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Prison: T.a.p.e.r.
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eBook303 Seiten4 Stunden

Prison: T.a.p.e.r.

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Über dieses E-Book

#5 [prizən:tāpər]Prison: T.a.p.e.r.: Ein ganz gewöhnlicher Tag für die alleinstehende Kriminalkommissarin Zora Beckers: Mehrere nicht identifizierbare Leichen auf einem Schrottplatz, brutale Banküberfälle in der gesamten Stadt, die schon seit Wochen die Bevölkerung in Atem halten und es gibt keinerlei brauchbare Anhaltspunkte. Sie nimmt zu ihrer Ablenkung den 17-jährigen Anhalter Tim in ihrem Auto mit und sieht bald in ihm den perfekten Begleiter für eine Betriebsfeier, die gegen Abend stattfinden soll. Doch es kommt ganz anders als geplant. Zora und Tim werden in einen Banküberfall verwickelt und anschließend von den Bankräubern verfolgt. Diese kennen keine Gnade und ihnen ist jedes noch so brutale Mittel recht, um an ihr Ziel zu kommen: Tim! Im Hintergrund nimmt Zoras Kollege Benno die Ermittlungen auf, um den beiden zu helfen, doch die Ermittlungen erreichen eine neue Dimension entgegen der Vorstellungskraft und den Erwartungen aller Beteiligten. Sie lernen die neue ultimative Art des Terrors kennen.
Dies ist das 5. Buch von Pascal Ringstahl: Nach dem reinen E-Book MeinHard, dem Horror-Thriller Scrunch über die Twin Dogs, dem pädagogisch wertvollen Jugendroman Calyx und der einmaligen Liebesgeschichte Severity über sinnlose, zeitraubende Schwärmerei begibt er sich nun mit Prison: T.a.p.e.r. in die Welt der Kriminalität. Treffen Sie auf alte Bekannte in diesem spannenden Werk und erleben Sie, wie sich eine neue Art der Ausweglosigkeit entwickelt, gespickt mit Humor und zahlreichen Anspielungen aus der Film - und Bücherwelt.
SpracheDeutsch
Herausgebertredition
Erscheinungsdatum30. Juni 2021
ISBN9783746917146
Prison: T.a.p.e.r.

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    Buchvorschau

    Prison - Pascal Ringstahl

    1

    »Tim! Aufstehen«, hauchte jemand freundlich und aufmunternd in sein Ohr. Tim zuckte leicht zusammen, reckte sich protestierend mit lauten Streckgeräuschen und konnte es einfach nicht fassen, dass das schöne sonnige Wochenende schon wieder vorüber war. Er öffnete leicht seine Augen zu einem schmalen Schlitz und sah seine Mutter lächelnd neben seinem Bett stehen. Er wollte nicht aufstehen, sondern lieber weiter in seinen schönen Träumen verweilen. Doch seine Mutter ging von seinem Bett nicht weg und schaute sich kurz in seinem Zimmer um. Sie schaute in der Zeit, wo Tim langsam aufwachte, rüber zu seinem Schreibtisch, der mit Schulbüchern und Zeitschriften unordentlich übersäht war. Sie atmete tief durch. Tim hatte nicht den Sinn für Ordnung und sie überlegte kurz, was sie bei seiner Erziehung wohl falsch gemacht hatte. Sie ging kurz zu den bodentiefen Fenstern und zog die weißen Schlaufenvorhänge beiseite, damit das Sonnenlicht des Morgens in das Zimmer und auf sein Bett schien, damit er endlich wach wurde. Sie stellte sich wieder neben sein Bett und schaute sich weiter um. Seine getragene Kleidung lag überall im Zimmer verstreut herum, die Kleiderschranktür stand offen und dort drin sah es genauso unordentlich aus wie in seinem gesamten Zimmer. Games für seine Spielkonsole, Blu-ray Discs ohne Schutzhülle, zerfledderte Booklets, CDs, DVDs und Zeitschriften lagen überall herum. Sie schaute von einem Star Wars Episode 5 Poster, was leicht schräg mit Klebestreifen befestigt an der Wand hing, weiter zu einem Terminator Judgment Day Poster, was die muskulöse und mit einer Pumpgun bewaffnete Sarah Connor zeigte. Wieso er diese Filmfigur mochte, konnte sie nicht verstehen. Dann rüttelte sie kurz an seinem Oberarm, denn er hatte seine Augen geschlossen und begann schwer zu atmen. Ein eindeutiges Zeichen dafür, dass er wieder in den Tiefschlaf fiel. Sie rüttelte etwas kräftiger. Jetzt musste er ungewollt aufstehen. Sie wurde zwar nicht ungemütlich, aber sie konnte sehr penetrant werden, wenn er sich nicht etwas beeilte. Denn Tim brauchte inzwischen lange bis er sich im Badezimmer fertig für den Tag und die Schule gemacht hatte. Seinen siebzehnten Geburtstag hatte er gerade hinter sich und wie es meistens für einen heranwachsenden jungen Mann in dem Alter üblich war, kam er nicht sehr schnell aus dem Badezimmer heraus und neben ihm wollten noch sein Stiefbruder und sein Stiefvater in das einzige Badezimmer. Tim schob die dunkelblaue Bettdecke beiseite und schaute genervt auf den Wecker neben seinem Bett der 6: 00 Uhr anzeigte. Er richtete seine fast 1,90 Meter Körperlange aus dem Jugendbett, was er seitdem er 13 Jahre alt war, besaß. Er schlief immer noch in seinem alten Schlafanzug. Zwar hatte der keine quietschgelbe Farbe oder Simpsons Figuren aufgedruckt, aber er sah doch sehr gewöhnungsbedürftig aus. Er war in einem lindgrün und die Hose war inzwischen durch einen Wachstumsschub etwas kurz geraten. Sie ging noch gerade so über seine Knie. Seine Mutter hatte ihn damals ausgesucht. Die hatte inzwischen das Zimmer verlassen, als er sich im Bett aufgesetzt hatte und war noch einmal schnell in das Badezimmer geeilt, bevor Tim es für eine lange Zeit blockieren würde. Denn für seine Frisur brauchte er lange, um sie mit sehr viel Haarspray und Gel in die für ihn richtige Form zu bringen. Außerdem musste er gründlich und lange duschen, denn er empfand im Moment seinen Körpergeruch als sehr unangenehm. Seinen Stimmbruch hatte er schon hinter sich und seine Stimme klang in manchen Momenten etwas zu dunkel und manchmal etwas quietschend. Tims große Figur wirkte ein bisschen schlaksig und noch nicht richtig ausgebildet. Er war sehr schlank, jedoch an den Hüften etwas breiter und an den Schultern dafür wieder etwas schmaler. Tim marschierte mit seinen riesigen Füßen barfuß über den dunklen Marmorboden in das Badezimmer. Er schaute an sich herunter und beschloss am Abend ein Fußbad zu nehmen. Er wusste nicht warum, aber in letzter Zeit schaute er vermehrt auf Füße und fand, dass die meisten Menschen sie nicht genug pflegten. Darum hatte er schon vor einiger Zeit begonnen mindestens ein- bis zweimal die Woche ein Fußbad zu nehmen, um seinen Füßen etwas Gutes zu tun. Denn, wenn er an der Spielkonsole zockte, hatte er genug Zeit seine Füße in eine kleine Wanne zu stellen und einweichen zu lassen. Seine Mutter, Petra, die auch nicht gerade klein war mit 1,85 Metern, kam aus dem Badezimmer wieder heraus und gab ihm schnell einen Kuss auf die Stirn. »Beeil dich bitte, sonst verpasst du noch deinen Schulbus«, sagte sie freundlich, aber bestimmend zu ihm. Tim nahm sie in den Arm und drückte sie ganz fest an sich. Ja, er war ein leichtes Mutter-Söhnchen. Nebenan in der Küche hörte er schon die Teller klappern. Das war sein Stiefvater. Seine Mutter hatte sich von ihrem ersten Mann, seinem leiblichen Vater, scheiden lassen, nachdem der sein Alkoholproblem nicht in den Griff bekam und immer öfters ausfallend wurde. Das war jetzt fast 8 Jahre her. Tim hatte in der Trennungsphase seinen Vater noch regelmäßig gesehen, doch irgendwann wollte Tim nicht mehr zu seinem Vater. Er machte ihm immer Vorwürfe, dass er nicht genug für die Schule tun würde, warum er noch keine Freundin hatte und lästerte natürlich jedes Mal über Tims Mutter, seine missratene Exfrau. Nach der Scheidung lernte Tims Mutter nach nicht langer Zeit ihren jetzigen Mann Matthias mit dessen Sohn Kay kennen. Matthias war ein Versicherungsvertreter und machte seine Arbeit sehr gut. Dadurch waren sie kurzfristig in eine luxuriöse Dachgeschosswohnung gezogen. Auf fast 140 Quadratmeter im 5. Stock gab es direkt nach der massiven und doppelt gesicherten Haustüre das große Wohnzimmer. Davon gingen jeweils die Türen zur Küche, zum Elternschlafzimmer, einem Büro, Kays Zimmer, einem großen Badezimmer, Tims Zimmer und einer Gästetoilette ab. Die komplette Wohnung war in dunklem Marmor gefliest und wirkte sehr edel. Überall gab es bodentiefe Fenster und die Räume waren lichtdurchflutet. Besonders durch die moderne, helle Einrichtung war es sehr gemütlich und wohnlich. Jedoch gab es einen kleinen Nachteil: Die Wohnung hatte keinen Balkon und keine Terrasse. Es gab nur die Möglichkeit auf die Plattform einer Feuerleiter zu klettern, die direkt vor den vier großen Wohnzimmerfenstern lag. Obwohl das Haus ein betretbares Flachdach hatte, gab es für die Bewohner keine Möglichkeit dort hinaufzukommen, da der Eingang durch das Fahrstuhlhaus führte. Aus Sicherheitsgründen durfte das niemand nutzen. Petras neuer Mann war ein wenig kleiner als sie und stämmig, mit einem kleinen Bauch, den er so gut es ging unter seinen edlen Hemden zu verstecken versuchte. Tim beeilte sich im Bad, obwohl er keine Lust auf Schule hatte. Seine Mutter hatte ihn auf einem Gymnasium angemeldet, obwohl er lieber nach der Mittelstufe abgegangen wäre, um zu arbeiten. Sie bestand darauf, da sie glaubte, ihr einziger Sohn hätte das Potenzial für etwas Großes und würde es verschenken. Nach einer gefühlten Ewigkeit im Bad und beim Ankleiden in seinem Zimmer kam er in die weiß lackierte Küche, hatte seine dunkelblonden Haare schön mit einer leichten Welle zur Seite gekämmt und mit viel Haarspray zum Halten gebracht. Seit Wochen zog er immer die gleiche graue Drop-Crotch Stoffhose an, darauf einen blauen Kapuzenpulli und seine geliebten weißen Nike Turnschuhe, die schon mehr schwarz waren, als weiß, wenn seine Mutter ihm die Schuhe nicht zwischendurch putzte. Die schaute ihn nur an, sagte nichts, als er sich wortlos an den Küchentisch setzte. Er schlug seinem tief in Gedanken versunkenden Stiefbruder Kay auf die Schulter. Der schaute zuerst erschrocken und wütend auf, dann lächelte er ihn an. Tim verstand sich mit seinem Stiefbruder sehr gut. Kay war der einzige Sohn von Matthias, Tims Stiefvater. Er war ein schweigsamer junger Mann, Mitte 20. Er wohnte noch zu Hause, bzw. er war wieder zu Hause eingezogen, nachdem er die gemeinsame Wohnung mit seiner Freundin aufgegeben hatte. Kay hatte seine Freundin betrogen und darauf hatte sie sofort einen Schlussstrich gezogen. Kay war kein Kostverächter und schaute jeder Frau hinterher, egal ob sie hübsch war oder nicht. Es war wohl ein leichtes Minderwertigkeitsgefühl, was er von seiner Kindheit aus hatte. Er sprach nie viel und darum wurde er meistens von anderen Menschen gemieden und suchten nicht seine Freundschaft. Vielleicht lag es auch an seinem starren Blick mit seinen blauen Augen, die seelenlos wirkten, als würde er Löcher in die Luft starren oder wäre gar nicht anwesend. Als seine Kurzsichtigkeit erkannt wurde, korrigierte er diese zuerst mit Kontaktlinsen. Jedoch hörte er auf die falschen Arbeitskollegen, die ihm sagten, er solle es mal mit einer Brille versuchen. Das tat er und glaubte den anderen, dass er damit intelligenter wirkte. In Wirklichkeit sah er damit aus wie ein Depp. Er versuchte sich immer modisch zu stylen, doch das bekam er einfach nicht hin. Entweder folgte er keinem Modetrend und wurde nur müde belächelt oder er jagte dem Modetrend hinterher. Irgendwann kam er auf die Idee, seine blonden Haare an den Seiten auf 1 Millimeter zu kürzen. Die Kopfform hatte er dafür, aber das Deckhaar ließ er lang und tönte es dunkel, um es mit Gel nach hinten zu kämmen. Er wirkte damit wie ein Proll, obwohl er keiner war. Sein Körper bereitete ihm auch Probleme, denn er war ein Pykniker, ein Specki. Er konnte noch so viel trainieren, aber die speckige Figur bekam er nicht in den Griff. Er aß zu gerne Grillfleisch, süße Sachen, überhaupt alles, was sich auf der Hüfte in Form von Speckrollen ansetzte. Irgendwann gewöhnte er sich einen komischen Gang an. Entenarsch nannte ihn Tim des Öfteren, da er seinen Po immer nach hinten rausdrückte, um sein Hohlkreuz zu kaschieren und seinen leichten Bauch zu verstecken. Dabei ging er immer sehr langsam und schwerfällig. Meist spielte er mit seinem Schlüsselbund herum, was mit einer Kette am Hosenbund befestigt war. Tim hatte ihn noch nie laufen sehen. Kay hatte die Ruhe weg. Oder doch nicht? In Wirklichkeit spielte er nur die innere Ruhe, denn Kay hatte Angst. Angst nicht akzeptiert zu werden, Fehler zu begehen. In der Schule hatte es begonnen und er hatte nie viele Freunde gehabt. Vielleicht lag es schon da an seinem Lachen, was einfach nicht echt auf seine Mitmenschen wirkte. Als er in den Stimmbruch kam, war es ganz aus. Seine Stimme passte nicht zu seinem Aussehen. Sie war kratzig, manchmal ein bisschen Böse und viel zu melodisch. Als er den höheren Schulabschluss geschafft hatte, studierte er nicht, sondern suchte sich eine Ausbildungsstelle. Er kam in eine völlig neue Welt und glaubte, dass die neu geschlossenen Freundschaften, von Dauer wären. Aber in Wirklichkeit waren sie nur von Dauer, solange er nach ihrer Pfeife tanzte. Er wurde gefördert und hatte schließlich eine nicht verdiente, leitende Position, denn er war wirklich sehr faul. Das wusste er selbst. Doch er konnte die Position nicht halten, denn dies stieg ihm direkt zu Kopf und als die angeblichen Freunde ihn fallen ließen, verlor er seine Arbeit und war wieder an dem Punkt, wo er begonnen hatte: am Anfang. Er hatte seine Familie, ja, aber ihm fehlte seine Mutter. Nach der Scheidung seiner Eltern hatte er sie noch einige Male kurz gesehen, man konnte es an einer Hand abzählen. Dann zog sie mit ihrem neuen Lebenspartner fort und der Kontakt brach komplett ab. Seine neue Stiefmutter mochte er, aber auch nicht mehr. Sie war für ihn da, mehr auch nicht. Sein Vater war sein Vater, aber viel zu sehr mit seiner Arbeit und mit seiner neuen schlanken Frau, seiner Stiefmutter, beschäftigt, als dass er da noch eine große Rolle gespielt hätte. Dann ließ er sich die Schultern und den Oberarm tätowieren, aus persönlichen Gründen wie er sagte. Jedoch war es mehr für Aufsehen in seiner Umwelt zu erregen, anstatt für sich selbst. So wirkte er wie ein Prolet, obwohl er keiner war. Nachdem er seine Arbeit verloren hatte, studierte er und ohne das Wissen seiner Eltern hatte er eine Nebentätigkeit angenommen, bei der er viel Geld verdiente und sich für das Wohl der Bevölkerung einsetzte. Aber darüber verlor er nie ein Wort. Er erzählte ihnen, dass er nebenbei an Autos und Motorrädern rumschraubte, obwohl er davon nicht wirklich eine Ahnung hatte. Aber man ließ ihn in Ruhe und es wurden keine unnötigen Fragen gestellt. Tim setzte sich an den gedeckten Küchentisch und schaute Kay an, der wieder in Gedanken versunken war. Er war heute komplett in Schwarz gekleidet, sehr elegant. Dadurch wirkte seine Haut noch heller, mit vielen kleinen Muttermalen. Er war nicht so groß wie Tim, sondern kleiner um die 1,75 groß. Auf Tim wirkte Kay manchmal sehr merkwürdig. Wenn Tim ihm etwas erzählte, schien es manchmal so, als würde er gar nicht verstehen oder zuhören, was man zu ihm sagte. Er erzählte auch nie viel von sich, oder was er machte. Irgendwie war er immer unnahbar, so sehr Tim sich auch bemühte. Natürlich hatten sie öfters mal etwas unternommen, aber richtig viel war es nicht. Auch ging er in letzter Zeit immer merkwürdiger. Die Arme ließ er von seinem Oberkörper leicht abstehen wie ein Bodybuilder. Denn Kay hatte in der letzten Zeit ordentlich Muskeln aufgebaut. Es war wohl eine Angewohnheit oder vielleicht auch eine Angeber-Pose. Aber man gewöhnte sich an alles, auch an die ewigen Verletzungen und blaue Flecken, die Kay mit nach Hause brachte. Tim vermutete, dass sie von seinem Hobby kamen, denn Kay bastelte mit Vorliebe an Autos und Motorrädern herum. Der Vater stand an der Kaffeemaschine und blätterte in der Tageszeitung, während er einen schwarzen Kaffee nach dem anderen trank. »Schatz, setz dich doch bitte«, sagte seine Frau, doch er winkte nur ab. »Mama, er sitzt doch gleich im Büro noch mehr als genug«, sagte Tim und schaute schadenfroh zu seinem Stiefvater. Doch der reagierte nicht, zu spannend war wohl der Artikel, den er in der Zeitung mit großem Interesse durchlas. »Kay, wie sieht es denn mit deinen Prüfungen aus«, fragte die Mutter. Kay wurde aus seinen Gedanken gerissen und schlang noch schnell seine Cornflakes in Milch getunkt herunter, nickte dann zustimmend. »Gut, sehr gut. Läuft praktisch von selbst.« »Brauchst du diese Woche nicht etwas Taschengeld«, fragte der Vater, ohne von der Zeitung aufzuschauen. Kay winkte ab. Er hatte anscheinend genug. Tim wunderte, dass Kay sich nicht direkt aufregte. Manchmal waren seine Launen unerträglich. Er hatte den Verdacht, dass Kay sich heimlich Steroide spritzte, die seine Launenhaftigkeit beeinflussten. Denn wenn er so zeitaufwendig studierte, wie konnte er dann so oft trainieren gehen, dass sich so schnell Muskeln aufbauten? Außerdem war seine Haut inzwischen sehr mit dicken Pickeln übersät. Im Gesicht weniger, aber über den Rücken und die Schultern verteilt. Tim hatte das einmal gesehen, als Kay nach der Dusche nur mit einem Handtuch um die Hüfte gewickelt aus dem Badezimmer kam. Um den linken Oberarm hatte er ein rundum verlaufendes Tattoo. Irgendwie erinnerte es Tim an das Barb Wire Tattoo von Pamela Anderson und hatte Kay mehr als einmal damit aufgezogen. Tim schaute in die Richtung seines Stiefvaters. »Ich könnte noch etwas gebrauchen. Ich wollte mir eine neue Hose kaufen, damit ich nicht immer die gleiche Hose anziehen muss.« Der Stiefvater winkte desinteressiert ab. Seine Mutter schaute ihn an. »Wenn du dir eine vernünftige Hose holst, ist das kein Problem. Aber die hängt ja im Schritt, als würdest du darunter eine Windel tragen. Mode hin, Mode her, dafür gebe ich dir nicht extra Geld« sagte seine Mutter und schüttelte verneinend den Kopf. »Außerdem hast du in deinem Kleiderschrank bestimmt noch genug Hosen. Oh, ich vergaß: auf dem Boden, nicht im Kleiderschrank.« Tim atmete schwer durch. Da war sie wieder, die Mode- und Aufräumpolizei, die ihm in den letzten Monaten sehr auf die Nerven ging. Dabei waren die Hosen angesagt und er wollte doch nur vor seinen Freunden damit angeben. Natürlich hoffe er auch, dass sich die Mädchen auch für seinen Modetrend interessierten und er damit auch das Interesse auf sich lenken konnte. Er hätte zu gerne eine Freundin, aber irgendwie schien es nicht zu funktionieren. Entweder war er zu schüchtern und wortkarg, wenn ihm eine gefiel, oder das Interesse beruhte nicht auf Gegenseitigkeit. Seine Mutter stand auf und ging um den Küchentisch zu ihrem Mann, nahm ihn in den Arm und schaute mit in die Zeitung, was er denn da so Interessantes las. Da sie beide ihren Kindern jetzt den Rücken zudrehten, ging Kay zu seinem Rucksack, der neben der Küchentür lag, beugte sich herunter, nahm etwas aus seiner Geldbörse, stellte sich wieder neben Tim und reichte ihm schnell einen Hunderter herüber. Tim schaute erstaunt, dann zu seinen Eltern und winkte ab. Kay akzeptierte das nicht, knüllte den Schein und steckte ihn Tim in den Kragen seines T-Shirts. Tim fragte sich immer, wo er nur so viel Geld herhatte. Er ging nebenbei nicht arbeiten, damit er sich voll auf sein Studium konzentrieren konnte. Er bekam aber, soweit er das wusste, auch nicht extra mehr Geld als er selbst. Vielleicht bekam er Geld, wenn er an fremden Autos oder Motorrädern herumschraubte? Er hob sein T-Shirt an und kramte von unten nach dem Geldschein und wollte ihm zuerst den Schein zurückgeben. Doch seine Mutter drehte sich wieder zu den beiden um und unbemerkt, wie ein Schatten verschwand Kay ganz schnell in seinem Zimmer. Tim steckte den Geldschein schnell in seine Hosentasche und schaute seine Mutter lächelnd an, die ihn misstrauisch beäugte. Kay kam wieder zurück, hatte seine leuchtend rote Kapuzenjacke von SuperDry angezogen und seinen schwarzen Lederrucksack auf der Schulter. »Ich bin jetzt weg, wir sehen uns heute Abend oder morgen früh«, sagte er noch schnell vom Türrahmen aus in die Küche. Bevor jemand etwas sagen konnte, war er auch schon durch die schwere weiße Haustüre verschwunden. »Sag mal Matthias, deinen Sohn sieht man auch nicht mehr so oft. Das ist schon seit Monaten so. Heute Abend wird er spät nach Hause kommen, wenn wir schon schlafen. Morgens sehen wir ihn die paar Minuten hier und am Wochenende schläft er nur noch oder ist nicht da. Findest du das nicht auch langsam merkwürdig« fragte Tims Mutter. Matthias schaute von seiner Zeitung auf, kratzte sich an seinem schwarzen Stoppelbart und überlegte kurz. Bevor er etwas sagen konnte, meldete sich Tim schon zu Wort. »Manchmal nach der Schule treffe ich mich noch mit ihm. Da ist alles in Ordnung. Er hat halt viel zu lernen« sagte er und wusste, dass es gelogen war. Jedoch mochte er seinen Stiefbruder sehr und würde nichts auf ihn kommen lassen. Petra, seine Mutter, schaute ihn an. »Na ja, Teenager. Vielleicht mache ich mir einfach zu viele Gedanken«, sagte sie und setzte sich wieder. Matthias legte seine Zeitung weg, schaute seiner Frau zu, wie sie sich wieder an den Küchentisch setzte, kam, beugte sich von hinten über sie und nahm sie in den Arm. Er gab ihr einen langen Kuss auf die Wange und atmete einmal schwer durch, ging dann zur Kaffeemaschine und ließ noch einen zusätzlichen Kaffee für sich durchlaufen. Petra schaute auf die Wanduhr, die über der Küchentür hing. Dann schaute sie zu Tim. »Du musst dich beeilen, sonst ist der Bus gleich weg.« Tim schaute auch auf die Uhr, stand schnell auf und ging in sein Zimmer. Er fand es jetzt im Sommer warm genug mit dem Kapuzenpulli das Haus zu verlassen. Er schnappte sich seinen Nike-Rucksack, ging noch schnell in die Küche und verabschiedete sich mit einer Umarmung und Küsschen von seinen Eltern, verließ die Wohnung, ging den Flur entlang, fuhr mit dem Aufzug nach unten, verließ eilig das Haus und als er um die Ecke war, zog er sich die Kapuze von seinem Pulli über den Kopf und verlangsamte seinen Gang in Richtung Bushaltestelle. Tim hörte im Hintergrund den Bus heranfahren und verlangsamte seinen Schritt noch ein weiteres Mal. Er lächelte, denn er wusste, heute Morgen würde er zu spät zum Unterricht erscheinen. Tim griff in seinen Rucksack, holte eine Packung Zigaretten hervor, die er immer vor seinen Eltern versteckte und zündete sich, während er gemütlich schlenderte, eine Zigarette an. Nur sein Stiefbruder wusste, dass er außerhalb des Elternhauses rauchte. Er schaute sich noch einmal kurz um, ob niemand von seinen Eltern ihm folgte, dann inhalierte er genüsslich den Qualm und ging lässig zur Bushaltestelle, wo er den Bus, seinen Schulbus, gerade wegfahren sah. Er lächelte wieder und ging an der Bushaltestelle vorbei weiter die Straße entlang in Richtung Hauptverkehrsstraße.

    2

    Zora schlug die Augen auf, als ihr Lichtwecker laut klingelte und sie aus ihrem Tiefschlaf riss. Sie drehte sich zur Seite und schaute auf die Uhr des Weckers. Er zeigte 6: 00 Uhr an. Zora reckte sich kurz unter ihrer Bettdecke in ihrem riesigen Doppelbett. War das Wochenende schon vorbei? Obwohl, so richtig hatte sie ja keins, sie war ja bis spät in die Nacht am Samstag arbeiten. Was sollte das? Sie hatte sich extra einen Lichtwecker gekauft, der den Sonnenaufgang simulieren und sie dadurch sanft wecken sollte. Aber doch nicht durch diesen schrecklichen Klingelton. »Und wieder Geld in den Sand gesetzt«, murmelte sie vor sich hin und schaute enttäuscht ihren Kopf schüttelnd den Lichtwecker an. Sie wohnte allein in einer 300 Quadratmeter großen Villa in der Mitte der Stadt. Sie war im April 38 Jahre alt geworden und bei der Polizei als Kriminalhauptkommissarin beschäftigt. Zora liebte ihre Arbeit und das Gefühl Gerechtigkeit auszuüben und dafür jeden Tag zu kämpfen. Sie war korrupt, sie war nicht gradlinig, sondern machte vieles, was sie nicht durfte, um einen Fall aufzuklären, aber das war ihr egal. Ihr Vater war alleinerziehend gewesen, nachdem ihre Mutter wenige Jahre nach ihrer Geburt durch Krebs gestorben war. Direkt nach Zoras Geburt hatte man bei ihrer Mutter Brustkrebs diagnostiziert. Durch eine Chemotherapie verlor sie ihre Haare und Energie. Anschließend kam die niederschmetternde Diagnose, dass der Krebs komplett ihren ganzen Körper befallen hatte. Das ließ sie kraftlos werden. Ihre Mutter lebte nach der Geburt noch sechs Jahre, nur um ihre Tochter aufwachsen zu sehen. Zora erinnerte sich noch schwach an einige Momente mit ihrer Mutter. An ihr volles Haar konnte sie sich nicht erinnern, eher nur daran, dass sie immer ein Kopftuch trug, um ihre Glatze zu verbergen. Ein Geburtstag war ihr immer in Erinnerung geblieben. Sie hatte aus Versehen Monate zuvor im Wohnzimmerschrank ein Geschenk gefunden. Darum musste sie an ihrem Geburtstag ganz überrascht sein, als sie ein Polizeiauto und eine Batterie betriebene Ampelanlage geschenkt bekam. Die Geburtstagskerze war in einem hellblauen Ton, nur an die Zahl konnte sie sich nicht erinnern. Unternommen hatten sie zu dritt nie viel. Am Tag bevor sie starb, war ihr Vater mit Zora in der Stadt unterwegs. In einer sündhaft teuren Bäckerei kaufte er Zora im Auftrag von ihrer Mutter einen kleinen auf den Hinterläufen sitzenden Marzipanlöwen, schön in einem Folienbeutel verpackt. Ihre Mutter wollte, dass sie so stark sein sollte wie der Löwe und da Zora Marzipan über alles liebte, sollte sie, wenn sie ihn irgendwann aß, Genuss dabei haben und an ihre Mutter erinnert werden. Jedoch aß Zora den Marzipan Löwen nie. Sie hatte ihn sogar heute noch in einer Schublade versteckt stehen. Ihr Vater war in der Zeit, wo ihre Mutter krank war, aufgelöst und weinte sehr oft. An dem Tag, wo ihre Mutter verstorben war, setzte er Zora auf seinen Schoß, zeigte auf eine Anzeige, die er für die Zeitung vorbereitet hatte und las sie ihr vor. Sie wusste noch, wie er herzergreifend dabei weinte, dass ihre Mama, seine geliebte Frau, eine Reise zum lieben Gott angetreten hatte. »Irgendwann werden wir sie wiedersehen«, sagte er unter Tränen zu ihr. Doch bei der Beerdigung und als sie den Sarg in der Erde verschwinden sah, wusste sie, dass sie ihre Mutter nie mehr wiedersehen würde. Sie weinte auch nicht bei der Beerdigung, sondern erst Tage danach. Da, wo sie allein war, und niemand sie sehen konnte. Ihr Vater weinte seit der Beerdigung nie mehr und konzentrierte sich nur noch auf seine Tochter und darauf, dass sie immer stark sein werde. Er hatte sie von Kind an trainiert, sie aber immer an der langen Leine gelassen. Er war kein Helikopter Vater. Er wollte nicht über ihr schweben und sie dann irgendwann allein lassen. Er wollte sie stärken und auf das vorbereiten, was das Leben noch alles zu bieten hatte, mit seinen guten und schlechten Seiten. Er brachte sie in die jetzige Position bei der Polizei und hatte ihr so viel gezeigt, dass sie ihn nie enttäuschen wollte. Vor ein paar Jahren war er an einem Herzinfarkt plötzlich verstorben und ließ sie völlig allein. Nun stand sie da, als Alleinerbin mit einer großen Villa, gebaut im Jahr 1890. An Geld fehlte es ihr nicht. Bei der Testament-Eröffnung schaute sie nicht schlecht, wo ihr Vater alles Geld angelegt hatte. Praktisch hätte sie den Polizeidienst sofort aufgeben können und eine sehr lange Zeit von dem Geld ihres Vaters leben. Doch das wollte sie nicht. An Männern ließ sie nichts anbrennen. Jedoch stand sie mehr auf Männer, die jünger

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