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Vom Glück der frühen Jahre: Erzählung einer Kindheit in den fünfziger Jahren, Geschichten aus einer glücklichen Kindheit, Kultur und Gesellschaft in den fünfziger Jahren, Zwischen Wiederaufbau und Wirtschaftswunder
Vom Glück der frühen Jahre: Erzählung einer Kindheit in den fünfziger Jahren, Geschichten aus einer glücklichen Kindheit, Kultur und Gesellschaft in den fünfziger Jahren, Zwischen Wiederaufbau und Wirtschaftswunder
Vom Glück der frühen Jahre: Erzählung einer Kindheit in den fünfziger Jahren, Geschichten aus einer glücklichen Kindheit, Kultur und Gesellschaft in den fünfziger Jahren, Zwischen Wiederaufbau und Wirtschaftswunder
eBook206 Seiten2 Stunden

Vom Glück der frühen Jahre: Erzählung einer Kindheit in den fünfziger Jahren, Geschichten aus einer glücklichen Kindheit, Kultur und Gesellschaft in den fünfziger Jahren, Zwischen Wiederaufbau und Wirtschaftswunder

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Über dieses E-Book

Die autobiografische Erzählung nimmt uns mit auf die Reise zurück in die Kindheit in den fünfziger Jahren im rheinischen Düsseldorf.

Er ist ein fantasievoller Junge, der immer sofort nachspielen muss, was er erlebt hat. Er ist laut. Er ist jede freie Minute in Bewegung und genießt die Freiheiten seiner Kindheit in vollen Zügen. Er spielt mit seinen Freunden bei Wind und Wetter, er erlebt mit ihnen viele Sommer. Er erinnert sich an unbeschwerte Tage, hell und voller Glück.

Gerd Pöhl beschreibt in seinem Buch die unendliche Geborgenheit, Liebe und Freiheit in den Tagen seiner Kindheit.
Er erzählt facettenreich und lebendig, fantasievoll und berührend.

Es ist eine Erzählung über Familie, Herkunft und die damalige Gesellschaft im Nachkriegsdeutschland zwischen Wiederaufbau und Wirtschaftswunder.

Das in den Kindheitstagen erfahrene Glück lässt uns nicht mehr los, ein Leben lang.
SpracheDeutsch
Herausgebertredition
Erscheinungsdatum1. Feb. 2022
ISBN9783347451155
Vom Glück der frühen Jahre: Erzählung einer Kindheit in den fünfziger Jahren, Geschichten aus einer glücklichen Kindheit, Kultur und Gesellschaft in den fünfziger Jahren, Zwischen Wiederaufbau und Wirtschaftswunder

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    Buchvorschau

    Vom Glück der frühen Jahre - Gerd Pöhl

    Eine Reise beginnt

    Es ist Donnerstag. Ich sitze an meinem Schreibtisch. Darauf mein eingeschalteter Laptop. Neben mir mein zweiter Becher Kaffee. Ohne den werde ich nie so richtig munter. Ich habe eben das Fenster schon einmal weit geöffnet und lasse einen ganzen Schwall Morgenluft herein. Sie hat noch ein wenig von der Kühle der Nacht. Das tut gut. Ich kann so richtig durchatmen. Recht schnell wird gleich die Frühlingssonne mein Zimmer erobern und alles in Licht und Wärme tauchen. Nach dem frühmorgendlichen Trubel ist es jetzt in unserer Siedlung wieder ruhig geworden. Alle Schulund Kindergartenkinder, alle berufstätigen Nachbarn sind schon unterwegs. Keine Roller- oder Fahrradgeräusche, keine genervten Elternstimmen mehr, keine Garagentüren, die sich quietschend und knarzend öffnen, keine abfahrenden Autos, einfach Stille.

    Da sollte ich eigentlich meine Gedanken sammeln können. Noch trägt das Manuskript auf dem Bildschirm vor mir nur einen Arbeitstitel. Noch habe ich keine Zeile geschrieben. Noch keinen Anfang im Sinn.

    Meine erwachsene Tochter hatte mich vor einiger Zeit mit einer persönlichen Bitte überrascht. Sie meinte, ich sollte doch mal aufschreiben, was ich in meiner Kindheit und Jugend erlebt hätte. ‚Das geht sonst doch alles verloren‘, hatte sie noch hinzugefügt und mir dabei ein kleines Paket zugeschoben. Das Paket enthielt ein Buch. ‚Papa, erzähl mal‘, war es überschrieben. Und das Buch enthielt die Aufforderung, über Kindheit und Jugend Auskunft zu geben. Die Antworten zu den vielen Fragen, die in dem Buch zu Kindheit und Jugend gestellt wurden, sollte man darin gleich notieren.

    Zunächst wusste ich nicht so recht, wie ich mit ihrer Bitte umgehen sollte. Geschichten und Erlebtes festzuhalten, dagegen spricht doch nichts. Ich fand das schon einmal eine richtig gute Idee. Nur das ‚Wie‘ beschäftigte mich noch eine ganze Weile.

    Aber dann wurde mir klar, dass ich eigentlich nicht nur kurze Antworten auf vorformulierte Fragen geben, sondern alle meine Erlebnisse, meine Erinnerungen und meine Geschichten aufschreiben und selbst erzählen wollte.

    Und so sitze ich am Schreibtisch und vor mir das noch leere Manuskript. Ganz auf das Erinnern einlassen muss ich mich. Eintauchen in das Vergangene, einmal Erlebtes noch einmal erleben und vielleicht durchleben.

    Eine interessante und spannende Reise wird das werden, denke ich. Auf einmal habe ich sie vor Augen: erste Bilder von früher, die auch mit einem beginnenden Tag zu tun haben, einem Tag von unzähligen anderen Tagen, den ich vor vielen Jahren so erlebt habe. Die Erinnerungen sind auf einmal so stark, dass sie mich noch einmal den kleinen Jungen sein lassen. Ich kann mich noch einmal wiederfinden in meiner alten Umgebung und hineinversetzen in meine Gedanken, Empfindungen, alle meine Emotionen. Und jetzt gelingen auch die ersten Zeilen:

    Ich war gerade wach geworden. Die Augen hielt ich noch geschlossen. Das waren so Momente zwischen Tag und Traum. Diese Momente liebte ich. Das genoss ich. Dieses wohlige Ausstrecken zwischen Kissen und Decke, dieses langsame Zurechtfinden in der Welt. Ich ließ mich dann langsam in den neuen Tag hineingleiten.

    Ganz entfernt vernahm ich Stimmen, helle Kinderstimmen, dunkle Stimmen von Erwachsenen. Ich hörte hastige Schritte auf dem Pflaster, von weiter weg der Lärm vorbeibrummender Autos. Ab und zu ein lautes Hupen, aber auch ein zartes Bing, das von einer Fahrradklingel stammen musste. Es drang alles von der Welt draußen durch die alten Holzfenster unserer Wohnung in meine Welt hier drinnen.

    Es gab auch Augenblicke, da war es fast völlig still im Zimmer. Ich nahm nur noch das leise Gurren von Tauben, die wohl wieder auf dem Dachfirst des gegenüberliegenden Hauses saßen, und das Tschilpen und Zwitschern von Spatzen und Drosseln wahr. Sie hockten wieder zu Dutzenden in den Sommer-Linden, die mit ihren mächtigen halbrunden Kronen aus dunkelgrünen Blättern zu unseren Fenstern hineinschauten. Bald würden die Bäume blühen und tausende Blüten wieder ihren betörend aromatischen Duft verteilen.

    Trotz der dunklen Gardinen, die noch zugezogen waren, kam es mir schon sehr hell im Zimmer vor. Dann sollte heute auch die Sonne scheinen und über das Grün der Linden vor unseren Fenstern müsste sich das tiefe Blau eines Sommer-Himmels geschoben haben.

    Vielleicht war es nun doch an der Zeit, ein Auge zu riskieren. Ich blinzelte unter den Augenlidern hervor. Mir war so, als müsste ich mich erst wieder langsam in mein Zimmer zurückfinden. Ich öffnete die Augen ganz. Viel gab es in dem kleinen Zimmerchen eigentlich nicht zu sehen. In der Fensternische fand sich ein kleiner Hocker aus dunklem Holz mit geschwungenen Beinen und einem mit Stoff bezogenen Sitz. Gegenüber meinem Bett gab es noch ein kleines Schränkchen aus dunklem Holz. Den meisten Platz nahm aber die riesig große, bequeme Ausziehcouch ein, in der sich ein kleiner Junge wie ich es war, fast verlor.

    Ich sprang schließlich aus dem Bett und lief zum Fenster. Die Gardinen rasch beiseite gezogen und auf den Hocker geklettert, um besser hinaussehen zu können. Tatsächlich ein märchenhaft wolkenloser Himmel. Ich öffnete das Fenster einen Spalt. Die Luft, die ins Zimmer drang, war schon angenehm warm. Das bedeutete Zeit für kurze Hosen. Und wenn es so warm war, brauchte es auch keine Schuhe. Und dann nach dem Frühstück zum Spielen mit den Freunden auf den Spielplatz am Haus.

    Auf einmal werden die Bilder meiner Erinnerung jäh unterbrochen. Es hat plötzlich an der Haustür geklingelt.

    Es wird die Post sein. Immer donnerstags kommt die dicke Wochenzeitung. Die Postbotin möchte die Zeitung ungern in den Briefkasten quetschen. Sie möchte sie lieber persönlich übergeben. Das nenne ich mal nett. Mein Schreiben habe ich schon beim ersten Klingelton unterbrochen. Ich stehe vom Schreibtisch auf und gehe schnell hinunter an die Tür. Es ist, wie ich vermutet habe. Freundlich lächelnd bekomme ich meine Zeitung überreicht. Ich lächele zurück.

    Am Schreibtisch zurück, versuche ich, die losen Fäden der Erinnerungen wieder aufzunehmen.

    Hoffentlich kommen die Bilder wieder. Denn die Bilder, so merke ich, nehmen mich gleichsam an die Hand und führen mich auf dem Weg zurück in die frühen Kinderjahre.

    Welche Bilder haben wir eigentlich von unseren Eltern, unserer Familie, welche von unseren Freunden vor Augen, frage ich mich. Was hat unser Gedächtnis davon alles festgehalten und was nicht? Was haben wir behalten, an was können wir uns, wenn auch nur schemenhaft, erinnern? Und, an was wollen wir uns noch erinnern?

    Auf einmal wird mir so richtig bewusst, auf was ich mich da eigentlich eingelassen habe. Das wird doch eine längere Reise werden. Eine Reise durch die zehn, elf Jahre meiner Kindheit. Ich, ein behütetes und verwöhntes Einzelkind, aufgewachsen im Nachkriegsdeutschland mit Eltern, die die Kriegsjahre als Erwachsene durchlebt und auf unterschiedliche Weise durchlitten hatten. Erinnerungen an einen kleinen Jungen, dem es durch das gerade beginnende deutsche Wirtschaftswunder an Nichts fehlen wird. Hautnah wird er auch die allgegenwärtige Behäbigkeit und Spießigkeit in der Gesellschaft, aber auch besonders in seiner Familie erleben.

    Das wird, und da bin ich mir sicher, auf jeden Fall auch eine Reise mit einigen Überraschungen werden. Und was ich jetzt, wo die ersten Zeilen geschrieben sind, auch sicher weiß, ich will mich auf diese Reise einlassen.

    Die Reihe von Bildern, die eben so abrupt unterbrochen wurde, sind mir auf einmal wieder vor Augen. Ich muss sie nur wieder zusammensetzen.

    Hastig schlang ich mein Frühstück herunter, beinahe hätte ich noch den Becher mit kalter Milch umgeschüttet, der gewohnheitsmäßig zum morgendlichen Marmeladenbrot dazu gehörte. Ich wollte schließlich schnell zu meinen Freunden auf den Spielplatz. Denn was gab es Schöneres, als sich an so einem Tag mit den Freunden zu treffen, sich Spiele auszudenken und sich vielleicht auch etwas Verrücktes einfallen zu lassen. Und irgendetwas fiel uns immer ein. Hinter unseren Häusern waren am Morgen, als es noch kühl war, die Rasenflächen frisch gemäht worden. Es duftete bis in unsere Wohnung herrlich nach Heu.

    Das versprach ein herrlicher Sommertag zu werden.

    Montagskind

    Der Vierte des Monats war kein besonderer Tag im September 1950. Der Himmel war herbstlich bewölkt. Mit Sonnenschein konnte man an diesem Tag nicht rechnen, eher mit vereinzelten Regenschauern. Es war nicht gerade kalt, aber auch nicht spätsommerlich warm. Ein richtiger Durchschnittstag eben. Der vierte September war im Übrigen ein Montag.

    Am Sonntag dem dritten war der 74. Deutsche Katholikentag in Passau beendet worden und Giuseppe Farina hatte das Rennen um den Großen Preis von Monza auf Alfa Romeo gewonnen. Farina wurde Automobilweltmeister. Und die 24-jährige Susanne Erichsen freute sich in Baden-Baden an genau diesem Sonntag über ihre Wahl zur Miss Germany. Am darauffolgenden Montag gab es keine bemerkenswerten Meldungen. Keine. Nichts Spektakuläres, nichts Aufregendes. Weltweit.

    Und doch sollte genau dieser Montag, dieser vierte September für ein Paar in Düsseldorf ein ganz besonderer Tag werden. Ein richtig glücklicher.

    Das Glück erreichte das Paar in der Städtischen Klinik an der Flurstraße im Düsseldorfer Stadtteil Flingern. Am frühen Morgen, so gegen 05.30 Uhr, wurde dort eine Frau von einem gesunden Jungen entbunden. Die Frau war meine Mutter, Erna, ihr Mann Wilhelm, mein Vater. Der Junge, der es nur um wenige Stunden verpasst hatte, ein Sonntagskind zu werden, war ich. Sonntag hin oder her, das Sonntagskind-Sein, denke ich, wird sicherlich überschätzt. Mir sollte es auch als Montagskind gutgehen. Wenn auch nicht sofort.

    Die Flurklinik, die im Volksmund etwas abschätzig auch als Kinderfabrik bezeichnet wurde, war zwar eine auf Entbindungen spezialisierte, aber durchaus angesehene Klinik. Meine Eltern hatten sie wohl auch aufgrund der recht kurzen Entfernung zu ihrer Wohnung gewählt.

    An die eigene Geburt kann man sich, so glaube ich wenigstens, nicht wirklich erinnern. Das wäre in meinem Fall vielleicht auch besser gewesen. Meine Mutter hatte mir später erklärt, es wäre keine leichte Geburt gewesen. „Aber Herr Professor von den Steinen hat mir beigestanden", ergänzte sie noch recht geheimnisvoll. Was an meiner Geburt tatsächlich nicht leicht gewesen war und wobei sie genau die Hilfe von Herrn Professor gebraucht hatte, blieb ihr Geheimnis. Darüber sprach sie nicht.

    Wie ich später einem kleinen Büchlein entnehmen konnte, muss ich zur Geburt tatsächlich nicht sehr viel gewogen haben. Um die zwei Kilo hatte die Waage angezeigt. Ich war damit also ein sehr zarter und auch nicht sehr großer Säugling. Das mit der Zartheit sollte sich später durch eine mehr als gute Versorgung durch meine Eltern ändern, das mit der Größe nicht wesentlich. Woher hätte eine imposante Körpergröße kommen sollen? Sowohl meine Mutter als auch mein Vater waren recht klein.

    Ich erhielt die Vornamen Gerd und Walter, Gerd unterstrichen. Im Nachhinein bin ich dankbar dafür, dass meine Eltern als Rufnamen Gerd gewählt hatten. Ich weiß allerdings nicht, wie sie ausgerechnet auf Gerd gekommen sind. Vielleicht war das in den fünfziger Jahren ein durchaus gebräuchlicher und beliebter Vorname. Was vielleicht aber auch so nicht stimmen kann, da ich später nur recht selten auf andere Gerds getroffen bin.

    Wohl gänzlich anders wäre das in Schweden gewesen. Da ist Gerd oder Gert sogar ein beliebter weiblicher Vorname. Also ging das im Großen und Ganzen schon mit meinem Namen und der Geburt in Deutschland in Ordnung.

    Bei Walter war die Wahl klar. Walter war eindeutig eine Reminiszenz an den Bruder meiner Mutter, der ihr Lieblingsbruder gewesen sein musste.

    Auch an meinem Geburtsmonat konnte ich nichts aussetzen. Der September blieb immer frei von den großen Ferien und war, für ein Kind nicht gerade unwichtig, als neunter Monat im Jahr noch ausreichend weit von Weihnachten entfernt.

    Für meine Eltern war der Tag meiner Geburt ein überaus wichtiger Tag. Ich war von beiden nicht nur erwartet, sondern, nach zunächst erfolglos gebliebenem Kinderwunsch, geradezu ersehnt worden.

    Mein Vater Wilhelm war bei meiner Geburt bereits vierzig Jahre alt, meine Mutter Erna mit neununddreißig Jahren nicht viel jünger. Ihre späte Heirat war, einmal abgesehen von ihren sehr unterschiedlichen Lebenswegen, wie bei so vielen Paaren, den langen Kriegsjahren geschuldet.

    Wie ich später als Schulkind erfahren sollte, war die Ehe meines Vaters mit Erna Luise, geb. Heinicke, seine zweite Ehe. Erna und er hatten sich kurz nach dem Krieg bei der gleichen Firma, den ‚Thompson-Werken‘ zunächst näher kennen- und dann recht schnell auch lieben gelernt. Sie heirateten im Mai 1946, genau ein Jahr nach Kriegsende. Es war so kurz nach dem Krieg eine sehr bescheidene Hochzeit und es gab auch nur wenige Gäste. Aber immerhin waren das Brautpaar und die Gästeschar für die damaligen Verhältnisse chic gekleidet. Getraut wurden die beiden in der Schlosskirche im Nachbarstadtteil Eller. Für die Braut gab es ihre Lieblingsblumen, einen großen Strauß herrlicher Margeriten. Angestoßen wurde am Abend im Kreis der Familie und den Gästen ganz schlicht, es gab Bowle. Das Paar lächelt jedenfalls sehr glücklich von den Bildern ihres Hochzeitstages.

    Beide mussten dann vier Jahre warten, bis meine Mutter mit mir endlich schwanger war. Ich sollte das einzige Kind von Erna Luise und Wilhelm bleiben. Damit war erst einmal klar, dass ich als Einzelkind aufwachsen sollte. Was wiederum nicht so ganz stimmte. Wenn man alle ‚Pöhl-Kinder‘ zusammengezählt hätte, wären wir Kinder eigentlich zu dritt gewesen wären. Eine schöne Vorstellung, noch Geschwister zu haben. Diese Vorstellung erfüllte sich leider nicht so ganz.

    Was meine ersten Monate als Säugling und später als Kleinkind angeht, bin ich als in den fünfziger Jahren Geborener mehr oder weniger allein auf das angewiesen, was mir meine Mutter und mein Vater oder andere Angehörige später von dieser Zeit erzählten. Geburten wurden damals noch nicht vom Vater mit einer ganzen Serie von Bildern oder durch Videoaufnahmen dokumentiert. Und ein Vater gehörte im Jahr 1950, wenn er denn überhaupt in der Klinik anwesend war, auf den Flur und schon gar nicht in den Kreissaal. Geburten waren allein Frauensache.

    Für die Generation meiner Eltern war es auch keinesfalls üblich, über so ‚heikle‘ Themen wie Schwangerschaft und Geburt zu sprechen. Das machte man eben nicht, das war nicht schicklich. Da wurde aus Peinlichkeit und Scham, wenn überhaupt, nur knapp das Wesentliche erzählt. Alles andere blieb im Ungewissen.

    Ich soll, so kam später dann doch heraus, in den ersten Wochen noch so schwach gewesen sein, dass man mich nicht in einer Kirche hätte taufen können. Was macht man also, wenn der Täufling nicht zur Kirche kommen kann, dann kommt halt die Kirche zum Täufling. Meine Eltern konnten es mit dem Pfarrer dann so vereinbaren, dass dieser mich einfach in unserer Wohnung taufte. Das klang für mich schon besonders und ein wenig spannend.

    Außerdem muss ich als Säugling noch ernstlich krank gewesen sein. Was mir über meine ersten Lebensmonate berichtet wurde, betraf eine Erkrankung, die wahrscheinlich schon während der Schwangerschaft entstanden sein musste. Ich hatte bei meiner Geburt, und davon hatte man mir auch erst einmal nichts erzählt, ein schwach ausgebildetes, wohl nicht ganz ausgewachsenes Bauchfell. Das klingt erst zunächst recht harmlos, war es aber wirklich nicht. Ich hatte einen Leistenbruch. Obwohl ein einseitiger Bruch schon ausgereicht hätte, hatte ich natürlich einen doppelten, in der linken und der rechten Leiste.

    Meine Eltern waren also, immer wenn einer dieser Brüche heraustrat, zu raschem Handeln genötigt. Der Bruch musste schnellstmöglich wieder zurückgedrückt werden. Das konnte nur ein Arzt machen. Also packten sie mich kurzerhand in Kissen und Decke und eilten zum Hausarzt, der zum Glück nur wenige hundert Meter von unserer Wohnung auf der nahegelegenen Hauptstraße seine Praxis hatte. ‚Da bleiben einem nur sechs Stunden‘, erzählten sie mir später noch unter dem Eindruck dieser Vorfälle, ‘dann wäre das für dich lebensgefährlich geworden‘. Natürlich hätte man einen

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