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Praxisbuch Systematisch-Integrative Psychosynthese: I. Disidentifikation
Praxisbuch Systematisch-Integrative Psychosynthese: I. Disidentifikation
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eBook274 Seiten2 Stunden

Praxisbuch Systematisch-Integrative Psychosynthese: I. Disidentifikation

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Über dieses E-Book

Das Team des Wuppertaler Instituts für Psychosynthese und Interpersonale Psychologie präsentiert die Ergebnisse der 25jährigen praktischen Arbeit in Form eines modernen methodischen Leitfadens.
In diesem ersten Praxisband der Systematisch-Integrativen Psychosynthese werden die Grundlagen therapeutischer und beratender Arbeit sowie die zentrale Methode der Disidentifikation anhand von zahlreichen praktischen Beispielen und Übungen ausführlich vorgestellt.
Ein Buch, das sich an professionelle Anwender und interessierte Laien gleichermaßen richtet.
SpracheDeutsch
Herausgebertredition
Erscheinungsdatum27. Apr. 2015
ISBN9783732331857
Praxisbuch Systematisch-Integrative Psychosynthese: I. Disidentifikation

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    Buchvorschau

    Praxisbuch Systematisch-Integrative Psychosynthese - Ursel Neef

    BEGEGNUNG

    I. Therapeut und Klient

    In der Psychosynthese ist – wie bei jeder anderen psychologischen Schule auch – das Verhältnis von Therapeut und Klient die Grundlage für eine gute und heilsame Arbeit. Beide Seiten haben ihren Anteil an einem gelungenen Psychosyntheseprozess. Damit erfolgreich an einem Lebensproblem des Klienten gearbeitet werden kann, müssen beim Therapeuten wie auch beim Klienten bestimmte Kompetenzen vorhanden sein.

    DER KOMPETENTE THERAPEUT …

    Darum möchten wir zu Beginn einige grundlegende Überlegungen anstellen: Welche Voraussetzungen müssen auf der Seite des Therapeuten erfüllt sein und was muss im Klienten selbst geschehen, damit dieser, vielleicht sogar unter äußerlich unveränderten Lebensbedingungen, einen anderen Umgang mit sich und seinem Alltag finden kann? Wir gehen davon aus, dass sein psychisches Leiden beeindruckend ist, denn sonst würde er nicht den oft mühseligen und eventuell auch kostspieligen Weg einer Therapie wählen.

    Zunächst braucht dieser Mensch einen guten Therapeuten oder eine gute Therapeutin¹, die wir mit folgenden Qualitäten ausstatten wollen: Er oder sie hat

    Zeit, die nur für diesen Klienten reserviert ist;

    Einfühlungsvermögen (Empathie), um das ›Drama‹ des Klienten nachzuvollziehen;

    Sicherheit im Umgang mit den professionellen Werkzeugen;

    eine innere Haltung voll Liebe, Weisheit, Authentizität (Kongruenz) sowie einen gesunden Humor und

    einen unabdingbaren Glauben an die heilsamen Wand lungskräfte des Klienten.

    Es dürfte leicht sein, sich auf diese Anforderungen zu einigen. Im Praxisalltag müssen sie jedoch immer wieder auf ihre konkrete Umsetzung hin überprüft werden.

    Nehmen wir nur einmal das Einfühlungsvermögen des Therapeuten: Hier stoßen wir, auch bei gutem Willen, manchmal auf Verständnisschwierigkeiten, die z. B. in der unterschiedlichen Sozialisation bzw. Mentalität von Therapeut und Klient begründet sind. So ist eine ostdeutsche Familiengeschichte in der Zeit der DDR nicht mit der westdeutschen Erfahrung zu vergleichen und es braucht auf der Seite des Therapierenden einiges an historischem Wissen, um die emotionale Erlebniswelt und Bewertungsmuster eines in der DDR aufgewachsenen Kindes nachvollziehen zu können.

    Einige Beispiele aus unserer psychotherapeutischen Arbeit mit ehemaligen DDR-Bürgern mögen dies illustrieren: Eine Klientin mit einer Kindheit in der jungen DDR war unter der Woche von Montag bis Freitag in einem Kinderheim untergebracht, in das sie ihre Eltern offiziell abgeben mussten. Die Erwachsenen konnten sich dieser Regelung nicht widersetzen, da sonst erhebliche Sanktionen drohten. Ein furchtbarer Trennungsschmerz begleitete alle Familienmitglieder jede Woche von neuem.

    Zu DDR-Zeiten war allgemeiner Arbeitsbeginn um 7.00 Uhr morgens. Bis dahin mussten Kinder der Kinderbetreuung zugeführt worden sein. Im ländlichen Bereich konnte das bedeuten, dass ein dreijähriges Kind um 6.30 Uhr an der Bus-Sammelstelle abgesetzt wurde, damit die Eltern pünktlich am eigenen Arbeitsplatz erscheinen konnten. Es drohten sonst disziplinierende Maßnahmen durch das Kollektiv.

    Eine andere ehemalige DDR-Bürgerin brauchte lange, um sich für die Bedürfnisse ihres alleingelassenen, körperlich kranken Inneren Kindes zu sensibilisieren. In ihrer Kindheit wollte sie ihrer (selbstverständlich werktätigen) »Mutti« nicht zur Last fallen und blieb als Siebenjährige mit einer fiebrigen Erkrankung klaglos allein zu Hause im Bett. Mittags machte sie sich artig das auf dem Herd bereitstehende Süppchen warm. Zu DDR-Zeiten sorgte das brave Kind für die Eltern! Und viele Eltern, von denen diese Umkehrung der Umsorgung zum Aufbau des Sozialismus eingefordert wurde, leiden bis heute an ihrer damaligen unreifen Fähigkeit das Kind zu beschützen: »Das war eben damals so!«

    Kann der Therapeut in der individuellen therapeutischen Begegnung eine der oben angeführten Voraussetzungen nicht ausreichend realisieren, darf er den Klienten nicht annehmen! Zum Schutz seiner professionellen Reputation wie auch zur Schonung seiner psychischen Ressourcen und schließlich im Interesse des Klienten sollte der Therapeut diesen in eine passendere psychische Betreuung verweisen. Denn in der Klarheit und Integrität, mit der der Therapierende seine Qualitäten lebt, ist er zugleich immer ein Modell für die Selbstpflege des Klienten. Diese Befähigung zur Selbstpflege ist in der Psychosynthese von elementarer Bedeutung im therapeutischen Prozess.

    Ungünstige Rahmenbedingungen können beispielsweise durch den Zeitdruck entstehen, der sich bei der Arbeit mit einer großen Zahl von Klienten einstellen kann. Der Therapierende kann mit seinen Klienten nur wirklich mitschwingen, wenn ihm zwischen den einzelnen psychotherapeutischen Sitzungen am Tag ausreichend Zeit zur persönlichen Reorganisation bleibt und nicht zu viele Behandlungen hintereinander durchführt werden. Jeder Therapierende wird sich mit der Frage auseinandersetzen müssen, wie er sich den notwendigen Raum für die eigene Anbindung und seelische Reorganisation schafft und einteilt. Davon hängt die Zahl der Klienten ab, die er verantwortungsvoll an einem Tag betreuen kann. Die Erfahrung zeigt, dass drei bis maximal fünf Klienten ein gutes Maß darstellen.

    … SCHAFFT EINEN BEWUSSTSEINS-RAUM

    Roberto Assagioli muss die guten Qualitäten des Therapeuten ohne Worte ausgestrahlt haben. So erzählen seine persönlichen Schüler, dass schon die stille Begegnung mit ihm als Person wichtige Bewegungsimpulse in der Psyche des Klienten angeregt hat.² Diese Schilderungen müssen heute sicherlich auch im historischen Kontext des damaligen Verhältnisses zwischen Arzt und Patienten gesehen werden. Wir befinden uns zeitlich in der ersten Hälfte des 20. Jahrhundert in Italien. Assagioli lud die Menschen in seinem Haus zu einer Begegnung ein, die sowohl vom Inhalt als auch von der Atmosphäre her ziemlich einmalig war. Er war mit seiner Person eine wohl- tuende ›lrritation‹ in der damaligen Zeit, die stark durch paternalistische Autoritätsstrukturen und konservative bzw. ideologische politische und religiöse Vorstellungen geprägt war. Er öffnete für die Entwicklungsmöglichkeiten des Bewusstseins seiner Zeitgenossen viele Türen, die diese selbst noch gar nicht erahnten, geschweige denn ohne Anleitung und Ermunterung durchschreiten konnten.

    Diese durch einen weisen Lehrer initiierte, (selbst-)erkennende Bewegung im großen Raum des Bewusstseins ist eine starke, nachhaltige Erfahrung. Hier kommt das Erkennen immer zur rechten, d. h.: zu seiner Zeit, weil es im Geist des Klienten selbst hervortritt.

    Mit seiner ›Praxis bewusster und bewusstmachender Präsenz‹ bleibt Assagioli bis heute ein Maßstab für gute psychosynthetische Arbeit. Das weite, wachsame Bewusstsein des Therapeuten – sein Gewahrsein – ist vielleicht mit sein wichtigstes Instrument. Viele Psychosynthese-Therapeuten beginnen darum die therapeutische Stunde mit einem gemeinsamen Schweigen bei geschlossenen Augen. Sie verabschieden sich für einen Moment vom lärmigen Treiben der äußeren Welt und stimmen sich auf die innere Arbeit ein. Einen stillen äußeren wie inneren Raum zu schaffen, in dem Therapierende und Klienten sich begegnen können, ist essentiell für einen erfolgreichen Heilungsprozess (⇨ ICH-BIN-ÜBUNG; ⇨ STILLE-ÜBUNG; ⇨ DER LICHTE RAUM).

    Bedenken wir, dass die Psychosynthese eine Bewusstseinsschule ist. Das nötige Gewahrsein muss kultiviert und trainiert werden. Diese Haltung unterscheidet die Systematisch-Integrative Psychosynthese von der oftmals daher geplauderten kognitiven Weisheit so mancher Begleiter ohne psychologischen Tiefgang: Solche richten großen Schaden an, wenn ihr Mitteilungsdrang nicht den individuellen Entwicklungsschritten des Suchenden entspricht. Eine Mitteilung zur falschen Zeit bringt den Klienten um die tiefere Berührung mit der befreienden Einsicht, die aus ihm selbst geboren werden möchte!

    Wenn die obengenannten Kriterien vom Therapeuten nicht erfüllt werden, kann seine Arbeit nur vordergründig wirken und keinen anhaltenden Reifungsprozess im Klienten bewirken.

    Manchmal freilich ist ein nachhaltiger Therapieprozess, so paradox es klingen mag, seitens des Klienten gar nicht erwünscht! Im Interesse der Kräfte des Therapierenden und des Klienten ist deshalb zu Beginn einer therapeutischen Arbeit unbedingt zu klären: Will der Klient überhaupt in seinem Bewusstsein reifen? Noch spezifischer gefragt: Will er aus seiner Opferrolle heraus? Hat er akzeptiert, dass die Beendigung der Krise etwas mit der inneren Arbeit an sich selbst zu tun hat? Dies zu hinterfragen und gegebenenfalls die entsprechenden Konsequenzen zu ziehen, zeichnet einen guten Therapeuten aus. Nicht immer ist dies aber gleich in der ersten gemeinsamen Stunde endgültig zu entscheiden.

    Der New Yorker Psychosynthese-Therapeut David Bach³ arbeitete gerne mit der folgenden paradoxen Intervention, wenn er den Eindruck gewann, dass der Klient nicht wirklich in die Arbeit einsteigen wollte: »Wir können jetzt noch etwas über das Wetter sprechen. Und dann kommst du wieder, wenn du wirklich arbeiten möchtest!«

    Gewiss ließe sich zu den Qualitäten des Therapeuten noch so manches ergänzen, doch mag dieser Überblick zunächst genügen. Die genannten Punkte bilden eine Richtschnur für eine verantwortungsbewusste, heilende Begegnung zwischen zwei Menschen im therapeutischen Kontext. Heilung soll dabei so verstanden werden, dass der Fluss der Lebensenergie sich im Rahmen des biografischen Materials wieder frei entfalten und der gegenwärtige Daseinsabschnitt aus einer veränderten Perspektive mit hinreichender Kraft gestaltet werden kann.

    … SETZT WEISE HEILUNGSIMPULSE

    Wenn wir im obigen Sinne von einem guten therapeutischen Setting ausgehen, können wir uns der Frage zuwenden, was der Klient innerlich braucht, um sein unbefriedigendes Krisenmanagement aufzugeben. Es geht um die entscheidende Frage, wie ein zähes, vielleicht auch völlig starres, kräftezehrendes oder gar zerstörerisch agierendes psychisches Verarbeitungs-System einen ersten Impuls zur Reorganisation bekommen kann.

    Braucht der Klient einen Therapeuten, der ihm bedingungslos zuhört?

    Braucht er jemandem, der seinem Erleben mit Verständnis oder sogar Bestätigung begegnet?

    Braucht er Erkenntnisse darüber, wie altes, manchmal sehr altes biografisches Material sein Leben heute beeinflusst?

    Braucht er einen Rat?

    Braucht er vielleicht Medikamente zu seiner psychischen Stabilisierung? (Die kann ihm nur ein Arzt verschreiben.)

    All das könnte notwendig sein. Die genauen Bedürfnisse wollen vom Therapeuten ermittelt und ihre Befriedigung will feinfühlig gehandhabt werden.

    Dabei besteht jedoch immer auch die Gefahr, dass das bestehende krisenhafte Verarbeitungsmodell mehr oder weniger subtil verstärkt und unterstützt wird. Wir möchten das anhand eines zentralen Aspekts erläutern, der in der Psychotherapie eine bedeutende Rolle spielt: das bedingungslose Zuhören. In vielen therapeutischen und beratenden Bereichen gehört es zur Standardhaltung des Begleiters, z. B. bei der Trauerbegleitung, bei der Verarbeitung von Krankheiten oder auch im Streitmanagement. Diesbezüglich besondere Achtsamkeit anzumahnen, mag zunächst irritierend wirken. Doch kann das bedingungslose Zuhören dazu führen, dass am Ende »außer Reden nix gewesen« ist und der Klient sein krisenhaftes Wahrnehmungssystem nicht verlässt. Er hat sich dann zwar »mal etwas von der Seele geredet« und seine Psyche kurzzeitig entlastet. Da das Problem aber nicht wirklich bewältigt oder bearbeitet worden ist, kann es bald schon wieder dort Platz nehmen. Patienten mit solchen Vorerfahrungen erleben es als wohltuend, dass mit ihnen in der Psychosynthese häufig schon in der ersten Sitzung aktiv an einer veränderten Wahrnehmung gearbeitet wird.

    Es sei noch einmal betont, dass Schweigen, Stille und Fokussierung auf das Jetzt in den Psychosynthese-Übungen eine wesentliche Rolle spielen. Mitunter ist es nötig, durch eine heilsame Unterbrechung eine Zäsur zu setzen, um einem Klienten zu ermöglichen, sich von seiner Geschichte und seinen Emotionen zu disidentifizieren.

    Auch bei Einsatz der besten Gesprächsführungstechnik verhindert das Reden über das Problem oft, dass die eigentliche leidverursachende Struktur im Hintergrund erkannt wird. Ausgiebiges Reden ohne bewusstes Innehalten kann die Identifikation verstärken, weil in der Regel Erinnerungen und Emotionen aus der Vergangenheit reaktiviert und wiederholt werden. Vielfach handelt es sich um Geschichten, die der Klient nicht zum ersten Mal erzählt – häufig genug ist er sein eigener, erster und bester Zuhörer, der sich leidvolle Erfahrungen ins Gedächtnis ruft und in endlosen Wiederholungsschleifen selbst erzählt. Der Redefluss verstellt den Zugang zu den tieferen Gefühlen und kann dann mitunter unbewusst dazu dienen, eine bewusste Bearbeitung und Veränderung der Lebenssituation zu vermeiden (s. a. in diesem Teil Kapitel III. Keine Lust auf Gefühle)! Gegebenenfalls greift der Psychosynthese-Therapeut behutsam in den übermäßigen Redefluss des Klienten ein, ohne ihm ein Gefühl der Zurückweisung zu geben.

    Dazu ein Beispiel: Eine Klientin, Mutter von zwei Kindern, kam im Zustand einer akuten psychischen Krise in die Praxis. Auslöser war die Untreue ihres Ehemannes, der mit einer sehr viel jüngeren Frau ein Verhältnis hatte. Beim ersten Besuch in der Praxis zeigte die Klientin ein großes Redebedürfnis; sie sah sich in der Opferrolle und suchte und fand dafür Bestätigung von allen Seiten. Als der Therapierende den Sachverhalt des Geschehens verstanden hatte, unterbrach er sie in ihrem Redestrom.

    Psychosynthese heißt immer auch: Arbeiten an den Gefühlen! Sie war erleichtert, dass sie in der beginnenden Wiederholung gestoppt wurde, denn auch sie hatte schon bei Anderen bemerkt, dass ihr zwanghaftes Reden sie nicht weiterbrachte. Wie konnte ihr kompetent ein neuer Umgang mit ihren Gefühlen und der Situation vermittelt werden?

    Zum bedingungslosen Zuhören gehört also auch die Bereitschaft, das Zuhören zu beenden, wenn das Reden des Klienten ein begrenzendes Erlebensmuster weiter verfestigt und stabilisiert.

    Traditionelle, auch durch die religiöse Kultur vermittelte Methoden wie die vertrauensvolle Abgabe von belastendem Gefühls- und Gedankenmaterial an eine ›höhere Instanz‹ (z. B. im regelmäßigen Gebet⁴) haben heute aus unterschiedlichen Gründen an Bedeutung verloren. Damit ist jedoch auch wertvolles Wissen über seelische Selbstpflege verloren gegangen und es ist oftmals erforderlich, den Klienten alternative Umgangsweisen zu vermitteln, um ihren »mentalen Lärm« (Eckhart Tolle) zu reduzieren.

    In der Systematisch-Integrativen Psychosynthese greifen wir an dieser Stelle ins laufende Gespräch ein und stellen beispielsweise die Frage, wo der Klient in einem Jahr sein wird, wenn er immer weiter sich in diese Art von (Selbst-)Gesprächen einwickelt statt sich zu entwickeln! In der Regel gibt der Klient das unproduktive Verhalten dann erleichtert auf und ist neugierig-interessiert, was es denn noch für Möglichkeiten der Bearbeitung seines psychischen Befindens gibt.

    … ERÖFFNET EINEN NEUEN BLICK AUF DIE ›KRISE‹

    In der Systematisch-Integrativen Psychosynthese achtet der Therapeut aber auch noch auf einen anderen Aspekt, der für den Heilungsprozess von elementarer, da universeller Bedeutung ist: Wir sehen in der aktuellen Krise des Klienten nicht nur die Aufgabe, zu einem themenbezogenen und punktuellen Lösungsmanagement zu finden. Die Psychosynthese sucht vielmehr zugleich nach einem neuen Bewusstseinsraum, einem neuen Blickwinkel auf das psychische Geschehen. Gibt es in der Psyche des Patienten einen inneren Ort, von dem aus ein neuer, kreativer Umgang mit dem Geschehen möglich ist? Wo liegt der Zugang zu diesem Ort und wie kann ich den Patienten dorthin führen? Wie ist dieser andere Bewusstseinsraum ausgestattet? Welche Qualitäten beinhaltet er?

    Der Psychosynthese-Therapeut setzt voraus, dass es im Bewusstsein eines jeden Menschen einen Ort der inneren Weisheit gibt (⇨ DER LICHTE RAUM; ⇨ WAS MICH WIRKLICH TRÄGT; ⇨ ACHT-KOFFER-ÜBUNG). Diese Grundhaltung ist nicht aus einer ideologischen Erhöhung oder esoterischen Schwärmerei heraus entstanden, sondern aus der praktischen Erfahrungen mit vielen Menschen, die sich auf die Suche nach ihrer tiefen inneren Wahrheit gemacht haben und bereit waren, dafür Verantwortung zu übernehmen. Ist dieser Bewusstseinsraum entdeckt, kann der Klient aus der neugewonnenen Perspektive seine aktuellen und alle weiteren Krisen in den Sinnzusammenhang seines Lebens in tegrieren.⁵ Wir werden dieses Postulat an anderer Stelle noch näher erläutern.

    Vorerst sei festgehalten: Die Psychosynthese versteht alle Lebenskrisen als Wachstumskrisen auf dem Weg zur Verwirklichung des immanenten Lebensplans. Die Krise soll helfen, das SELBST⁶ des Klienten zu finden und zu entwickeln. So verstanden wird sie zum Korrektiv bzw. führt zur Wiederaufnahme einer verlorenen Lebenslinie. Der Klient wird sich bewusst, dass er viel mehr ist als dieses kleine in Probleme verstrickte persönliche Ich oder Ego, mit dem er sich identifiziert. Die Krise, und mag sie noch so existentiell bedrohlich erscheinen, ist darum der Ausdruck für die Treue des SELBST zur Person!

    Leider wird diese Blickrichtung von externen Kritikern bisweilen als Projektionsfläche benutzt, um die Psychosynthese in

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