meinte Rintaro, der ein Vordenker und Stratege war.

    „Na gut, dann wäre alles abgemacht." Yujiro nickte abschiednehmend und wechselte unvermittelt die Richtung.

    „Sie teilen sich auf!", schrie einer der Polizisten. Es kam zu einem großen Durcheinander, als auch die Dōshin versuchten sich aufzuteilen. Dies verschaffte den Shinobi einen kleinen Vorsprung.

    „Ihr fünf! Folgt dem da!", konnten sie hinter sich den Yoriki, einen Bushi von höherem Rang, der den Polizisten Befehle erteilen konnte, hören.

    Schließlich konnten sich die Dōshin nach weiteren Anweisungen des Yoriki organisieren und nahmen die Verfolgung wieder auf. Aufgrund der Abruptheit ihrer Trennung war die Aufteilung nicht ganz gleichmäßig verlaufen, sodass Suzaku von knapp der Hälfte der Dōshin verfolgt wurde. Seine Chancen, einen offenen Kampf zu überleben, waren gleich null.

    Ohne zurückzublicken, rannte er die Straßen entlang. Mal lief er nach rechts, mal nach links. Doch die Polizisten kannten die Gegend besser als er und er konnte sie nicht abhängen.

    „Gleich haben wir ihn!", schrie ein aufgeregter Dōshin mit einem erwartungsvollen Grinsen.

    Suzaku lief direkt in eine Sackgasse hinein. Statt panisch zu werden, nahm er blitzschnell seine Umgebung wahr: Eingänge zu ein paar Häusern und einen Stall. So schnell er nur konnte, warf er die Tür des Stalls auf und rannte hinein. Kurz darauf erschienen die Polizisten.

    Eilig sammelte Suzaku seine Kräfte, bevor

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