Frühstück bei Knigge
Von Irene Pietsch
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Irene Pietsch
Irene Pietsch, geborene Klein-Walbeck, ist Verfasserin von Sachbüchern, Dokumentationen, Reportagen, Erzählungen, Satiren, Romanen, „Faction“ und Lyrik. Darüber hinaus arbeitet sie als Illustratorin. Ihre Protagonisten bewegen sich gerne auf musischem Parkett. Ihre Romane und Erzählungen haben ohne Ausnahme authentische Hintergründe. Als Jugendliche und junge Erwachsene gehörte sie zum "Maitri Sangh", der jungen Gesellschaft der Deutsch-Indischen Gesellschaft Bremen sowie dem Vorstand der Deutsch-Indischen Gesellschaft Stuttgart. Mit der sogenannten Perestroika, die Möglichkeiten zu bieten schien, Russland und seine Völker näher kennenzulernen trat sie in die Deutsch-Russische Gesellschaft e.V. (früher Gesellschaft Bundestepublik Deuschland - Sowjetunion e.V.) ein und wurde Schatzmeisterin der Gesellschaft. Als solche kam sie Kontakt mit etlichen Offiziellen auf der russischen Seite. Es gehörte zu ihren schwierigen Aufgaben, den kommunistischen Mitgliedern der Gesellschaft zu erklären, warum auch in Deutschland im Bereich rechtskonformer Titel nicht mehr "Sowjetunion" genannt werden konnte und durch die territoriale Bezeichnung "Russland" ersetzt werden musste, was zum geschlossenen Austritt aller Mitglieder führte, die der kommunistischen Partei angehörten, die Jahre zuvor in der Bunderepublik Deutschland verboten gewesen war. Irene Pietsch gehört nun zu den Freunden und Förderern der Symphoniker Hamburg e.V. . Die Hintergründe ihrer Bücher sind in allen Weltreligionen zu finden, wobei der sogeannte Nahe oder auch Mittlere Osten ihre besondere Aufmerksamkeit hat,
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Buchvorschau
Frühstück bei Knigge - Irene Pietsch
„Russische Liebe ist immer tragisch"
Hamburg, d. 4. Juli 2018
Lieber Hajo,
Die Reise nach Hannover, um die deutsche Präsentation Deines Erstlingswerkes „Russland lieben lernen" mitzuerleben, war in mancherlei Hinsicht eine echte Belastungsprobe für mich. Nicht, weil ich fürchtete, Dein Outing als Russlandfreund könne in irgendeiner Hinsicht peinlich werden. Geoutet hast Du Dich schon seit langem. Ich erwartete keine großen Überraschungen, sondern wollte Dein Debüt als Autor erleben, sehen und hören, wie Du es verstehst, eine nicht zu große Anzahl von Menschen unterschiedlicher Herkunft mit Deinen eigenen Worten in den Bann zu schlagen. Mit den Worten anderer habe ich bei Dir mehr als einmal erlebt. Du bedienst Dich dieser Taktik gerne als Ausweichmanöver, wenn Du entweder nicht so ganz im Bilde bist oder Dich nicht festlegen willst. Du bist zwar kein Regisseur mit Lorbeeren, auf denen Du Dich ausruhen könntest, aber lange genug Generalintendant an dem Vierspartenhaus in Bremen gewesen.
Meine Befürchtung war, Du könntest nun zu begeistert von Deiner Mission im Auftrage der russischen Regierung sein, uns Kunst- und Kulturbarbaren in Germanien – wie hast Du unter uns leiden müssen! Bis hin zur Auswanderung! - von den eindeutigen Qualitäten Russlands und seiner Menschen zu überzeugen, die das transportieren, was im westlichen Europa und in einigen Teilen der Welt als unverzichtbarer Bestandteil des in seiner Umfänglichkeit nicht vollends UNESCO testierten Weltkulturerbes gilt. Ich hoffe, keiner strebt es trotz guter Chancen an. Die Gremien in der UNESCO sind mehrheitlich mit ehemaligen Sowjetunion Adepten besetzt. Selbst Russland wäre damit überfordert, wo doch gerade eine Reform des Denkmalschutzes in Form einer Bildungsinitiative nach Art von Exzellenzsuche mit der Wünschelrute angestrebt wird.
Meine Befürchtung war darüber hinaus, Du könntest über Deine Begeisterung und Deinen Ehrgeiz, Deinem Auftraggeber eine gute Performance abzuliefern, gar vergessen, dass Kultur und Politik untrennbar verbunden sind, wobei es zunehmend scheint, dass beides im Spannungsfeld der kollektiven wie auch individuellen Wahrnehmung und Akzeptanz von einem dritten Faktor, nämlich dem von religiösen Überzeugungen und Ideologien übertönt wird, ohne eine Legimitation dafür zu haben. Dagegen ist dann auch solange kein Kraut gewachsen, bis Überzeugungsarbeit, gepaart mit starkem Durchsetzungswillen, eine begehbare und auch nachhaltig tragfähige Brücke dafür gefunden haben.
Meine Befürchtungen bewahrheiteten sich. Du hast dieses Spannungsfeld schlicht negiert und Kultur als genius loci zum alleinigen Heilmittel erhoben. Ich weiß aber nicht, ob es neben Deinem Naturell, Konflikten gerne aus dem Weg zu gehen, Deiner Hamburger Schule, dem Studium an der Hochschule für Musik und Theater in der Ägide von Prof. Hermann Rauhe zu verdanken ist oder höherer Gewalt geschuldet war. Das entschuldigt manches und erklärt so gut wie nichts.
Wer eine „force majeure" verursacht, ist im Grunde aus dem Schneider, wobei wir schon bei einer Kernfrage sind.
Die Sache mit der sogenannten „russischen Seele":
Kann eine Seele verursacht werden?
Mit anderen Worten, gibt es eine Absichtlichkeit, verbunden mit besonderen Anstrengungen, eine russische Seele haben zu wollen, um eben solche auch – bei Bedarf? – einsetzen zu können?
Du wirst an der Hochschule gelernt haben, dass allein bestimmte Tonfolgen eine Seele zum Schwingen bringen können, wenn die Veranlagung dazu da ist. Ohne Veranlagung passiert gar nichts.
Demnach scheint für uns in erster Linie die Musik und Kunst Seele zu transportieren, die wir dann als Russisch definieren, selbst wenn sie Rumänisch, Italienisch, Insel- und Festlandsspanisch, Südfranzösisch, Dudelsäckisch oder Griechisch ist.
Da viele Russen musikalisch sind, liebend gerne singen, vielleicht gar ein Instrument spielen, ist mit zunehmender Begeisterung dafür von einer ideellen „force majeure" zu sprechen, die man gerne in Maßen gewähren lässt, aber nicht unbedingt zum Lebensinhalt werden lassen möchte.
Ich nehme an, dass im Russland der 4. Präsidentschaft von Wladimir Putin, einem bekennend unmusikalischen, aber um aktive wie passive Musikalität bemühten Russen, den Du ebenso schätzt wie ich, inzwischen nicht mehr mit dem Geigenbogen gegen Randalierer und Zerstörer seines neuen Systems vorgegangen wird.
Im Deutschland nach der Wende von geteilt zu wiedervereinigt hat sich diese Vorgehensweise aus gegebenem Anlass ebenfalls als unverzichtbar erwiesen, ohne der östlichen Musikalität Schaden zufügen zu wollen, was dann daherkommt, wie der possierliche Bär, der sein zotteliges Fell gewaschen haben will, aber dabei nicht nass werden möchte. Aus dem Grund halte ich die Entpolitisierung von kulturpolitischen Aussagen in Richtung Ost-West Verständigung für rosarotes Bonbonpapier.
Eine Überhöhung von Kulturprojekten als Ersatz für Friedensverhandlungen und daraus resultierender Instrumente, die Meinungen manipulieren helfen könnten, halte ich nicht für statthaft. Es geht auch bei dergleichen Intitiativen im Wesentlichen um den Erhalt oder um den Erwerb von Vertrauen in die Staatsmacht.
Die russische Liebe als force majeure.
Ich komme zu dem von Dir hinlänglich zitierten und dann auch noch gelesenen Vorwort zu „Russland lieben lernen". Es wurde vom derzeitigen Kulturminister der Russischen Föderation verfasst. Und wenn er es nicht selber verfasst haben sollte, so hat er es doch unterschrieben.
Dir muss es wie eine Backpfeife vorgekommen sein, der Du seit vielen Jahren und unter erheblichen Schwierigkeiten versuchst, Verständnis für Russland und seine Besonderheiten einzuwerben.
Der Herr Minister unterstellt schlichtweg, keiner außer Russen könnten Russland (und damit sich selber) verstehen, was eine beinahe nicht zu bewältigende Anzahl von Problemen beinhaltet.
Dir zum Trost: