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Die Reise nach Bagdad 1573-1576
Die Reise nach Bagdad 1573-1576
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eBook412 Seiten6 Stunden

Die Reise nach Bagdad 1573-1576

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Über dieses E-Book

Der Augsburger Arzt und Apotheker hat in den Jahren 1573 bis 1576 eine abenteuerliche Reise in den Orient unternommen. Er ist auf verschlungenen Wegen bis nach Bagdad gekommen und hat auf seiner Rückreise noch das Land der Kurden, den Libanon und das Heilige Land besucht.
Der Reisebericht, den Rauwolf nach seiner Rückkehr verfasst und publiziert hat, ist einer der ganz frühen Reiseberichte aus jener Region, die wir heute den Nahen Osten nennen.
Die Arbeit der Herausgeber bestand darin, den sehr sperrig geschriebenen Text des Autors in zeitgemäßes und gut verständliches Deutsch zu übertragen. Der sehr informative und spannende Reisebericht Rauwolfs liegt hier zum ersten Mal in leicht lesbarer deutscher Sprache vor.
SpracheDeutsch
Herausgebertredition
Erscheinungsdatum17. Juni 2021
ISBN9783347340565
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    Buchvorschau

    Die Reise nach Bagdad 1573-1576 - Leonhart Rauwolf

    Einführung

    Die große Reise des Augsburger Arztes Leonhart Rauwolf begann am 18. Mai 1573. Von seinem Schwager, dem berühmten Augsburger Kaufmann Melchior Manlich sen., ausgestattet, reiste Rauwolf in Begleitung des Augsburgers Friedrich Rentz zunächst nach Marseille, wo das Handelshaus Manlich sein ausländisches Hauptkontor unterhielt. Mit sieben eigenen und einigen gecharterten Schiffen hielt das Haus Verbindung mit den wichtigsten Häfen der Levante. Auf den Schiffen wurden englische und flämische Tuche, spanische Wolle, deutsches und ungarisches Silber und Kupfer, Quecksilber und Zinnober in den Orient gebracht, um dafür von osmanischen, persischen, ägyptischen, armenischen und indischen Kaufleuten Teppiche, Edelsteine, Rohseide, Baumwolle und Gewürze einzutauschen. Die Gewinne der einzelnen Fahrten beliefen sich im Durchschnitt auf 20-30 %, wobei aber in jener Zeit die Gefahr, auf See Schiffe zu verlieren, sehr groß war.

    Die alte Karawanenstraße aus Ostasien lief im 16. Jahrhundert über Turkestan und das iranische Hochland nach Bagdad, von dort durch die syrische Wüste ans Mittelmeer. Während der Seeweg nach Ostindien von den Portugiesen, Spaniern und Holländern dominiert wurde, lag der Orienthandel, der von den Mittelmeerhäfen aus auf dem Landwege nach Osten führte, in den Händen der Franzosen und Venezianer. In den wichtigsten Handelszentren residierten daher französische und venezianische Konsuln, Rauwolf berichtet mehrfach von ihnen. Die Deutschen, die keine eigenen Vertretungen besaßen, wandten sich mit ihren Anliegen in der Regel an die französischen Konsule. Immer aber blieb der deutsche Orienthandel auf die Zwischenhändler fremder Völker angewiesen. Daraus ergab sich der naheliegende Wunsch deutscher Kaufleute, selbst möglichst direkt an die morgenländischen Verkäufer heranzutreten und den Zwischenhandel, wenn schon nicht ganz auszuschalten, so doch zu minimieren. Begreiflicherweise sahen jene Mächte, die am Zwischenhandel gut verdienten, die eigenmächtigen Vorstöße deutscher Händler und Kundschafter in das Morgenland nicht gern. Vor allem die Venezianer nutzten schnell ihren Einfluss auf die türkische Obrigkeit, um dies zu unterbinden. In diesem Klima des Argwohns und der Pfründewahrung reisten auch die Beauftragten des Augsburger Handelhauses „Melchior Manlich Co.", der Faktor Ulrich Krafft und der Arzt Leonhart Rauwolf in das Osmanische Reich. Rauwolfs Reisegefährte Ulrich Krafft gerät schon bald, aufgrund fadenscheiniger Anschuldigungen, in türkische Gefangenschaft. Mehrere Jahre muss er in Haft bleiben, ehe er in die Heimat zurückkehren kann. Rauwolf, den man als Arzt und Botaniker wohl als harmlos einstuft und der sich durch einige Heilerfolge bei der französischen Auslandsvertretung gutes Ansehen und Respekt verschafft hat, lässt man frei reisen. Die vielfach beschriebenen Behinderungen, denen auch Rauwolf auf seiner Reise ausgesetzt war, haben weniger politische Gründe, sie entspringen der Profitgier lokaler Provinzfürsten, die jeden fremd aussehenden Reisenden um einen Teil seiner Reisekasse zu erleichtern versuchen.

    Einen kaufmännisch verwertbaren Erfolg hat Rauwolfs Reise wohl nicht erbracht, konnte sie auch kaum haben, da das Handelshaus Manlich 1573, also noch im Jahr der Abreise, in Konkurs gegangen war. Für die Nachwelt wichtig sind jedoch die botanischen Erkundungen Rauwolfs, vor allem das umfangreiche Herbarium und die Beschreibung der Fahrt, die der Reisende 1582 erstmals veröffentlichte. In dem zu Lauingen erschienen, fast 500 Seiten starken Buch entsteht vor unseren Augen ein Bild des Osmanischen Reiches dieser Zeit. Rauwolf erweist sich als wacher Geist und genauer Beobachter. Oft monatelang an einem Ort verweilend muss er sich wohl ständig Notizen gemacht haben, denn allein aus der Erinnerung hätte er diese Fülle an Informationen nicht niederschreiben können. Hier, in der Detailgenauigkeit, liegt der ungewöhnlich hohe Wert des Berichts. Rauwolf ist kein Abenteurer oder Globettrotter, er ist ein hochgebildeter Mann von vielerlei Gaben und Interessen. Er sieht Dinge, die anderen entgehen und beschreibt Vorgänge, die anderen der Aufzeichnung nicht wert gewesen wären. In die politischen, kulturhistorischen und religiösen Betrachtungen fließen aber auch die Vorurteile seiner Zeit und seines Landes mit ein. Sein Werk enthält viele antitürkische, antimoslemische und antijüdische Äußerungen, aber an allen -nichtprotestantischen- christlichen Glaubensgemeinschaften lässt er ebenfalls selten ein gutes Haar. Dass das Osmanische Reich die verschiedenen, unter seiner Herrschaft stehenden, Völker relativ unbehelligt und eigenständig nebeneinander existieren lässt, weiß Rauwolf nicht zu schätzen. Was Voltaire 200 Jahre später zu Recht schreibt, gilt im Wesentlichen auch für die Zeit des ausgehenden 16. Jahrhunderts: „Das große türkische Volk regiert friedlich zwanzig Nationen mit verschiedenen Religionen; von ihm können die Christen lernen, wie man Zurückhaltung im Frieden und Edelmut im Sieg übt." Das Osmanische Reich war sicher kein Idealstaat, aber Christen und Juden durften ihre Religion frei ausüben und Europäer aus verschiedenen Nationen konnten darin umherreisen und Handel treiben. Aber auch bei Rauwolf ist eine gewisse Bewunderung für manche Aspekte der osmanischen Kultur nicht zu übersehen, so äußert er sich etwa anerkennend über die großen Badehäuser. Die politische Organisation der Verwaltung, das türkische Militär und die Rechtspflege lobt er manchmal, dann wieder kritisiert er sie scharf. Der Reiz des Buches von Leonhart Rauwolf liegt nicht zuletzt in diesen widersprüchlichen Ausführungen, die einen aus Deutschland stammenden Mann des ausgehenden 16. Jahrhunderts zeigen, der, konfrontiert mit der fremden Welt des Orients, seine Eindrücke in eine sinnvolle Ordnung zu bringen versucht.

    Rauwolfs Reise fällt in die Epoche der größten Ausdehnung des Osmanischen Reiches und die Bedrohung der abendländischen Kultur durch die Türken schwingt in seinem Denken immer auch mit. Die Türken, die bereits 1529 Wien vergeblich belagert hatten, verfügten über ein starkes, gut organisiertes Heer und die türkische Flotte, die zwar 1571 bei Lepanto eine schwere Niederlage erlitten hatte, war im Mittelmeer immer noch mächtig. Aus diesem Gefühl der Gefährdung, wenn nicht gar der Unterlegenheit heraus, sind viele Bemerkungen Rauwolfs zu sehen, die Völker betreffen, die von den Türken unterworfen wurden oder sich bislang nicht haben unterwerfen lassen. Er lobt und bewundert die Perser, Armenier, Drusen, Maroniten und Kurden aufgrund ihrer Tapferkeit und Unabhängigkeit, auch wenn er ihre vermeintlichen „Irrtümer" in religiösen Angelegenheiten geißelt.

    Rauwolfs eigene religiöse Position ist die eines überzeugten Protestanten. Seine Bemerkungen zur christlichen Religion zeugen nicht nur von einem hohen Bildungsstand, sie sind auch gedanklich ausgereift und man kann davon ausgehen, dass er sich seinen Glauben gründlich erarbeitet hat. Wenn er Ablass, Aberglauben und Reliquienverehrung kritisiert und seine Sicht dagegen hält, wird deutlich, dass der Protestantismus ein ganz neues religiöses Denken hervorgebracht hat. Als er schreibt, dass er nicht nach Jerusalem kommen wolle, „um Stein oder Holz zu besuchen", sondern lediglich den Ort sehen wolle, in dem Jesus und die Apostel gewirkt haben, scheint eine fast schon aufgeklärte Betrachtungsweise durch.

    Leonhart Rauwolf ist ein Mann, der vielleicht typisch ist für jene Epoche großer Umwälzungen, der Zeit des überwundenen Mittelalters, der Renaissance. Als Arzt und Botaniker ist er an vertiefter Forschung interessiert, als Christ hängt er der damals noch jungen Glaubenslehre Luthers an, dann aber zeigen seine Ausführungen wieder Reste dämonischen, mittelalterlichen Denkens. Sein präzise geschilderter Reisebericht ist ein großes Geschenk an uns heutige Leser, lässt er uns doch Einblick nehmen nicht nur in eine fremde Weltgegend, sondern auch in unsere eigene Geschichte.

    Leonhart Rauwolf

    Reise nach Bagdad 1573 bis 1576

    Beschreibung der Reise in den Orient, die er in die Morgenländer Syrien, Judäa, Arabien, Mesopotamien, Babylonien, Assyrien und Armenien unternommen hat. In dem Bericht über die mühevolle und oft auch gefährliche Reise werden viele seltsame und merkwürdige Dinge beschrieben, die er auf seiner Reise erforscht und gesehen hat.

    Zueignung:

    An die ehrenwerten und vornehmen Herren Hans Widtholtz, Christoff Christel und Niclaus Bemer sowie meine großzügigen, lieben Vettern und sehr guten Freunde.

    Liebe Vettern und gute Freunde, schon die alten Philosophen gaben sich viel Mühe bei der Erforschung der Sitten und Gebräuche der Händler und Kaufleute fremder Länder. Sie taten dies, damit Kaufleute weder Scheu noch Mühe hatten, ferne Länder und Völker auf dem Wasser- oder Landweg aufzusuchen, um in der Fremde an unbekannte und nützliche Waren zu kommen. Aber auch jenen, die nur aus Neugier und Wissensdrang reisten, ist keine Wegstrecke, ob im Winter oder im Sommer, bei Regen oder Schnee, durch ungeheure Wildnisse und über die raue See, zu beschwerlich. Sie nehmen dies alles bereitwillig in Kauf, wenn sie nur an Orte und in Situationen kommen, in denen sie durch vortreffliche Gelehrte über die Lage jener Länder etwas erfahren können und Hinweise erhalten, was sie für die Weiterreise benötigen.

    Der weise Philosoph Solon etwa bereiste, wie Plutarch in seiner Biographie berichtet, manche ferne Länder, um unbekannte Fertigkeiten und Sitten kennen zu lernen. Ebenso kann man bei Diogenes Laertio über Platon lesen, dass er dem Euklid zuliebe nach Megara, dem Theodorus Mathematicus zuliebe nach Cyren und den pythagoreischen Philosophen zuliebe nach Italien gereist ist. Um auch die gepriesene Weisheit und das Wissen der Propheten und Priester zu studieren, fuhr er bis nach Ägypten. Er war sogar entschlossen, noch weiter nach Asien zu reisen, was aber durch kriegerische Auseinandersetzungen verhindert wurde.

    In ganz ähnlicher Weise beschreibt auch Galenus, wie er, um fremde Pflanzen und schöne Gesteine zu sehen, nach Lunnus auf Zypern und das syrische Palästina gesegelt ist. Was alles jene, die über Pflanzenkunde geschrieben haben, an Mühseligkeiten auf ihren weiten Reisen zu erdulden hatten, wäre durchaus möglich zu berichten. Ich möchte aber darauf lieber verzichten, damit mein Bericht den Leser nicht langweilen möge. Stattdessen werde ich sofort mit dem Bericht über meine eigene Reise beginnen.

    Es mag wohl sein, dass die oben erwähnten oder auch weitere herausragende Männer mir an Verstand, Erfahrung und Wissen überlegen sind. Jedenfalls sehe ich es so, aber es ist ebenso sehr auch wahr, dass ich von Jugend auf großes Verlangen danach gehabt habe, auf den Wegen berühmter Leute zu reisen und die Sitten und Gebräuche fremder Völker kennen zu lernen, um dadurch selber etwas zu lernen. Daraus entsprang dann der Wunsch, möglichst viele nützliche Kräuter zu finden, die in der Medizin von Nutzen sein können. Von allen Wissenschaften hatte mir das Studium der Medizin am meisten zugesagt und ich fand, dass für diese Wissenschaft sehr vielfältige Kenntnisse vonnöten sind. Besonders aber erfordert der Beruf des Arztes Kenntnisse über Kräuter. In dieser Auffassung bestärkten mich auch meine lieben Angehörigen und Verwandten sowie die Fachleute einiger deutscher, französischer und italienischer Universitäten, an denen das Medizinstudium besonders gut war. Vor allem in Montpellier hatte ich in Herrn Jeremias Martius, Doktor der Medizin und praktizierender Arzt, einen besonders wohlwollenden Freund. Mit ihm habe ich viele Berge und Täler auf der Suche nach Kräutern durchstreift. Besonders am hohen Berg Caeti, der bei Frintignan am Meer gelegen ist, habe ich einen Schatz von einigen hundert Exemplaren zusammengetragen.

    Ich studierte die Bücher von Autoren, die über fremde und für die Medizin sehr nützliche Kräuter, wie sie in Griechenland, Syrien, Arabien etc. zu finden sind, geschrieben haben. Dabei hatte es mir immer gefallen, wenn auch die Städte und Landschaften der schönen und fruchtbaren Morgenländer, die bei vielen Schriftstellern, vor allem aber in der Heiligen Schrift, sehr oft erwähnt werden, dargestellt wurden. Ich bekam dann immer mehr Lust, auch selbst die Kräuter und Pflanzen an den Orten, an denen sie hauptsächlich wachsen, aufzusuchen und zu sammeln. Daneben hatte ich immer auch die Absicht, das Leben der Bewohner dieser Länder, ihre Sitten, Gebräuche, Gesetze, Religion etc. zu beobachten und zu studieren. Ich konnte meine Reiseabsichten jedoch nicht so schnell in die Tat umsetzen. Obwohl ich lange warten und zwischenzeitlich meinem geliebten Vaterland etliche Jahre dienen musste, ist mir immer im Sinn geblieben, diese Reise bei passender Gelegenheit zu unternehmen. Als mir mein seliger Herr Schwager Melchior Manlich sen. vorschlug, auf einem seiner Handelsschiffe kostenfrei und bei guter Bezahlung in die Morgenländer zu fahren, habe ich die lang ersehnte Gelegenheit sogleich wahrgenommen. Ich habe bei dem ehrbaren und weisen Rat der Stadt Augsburg, mit dem ich dienstlich verbunden war, um Erlaubnis gebeten und diese auch erhalten. Dann habe ich im Namen Gottes meinen Weg in den Orient begonnen.

    Was ich in den drei Jahren, die ich dort zugebracht habe unter zum Teil großer Gefahr, Mühe und Arbeit ausgestanden, gesehen und erfahren habe, das alles habe ich ganz ordentlich und ganz so, wie es sich täglich zugetragen hat, zu meiner eigenen Erinnerung in ein kleines Reisebüchlein geschrieben. Nach meiner Rückkehr wurde ich häufig von Herren und guten Freunden auf mein Tagebuch angesprochen und herzlich gebeten, es sie lesen zu lassen bzw. es als Buch herauszugeben. Nach zunächst hartnäckiger Weigerung habe ich ihnen diese Bitte letztlich nicht abschlagen können. Daher habe ich mein Reisebüchlein überarbeitet und alles, was ich an Ungewöhnlichem auf meiner Reise beobachtet und gesehen habe, in ein besonderes Tagebuch aufgenommen. Dieses Diarium, wie es die Lateiner nennen, gliedert sich, entsprechend den Abschnitten meiner Reise, in drei Hauptteile. Ich habe dieses Buch nicht aus Ehrgeiz oder Ruhmsucht drucken lassen, sondern nur, um Freunden und anderen Leuten, die selbst keine Möglichkeit hatten, fremde und ferne Länder zu besuchen, meine Erlebnisse bildhaft vor Augen zu führen. Die einen sollten Einblick in das Leben in der Fremde erhalten, andere aber wollte ich anregen, auch einmal darüber nachzudenken, selber an die Orte zu reisen.

    Vielleicht wird mir jemand vorwerfen, dass ich mir die ganze Mühe und Arbeit besser gespart und in andere Aktivitäten hätte stecken sollen, da solche Reisebücher viel gedruckt werden und die Sitten und die Geographie der Welt bereits ausführlich beschrieben worden ist; so gründlich erkundet sogar, dass, wie man zu sagen pflegt, kein Winkel mehr vorhanden ist, der nicht bereits beleuchtet worden ist. Denen sage ich aber: Was andere geschrieben haben, hat auf mein Buch keinen Einfluss ausgeübt. Nur darüber, was ich selbst gesehen, erfahren, beobachtet und in die Hände genommen habe, wird hier berichtet. Für all jene allwissenden Gesellen, die in zuvor veröffentlichten Büchern bereits soviel gelesen haben, dass man ihnen nichts Neues mehr zutragen kann, ist dieses Buch nicht geschrieben worden. Die tägliche Erfahrung lehrt uns jedoch, dass wegen ausbrechender Kriege, Plagen und Seuchen in Königreichen, Landschaften, Städten und Gemeinden ständig große Veränderungen stattfinden. Was bislang als herrlich und schön gepriesen wurde, kann bald nur noch zerstört oder verwüstet vorgefunden werden. Und ebenso kann das, was bislang als niederträchtig und unfruchtbar verachtet worden ist, einen Aufschwung erfahren und mit den besten Früchten und Pflanzen geschmückt und gesegnet sein. Wer das bedenkt, der muss zugeben, dass es auch in unserer Zeit noch viel zu erfahren und zu erforschen gibt, das noch nicht von anderen abgehandelt, beobachtet und niedergeschrieben worden ist. Dem, der so denkt, ist die Welt ein großes Buch, dass wir nie auslesen können. Daher hat der weise Salomon gesagt, dass er bei stetigem Lernen alt werde und der Rechtsgelehrte Julianus sagt, dass er auch dann noch weiter lernen möchte, wenn er mit einem Fuß schon im Grab stünde. Auch wenn mein Buch keine großen und gelehrten Theologen, Juristen und Mediziner hervorbringen sollte, wozu es auch nicht gedacht ist, so wird es doch hoffentlich in einer anderen Weise von Nutzen sein. Wenn jemand in meinem Bericht liest, wie die Gebäude der herrlichen Festungsstadt Jerusalem verfallen, wie Babylon gar in Asche liegt, andere bedeutende Orte öde und unbewohnt sind und das Gelobte Land unfruchtbar daliegt, dem wird alsbald in Erinnerung gerufen, dass der Zorn Gottes ein alles verzehrendes Feuer ist. Nicht nur das zu seinem Erbe auserwählte Volk der Juden, das gesündigt hat, auch das fruchtbare Land, in dem einst Milch und Honig geflossen sind, hat er nicht verschont. Er hat dieses Land sogar wegen der Missetaten seiner Bewohner zur Unfruchtbarkeit verflucht und die herrliche Stadt Jerusalem mitsamt ihrer Festungsanlagen zu Ödnis und Wildnis gemacht. Dies sollte einen jeden Christen zur Buße und Bekehrung und zu einem besseren Leben auffordern. Man bedenke: Wenn das alles schon an dem grünen Holz des auserwählten Volkes geschehen ist, was wird dann erst, wenn dereinst der Zorn Gottes anbricht, mit dem dürren, dem unbeschnittenen und verdorbenen Holz geschehen?

    Wer aus diesem Büchlein über das Leben, die Sitten, Gebräuche, Gesetze und Ordnungen und über die in den Morgenländern üblichen Tücken und Listen informiert wird, der weiß, wie er sich in Notzeiten zu verhalten hat und er wird dann umso vorsichtiger handeln. Darüber hinaus gibt dieses Buch darüber Auskunft, wie sich ein Christ benehmen soll, wenn er in Gefangenschaft gerät, was Gott gnädig von ihm abwenden wolle. Es wird gezeigt, was er, ohne an seiner Seele Schaden zu nehmen, tun soll und wie er sich am besten aus der Gefangenschaft befreien kann. Auch wird in diesem Buch dargestellt, welche Sekten und Religionen es dort gibt und wie viel gutherzige Leute dort leben, die von der wahren Erkenntnis Gottes nicht fern sind und leicht zum rechtschaffenen, christlichen Glauben geführt werden könnten.

    Ich hoffe darüber hinaus, dass mein Werk Apothekern und Medizinern nicht unwillkommen sein wird, da ich in meinem Reisebericht auch viele nützliche Kräuter beschreibe. Ich hätte gerne auch eine Abbildung eines jeden einzelnen Krautes hinzugefügt, aber das war aus verschiedenen Gründen nicht zu realisieren gewesen. Ich hoffe jedoch, dass es zu einem späteren Zeitpunkt noch geschehen kann.

    Die erste Ausgabe von Rauwolfs Reisebericht erschien im Jahre 1582. Sie hatte 487 Seiten und enthielt keine Pflanzenabbildungen. In der zweiten Auflage von 1583 gab es dann einen Anhang mit 42 Holzschnittabbildungen.

    In meinem Buch wird auch von allerhand wundersamen Geschichten und Begebenheiten berichtet, die den gutherzigen Leser belustigen und zum Nachdenken über höhere Dinge ermuntern sollen. Ich hege die tröstliche Hoffnung, dass ich den großen Fleiß und die mühevolle Arbeit, die ich in dieses Werk gesteckt habe, nicht vergebens aufgebracht habe.

    Nun ist es, meine ehrwürdigen und wohlwollenden Herren und Vettern, bei den Schriftstellern bislang üblich, ihre zur Veröffentlichung anstehenden Bücher jemandem zu widmen und zuzuschreiben. Ich habe daher auch meine Reisebeschreibung, diesem alten Brauch gemäß, Euch empfehlen und widmen wollen. Ich tue dies nicht allein wegen der Blutsfreundschaft, durch die ich mit meinen Vettern Widtholtz und Christel verbunden bin, sondern auch wegen der vielfältig erwiesenen Freundschaftsdienste und Wohltaten, die mir schon unser lieber verstorbener Vetter Leonhart Christel zu seinen Lebzeiten erwiesen hat und die Ihr drei mir bis auf die jetzige Stunde erweist.

    Meine gut gemeinte Widmung bitte ich Euch wohlwollend anzunehmen und mich auch als Euren dienstwilligen Vetter und Freund anzuerkennen und Eurer Gunst zu empfehlen.

    Augsburg, den 30. September im Jahre des Herrn 1581. Leonhart Rauwolf, Doktor der Medizin und zu Augsburg bestellter Arzt.

    Wie ich zunächst von Augsburg nach Marseille gezogen und von dort weiter auf dem Meer bis nach Tripoli, das in Syrien liegt, gefahren bin

    Von Jugend an habe ich ein besonderes Verlangen danach gehabt, in ferne Länder zu reisen. Besonders die Morgenländer haben mich sehr angezogen, weil sie berühmter und fruchtbarer sind als andere Länder und weil sie von den ältesten Völkern erbaut worden sind, über die die mächtigsten Herrscher und Monarchen regiert haben, die die Welt je gesehen hat. Aber nicht allein das Leben der Bewohner sowie ihre Sitten und Gebräuche wollte ich erkunden, sondern ebenso auch die schönen Gewächse und Kräuter, die von Theophrastus, Dioscorides, Avicenna, Serapion etc. beschrieben wurden.

    Bei den genannten Theophrastus, Dioscorides, Avicenna und Serapion handelt es sich um die Klassiker der antiken Medizin. Theophrasto, 371-287 v. Chr., griechischer Philosoph und Naturforscher; Dioscorides, ein griechischer Arzt, lebte im 1. Jh. n. Chr.; Avicenna, 980-1037, war ein persischer Philosoph und Arzt; Serapion, ein altgriechischer Arzt, lebte um 200 vor Christus.

    Ich wollte sie in den Gegenden und an den Orten auffinden, an denen sie wachsen und sie genau untersuchen, damit mir besonders die fremden und unbekannten Pflanzen etwas vertrauter und verständlicher würden. Das käme auch den Apotheken zu Hilfe, die diese Pflanzen führen oder verwenden wollen.

    Schon lange hatte ich nach Mitteln und Wegen gesucht, mein Vorhaben auszuführen. Schließlich fand ich im Jahre des Herrn 1573 hier in Augsburg bei meinem ehrenwerten Herrn Melchior Manlich sen., meinem wohlwollenden Schwager und Verwandten, eine gute Gelegenheit. Er nahm mich auf, da er ohnehin die Absicht hatte, einige Leute mehr mit seinen Geschäften zu betrauen. Er rüstete mich für den Weg aus, damit ich gleich mit den ersten Gefährten, die nach Marseille reisen wollten, mitreisen konnte, um von dort aus weiter mit ihrem Schiff nach Tripoli in Syrien zu fahren.

    Nachdem ich nun auf den ehrenwerten und vornehmen Herrn Friedrich Rentzen gewartet hatte, ritten wir am 18. Mai des Jahres 1573 von Augsburg aus auf Lindau zu. Wir hegten die Absicht, durch das Piemont nach Mailand und weiter nach Nizza zu kommen. An diesem ersten Tag ritten wir bis Mindelheim an der Mindel, ein lebhaftes Städtchen mit einem fürstlichen Schloss, das dem Freiherrn von Frundsberg gehört. Am Mittag des 19. Mai erreichten wir Memmingen, eine schöne Reichsstadt, wie auch Leutkirch, das wir nachts erreichten. Am 20. ritten wir durch Wangen, eine im Allgäu gelegene Reichsstadt, in der Segessen und Leinen einen bedeutenden Gewerbezweig darstellen.

    Am Mittag erreichten wir Lindau, eine Reichsstadt im Bodensee. Es ist eine große Niederlassung, die häufig als das deutsche oder schwäbische Venedig bezeichnet wird, da sie im Wasser liegt und ein bedeutender Handelsort ist. Wir fuhren über den See nach Fussach, einem Ort in der Nähe der Stadt Bregenz, die am Rhein liegt. Am Morgen des 21. erreichten wir Feldkirch, ein recht lebhaftes Städtchen an der Ill, das zur Zeit zum Haus Österreich gehört. Noch vor wenigen Jahren war die Stadt im Besitz der Grafen aus dem Geschlecht Montfort gewesen. Auf dieser Wegstrecke sah ich eine Menge schöner Kräuter wie etwa Saxifraga aurea, Cariophyllata alpina, ein Gewächs aus der Familie der Maßliebchen, Hahnenfuß mit weißen Blüten, Auricula ursi mit braunen Blüten etc. Am Abend erreichten wir Maienfeld in Graubünden am Rhein, der dort aus einem Gewässer, das „die Camingen" genannt wird, entspringt. Aus den hohen Felsen der Umgebung drängt auch das köstlich warme Wasser des Pfäfers hervor, das nach der nahe gelegenen, uralten Abtei benannt worden ist. Dieses Wasser kann sowohl zu den Wasserwundern als auch zu den Wunderwassern gezählt werden, weil es eine so herrliche Wirkung in der Stärkung schwacher, verkrampfter und erlahmter Glieder hat. Im Gegensatz zu anderen Bädern versiegt das Wasser von Oktober bis Mai, dringt dann aber im Mai wieder machtvoll hervor.

    In der Nacht des 22. Mai erreichten wir Chur. Es ist eine sehr alte Stadt und eine bedeutende Handelsniederlassung. Von hier werden aus Deutschland kommende Waren auf Saumpferden über das Gebirge geführt. Der Sitz des Bischofs liegt eine halbe Stunde vom Rhein entfernt. Daher wird dieses Bistum auch Rheinbistum genannt. Man nennt die Reihe der Bistümer am Lauf des Rheins auch Pfaffengasse und hier ist das Bistum Chur das oberste, da es nicht weit von der Quelle des Rheins entfernt liegt. Einer alten Redensart nach sagt man, dass das Bistum Konstanz das größte, Basel das lustigste, Straßburg das edelste, Speyer das frömmste, Worms das ärmste, Mainz das ehrwürdigste, Trier das älteste und Köln das reichste Bistum sein soll.

    Am Samstag, den 23., ritten wir bis Thusis, einem alten Marktflecken in Graubünden, der von den Tuscis den Namen erhalten hat, als die Rätoromanen einst in diesen Landesteil gekommen sind. (Im Mittelalter war Tuscia bzw. Tuscien der gängige Name für die Toscana.) Nicht weit entfernt liegen auf einem hohen Berg noch die Überreste des verwüsteten Schlosses Realt, oder, wie die Rätoromanen sagen, Rhetia alta.

    Am Mittag des 24. Mai kamen wir, nach dem wir den hinteren Rhein unweit seiner Quelle überquert hatten, in einen Ort namens Splügen. Dann ging es über den Berg und am Abend kamen wir in einen kleinen Ort (heute Campodolcino) im Gampolschivertal, wo wir über Nacht blieben. Am Montag, den 25., erreichten wir Chiavenna, eine sehr alte Stadt, die zu den Bündten gehört. Diese Stadt besaß einmal ein befestigtes Schloss, das aber von den Graubündnern selbst im Jahre 1524 zerstört worden ist. Es wurde durch eine List des Burgherrn Johann Jacob von Medici eingenommen. Bei den Kämpfen ist auch das Städtchen arg verwüstet worden. Die Stadtmauer und die Tore wurden niedergelegt, damit sich zukünftig kein Feind mehr dort würde einnisten können. Von Chiavenna kamen wir nach Riva am Comer See. Dort fließt das Wasser der Adda in den See, führt aber dem See weder Wasser zu noch ab, sondern rinnt sozusagen durch den See hindurch, so wie der Rhein durch den Bodensee fließt. In dem Ort Gera Larib, der ebenfalls am See liegt, nahmen wir unser Nachtlager. Am Ufer des Sees entdeckte ich purpurfarbene Gilgen (Kraftwurz) mit schmalen Blättchen. Die Pflanze stammt aus der Familie der weißen Goldwurzel. In alten Mauerritzen sah ich die Cymbalaria.

    Am Mittag des 26. Mai erreichten wir Como. Es ist eine sehr lebhafte Stadt, nach der der See heute den Namen Comer See trägt. Von dort aus ritten wir noch am selben Abend in Richtung Mailand weiter. Mailand ist die Hauptstadt des gesamten Herzogtums, das, einer welschen Redensart nach, nicht ohne Grund „die Große" genannt wird. Wie es dieser Stadt und dem Herzogtum vor einigen Jahren, ehe Kaiser Karl V. sie nach dem Tod des letzten Herzogs Francisco Sfortia beharrlich besetzt hatte, ergangen ist, ist aus der Geschichte hinlänglich bekannt.

    Am 27. ritten wir durch Binasco, einen Ort, in dem der hochgelehrte und weltberühmte Andreas Alciatus, Doktor der Rechte und Professor vieler Universitäten in Welschland (die französische Schweiz) und Frankreich, einen schönen Palast hat bauen lassen. Am Abend erreichten wir den großen Tiergarten, in dem im Jahre 1525 die blutige Schlacht zwischen König Franz von Frankreich und den Obersten und Hauptleuten Kaiser Karls V. geschlagen wurde. Der französische König geriet in Gefangenschaft und viele seiner Anhänger fanden bei den Kämpfen den Tod.

    Noch in der Nacht erreichten wir Pavia, eine schöne, alte, an den Ufern des Ticino gelegene Stadt. Hier hatten einst die Könige der Langobarden ihr Hoflager aufgeschlagen und später hat Karl der Große, der erste deutsche Kaiser, eine Hochschule gestiftet, in der viele hervorragende und gelehrte Persönlichkeiten erzogen worden sind.

    Am Donnerstag, den 28. Mai, zogen wir von Pavia aus über den Po, der als der größte Fluss Italiens gilt, nach Voghera. Das lebhafte Städtchen liegt an einem kleinen Gewässer mit Namen Staffora. Dort haben wir den halben Posten Waren angenommen, deren Zahl hinter Nizza bei 18 Posten lag. Gegen Mittag erreichten wir Tortona. Es ist eine Stadt, die aufgrund verschiedener Kriege, Zwietracht und Uneinigkeiten nicht sehr bevölkerungsreich ist. Gegen Abend kamen wir nach Alessandria della Paglia, das von den Sprewern gegründet wurde. Als zwischen Kaiser Friedrich I. und den lombardischen Städten durch Anstiftung des Papstes Alexander III. ein schwerer und langer Krieg geführt wurde, haben sich die lombardischen Städte verbündetet und aus zahlreichen Dörfern im Jahre 1168 diese Stadt gegründet. Sie bauten sie im folgenden Jahr zur Festung aus und benannten sie nach Papst Alexander III. Die Kaiserlichen wiederum haben die Stadt aus Spott „Ströwin Alexandria" genannt, ein Beiname, der sich bis heute erhalten hat. (Paglia bedeutet Stroh; der von Rauwolf benutzte Name „Ströwin steht vermutlich für „Strohhut.)

    Wir blieben nicht in Alessandria della Paglia, sondern ritten noch in der Nacht nach Bellinzona. Es ist ein befestigter Ort, der einst einheimischen Herren unterstanden hat. Diese verkauften ihn aber an die Herren von Uri und ihre Sippschaft, weil sie es nicht wagten, ihn als Nachbarn der mächtigen Herzöge von Mailand zu behalten. Die Ereignisse gehen auf das Jahr 1422 zurück, und es hat viel Blut gekostet, bis die Schweizer ihn im Jahre 1500 schließlich in festem Besitz hatten.

    Am Mittag des 29. Mai erreichten wir Asti, eine prächtige Stadt, die zum Herzogtum Mailand gehört und in der der König von Spanien Besatzungstruppen stationiert hat. Diese empfingen eben zu jener Zeit den neuen Statthalter von Mailand und begleiteten ihn in die Stadt. Nicht weit entfernt liegt Carmagnola, das zur Markgrafschaft Saluzzo gehört und somit dem König von Frankreich untersteht, der dort Besatzungstruppen unterhält. Der Ort Moncalieri nun wieder, nahe bei Carmagnola gelegen, ist von Truppen des Königs von Savoyen besetzt, so dass hier also die Besatzungstruppen dreier verschiedener Herrscher sehr nahe beieinander liegen. Wir verbrachten die Nacht bei schlechtem Wetter in einem Weiler namens Beieron.

    Am 30. Mai zogen wir durch Racconigi und Savigliano, zwei kleine Städtchen, und gegen Nacht erreichten wir Cuneo. Am letzten Maitag erreichten wir, nachdem wir in dem Dorf Limone zu Morgen gegessen hatten, das Gebirge, das die Ligurischen Alpen genannt wird. Auf dem Weg über Tende nach Saorge sahen wir viele schöne Weinberge. In der kleinen Stadt Saorge blieben wir über Nacht. Am Morgen des 1. Juni erreichten wir die Stadt Nizza, die dem Herzog von Savoyen gehört. Am Tyrrhenischen Meer liegt ein befestigtes Bergschloss.

    Nizza wurde im Jahre 1543 lange Zeit von dem türkischen Admiral Barbarossa belagert. Dieser konnte die Stadt zwar einnehmen, musste dann aber doch unverrichteter Dinge wieder abziehen. Kaiser Karl V. und König Franz von Frankreich traten vor Papst Paul III. um einen Friedensschluss zu erwirken.

    Rauwolf beschreibt den Frieden von Crépy 1544, der den vierten Krieg zwischen Kaiser Karl V. und Franz I. von Frankreich beendet. Der König von Frankreich stand während der Auseinandersetzungen im Bündnis mit Suleiman II., daher die Belagerung Nizzas durch den türkischen Admiral.

    In der Umgebung Nizzas sah ich viele schöne Kräuter. Besonders fielen mir zwei Arten der gehörnten Ölmagen mit schönen gelben und braunen Blüten auf. Ich sah auch Laudanum mit breiten Blättern und auf dem Höhenweg nach Villa Franca eine weiße „Winde Glocke" mit purpurfarbenen, länglichen Blättchen.

    Am zweiten Tag des Monats Juni zogen wir mit mehreren Mitreisenden weiter auf die Städte Antibes, Cannes, Le Luc, Brignoles etc. zu nach Marseille, das schließlich noch ungefähr 30 Meilen entfernt lag. Wir ritten so, dass wir die Stadt am 5. Juni, 19. Tage nach unserem Aufbruch, erreichten. Auf dem Wege entdeckte ich an Kräutern die Scharfe Winde, die Färberröte, das Stoechaskraut und zahlreiche andere Pflanzen.

    In Marseille kehrte ich in die mir von meinem wohlwollenden Herrn Schwager zugedachte Unterkunft ein, um dort auf eines der Schiffe zu warten. Hier begegnete ich meinem Mitreisenden Johann Ulrich Krafft, Sohn des edlen, ehrenwerten und weisen Johann Krafft, der in Ulm Geheimrat war. Da sich unsere Abreise noch etwas verzögerte, machte ich mich mit einigen Doktoren und Apothekern der Stadt bekannt. Besonders engen Umgang pflegte ich mit Iacobo Renando, einem sehr erfahrenen Mann und Liebhaber der Kräuter.

    Als nun endlich unser Schiff, die „Santa Croce", vor Anker ging, wurde es mit Proviant, Geschützen und all dem beladen, was für eine dreimonatige Schiffsreise nötig ist. Spät am Abend des 1. September 1573 setzten Ulrich Krafft und ich mit unserem Kapitän Antonio Reinhardt sowie einigen Leuten seiner Mannschaft auf einer Fregatte zum Schiff hinüber, das weiter draußen bei einigen vorgelagerten Inseln vor Anker lag. Da es uns nun an nichts mehr fehlte und uns nichts mehr aufhielt, ließen wir am Nachmittag gegen 2 Uhr, als sich gerade durch Gottes Gnade gute Winde erhoben, die Segel fallen und fuhren davon. Unser Kapitän ermahnte seine Männer ernsthaft, dass sie fest zusammenhalten, ihm Gehorsam leisten und seinen Befehlen treu nachkommen sollten. Nachdem sie gelobt hatten, dies zu tun, sprachen wir gemeinsam unser Gebet und überantworteten unser weiteres Schicksal dem Schutz und Schirm des Allerhöchsten.

    Noch während der Ausfahrt kam unser Schiff einem anderen so nahe, dass es das andere mit dem Bug fast berührt hätte. Wir hätten wohl einen Schiffbruch erlitten, wenn der Zusammenprall der beiden Schiffe von den Schiffsleuten nicht noch hätte abgewendet werden können. Nachdem die Gefahr vorüber war, segelten wir fröhlich unter vollen Segeln davon. Wir kamen so gut voran, dass wir bereits am Abend das Land aus den Augen verloren hatten und nichts als Wasser und Himmel sahen.

    Während der Fahrt überkam viele von uns eine solche Übelkeit,

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