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Biographische Determinanten der Disposition zu psychischer Erkrankung: Evaluation des VDS 1-Fragebogens zur Lebens- und Krankheitsgeschichte
Biographische Determinanten der Disposition zu psychischer Erkrankung: Evaluation des VDS 1-Fragebogens zur Lebens- und Krankheitsgeschichte
Biographische Determinanten der Disposition zu psychischer Erkrankung: Evaluation des VDS 1-Fragebogens zur Lebens- und Krankheitsgeschichte
eBook1.190 Seiten9 Stunden

Biographische Determinanten der Disposition zu psychischer Erkrankung: Evaluation des VDS 1-Fragebogens zur Lebens- und Krankheitsgeschichte

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Über dieses E-Book

In der im vorliegenden Buch vorgestellten explorativen Studie wurde der Einfluss relevanter biographischer Variablen auf die Entstehung psychischer Erkrankung bei erwachsenen Patienten retrospektiv untersucht. Die Ergebnisse der Studie liefern eindeutige Hinweise auf Erfahrungen von emotionalem und körperlichem Missbrauch in Kindheit und Jugend und belegen die Relevanz biographischer Marker für die Entstehung psychischer Störungen.
SpracheDeutsch
HerausgeberBooks on Demand
Erscheinungsdatum26. Nov. 2015
ISBN9783739263762
Biographische Determinanten der Disposition zu psychischer Erkrankung: Evaluation des VDS 1-Fragebogens zur Lebens- und Krankheitsgeschichte

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    Buchvorschau

    Biographische Determinanten der Disposition zu psychischer Erkrankung - Susanna Schönwald

    Danksagung

    Ich danke Herrn Prof. Dr. Heese, Herrn PD Dr. Birgmeier, Herrn Prof. Dr. Schmidt und Herrn Prof. Dr. Dr. Sulz für die Überlassung dieser Arbeit.

    Herrn Prof. Dr. Dr. Sulz danke ich für die Möglichkeit, diese Studie durchzuführen. Die Zeit der Datenerhebung an der Psychotherapieambulanz des CIP hat eine besondere Bedeutung für mich. Ich danke für zahlreiche fachliche Gespräche und für wertvolle Anregungen, von denen viele in diese Arbeit eingeflossen sind und meine psychotherapeutische Tätigkeit in besonderer Weise bereichert haben. Ganz besonders danke ich für die kontinuierliche und immer hilfreiche Unterstützung während allen Phasen dieser Studie.

    Besonderer Dank gebührt den Patienten, ohne deren Offenheit und Bereitschaft, sehr persönliche und auch leidvolle Dinge von sich preiszugeben, diese Arbeit niemals entstanden wäre. Besonders die Überlegungen der Patienten selbst zu den eigenen Erfahrungen waren es, die mir ganz neue Aspekte aufgezeigt haben.

    Ich danke meinem Mann Sebastian für seine Geduld und Unterstützung und für seine selbstverständliche Bereitschaft, mir diese Arbeit zu ermöglichen.

    Besonders möchte ich meiner Freundin Ruth und meiner Freundin Eveline danken.

    Luna danke ich dafür, dass sie mich während dieser langen Zeit begleitet, mir Zeit und Muße für Gedankengänge ermöglicht und mich mit ihrer immer guten Laune angesteckt hat.

    Danken möchte ich allen meinen Freunden für viel Verständnis, Geduld und liebevolle Begleitung. Meinen beiden Familien danke ich für Unterstützung und Akzeptanz auch in turbulenten Phasen. Ohne sie wäre die Durchführung dieses Projektes nicht möglich gewesen.

    Und last but noch least möchte ich Frau Pohl vom CIP-Medien-Verlag danken.

    Diese Arbeit ist meinen Eltern in Liebe und Dankbarkeit gewidmet.

    Zusammenfassung

    Die vorliegende explorative Studie beschäftigte sich mit der Frage, inwieweit bestimmte Variablen aus der Biographie von Patienten als determinierende Einflussgrößen für die Entstehung einer psychischen Störung identifiziert werden können. Dazu wurden die Aussagen von 100 Patienten einer psychotherapeutischen Ambulanz zu 67 Kernvariablen des Fragebogens zur Lebens- und Krankheitsgeschichte (VDS1) von Sulz (1999) einer qualitativen Inhaltsanalyse unterzogen. Darüber hinaus wurden für die vorliegende Stichprobe folgende Daten quantitativ erfasst: Symptombelastung (VDS90), Persönlichkeitscharakteristika (VDS30), Frustrierendes Elternverhalten (VDS24), Zentrale Bedürfnisse (VDS27), Zentrale Angstinhalte (VDS28), Zentrale Wutinhalte (VDS29) sowie das jeweilige Entwicklungsniveau (VDS31). Die Erstdiagnosen der Patienten der vorliegenden Stichprobe wiesen zu 56 Prozent depressive Störungen, zu 24 Prozent Angststörungen und zu 20 Prozent Essstörungen auf. Die qualitative Auswertung ergab über alle Kategorien hinweg ein hohes Ausmaß an Belastungen in der Kindheit der Patienten. Diese beziehen sich insbesondere auf folgende entwicklungspsychologische Variablen: Befriedigung und Frustration zentraler Bedürfnisse durch die primären Bezugspersonen, zentrale Angst- und Wutformen, Entwicklungsniveau, Eltern-Kind-Beziehung, Qualität der Beziehung der Eltern untereinander, Ausmaß an psychischer und sozialer Belastung der Eltern, Beziehungsqualität zu Geschwistern, Interaktionserfahrungen mit Erwachsenen und Gleichaltrigen in der Kindheit, elterlicher Ausdruck von Gefühlen, Art der Gefühle und Umgang der Patienten mit Gefühlen in der Kindheit, elterliche Reaktion auf die Gefühle des Kindes, Umgang der Eltern mit Leistungserwartungen, belastende Lebensereignisse. Die Patienten der vorliegenden Stichprobe weisen bezüglich aller genannten Faktoren ein deutlich erhöhtes Ausmaß an Belastungen auf, die als Hinwiese für das Vorliegen eines unsicheren Bindungsstils gelten und darüber die Entstehung psychischer Störungen determinieren. Die Häufigkeitsverteilung bezüglich der Angaben über Belastungen zu den einzelnen Variablen liegt zwischen 70 und 100 Prozent. Es liegen eindeutige Hinweise auf Erfahrungen von körperlichem und emotionalem Missbrauch in der Kindheit der Patienten vor, wie psychische und physische Vernachlässigung, körperliche und sexuelle Gewalt. Die Patienten beschreiben mit einer Häufigkeit von nahezu 100 Prozent gravierende aktuelle Beeinträchtigungen hinsichtlich Emotionsregulation, der Gestaltung interpersoneller Beziehungen und im Leistungsbereich. Es ist daher davon auszugehen, dass ein Zusammenhang zwischen Art und Ausmaß sowie subjektivem Erleben dieser Belastungen und der Entwicklung der jeweiligen psychischen Erkrankung bei den Patienten der vorliegenden Stichprobe besteht.

    Inhaltsverzeichnis

    Danksagung

    Zusammenfassung

    1 EINLEITUNG UND FORSCHUNGSLEITENDES INTERESSE

    1.1 Fragestellung und Ziel der Studie

    1.2 Implikationen für die Gesundheitspädagogik

    2 THEORETISCHER TEIL

    2.1 Stand der Forschung

    2.2 Modelle zur Entstehung psychischer Störungen

    2.2.1 Lern- und verhaltenspsychologische, störungsübergreifende Modelle

    2.2.2 Psychoanalytische und tiefenpsychologische Modelle

    2.3 Konsistenztheorie nach Grawe

    2.4 Theoretische Modelle zur Entstehung psychischer Störungen im Rahmen psychotherapeutischer Behandlungsverfahren

    2.4.1 Strategisch-Behaviorale Therapie (SBT) nach Sulz

    2.4.2 Cognitive Behavioral Analysis System of Psychotherapy (CBASP) nach McCullough

    2.4.3 Schematherapie nach Young

    3 EMPIRISCHER TEIL

    3.1 Hypothesen

    3.2 Methode

    3.2.1 Beschreibung der Stichprobe

    3.2.2 Untersuchungsdesign und Ablauf der Studie

    3.2.3 Beschreibung der Variablen

    3.2.4 Auswertungsverfahren (Qualitative Inhaltsanalyse)

    3.2.5 Beschreibung der Messinstrumente

    4 ERGEBNISTEIL

    4.1 Qualitative Inhaltsanalyse der Lebens- und Krankheitsgeschichte

    4.2 Ergebnisse der quantitativen Variablen

    4.2.1 VDS1: Faktoren, die zur Erkrankung beitrugen

    4.2.2 Stützende und belastende Faktoren in der Lebensgeschichte

    4.2.3 Symptomausprägung (VDS90)

    4.2.4 Persönlichkeit (VDS30)

    4.2.5 Frustrierendes Elternverhalten (VDS24)

    4.2.6 Zentrale Bedürfnisse (VDS27)

    4.2.7 Angst (VDS28)

    4.2.8 Wut (VDS29)

    4.2.9 Entwicklungsniveau (VDS31)

    5 DISKUSSION

    6 ANHANG

    6.1 Anhang A Variablen der qualitativen Inhaltsanalyse (Kategoriensystem)

    6.2 Anhang B Messinstrumente

    Anhang B1: VDS1: Fragebogen zur Lebens- und Krankheitsgeschichte

    Anhang B2: VDS90 Symptomliste

    Anhang B3: VDS30 Persönlichkeitsskalen

    Anhang B4: VDS24 Frustrierendes Elternverhalten

    Anhang B5: VDS27 Zentrale Bedürfnisse

    Anhang B6: VDS28 Zentrale Angst

    Anhang B7: VDS29 Zentrale Wut

    Anhang B8: VDS31 Entwicklungsskalen

    6.3 Tabellenverzeichnis

    6.4 Abbildungsverzeichnis

    6.5 Literaturverzeichnis

    1 EINLEITUNG UND FORSCHUNGSLEITENDES INTERESSE

    Die Frage, warum sich bestimmte Menschen zu einem bestimmten Zeitpunkt aus einem bestimmten Anlass heraus so und nicht anders verhalten und unter welchen Bedingungen sie psychische Störungen entwickeln, spielt nicht nur in der Psychotherapieforschung eine wesentliche Rolle. Auch im alltäglichen Leben gibt es immer wieder Situationen, wo das Bedürfnis nach Erklärungen für die Entstehung bestimmter Verhaltensweisen und -muster immens groß ist und Anlass für bestürzte Spekulationen über lebensgeschichtliche Bedingungsfaktoren gibt (Amoklauf, Suizid von Personen des öffentlichen Lebens). Auch wenn es sich dabei glücklicherweise um singuläre Ereignisse handelt, ist eine fachliche Betrachtungsweise mit hoher Expertise unerlässlich. Nicht zuletzt aus präventivem Interesse ist die Identifizierung zentraler Kernvariablen, die bei der Entstehung normabweichenden Verhaltens bzw. psychischer Störungen eine maßgebliche Rolle spielen, sehr wichtig. In den letzten zwei Jahrzehnten wurde eine drastische Zunahme psychischer Erkrankungen festgestellt, diese werden mittlerweile zu den kostenträchtigsten Erkrankungen gerechnet (BPtK, 2014; Bühring 2007). Neben der Früherkennung einer sich anbahnenden Entwicklung von psychischen Störungen bzw. von Verhaltensauffälligkeiten kommt vor allem der Identifikation von Risiko- und Schutzfaktoren eine Schlüsselrolle zu. Auch für die Entwicklung individueller und passgenauer psychotherapeutischer Interventionen ist die Identifizierung störungsbedingender und -aufrechterhaltender Variablen von entscheidendem Interesse (Sulz 1999a, b, 2000, 2011, 2013; Grawe 1998, 2004, Kanfer et al. 2000). Obwohl aufgrund der Einzigartigkeit sowie der komplexen Rahmenbedingungen jedes Menschen ein übergeordnetes allgemeines Modell zur Vorhersage der Entwicklung dieser konkreter Verhaltensmuster gerade zu diesem Zeitpunkt gerade bei dieser Person nicht postuliert werden kann, ist anzunehmen, dass es bestimmte typische Variablenkonstellationen in Biographien von Menschen gibt, die unter bestimmten weiteren Bedingungen die Entwicklung bestimmter Symptome begünstigen. Daher ist die Frage, inwieweit sich aus anamnestischen Daten bestimmte Prädiktorvariablen für die Entstehung psychischer Störungen ableiten lassen, von hoher praktischer Relevanz.

    1.1 Fragestellung und Ziel der Studie

    In diesem Forschungsvorhaben wurde der Frage nachgegangen, inwieweit einzelne Variablen der affektiv-kognitiven Störungstheorie von Sulz (1994, 2007, 2011, 2013) die Entstehung bestimmter Kategorien psychischer Störungen aufgrund anamnestischer Daten aus der Kindheit von 100 Patienten mit psychischen Störungen vorhersagen können. Es wird davon ausgegangen, dass spezifische biographische Konstellationen (frustrierendes Elternverhalten, pathogene Lebens- und Beziehungsgestaltung, Entwicklungsstufe, Persönlichkeit) mit spezifischen Bedürfnis-, Angst- bzw. Wutschwerpunkten korrelieren und somit determinierende Einflussgrößen für die Entstehung psychischer Störungen darstellen. Es wird angenommen, dass weitere Faktoren in der Kindheit von Patienten mit psychischen Störungen identifiziert werden können, die als spezifische Risikofaktoren betrachtet werden können: Frustration von zentralen Bedürfnissen, die sich auf Bindung, Selbstwert, Kontrolle und Autonomie beziehen, sowie Frustration von Homöostasebedürfnissen, Eltern-Kind-Beziehung, Ehe der Eltern, psychosoziale Belastaung der Eltern, Umgang der Eltern mit den Gefühlen des Kindes, Leistungserwartungen der Eltern an das Kind, Einfluss von Kontakten zu Gleichaltrigen und Geschwistern, sowie belastende Ereignisse in der Kindheit. Das frustrierende Elternverhalten wird als bedingender Faktor für die Entwicklung der jeweiligen Überlebensregel (maladaptive Schemata) betrachtet, die zu Symptomentwicklung führt und das individuelle Entwicklungsniveau (sekundärer Modus) bestimmt. Mit diesem sind charakteristische Angst- und Wutinhalte verbunden. Ziel dieser explorativen Studie war es, herauszufinden, ob sich aufgrund des von den Patienten berichteten Ausmaßes an Belastung (Summe der Einzelbelastungen und Gesamtbelastung) und der psychischen Störung ein Zusammenhang nachweisen lässt. Dabei wurde angenommen, dass sich in den Biographien aller Patienten der Studie ein hohes Ausmaß an Gesamtbelastung findet. In die Studie wurden 100 Patienten einer Psychotherapieambulanz nach Reihenfolge der Anmeldung aufgenommen. Die Datenerhebung folgte qualitativ mit dem Fragebogen zur Lebens- und Krankheitsgeschichte (VDS1) und quantitativ anhand von sieben weiteren Selbstbeurteilungsinstrumenten des Verhaltensdiagnostiksystems von Sulz (1999), mit denen Symptombelastung (VDS90), Persönlichkeitscharakteristika (VDS30), Frustrierendes Elternverhalten (VDS24), Zentrale Bedürfnisse (VDS27), Zentrale Angst (VDS28), Zentrale Wut (VDS29) und das Entwicklungsniveau (VDS31) erfasst wurden.

    1.2 Implikationen für die Gesundheitspädagogik

    Pädagogik baut auf einem biographischen und entwicklungspsychologischen Verständnis des Menschen auf. Gesundheitspädagogik als Teildisziplin berücksichtigt pathogene Einflüsse in Kindheit und Jugend, die in engem Zusammenhang mit der Familie und den Eltern als primären Bezugspersonen des Kindes stehen. Insofern ist eine qualitative Analyse der Lebens- und Krankheitsgeschichte von Menschen ein wesentlicher Aspekt von gesundheitspädagogischer Diagnostik. Gerade hinsichtlich der immer wichtiger werdenden präventiven Ansätze zur Verbesserung elterlicher Feinfühligkeit (SAFE-Programm von Brisch, 2013) sowie der beratenden Funktion der Gesundheitspädagogik im Bereich psychischer Rehabilitation von Menschen aller Altersgruppen ist die Einbeziehung lebensgeschichtlicher Faktoren von hoher Relevanz. Eine besondere Rolle dürften diese Aspekte zum einen in der gesundheitspädagogischen Arbeit mit Kindern, Jugendlichen und deren Familien spielen (Wulfhorst & Hurrelmann, 2009b), zum anderen aber auch in der Arbeit mit älteren und demenzkranken Menschen. Da Bindungsstile in engem Zusammenhang mit biographischen Faktoren stehen und über die Lebenszeit hinweg stabil bleiben (Benoit & Parker, 1994), ist eine Kenntnis subjektiv bedeutsamer lebensgeschichtlicher Variablen auf allen Gebieten der Gesundheitspädagogik von Interesse, da Interventionen somit individuell und passgenau auf die jeweiligen Klienten zugeschnitten werden können. Schleider & Huse (2011) verweisen auf das salutogenetische Modell von Antonovsky (1979), das präventive und gesundheitserhaltende Methoden umfasst.

    2 THEORETISCHER TEIL

    2.1 Stand der Forschung

    Die Frage, wie es zur Entstehung psychischer Erkrankung kommt und welche Faktoren in welcher Kombination daran beteiligt sein können, ist insbesondere für die Entwicklung geeigneter Therapieverfahren relevant. Die theoretischen Annahmen der modernen störungsspezifischen Therapieverfahren der „dritten Welle (Allen & Fonagy, 2009; Greenberg, 1997, 2011; Hayes et al., 1999; Linehan, 1993a, 1996; McCullough, 2000; Segal et al., 2002; Sulz 1999, 2011; Young, 1999, 2008) beziehen beide Seiten des „Rubikons (Grawe 1998, 2004) mit ein, indem die Identifikation störungsbedingender Faktoren zum einen (Klären und Verstehen) und deren Auswirkungen zum anderen (gezieltes Fertigkeitentraining) gleichermaßen Berücksichtigung finden. Darüber hinaus beziehen sie die zentrale steuernde Funktion maladaptiver Schemata und deren Einfluss auf die weitere psychosoziale Entwicklung mit ein.

    Im folgenden Überblick werden zunächst Untersuchungen der Forschungsgruppe um Sulz (1999, 2000, 2011a, 2011e) dargestellt, die um weitere aktuelle Forschungsbefunde zu biographischen Faktoren im Hinblick auf die Entstehung bestimmter psychischer Störungen ergänzt werden.

    In einer explorativen Studie von Hagspiel (2010) wurde die Biographie von 208 ambulanten Psychotherapiepatienten mit Depressionen und Angststörungen im Hinblick auf wichtige Marker in der Kindheit untersucht, insbesondere Frustration zentraler Bedürfnisse, Umgang mit kindlichen Emotionen, Elternbeziehung und die psychische Belastung der Eltern. Dazu wertete Hagspiel in einer qualitativen Analyse den Fragebogen zur Lebens- und Krankheitsgeschichte VDS1 (Sulz, 1999) bezüglich einer Auswahl von 132 Fragen aus. Ohne Differenzierung der beiden Diagnosegruppen ergab sich Folgendes (Sulz et al., 2011a): 27 Prozent der Patienten hatten Suizidgedanken, 14 Prozent hatten bereits einen Suizidversuch unternommen. 53 Prozent der Patienten fühlten sich vom Vater geliebt, von der Mutter fühlten sich 76 Prozent geliebt. 26 Prozent gaben eine belastende Beziehung zum Vater an, 38 Prozent beschrieben die Beziehung zur Mutter als belastend. 42,5 Prozent der Elternpaare waren geschieden, 65 Prozent der Patienten berichteten über eine schlechte Ehe der Eltern. 12 Prozent der Patienten berichten über eine belastende Beziehung zu ihren Geschwistern, wobei 10 Prozent der Patienten diese Belastung als mit verursachend für die jetzige Erkrankung angaben. 63 Prozent der Patienten berichteten über einen belastenden Umgang mit Gefühlen und sahen dies ebenfalls als krankheitsverursachenden Faktor an. 61 Prozent der Patienten waren vor Erstkontakt zur Psychotherapieambulanz bereits einmal in ambulanter psychotherapeutischer Behandlung, 24 Prozent stationär. 24 Prozent berichteten über eine belastende Partnerschaft, 42 Prozent sahen in diesen Belastungen einen krankheitsverursachenden Faktor. Bezüglich der Elterneigenschaften beschrieben 38 Prozent negative Eigenschaften, davon 22 Prozent solche, die die Eltern als „aggressiv und 16 Prozent solche, die die Eltern als „schwach in der Beziehung zum Kind charakterisieren. 42 Prozent berichteten über eine aggressive Reaktion der Eltern auf kindliche Emotionen (meist Ärger), 16 Prozent über eine gleichgültige und 14 Prozent über eine unterstützende Reaktion. 49 Prozent der Patienten berichteten, als Kind Ärger unterdrückt zu haben, 24 Prozent Angst und 18 Prozent Traurigkeit. Bezüglich der Befriedigung zentraler Bedürfnisse durch die Eltern war am meisten Schutz, Sicherheit und Geborgenheit unbefriedigt, gefolgt von Verständnis, Geborgenheit und Wärme. 72 Prozent der nicht befriedigten kindlichen Bedürfnisse bezogen sich auf Bindungsbedürfnisse, nur 28 Prozent auf Autonomiebedürfnisse und Homöostasebedürfnisse. Unterschiede in der Biographie depressiver und Angstpatienten zeigten sich darin, dass die Kindheit von Angstpatienten häufiger geprägt war von fehlender emotionaler Präsenz des Vaters und fehlendem Schutz durch beide Eltern. Beachtung wurde eher von der Mutter als vom Vater gewährt, musste jedoch eingefordert werden. Die Ehe der Eltern war instabil, sie hatten Schwierigkeiten, die kindliche Angst zu akzeptieren und ließen kaum Übermut ihres Kindes zu. Die Kindheit der depressiven Patienten war dahingegen eher von Eltern geprägt, die mit Ärger, Aggression und insbesondere seitens des Vaters mit Unverständnis auf kindliches Verhalten reagierten. Die Mutter-Kind-Beziehung war aufgrund psychischer und sozialer Probleme der Mutter wenig liebevoll. Kindliche Gefühle wie Traurigkeit und Ärger mussten unterdrückt werden. Bei Angstpatienten dominiert das Bindungs- und Sicherheitsthema bereits in der Kindheit, während bei den depressiven Patienten die Selbstwertthematik mit Unterdrückung von Ärgergefühlen im Vordergrund steht.

    Sulz & Tins (2000) führten eine qualitative Untersuchung an 62 Patienten bezüglich anamnestischer Angaben zum Elternverhalten durch. Untersucht wurde die Fragestellung, was die erfüllenden und die nicht erfüllenden Seiten von Vater und Mutter bezüglich zentraler Bedürfnisse in der Kindheit waren. Die Aussagen der Patienten wurden mittels qualitativer Inhaltsanalyse kategorisiert, wobei sich 21 Einzelbedürfnisse differenzieren ließen. Diese wurden den drei Bedürfnisgruppen Zugehörigkeits-, Autonomie- und Homöostasebedürfnisse zugeordnet. In einer zweiten Phase wurden weitere Variablen des Fragebogens zur Lebens- und Krankheitsgeschichte-VDS1 (Sulz, 1999) kategorisiert, die sich auf Elterneigenschaften in Bezug auf die Beziehung zum Kind sowie die Eltern-Kind-Beziehung sowie auf den Umgang mit Gefühlen beziehen. Die Aussagen zum Elternverhalten in der Kindheit wurden zur Persönlichkeitscharakterisierung bzw. zu klinischen Syndromen des jeweiligen Patienten in Zusammenhang gesetzt. Die 14 Bedürfniskategorien (Sulz 1994, 1999) bestehen aus den 7 Zugehörigkeitsbedürfnissen nach Bindung und Selbstwert sowie 7 Bedürfnissen nach Autonomie bzw. Differenzierung im Hinblick auf die Selbstentwicklung. Insgesamt wurden doppelt so viele Aussagen zu Zugehörigkeitsbedürfnissen gemacht wie zu Autonomiebedürfnissen, sie waren also von höherer Relevanz. Am häufigsten wurde über Frustration von Geborgenheit, gefolgt von Schutz, Sicherheit und Zuverlässigkeit berichtet.

    Aus der Analyse der Elterneigenschaften und der elterlichen Reaktion auf die Gefühle ihres Kindes ergaben sich 7 weitere Bedürfniskategorien, die als Homöostasebedürfnisse bezeichnet wurden und sich in erster Linie auf eine angstfreie und nicht bedrohliche (elterliche) Umgebung beziehen und Schuld- und Schamfreiheit einbeziehen. Zusammenhänge zwischen den Eltern-Kind-Beziehungen in der Lebensgeschichte und späteren Persönlichkeitscharakteristika waren folgende: Depressive Patienten berichteten häufiger über Frustration von Zugehörigkeitsbedürfnissen in der Kindheit als Angst- und Migränepatienten, Autonomiebedürfnisse wurden häufiger in der Kindheit von depressiven und sozialphobischen Patienten berichtet im Vergleich zu Angst- und Migränepatienten. Darüber hinaus ergaben sich Zusammenhänge zwischen der Befriedigung beziehungsweise Frustration kindlicher Bedürfnisse und späteren dysfunktionalen Persönlichkeitszügen (Sulz & Tins, 2000).

    Eine Studie von Sulz & Müller (2000) untersuchte den Zusammenhang zwischen Bedürfnissen, Angst und Wut als determinierenden Variablen für die Entwicklung der Persönlichkeit an einer nicht-klinischen Stichprobe aus 203 Probanden. Zentrale Angstinhalte wurden über Selbstaussagen zu Angst erfasst. Eine Dimensionsanalyse der Angstskala ergab 7 Faktoren (entsprechend 7 zentralen Angstinhalten), in gleicher Weise wurden 7 zentrale Wutinhalte ermittelt, die analog zu den Angstinhalten formuliert sind. Die aus den 21 empirisch gewonnenen Bedürfniskategorien von Sulz & Tins (2000) konnten mittels einer Hauptkomponentenanalyse auf die 6 Bedürfnisdimensionen Bindung, Selbstwert, Orientierung/Kontrolle, Autonomie, Identität und Homöostase zurückgeführt werden. Diese Bedürfnisdimensionen beschreiben bedeutsame Charakteristika der Beziehungsgestaltung sowie der Selbstentwicklung und Selbstregulation. Dysfunktionale Persönlichkeitszüge korrelieren hoch mit zentralen Wuttendenzen und weniger hoch mit zentralen Bedürfnissen. Die Vermeidungsmotive Angst und Homöostase stehen in stärkerer Wechselwirkung mit dysfunktionalen Persönlichkeitscharakteristika als die Annäherungsmotive Zugehörigkeit und Autonomie. Wut als aggressives Annäherungsmotiv findet sich am häufigsten bei Narzissmus und Histrionie, gefolgt von Borderline und passiver Aggressivität, wenig häufig bei Selbstunsicherheit und Dependenz, Zwanghaftigkeit und Schizoidie. Betrachtet man Persönlichkeitszüge, Angst und Wut insgesamt, so findet sich wenig Angst und wenig Wut bei Schizoidie und Zwanghaftigkeit, mittlere Angst und mittlere Wut bei Histrionie und passiver Aggressivität, und hohe Wut und mittlere Angst bei Narzissmus, hohe Angst und mittlere Wut bei Borderline. Neurotizismus insgesamt weist hohe Angst und Wut gleichermaßen auf. Bedürfnisse und Persönlichkeit korrelieren folgendermaßen: je größer das Ausmaß an frustrierten Bedürfnissen in der Kindheit, umso größer ist das Ausmaß gegenwärtiger Angst und Wut, das wiederum je nach Persönlichkeitscharakteristikum unterschiedlich ist (Sulz & Müller, 2000).

    Zusammenfassend lässt sich konstatieren: Alle Forschungsbefunde zu Faktoren, die bei der Prädisposition zu psychischer Erkrankung beteiligt sind, gehen von einer mehr oder weniger explizit benannten entwicklungspsychologischen Perspektive aus (Bowlby, 1975; McCullough, 2000; Piaget, 1995; Sulz, 1994, 2011). Oberstes Prinzip ist die Einhaltung eines stabilen Gleichgewichts aller ablaufenden psychischen Prozesse (Homöostaseannahme von Sulz (1994), Konsistenztheorie von Grawe (1998, 2004), im weiteren Sinne auch die „Cognitive-Experiental Self Theory (CEST) von Epstein (1990) sowie die „Self-Determination Theory von Deci & Ryan (2000)), um die Befriedigung zentraler psychischer Grundbedürfnisse und damit die Integrität des Selbst zu sichern. Zentrale Bedürfnisse sind Bindung, Selbstwert, Orientierung/Kontrolle, Streben nach Lust/Vermeiden von Unlust (Epstein, 1990), erweitert um die Annahme der Konsistenz (Grawe, 1998, 2004), sowie um Homöostase, Autonomie, Identität (Sulz, 1994, 2011). Unter idealen Bedingungen (Wechselwirkung zwischen angeborenem Temperament des Kindes, Bindung zu primären Bezugspersonen, Umweltbedingungen) entwickeln sich motivationale Schemata, die die Befriedigung dieser Grundbedürfnisse sichern. Die biographischen Faktoren, die zu Abweichungen von dieser „gesunden Entwicklung führen und eine Disposition zur Entwicklung von psychischen Störungen bedingen, sind inzwischen durch eine Reihe von Forschungsbefunden gut gesichert, insbesondere für Risikofaktoren zur Entwicklung depressiver Störungen gibt es eine umfangreiche Forschungslage (Cicchetti, 1993; Cicchetti et al., 1995). Biographische Erfahrungen, die zu einem „Auseinanderdriften (McCullough, 2006) beziehungsweise „Entwicklungslöchern" (Sulz & Theßen, 1999) in der normalen emotionalen und kognitiven Entwicklung führen, sind nach Cicchetti & Barnett (1991) vier Formen frühkindlicher Misshandlung, die sich in den Biographien von depressiven Patienten finden: emotionaler Missbrauch, sexueller Missbrauch, körperliche Gewalt sowie körperliche Vernachlässigung. Garbarino (1994) nennt folgende Formen emotionalen Missbrauchs: Zurückweisen, Terrorisieren, Ignorieren, Isolieren und Korrumpieren. Glaser (2002) entwickelte sechs Kategorien emotionalen Missbrauchs: Nicht-Verfügbarkeit der Eltern, negative Zuschreibungen der Eltern an das Kind, unangemessene Erwartungen, fehlende Anerkennung der Individualität des Kindes, Unterbinden der Entwicklung eines eigenen kindlichen Lebenskontextes sowie gestörte Kommunikation.

    Weitere Forschungsbefunde nennen neben den oben aufgelisteten Kategorien von kindlicher Misshandlung folgende weitere spezifische Risikofaktoren für die Entwicklung einer psychischen Störung und werden im Folgenden detailliert aufgeführt: eine unsichere (ängstliche und/oder vermeidende bzw. auch desolate) Bindung zwischen Eltern und Kind, belastende Lebensereignisse, insbesondere Erfahrungen von Zurückweisung und sozialem Ausschluss, aber auch Demütigung, Kritik, Beschimpfung und Abwertung, Stress, negative Selbst- und Beziehungsschemata, Trennung und Verlust von Elternteilen und /oder wichtiger Bezugspersonen, elterliche Psychopathologie (wie Depression oder Alkoholismus), belastende familiäre Verhältnisse wie Armut und eine konfliktbeladene, abwertende und feindselige Atmosphäre, elterliche Gewalt, dysfunktionales elterliches Modellverhalten hinsichtlich Emotionsregulation, zwischenmenschlichen Beziehungsfähigkeiten sowie Copingverhalten bei Stress und Leistungsanforderungen. Da die Art der Bindungserfahrungen von Geburt an die entscheidende Grundlage für die weitere sozioemotionale Entwicklung darstellt, soll im Folgenden ausführlicher darauf eingegangen werden.

    Unsichere Bindungsmuster determinieren das Verhalten in entscheidenden Lebensbereichen wie interpersonelle Beziehungen, Emotionsregulation, Bewältigungskompetenz hinsichtlich Stress und belastenden Lebensereignissen sowie Leistungsverhalten, da keine Bewältigungsmöglichkeit für den Umgang mit Angst gelernt werden kann (Crittenden, 1995; Crittenden & Ainsworth, 1989). Crittenden & Ainsworth (1898) gehen bei ihrer Untersuchung von misshandelten und vernachlässigten Kindern im Rahmen der Bindungstheorie (anhand der „Strange Situation (Ainsworth et al., 1978)) davon aus, dass Bindungserfahrungen für das individuelle Funktionieren während aller Altersstufen die entscheidende Grundlage bilden, wenngleich die Art der Bindung sich im Laufe der Entwicklung verändert. Die wesentliche Funktion von Bindung ist es, den Nachkommen Sicherheit und Schutz zu bieten – dies steht im Falle von Misshandlung auf dem Spiel. Darüber hinaus ist das konkrete Verhalten eines Individuums in einer spezifischen Situation neben der genetischen Prädisposition von einem Zusammenspiel von Umwelt- und situativen Bedingungen sowie von früheren Erfahrungen mit ähnlichen Situationen geprägt. Diese Erfahrungen sind als inneres Arbeitsmodell vom eigenen Selbst und anderen gespeichert und mit einer entsprechenden (positiven oder negativen) Emotion verbunden. Die aktuellen Bindungsmuster eines Kindes bestimmen über die Richtung seiner weiteren Entwicklung. Die inneren Arbeitsmodelle, die angstbesetzten Bindungsmustern zugrundeliegen, führen dazu, dass gegenwärtige Beziehungen als stressreicher, und zukünftige Bindungen als weniger sicher erlebt werden. Nach Crittenden & Ainsworth (1989) schlagen sich Bindungsprobleme nicht in persönlicher Psychopathologie nieder, sondern vielmehr darin, wie viel Sicherheit eine jeweilige Bindungserfahrung zur Verfügung stellen kann, damit die betroffene Person Kapazitäten für andere Aspekte ihres Lebens zur Verfügung hat. Crittenden & Ainsworth (1989) unterscheiden in ihren Untersuchungen zwischen Erfahrungen von (körperlicher, emotionaler und sexueller) Misshandlung und Vernachlässigung und postulieren Auswirkungen in sechs individuellen und dyadischen Funktionsbereichen: angstbesetzte Bindung, innere Konflikte, Strategien des Kindes für den Umgang mit seinen Eltern sowie mit der Umwelt, Verfügbarkeit von Nischen („niche picking, a.a.O., S. 445) und Anpassungsfähigkeit. Das innere Arbeitsmodell von physisch und emotional misshandelnden Müttern beinhaltet das Gefühl, von anderen dominiert, kontrolliert oder zurückgewiesen zu werden, sowie Vorstellungen von konflikthaften Beziehungen. Vernachlässigende Mütter weisen ein Konzept der Hilflosigkeit auf, sie haben wenig Hoffnung, dass ihre Bedürfnisse von anderen gesehen oder befriedigt werden. Ihre Vorstellung von Beziehung beinhaltet, alleine, ohne Unterstützung und depressiv zu sein. Das innere Arbeitsmodell sicher gebundener Mütter dahingegen umfasst Kompetenz und Gegenseitigkeit.

    Sowohl misshandelte wie auch vernachlässigte Kinder weisen gleichermaßen ein ängstliches Bindungsmuster auf. Misshandelnde Mütter sind im Umgang mit ihrem Kind härter, kontrollierender, grenzüberschreitender und negativer, ihre Partnerschaften sind nicht gleichberechtigt und daher konfliktgeprägt, häufig hochgradig stressbelastet. Sie haben häufig Trennungen bzw. Scheidungen und erleben Gewalt durch den Partner, wählen dann bei der neuen Partnersuche wieder ähnliche Konstellationen. Misshandelte Kinder weisen ein ängstliches Bindungsmuster auf und verhalten sich häufig aggressiv oder aus Angst zwanghaft angepasst.

    Auch vernachlässigte Kinder sind ängstlich gebunden, sie weisen jedoch häufiger auch ein vermeidendes oder ambivalentes Bindungsmuster auf und sind im Kontakt eher passiv. Crittenden & Ainsworth (1989) gehen davon aus, dass ein ängstliches Bindungsmuster mit inneren Konflikten verbunden ist. Misshandelte Kinder nehmen häufig die Rolle der versorgenden Person ein (Rollenumkehr), um ihre Wut auf die misshandelnde Bezugsperson zu verdrängen, obwohl es deutliche Hinweise darauf gibt, dass diese Kinder innerlich wütend auf ihre Misshandler sind und die Person eigentlich vermeiden möchten. Auch die Mütter zeigen innere Konflikte bezogen auf ihr Kind, es wird als ihr Besitz und die Person gesehen, die sie lieben soll. Die Mütter weisen ihr Kind allerdings häufig auf inkonsistente Weise zurück und reagieren dann jedoch mit Eifersucht und einem Gefühl, zurückgewiesen zu sein, wenn das Kind Bedürfnisbefriedigung bei anderen sucht.

    Der innere Konflikt vernachlässigter Kinder beinhaltet, weder Schutz noch Unterstützung von anderen zu suchen, obwohl sie diese dringend brauchen. Wenn sie diese erhalten, empfinden sie keinerlei Beruhigung.

    Im Umgang mit den Eltern verhalten sich misshandelte Kinder nicht verhaltensauffällig und aggressiv, wie es naheliegend wäre, da die Eltern darauf strafend und gewalttätig reagieren und damit den Stresslevel des Kindes weiter erhöhen würden. Misshandelte Kinder lernen, ihre Wut zu unterdrücken und das übergriffige und harte Verhalten der Mutter zu ertragen bzw. sich ihren Wünschen anzupassen, um noch mehr Gewalt zu entgehen. Insbesondere ältere misshandelte Kinder zeigen sich ängstlich, passiv, wachsam und kooperativ. Wenn aufgrund inkonsistenten elterlichen Verhaltens für das Kind keine Vorhersage möglich ist, ob sein Verhalten die Mutter verärgert oder zufriedenstellt, entwickeln sich ab dem zweiten Lebensjahr zwei potentielle unterschiedliche Verhaltensmuster in Abhängigkeit vom Ausmaß der Misshandlung und/oder Vernachlässigung: ein negatives-oppositionelles und ein zwanghaft untergeordnet-angepasstes.

    Vernachlässigte Kinder erfahren keinerlei elterliche Reaktion auf ihre Bedürfnisse nach Sicherheit und Trost, es resultiert dann entweder eine Intensivierung des Verhaltens in Form von forderndem, anklammerndem Verhalten oder aber sie reagieren mit Rückzug, Ignorieren der Mutter und Depressivität, die Nähe der Mutter wird nicht mehr gesucht. Das Explorationsverhalten misshandelter Kinder ist unbeeinträchtigt, wenn keine Gefahren seitens der Umwelt und keine Anzeichen mütterlicher Gestresstheit oder Wut vorliegen, anderenfalls verhalten die Kinder sich entweder vermeidend oder ambivalent (nähesuchend und vermeidend). Das Explorationsverhalten vernachlässigter Kinder ist aufgrund fehlender Anreize durch die Mutter nahezu völlig eingeschränkt; die Kinder, die genug Mut zur Exploration aufweisen, riskieren mehr Gefahren, da weder Schutz noch Unterstützung seitens der Eltern besteht.

    Hinsichtlich umweltbezogener Nischen wie soziale Netzwerke, Arbeitsverhältnisse und sozialer Erfahrungen im schulischen Kontext fanden die Autoren folgende Ergebnisse: Während sich misshandelte Kinder Erwachsenen gegenüber tendenziell eher unterordnen, verhalten sie sich gegenüber Gleichaltrigen häufig aggressiv sowohl im und außerhalb des schulischen Kontextes. Ihre hohe Aggressivität ist häufig Folge unterdrückter Wut oder einer überhöhten Erwartung von Aggression seitens anderer, die unglücklicherweise durch die darauf folgende Reaktion der anderen auf diese Erwartungshaltung erneut bestätigt wird. Andere Folgen sind delinquentes Verhalten bei Jungen und promiskuitives Verhalten bei Mädchen als Reaktion auf häusliche Misshandlung und Gewalt. Beides sind Möglichkeiten, sich selbstbewusst und kompetent zu fühlen sowie Kontrolle zu behalten. Misshandelnde Mütter sind in der Lage, soziale Beziehungen einzugehen, nicht jedoch, diese aufrechtzuerhalten, die Beziehungen sind weder stabil noch reziprok und enden oft in Streit und Verbitterung. Ähnlich verhält es sich mit Arbeitsverhältnissen, die oft wegen Konflikten mit Kollegen und Vorgesetzten gekündigt werden. Der damit verbundene Statusverlust erhöht das Risiko häuslicher Gewalt, insbesondere Väter tendieren dazu, ihre Kinder dann hart zu bestrafen. Vernachlässigte Kinder verhalten sich gegenüber Gleichaltrigen entweder zurückgezogen, unberechenbar oder aggressiv. Vernachlässigende Mütter weisen kaum soziale Kontakte zu anderen auf, wenn, dann sind sie von kurzer Dauer. Vielmehr müssen oft die Kinder als Sozialkontakt herhalten.

    Hinsichtlich sozialer Anpassung im Lebenszeitverlauf weisen misshandelte Kinder zwei mögliche Verhaltensmuster auf: entweder zwanghafte Unterordnung oder offene Feindseligkeit bzw. Gegenwehr. Überanpassung verhindert das Risiko elterlicher Gewalt und bringt den Vorteil einer verschärften Wahrnehmungsfähigkeit hinsichtlich zwischenmenschlicher Beziehungen mit sich. Andererseits kann ein überangepasstes Verhalten dazu führen, einseitig die Bedürfnisse anderer zu erfüllen und eigene Gefühle und Bedürfnisse zu ignorieren, insbesondere wenn Eltern ein solches Verhalten bei ihren Kindern belohnen. Die Wut, die das Kind in den ursprünglichen Situationen fühlte, wird zugunsten einer Anpassung verdrängt und kann zu verringerter Befriedigung im Leistungsbereich (bzw. Perfektionismusstreben) und einem Gefühl von Wut und Zwang gegenüber seinen Bezugspersonen resultieren. Die überangepasste Strategie kann daher zu übermäßiger Wachsamkeit in sozialen Beziehungen mit systematischen Wahrnehmungsverzerrungen des Sozialverhaltens anderer führen sowie zu oberflächlicher Nachgiebigkeit in Situationen, in denen andere mächtig oder bedrohlich wirken mit der Gefahr, dass dies niemals wirklich überprüft werden kann. Drittens führt die unterdrückte Wut zu einem Ausschluss bestimmter Emotionen aus dem eigenen Spektrum. Das innere Bild von anderen ist von deren Macht und Feindseligkeit geprägt, während das eigene Selbst nur unter der Bedingung von Unterwerfung liebenswert ist. Es dominieren Gefühle von Angst und unterdrückter Wut.

    Misshandelte Kinder, die offene Wut und Gegenwehr zeigen, unterliegen einem ständigen Risiko elterlicher Wut und Misshandlung, müssen jedoch ihre Gefühle nicht verleugnen. Daher ist ihre innere Repräsentanz von anderen überwiegend negativ, wohingegen ihr Bild von sich durch Rechtfertigung der eigenen Aggressivität geprägt ist. Offen aggressive Kinder neigen daher weniger zu Verzerrungen sozialer Informationen, der Preis besteht jedoch im Risiko chronischer Misshandlung und der Gefahr, dass die die chronische Wut das gesamte Verhalten der Person durchzieht und darüber zu einer permanenten Erfahrung von sozialer Zurückweisung und Ablehnung führt. Crittenden & Ainsworth (1989, S. 455) verweisen auf Hunter & Kilstrom (1979), die nachweisen konnten, dass misshandelte Kinder, die als Erwachsene selbst ihre Kinder nicht misshandelten, sowohl offener mit der eigenen Wut umgingen als auch mehr sozial unterstützende Beziehungen hatten oder bereits während der Kindheit mehr sozial unterstützende Freunde hatten. Soziale Unterstützung ist die entscheidende korrigierende Variable in Bezug auf negative innere Arbeitsmodelle. Es gibt weiter Hinweise darauf, dass misshandelte Kinder das Sozialverhalten Erwachsener wesentlich feiner einschätzen können als das eigene oder das von Gleichaltrigen, ebenso können sie den emotionalen Ausdruck bei anderen besser deuten.

    Vernachlässigte Kinder weisen zwei unterschiedliche Verhaltensmuster sozialer Anpassung auf: extreme Passivität (Depression) oder undisziplinierte Aktivität. Mit zunehmender Mobilität erfahren sie selbst ihre Umwelt, was adaptiv und gefährlich zugleich ist, da zum einen zwar korrigierende neue Erfahrungen gemacht werden können, andererseits jedoch kein erwachsener Schutz gegen äußerliche Gefahren besteht. Aufgrund der fehlenden gezielten Stimulierung fehlt eine Fähigkeit, die Aufmerksamkeit ausreichend lange zu fokussieren, durch die Strukturlosigkeit resultieren Probleme im Lern- und Leistungsverhalten. Da vernachlässigende Eltern ihre Kinder nicht fördern und fordern, resultiert aufgrund des fehlenden Bewusstseins der eigenen Effektivität eine überwiegende Passivität und Depression.

    Kinder mit weniger gravierenden Erfahrungen von Misshandlung bzw. Misshandlung und Vernachlässigung gleichermaßen entwickeln häufig aufgrund der Inkonsistenz und fehlenden Berechenbarkeit elterlichen Verhaltens generalisierte Angststörungen oder Hyperaktivität, die im weiteren Verlauf zu Problemen im Sozialkontakt und im Leistungsverhalten führen kann (Crittenden & Ainsworth, 1989, S. 446–457).

    Ein unsicherer Bindungsstil korreliert hoch mit einem niedrigem Selbstwertgefühl, hoher Empfindlichkeit gegenüber anderen und schlechten Fähigkeiten, mit neuen Situationen umzugehen: Die Ergebnisse einer Untersuchung von Bekker & Croon (2010) bestätigen ein gering ausgeprägtes Autonomiestreben in Kombination mit einem unsicheren Bindungsstil als Risikofaktoren für die Entstehung von depressiven und Angststörungen, wobei ein niedriges Selbstwertgefühl Depressionen begünstigt, während ein schlechtes Coping für neue Situationen und eine hohe Empfindsamkeit gegenüber anderen eher zu Angststörungen führt. Darüber hinaus bedingt ein unsicheres Bindungsmuster negative Selbstschemata (wie Wertlosigkeit und Inkompetenz), die wiederum in kognitiven, familiären und sozialen Schwierigkeiten resultieren (Hammen et al., 1985; Hammen & Rudolph, 1996). In einer Langzeitstudie von Ackerman et al. (2002) wurde der Zusammenhang zwischen einer unsicheren Mutter-Kind-Bindung und der Entwicklung von internalisierenden Störungen (bei Mädchen) und internalisierenden sowie externalisierenden Störungen (bei Jungen und Mädchen) in der späteren Entwicklung nachgewiesen.

    Zum Einfluss belastender Lebensereignisse als Risiko- und Vulnerabilitätsfaktoren für Entstehung und Verlauf psychischer Störungen (insbesondere depressiver Störungen) liegt eine umfassende Forschungslage vor. Belastende Lebensereignisse haben einen höheren Einfluss auf die Entstehung einer erstmaligen depressiven Störung als auf ein Rezidiv und bestimmen den Schweregrad der Depression (Paykel, 2003; Tennant, 2002). Eine Interaktion von negativem Selbstschema und belastenden Lebensereignissen führt zu einer erhöhten Vulnerabilität für verzerrte Bewertungsprozesse der eigenen Bewältigungsmöglichkeiten und stellt einen Prädiktor für die Schwere depressiver Symptomatik bereits in der Kindheit dar (Hagen, 2009; Hammen, 1992). Tennant (1991) untersuchte die Auswirkung von Verlusterfahrungen in der Kindheit auf das spätere Erwachsenenleben. Die Ergebnisse zeigen, dass der Verlust der Eltern durch Tod einen geringeren Einfluss auf die Entwicklung depressiver Symptomatik im Erwachsenenalter hat als Trennungserlebnisse im Kontext familiärer und elterlicher Konflikte. Bifulco, Harris & Brown (1987, 1992) konnten belegen, dass der Verlust der Mutter durch Tod oder durch Trennung gleichermaßen das Risiko für die Entwicklung einer Angst- oder depressiven Störung verdoppelte. Auch Monroe et al. (1999) sehen den Verlust einer wichtigen Bezugsperson als Risikofaktor, eine erstmalige Depression zu entwickeln, während dies keinen Prädiktor für ein Rezidiv darstellt. Die Annahme eines „Kindling-Effekts" (Post, 1992) für rezidivierende depressive Phasen, wonach auch geringer belastende Lebensereignisse bereits depressionsauslösend sein können, wird von Monroe (2005) kritisch hinterfragt und findet in der Studie von Tennant (1991) Bestätigung. Post (1992) postuliert, dass psychosoziale Stressoren für das Auftreten einer ersten depressiven Episode zunächst einen höheren Einfluss haben als für nachfolgende depressive Episoden. Dabei führen sowohl Stressfaktoren als auch die biochemischen Begleitreaktionen zu einer erhöhten Sensibilisierung und erhöhen so die Vulnerabilität und Sensitivität für nachfolgende depressive Episoden, die somit auch durch geringer ausgeprägten Stress ausgelöst werden können. Eine Untersuchung von Brugha et al. (2003) fand ebenfalls belastende Lebensereignisse, insbesondere Verlusterlebnisse, als Risikofaktoren für das erstmalige Auftreten einer unipolaren Depression. Soziale Unterstützung als Schutzfaktor kann das Ausmaß der Belastung und somit den Verlauf der Depression abpuffern, jedoch hängt das Ausmaß an sozialen Fertigkeiten, um soziale Unterstützung zu erhalten, von frühen Beziehungserfahrungen in der Kindheit ab (Brugha et al, 2003).

    Holahan & Moos (1990, 1991) betonen die Rolle sozialer Unterstützung als Schutzfaktor bei belastenden Lebensereignissen. In ihrem Stressgenerationsmodell postulieren die Autoren die Verfügbarkeit persönlicher Ressourcen sowie positive familiäre und soziale Unterstützung als Resilienzfaktoren für psychische Gesundheit. Monroe et al. (1983) konnten ebenfalls einen Zusammenhang zwischen belastenden Lebensereignissen und psychosozialer Unterstützung als Prädiktor für den Schweregrad depressiver und Angststörungen nachweisen, wobei dies für Depressionen am meisten zutrifft. Barnett & Gotlib (1998) untersuchten den Zusammenhang zwischen dysfunktionalen Einstellungsmustern, belastenden Lebensereignissen und sozialer Unterstützung. Die Interaktion dieser drei Faktoren sagte die Schwere einer nachfolgenden depressiven Entwicklung voraus, wobei dysfunktionale Einstellungen einen Risikofaktor, soziale Unterstützung hingegen einen Schutzfaktor darstellen. Henderson et al. (1978) betont die Bedeutung zwischenmenschlicher Bindung, insbesondere enger emotionaler Beziehungen als Schutzfaktor für psychische Gesundheit. Lizardi et al. (1995) beschreiben als Risikofaktoren für depressive Erkrankungen mit frühem Beginn körperlichen und sexuellen Missbrauch sowie fehlende elterliche Liebe, Fürsorge und Unterstützung; letzteres stellt einen höheren Risikofaktor die Dysthymie als für eine majore Depression dar.

    Weitere Risikofaktoren für eine Depressionsentwicklung sind finanzielle und gesundheitliche Probleme in der Herkunftsfamilie, Veränderungen der häuslichen Umgebung, Konflikte in Familie und Partnerschaft sowie Stresserfahrungen bezogen auf Gewalt und Substanzmissbrauch (Drotar & Sturm, 1989; Pianta & Egeland, 1994). Chronische Armut und damit einhergehende negative Folgen stellen Risikofaktoren für psychische Störungen sowie Beeinträchtigungen des Lern- und Leistungsverhaltens bei Vorschulkindern dar (Ackerman, Brown & Izard, 2004; Cichetti, Ackermann & Izard, 1995). Die negative Auswirkung mütterlicher Depressionen auf das kindliche Selbstkonzept (insbesondere Selbstwert und Selbstwirksamkeit) wurde von Hammen (1988) nachgewiesen: ein negatives Selbstschema begünstigt die Entwicklung affektiver Störungen. Goodman & Brand (2009) betonen den Einfluss des Zeitpunkts belastender Lebensereignisse (Pränatalperiode, frühe Kindheit und Adoleszenz). Stressbezogene neurobiologische Reaktionsmuster, die Gehirnentwicklung und psychophysiologische Gegebenheiten in Kombination mit dem Bindungssystem, der kognitiven Entwicklung und der Fähigkeit, Emotionen adäquat auszudrücken und zu steuern, bestimmen über den Einfluss belastender Lebensereignisse die Schwere der depressiven Symptomatik im Sinne erhöhter Vulnerabilität (Diathese-Stress-Modell). Die Auswirkung von Stresserfahrungen auf die Entstehung von affektiven Störungen wurde von Paykel (2001) nachgewiesen, wobei soziale Unterstützung belastende Lebensereignisse abpuffert. Allerdings ist die Verfügbarkeit sozialer Unterstützung wiederum abhängig von den persönlichen interpersonellen Kompetenzen, die wiederum durch frühe Bindungserfahrungen geprägt sind (Crittenden & Ainsworth, 1989). Davila, Stroud & Starr (2014) konnten ebenfalls die maßgebliche Rolle interpersoneller familiärer Belastungen sowohl als Ursache wie als Folge depressiver Störungen nachweisen. Joiner & Timmons (2009) bestätigen den Einfluss depressionsspezifischen Interaktionsverhaltens als Vulnerabilitäts- und Risikofaktor für Ursache und Folge depressiver Erkrankungen gleichermaßen und sehen darin einen zentralen Faktor für eine Chronifizierung der Störung.

    Eine ebenfalls umfangreiche Forschungslage existiert zum Einfluss elterlicher Psychopathologie auf die kindliche Entwicklung: Risikofaktoren sind mütterliche (aber auch väterliche) Depressivität sowie Alkoholprobleme bei Vätern (Goodman & Brand, 2009), affektive und Persönlichkeitsstörungen (Klein, Durbin & Shankman, 2009; Lizardi & Klein, 2000). Die Auswirkung elterlichen Alkoholmissbrauchs und Misshandlung (körperlich, sexuell und emotional) auf die kindliche Entwicklung wurde in einer Studie von Harter & Taylor (2000) untersucht. Die Ergebnisse zeigen, dass sich insbesondere Alkoholmissbrauch in Kombination mit emotionalem Missbrauch durch die Eltern auf die soziale Anpassung ihres Kindes negativ auswirkt und einen Risikofaktor für die Entstehung psychischer Störungen im Erwachsenenalter darstellt. Craniotes (1996) untersuchte den Zusammenhang zwischen sozialer Unterstützung in Adoleszenz und dem psychosozialen Funktionsniveau im Erwachsenenalter bei Kindern alkoholabhängiger Eltern. Dabei zeigte sich soziale Unterstützung als Schutzfaktor gegen die negativen Auswirkungen elterlichen Alkoholmissbrauchs.

    Eine Langzeituntersuchung der Forschungsgruppe um Maughan et al. (2007) untersuchte den Einfluss mütterlicher Depression und damit einhergehendem beeinträchtigten Fürsorgeverhalten auf die kindliche Emotionsregulationsfähigkeit und die sozioemotionale Entwicklung. Dabei zeigte sich ein eindeutiger Zusammenhang zwischen mütterlicher Depression und fehlender sozialer Akzeptanz der Kinder, wobei das Ausmaß der mütterlichen Negativität den Grad der sozioemotionalen Entwicklung bestimmte. Murray et al. (2006) konnten ebenfalls den Einfluss mütterlicher Depression auf die sozioemotionale Entwicklung ihres Kindes belegen: Folgen sind ein unsicherer Bindungsstil, eine erhöhte emotionale Sensitivität und eine depressive Entwicklung in der Adoleszenz. Eine Untersuchung von Lyons-Ruth et al. (1990) nennt als Risikofaktoren für depressive Störungen Armut, eine depressive Störung der Mutter mit beeinträchtigtem Fürsorgeverhalten sowie eine gestörte Mutter-Kind-Bindung und fehlende bzw. beeinträchtigte Sozialkontakte der Mutter. Eine frühe mütterliche Depression der Mutter führt zu negativen Auswirkungen auf die inneren Elternrepräsentanzen des Kindes, allerdings nur bei bestehender unsicherer Bindung zwischen Mutter und Kind (Murray & Cooper, 1997; Toth et al., 2009). Der negative Effekt von mütterlicher Depression und Armut auf die kognitiv-affektive Entwicklung des Kindes wurde von Petterson & Albers (2001) ebenfalls nachgewiesen. Negatives Elternverhalten wie Feindseligkeit, Kälte sowie fehlende Unterstützung führten ungeachtet von Temperamentseigenschaften des Kindes zu erhöhter Wut und Störungen der Emotionsregulation beim Kind (Cipriano, 2011). Erickson, Egeland & Pianta (1989) untersuchten die Auswirkung von Misshandlung auf die Entwicklung von Kindern und unterscheiden dabei verschiedene Formen von Misshandlung, nämlich emotionale Misshandlung (verbale feindselige Zurückweisung) und Vernachlässigung, was in Kombination mit mütterlicher postpartaler Depression sowie bestimmten Charakteristika des Kindes zu ungünstigen Wechselwirkungen führt und emotionale wie kognitive Beeinträchtigungen der kindlichen Entwicklung mit sich bringt. Eine Langzeitstudie von Slominski (2011) untersuchte die Auswirkung elterlicher psychischer Störungen auf die Entwicklung ihrer Kinder von der frühen Kindheit an über einen Zeitraum von 40 Jahren hinweg. Die Ergebnisse zeigen, dass elterliche Psychopathologie einen bedeutenden Prädiktor für Beeinträchtigungen der psychischen Gesundheit, der interpersonellen Fähigkeiten sowie des sozioökonomischen Status‘ des Kindes im Lifetime-Verlauf darstellen.

    Horwitz et al. (2001), Horwitz (2003) nennen als Risikofaktoren für die Entstehung von depressiven Störungen, Alkoholproblemen sowie antisozialem Verhalten bei Kindern und Jugendlichen elterliche Psychopathologie, körperlicher und sexueller Missbrauch und Vernachlässigung, während umgekehrt eine fördernde häusliche Umwelt mit sozialer Unterstützung eine positive Auswirkung auf die Entwicklung von kindlichem Copingverhalten hat. Auch Holahan et al. (1999, 2000) bestätigen den Zusammenhang zwischen der Verfügbarkeit persönlicher Ressourcen, Copingverhalten und Depression. Das oben bereits erwähnte Stressgenerationsmodell von Holahan et al. (2005) beschreibt dysfunktionales Vermeidungsverhalten als maßgeblichen Faktor für die Depressionsentstehung. Die Beziehung zwischen mütterlicher depressiver Störung und übermäßiger mütterlicher Emotionalität auf Bindung und Verhaltensauffälligkeiten ihres Kleinkindes wurden von Gravener et al. (2012) beschrieben. Untersuchungen von Fontaine & Nolin (2012) bezüglich der „Weitergabe" von Misshandlung über Generationen hinweg (Transmissionsmodell) konnten dysfunktionale Persönlichkeitscharakteristika und Persönlichkeitsstörungen bei Eltern nachweisen, die ihre Kinder körperlich misshandelten oder vernachlässigten.

    Drotar & Sturm (1988, 1991, 1992) bestätigten in mehreren Untersuchungen die Auswirkung frühkindlicher entwicklungsbeeinträchtigender Bedingungen wie elterliche Psychopathologie, mangelnde elterliche Skills, prekäre familiäre Rahmenbedingungen sowie eine belastete Elternbeziehung auf Persönlichkeitsentwicklung und Problemlösefähigkeiten, die die weitere sozioemotionale Entwicklung („Non Organic Failure to Strive, NOFT") hemmen und zu Beeinträchtigungen von Lern- und Leistungsverhalten führen. Beeinträchtigungen des kindlichen Leistungsverhaltens aufgrund ungünstigen Elternverhaltens können durch Erfahrungen von sozialer Unterstützung ausgeglichen werden. Kinder, die sozial unterstützende Kontakte hatten und deren Eltern sich gegenüber ihrem Kind hinsichtlich Bindungsqualität, Sensitivität für kindliche Bedürfnisse sowie Bildungsförderung ungünstig verhielten, entwickelten ein erfolgreicheres Leistungsverhalten als diejenigen der Kontrollgruppe, deren Eltern sich hinsichtlich der genannten Faktoren günstiger verhielten, die jedoch weniger soziale Unterstützung hatten (Perez, 2013). Eine sichere Mutter-Kind-Bindung stellt einen Prädiktor für eine positive schulische Entwicklung (Lern- und Leistungsverhalten) sowie für Resilienz bezüglich Identität, sozialer Akzeptanz und psychischer Gesundheit dar (Toth & Cichetti, 1996). Die Auswirkung elterlicher Trennung und Scheidung auf Leistungsverhalten und Leistungsmotivation wurde von Bertram (2006) untersucht: es zeigte sich ein erhöhtes Ausmaß an kognitiver Beeinträchtigung, Prokrastinieren und schlechteren Leistungsergebnissen bei Trennungs- und Scheidungskindern. Weitere beeinträchtigende Faktoren waren ein überkontrollierendes Verhalten der Eltern sowie ein niedriger sozioökonomischer Status der Familie mit psychischen Belastungen der Eltern. Insbesondere soziale Zurückweisung und Ausgrenzungen durch die Peer-Group können zu depressiven Störungen und in weiterer Folge zu gravierenden Beeinträchtigungen des Leistungsverhaltens führen (Schwartz et al., 2005). Cowan & Cowan (2002) konnten in zwei Langzeitstudien den Einfluss elterlichen Verhaltens auf die Entwicklung von Sozial- und Leistungsverhaltens ihrer Kinder nachweisen. Kinder mit Misshandlungserfahrungen (emotionaler, körperlicher, sexueller Missbrauch sowie Vernachlässigung) weisen ein erhöhtes Risiko hinsichtlich eines beeinträchtigten Leistungsverhaltens sowie Störungen der Emotionsregulationsfähigkeit auf (Schelble, Franks & Miller, 2010). Umgekehrt konnte die Forschungsgruppe konnte einen signifikanten Zusammenhang zwischen fehlender Emotionsdysregulation und Resilienz bezüglich Leistungsverhalten nachweisen. Die Auswirkungen einer ökonomisch benachteiligten familiären Umgebung (Armut, Bildungsstand) auf zentrale entwicklungspsychologische Kompetenzen wie Emotionsregulation und schulisches Leistungsverhalten der Kinder wurden mehrfach nachgewiesen (Ackerman et al., 2007; Ackerman, Brown & Izard, 2004). Cichetti, Ackerman & Izard (1995) beschreiben eine beeinträchtigte Entwicklung zentraler entwicklungspsychologischer Prozesse, insbesondere bezogen auf Fähigkeiten der Differenzierung und Regulation von Emotionen durch massiv beeinträchtigte häusliche Rahmenbedingungen. Mütterliche Bindungsunsicherheit ist in Kombination mit ökonomischer Benachteiligung ein Risikofaktor für die Entwicklung von Verhaltensauffälligkeiten und Problemen im Leistungsbereich bei Vorschulkindern (Ackerman et al., 2002). Shields (1997) fand Verhaltensauffälligkeiten bei misshandelten und in Armut aufgewachsenen Kindern: Beeinträchtigungen von Emotionsregulation und Aufmerksamkeitsprozessen, erhöhte Aggressivität und Delinquenz. Insbesondere die gestörte Aufmerksamkeitsregulation führt zu Problemen der Emotionsregulation, in Kombination mit negativen inneren Arbeitsmodellen der Eltern-Kind-Beziehung bedingen sie eine beeinträchtigte Selbstregulation und Identität. Kinder mit Erfahrungen von Autonomiebeschneidungen und physischer Gewalt durch die Eltern zeigten ein erhöhtes Risiko für aggressives und delinquentes Verhalten (Shields, 1997). Die Auswirkungen unterschiedlicher Formen von Misshandlung in der Kindheit wurden von Williamson, Borduin & Howe (1991) untersucht. Vernachlässigung war mit vermehrten Schwierigkeiten außerhalb der Familie und sozialer Isolation verbunden, während körperliche Misshandlung in engem Zusammenhang mit rigiden innerfamiliären Beziehungen, fehlendem mütterlichen Verständnis für die zentralen Bedürfnisse ihres Kindes und externalisierendem Verhalten der Jugendlichen in Verbindung stand. Erfahrungen von sexuellem Missbrauch in Kindheit und Jugend korrelierten mit emotionalen Problemen der Mutter und internalisierendem Verhalten der Kinder. Bei allen Gruppen von Misshandlung fanden sich ein niedriger familiärer Zusammenhalt, erhöhte Alltagsbelastungen und Stress sowie massive Aufmerksamkeitsprobleme. Die Befunde entsprechen denen der Arbeitsgruppe um Ackerman (2002, 2004, 2007) sowie Drotar & Sturm (1989, 1992) hinsichtlich der Relevanz häuslicher und familiärer Umweltbedingungen für die psychische Entwicklung des Kindes. Während sich die meisten Untersuchungen auf den Einfluss der Mutter auf die kindliche Entwicklung fokussieren, konnten Drotar & Sturm (1987) nachweisen, dass auch das Bindungsverhaltens des Vaters sowie elterliche Konflikte eine ungünstige Auswirkung auf die körperliche wie auch psychische Entwicklung des Kindes haben. Stronach et al. (2011) fanden bei Vorschulkindern mit Misshandlung und Missbrauch mehr desorganisierte Bindungsmuster und negativere globale innere Repräsentanzen der Mutter-Kind-Beziehung als in der Kontrollgruppe ohne Missbrauch. Quiggle et al. (1993) untersuchten die soziale Informationsverarbeitung bei aggressiven und depressiven Kindern und fanden bei beiden Gruppen eine Tendenz zu feindseligen Bewertungsprozessen, die bei den depressiven Kindern jedoch auf das eigene Selbst bezogen und mit einem internalen, stabilen und globalen Attributionsstil kombiniert war.

    Chronische Misshandlung in der Kindheit stellt ein erhöhtes Risiko für Zurückweisung durch Gleichaltrige in Kindheit und Jugend dar, ebenso korrelieren Misshandlungserfahrungen mit erhöhtem aggressiven Verhalten der betroffenen Kinder und führen zu sozialer Isolation und fehlender sozialer Akzeptanz (Bolger & Patterson, 2001). Zurückgewiesene Kinder wiederum zeigten im Vergleich mit beliebten Kindern ein dysfunktionales Muster an sozialen Zielen und Selbstwirksamkeit, waren selbstbezogen, zeigten ein störendes Kommunikationsverhalten und unpassende emotionale Reaktionen (Crosby, Fireman & Clopton, 2011). Misshandelte Kinder entwickeln inkohärente und negative innere Repräsentanzen ihrer Bezugspersonen und sind somit bezüglich der Entwicklung von Emotionsregulationsfähigkeiten beeinträchtigt. Ihre übermäßige Aggressivität können sie nur schwer steuern und erleben somit häufiger soziale Zurückweisung durch Gleichaltrige (Shields, Ryan & Cicchetti, 2001).

    Eine Untersuchung von Lançon (2009) konnte zeigen, dass sexueller Missbrauch und Misshandlung während der Kindheit einen unsicheren Bindungsstil bedingt, der wiederum zu einer erhöhten Vulnerabilität sowohl für Angststörungen als auch für schwere depressive Störungen führt. Dahingegen fand sich kein Zusammenhang zwischen Misshandlung in der Kindheit und der Entwicklung einer spezifischen Form von Persönlichkeitsstörung. Sexuelle und körperliche Misshandlung in der Kindheit sind jedoch als Risikofaktoren für die Entwicklung von depressiven und Angststörungen im Lifetime-Verlauf nachgewiesen (Lindert et al., 2014). Die Arbeitsgruppe um Bifulco et al. (2006) konnte ebenfalls nachweisen, dass ein unsicherer Bindungsstil als erheblicher Risikofaktor für die Determination sowohl von Angststörungen als auch depressiven Störungen anzusehen ist. Dabei begünstigte ein ängstlich-unsicherer Bindungsstil eher die Entwicklung von depressiven Störungen und sozialer Phobie, während ein feindselig-abweisendes Bindungsverhalten eher mit generalisierter Angststörung assoziiert ist. Schimmenti & Bifulco (2015) konnten in einer aktuellen Studie erneut belegen, dass elterliche emotionale Vernachlässigung und Misshandlung in Form von emotionaler Kälte und Zurückweisung Risikofaktoren für die Entwicklung von Angststörungen sind. Unerfüllte kindliche Bedürfnisse nach Geborgenheit und Beachtung führen zu unsicher-ambivalenten inneren Arbeitsmodellen (d.h. zu einem ambivalenten Bindungsmuster) und stehen in engem Zusammenhang mit Angst vor Trennung und Zurückweisung, ein Charakteristikum depressiver Störungen. Damit kann die komorbide depressive Entwicklung einer bestehenden Angststörung plausibel erklärt werden.

    Die Forschungslage zur Entstehung von Angststörungen ist weniger umfassend als die bezogen auf affektive Störungen und fokussiert neuronale Mechanismen gegenüber Umwelt- und Bindungserfahrungen. Fonzo (2014) untersuchte in einer Studie beide Faktoren, wobei emotionale Misshandlung und Vernachlässigung in der Kindheit einen erheblichen Risikofaktor für die Entwicklung schwerer Angststörungen im Erwachsenenleben darstellen. Die frühen negativen Erfahrungen beeinflussen strukturelle und funktionale Prozesse im präfrontalen Kortex, in Amygdala und im limbischen System. Die Forschungsgruppe um Perna et al. (2013) bestätigte den bereits mehrfach gesicherten Zusammenhang zwischen Erfahrungen von Misshandlung in der Kindheit und Depression und konstatiert, dass aufgrund der spezifischen Reaktionsweise der HPA-Achse (Hypothalamic-Pituitary Axis) bei Bedrohungssituationen dieser Zusammenhang zu Angststörungen nicht in gleicher Weise postuliert werden kann. Vielmehr spielen dabei Faktoren wie genetisch bedingte Vulnerabilität und Resilienz, Zeitpunkt und Art der Misshandlung sowie weitere biologische und Umweltbedingungen eine spezifische Rolle. Dennoch weisen erste Befunde auf Veränderungen der HPA-Achse hinsichtlich Funktion, Struktur und Epigenetik nach Misshandlungserfahrungen in der Kindheit hin. Heim & Nemeroff (1999) betonen die Bedeutung des zentralen Corticotropin-Releasing-Hormons (CRH) als vermittelnden Faktor zwischen frühen Stresserfahrungen und der Entwicklung von Depression und posttraumatischer Belastungsstörung, die häufig komorbid vorliegen. Die frühen Stresserfahrungen führen über eine anhaltende Sensibilisierung der CRH-Neuronen zu einer erhöhten Vulnerabilität für spätere belastende Lebensereignisse und erhöhen so das Risiko für die Entstehung stressbedingter Störungen. Dieser Zusammenhang wird in Untersuchungen von Heim et al. (1997), Binder & Nemeroff (2010) und Nemeroff (2014) bestätigt. Erfahrungen von emotionalem, körperlichem und sexuellem Missbrauch sowie Vernachlässigung in der Kindheit stellen einen Risikofaktor für Schwere und Verlauf der Störung dar, beeinflussen das Ansprechen auf psychotherapeutische und pharmakologische Behandlung und bestimmen das Ausmaß von Suizidalität. Misshandelte Kinder zeigen als Reaktion auf affektive Stimuli erhöhte Aktivitätsmuster im mittleren präfrontalen Kortex, was einen Risikofaktor für die Entwicklung einer posttraumatischen Belastungsstörung darstellt (Crozier, 2008). Die Auswirkung langanhaltender Erfahrungen von körperlicher Misshandlung in der Kindheit zeigt sich in einem erhöhtem Risiko für die Entwicklung von Depressionen, chronischer Angst und Wut, sowie körperlicher Erkrankung im Erwachsenenalter (Springer et al., 2007). Die Auswirkung von elterlicher Überbehütung auf die Entstehung sozialer Angst wurde von Allan (2002) nachgewiesen. Elterliche Zurückweisung, aber auch überbehütendes Verhalten führen zu Vermeidungsverhalten, niedrigem Selbstwertgefühl und erhöhter Angst (Young et al., 2013). Spada et al. (2012) belegt, dass elterliche Überbehütung zu einem erhöhten Ausmaß an Metakognitionen hinsichtlich sorgenvollem Grübeln führt und damit die Entstehung von Angststörungen begünstigt.

    Als Risikofaktoren für eine chronische oder akute Depression identifizierten Riso, Miyatake & Thase (2002) folgende sechs Faktoren: sozioemotionale Entwicklungsbedingungen, Persönlichkeitscharakteristika und Persönlichkeitsstörungen, psychosoziale Stressoren, komorbide Störungen, biologische und kognitive Faktoren. Folgen ungünstiger Entwicklungsbedingungen sind dabei chronischer Stress durch die soziale Umgebung in Kombination mit erhöhter Reagibilität auf Stress in Form von Persönlichkeitscharakteristika wie Introversion und emotionaler Labilität. Als häufige Stressfaktoren fanden sich z.B. interpersonelle Probleme, körperliche Erkrankung (der eigenen Person oder von nahen Angehörigen), chronische Arbeitslosigkeit, materielle Probleme sowie massive innerfamiliäre Belastungen und Konflikte mit der Folge gravierender Beeinträchtigungen bezüglich Emotionsregulation, Stresstoleranz, sozialer Kompetenz sowie Selbstwertregulation. Umgekehrt konnten Untersuchungen der Minnesota-Forschungsgruppe um Alan Sroufe zeigen, dass eine sichere Bindung und dabei in erster Linie eine feinfühlige mütterliche emotionale Spiegelung kindlicher Affekte insbesondere im Kleinkind- und Vorschulalter Schutzfaktoren im Umgang mit lebensgeschichtlichen Belastungen darstellen (Egeland, 1990; Egeland et al., 1993). Auch Rudolph, Hammen & Burge (1997) wiesen den positiven Einfluss sozialer Unterstützung durch Eltern, Familie und Gleichaltrige auf die sozioemotionale Entwicklung nach, während umgekehrt negative interpersonale Repräsentanzen von Selbst, Familie und Gleichaltrigen aufgrund von Zurückweisungserfahrungen und fehlender Unterstützung die Entwicklung depressiver Symptome begünstigen. Eine Untersuchung von Gotlib & Hammen (1992) konnte den Einfluss früher positiver interpersoneller Erfahrungen in Form sozialer Unterstützung auf das kindliche Copingverhalten und die Entwicklung kognitiv-affektiver Selbst- und Beziehungsschemata nachweisen. Der Zusammenhang zwischen familiärer Unterstützung und kindlichem Wohlbefinden zeigte sich auch in einer Studie von North et al. (2008). Eine gering ausgeprägte elterliche Affektivität sowie hohe elterliche Kontrolle korreliert bei den betroffenen Kindern im Lifetimeverlauf mit geringer sozialer Unterstützung und Schwierigkeiten, Freundschaften zu knüpfen (Flaherty & Richman, 1986). Eine prospektive Untersuchung von Shaffer et al. (2009) zu emotionalem Missbrauch in Form von verbaler Kritik und feindseliger Zurückweisung sowie emotionaler Vernachlässigung konnte erste Hinweise auf einen Zusammenhang zu erhöhtem aggressiven Verhalten und sozialem Rückzug in der mittleren Kindheit erbringen, ebenso fanden sich Beeinträchtigungen zentraler entwicklungspsychologischer Kernkompetenzen im Jugendalter. Erfahrungen von Vernachlässigung sowie sexuellem und körperlichem Missbrauch in der Kindheit führen zu negativen inneren Arbeitsmodellen vom eigenen Selbst und den Eltern (Toth et al., 1997). Dabei zeigten körperlich misshandelte Kinder bei weitem ausgeprägtere negative innere Mutter- und Selbstrepräsentanzen als sexuell missbrauchte Kinder, die wiederum positivere Selbstrepräsentanzen als vernachlässigte Kinder aufwiesen. Misshandlungserfahrungen in der Kindheit stellen demnach einen gravierenden Risikofaktor für Störungen der Identität, der Selbst- und Beziehungsregulation dar. Die ungünstige Auswirkung negativer innerer Arbeitsmodelle bei misshandelten Kindern (feindselige Erwartungshaltung des Kindes an die Eltern) wurde auch in einer Studie von Price & Glad (2003) nachgewiesen: körperlich misshandelte Jungen zeigten feindselige Attributionstendenzen sowohl gegenüber ihren Eltern, als auch in generalisierter Form gegenüber Gleichaltrigen, ihren besten Freunden und Lehrern. Der Zusammenhang zwischen aggressivem Verhalten und sozialer Ablehnung durch Gleichaltrige wurde auch von Taylor (1989) bestätigt. Kinder mit sexuellen und körperlichen Misshandlungserfahrungen sowie Vernachlässigung, die sowohl familiäre Instabilität und Gewalterfahrungen erlebt hatten, zeigten ein deutlich erhöhtes Ausmaß an Erwartungen von feindseliger und generalisierter Zurückweisung durch Gleichaltrige und wiesen ein erhöhtes Ausmaß an sozialer Ängstlichkeit auf (Sperry, 2009).

    Depressive und ängstliche Kinder erleben häufiger soziale Ablehnung und Verletzungen durch Gleichaltrige (Biggs, Nelson & Sampilo, 2010). Kinard (1999) bestätigte in einer Untersuchung den Zusammenhang zwischen Misshandlungserfahrungen in der Kindheit und interaktionellen Defiziten, die wiederum geringere soziale Akzeptanz begünstigen. Die negative Selbsteinschätzung der Kinder wird durch mütterliche Depression (negative Zuschreibung) verstärkt. Der Zusammenhang zwischen Angst und einer depressiven Entwicklung in Folge wurde von Jacobson & Newman (2015) untersucht. Erfahrungen von sozialer Ablehnung sowohl in nahen Beziehungen (beste Freunde) als auch in Gruppen führen bei ängstlichen Kindern zu erhöhter Angst in der Adoleszenz, die weitere soziale Zurückweisung bedingt und darüber langfristig eine depressive Entwicklung im Erwachsenenalter zur Folge hat. Als Folgen sozialen Ausschlusses wurden soziale Angst, Eifersucht, Einsamkeit, Depressivität und eine niedriges Selbstwertgefühl nachgewiesen (Leary, 1990).

    Auch Young (1999, 2008) geht von schädigenden Kindheitserlebnissen aus, die zur Entstehung von „frühen maladaptativen Schemata" führen: Nichterfüllung von kindlichen Bedürfnissen, Traumatisierung oder Viktimisierung, Überbehütung und Verwöhnung sowie selektive Internalisierung bzw. Identifizierung mit wichtigen Bezugspersonen. Die maladaptiven Schemata sind Vermeidungsschemata im Sinne von Sulz (2011) und Grawe (1998, 2004) und dienen dem Schutz vor Verletzung zentraler Bedürfnisse. Dysfunktionale Überlebensregeln (Sulz, 1994, 2011, 2013) führen zu sekundären Selbstmodi im Sinne maladaptiver Schemata und beeinträchtigen den Umgang mit persönlichkeitskonstituierenden Komponenten wie Angst, Wut und zentralen Bedürfnissen und bestimmen darüber das jeweilige Entwicklungsniveau. Maladaptive Schemata führen zu maladaptiven Bewältigungsstilen und Bewältigungsreaktionen. Diese laufen hochgradig automatisiert und implizit ab und werden in der Regel nur dann bewusst wahrgenommen, wenn die Auslöser für die Erfahrungen subjektiv sehr bedeutsam sind oder zu nachvollziehbaren Folgen führen. Höhere kognitive Prozesse können daher nur selten oder unter den genannten Bedingungen verbal berichtet werden und setzen ein hohes Ausmaß an Introspektionsfähigkeit voraus (Nisbett & Wilson, 1977).

    „Typische Biographien", die zur Entstehung maladaptiver Schemata führen und langfristig die Entwicklung von Persönlichkeitsstörungen bedingen, wurden von Benjamin (2001) beschrieben. Für die Entstehung inkompatibler maladaptiver Schemata aufgrund eines unsicher-ambivalenten bzw. verstrickten Bindungsstils bei Patienten mit emotional instabiler Persönlichkeitsstörung vom Borderline-Typ konnte Zanarini (2000) als biographische Risikofaktoren sexuelle und körperliche

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