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AD.NOCTEM: Zur Nacht
AD.NOCTEM: Zur Nacht
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eBook333 Seiten4 Stunden

AD.NOCTEM: Zur Nacht

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Über dieses E-Book

Eine Begegnung, die tödlich hätte enden müssen. Eigentlich.

Katharina jagt sie, stellt sie und vernichtet sie. Das ist so üblich in ihrer Familie, denn die 17-Jährige jagt Blutsauger, wie auch ihr Vater und ihr Bruder.
Dann steht ihr plötzlich einer gegenüber,
der so gar nicht in ihr bisheriges Weltbild passt und ihre Prinzipien auf die Probe stellt. Doch diese Allianz ist brüchig und konfrontiert sowohl Mensch als auch Vampir mit unerwarteten Wendungen
und seelischen Abgründen.
Es droht die Entdeckung durch die Gemeinschaft der Jäger und plötzlich
sind da noch andere Nachtwandler,
die sich für diese ungewöhnliche Verbindung begierig zu interessieren scheinen...
SpracheDeutsch
Herausgebertredition
Erscheinungsdatum9. Juni 2021
ISBN9783347270091
AD.NOCTEM: Zur Nacht
Autor

Isobel NeX

Isobel NeX, Jahrgang 1981, Betriebswirtin und im medizinischen Bereich tätig, schreibt Horror und andere, düstere Geschichten seit ihrem 15. Lebensjahr. Aber erst 2013 fing sie an, mit dem Schreiben auch an Veröffentlichung zu denken. Damit begann die Arbeit an der Hauptgeschichte DE SANGUIS IMMORTALIS©, der Blood.Line Reihe, die aus vier Büchern bestehen wird. 2019 veröffentlichte sie in Eigenregie als Self-Publisher den ersten Band des Blood.Line Prequels, AD.NOCTEM - Zur Nacht© und 2020 dessen Fortsetzung INTER.NOCTEM - In der Nacht©. Beide Romane wurden nun als Neuauflage im Tredition Verlag bearbeitet. Ein weiterer, abschließender Band der Vorgeschichte mit dem Titel NOCTEM.MORTIS – TodesNacht, sowie englische Übersetzungen und natürlich die Hauptgeschichte DE SANGUIS IMMORTALIS© sind derzeit noch in Arbeit. Jegliches Cover und Werbematerial erstellte sie bisher selbst.

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    Buchvorschau

    AD.NOCTEM - Isobel NeX

    Blood.Line Prequel Teil I

    AD.NOCTEM

    Zur Nacht

    Isobel Nex

    Kapitel 1

    'Das ist ein guter Moment zum Sterben…', dachte er und sank auf die Knie. 'Eine gute Nacht dafür.'

    Er breitete die Arme aus, als wolle er sie zum Nachthimmel erheben, doch er ließ sie noch nicht einmal auf halber Höhe verweilen.

    Mehr als dreihundert Jahre Existenz.

    Dasein.

    Leben.

    Und doch auch wieder nicht.

    So viele Tode hätte er längst sterben können. So viele Tode, die er hätte sterben sollen, die er hätte sterben müssen…

    Wie viele von ihnen mochten es wohl gewesen sein? Wie viele hatte er in seiner ewig unstillbaren Gier dahingerafft? Er vermochte es nicht zu sagen.

    Sein Verfolger müsste jetzt nur noch wenige Schritte hinter ihm sein.

    Dieser Jäger war schnell.

    Sehr schnell.

    Anders, als die anderen zuvor, und anders, als die beiden Begleiter, die dieser Jäger eben inmitten der drei jüngeren Vampire zurückgelassen hatte, um ihm bis hierher zu folgen.

    Gleich wäre es also zu Ende.

    Endlich frei…

    Es überkam ihn eine merkwürdige, innere Ruhe, ähnlich, wie Zufriedenheit.

    Ja, beinahe, wie Frieden.

    Er schloss hoffnungsvoll die Augen und ließ seine noch halb erhobenen Arme wieder sinken. Doch es war gerade nicht die ersehnte Stille des Todes, die ihn in diesem Moment umarmte, sondern die schnellen Schritte des jungen Jägers auf dem, vom Nieselregen noch feuchten, Asphalt, die dumpf in seinem Innenohr widerhallten.

    Die Klinge wurde mit einem kurzen, schabenden Geräusch aus der Scheide gerissen und noch in Erwartung der Erlösung aus seiner ewigen Rastlosigkeit, holten ihn plötzlich seine zuvor an den Tod geschickten Gedanken wieder ein.

    Wollte er tatsächlich so enden? Niedergestreckt von einem Jäger, den er vermutlich ohne größere Mühe hätte bezwingen können? Das Leben schien ihn noch nicht gehen lassen zu wollen und sträubte sich nun mit einem inneren Aufbegehren, welches ein Teil von ihm noch hoffte, niederschmettern zu können. Zu sehr hatte er sein Ende herbeigesehnt, um jetzt so kurz vor dem Ziel wieder umzukehren.

    'Sieh‘ ihn nicht an, gewähre ihm diesen Triumph nicht!', dachte er bei sich, als er seinen Verfolger bereits im Ausholen für den Hieb vermutete, doch sein Kopf und seine Augenlider hoben sich schon im nächsten Moment, wie von allein, und der Vampir blickte seinem jugendlichen Verfolger ins Gesicht.

    Im Bruchteil eines Wimpernschlags durchflutete der innere Aufruhr nun seinen gesamten Körper und die zuvor gezeigte Unerschütterlichkeit wich einer immensen Anspannung und Erregung.

    Er blinzelte jetzt, erstaunt darüber, ein Mädchen vor sich zu haben und nicht den schnellen und gnadenlosen Jäger, den er erwartet hatte. Immerhin hatte sie ihn eingeholt, was allein schon eine beachtliche Leistung darstellte, für einen menschlichen Jäger.

    Sie hielt mitten im Hieb inne und starrte ihn halb entsetzt, halb verwundert an.

    Diese Kreatur hatte mit seinem Dasein abgeschlossen! Er war bereit zu sterben!

    Ohne Gegenwehr!

    Sein Blick schien eben schon abwesend, als sei er bereits gestorben und nur noch eine leblose Hülle aus Fleisch und Blut!

    Und dann erkannte sie ihn; er war das… Der junge Mann aus dem Club gestern Abend! Der, der sie so lange angestarrt hatte und jetzt… Jetzt würde sie ihn enthaupten müssen, weil er eine dieser Kreaturen war!

    Der Vampir hielt den Blickkontakt; ihre blauen Augen starrten ihn unschlüssig und fragend an. Er konnte die Aufregung und Verwirrung an ihrer Haltung ablesen.

    Sie war unsicher.

    Warum schlug sie nicht zu, so, wie sie es sollte? Warum zögerte sie? Er leistete ja im Moment nicht einmal Widerstand.

    Aber so, wie sie ihn gerade anstarrte, musste sie ihn erkannt haben, denn er hatte sie eben auch wiedererkannt, das bleiche Mädchen aus dem Gothic Club gestern Nacht in München.

    Dann hatte sie ihn nun also zuerst gefunden. Was für ein merkwürdiger Zufall.

    Er ließ die Erinnerung daran zurück in sein Gedächtnis kommen.

    Sie war ihm aufgefallen, als er auf der Suche nach seinem ersten Nachtmahl gewesen war und hatte ihn aufgrund ihrer stolzen Körperhaltung ein wenig an die letzte französische Königin erinnert, der er sogar einmal bei einem Ball in Versailles im Frühjahr 1779 die Aufwartung gemacht hatte. Ein Jammer, dass man dieser charismatischen Frau damals den Kopf abgetrennt hatte.

    Der Geruch des Blutes des Mädchens und diese Grazie ihrer Bewegungen auf der Tanzfläche in diesem Münchner Club hatten ihn geraume Zeit im Bann gehalten. Er war ihr später hinaus gefolgt, nur leider war sie dann von mehreren Freunden umringt gewesen, sonst hätte er womöglich das Blut aus ihrer Halsschlagader gekostet.

    Er konnte es jetzt wieder riechen, ihr Blut, wenn auch bereits bedeutend schwächer als gestern, und er schloss kurz die Augen, um sich auf den Geruch zu konzentrieren, solange ihm das noch möglich war.

    Sie musste gerade ihre Blutungen haben…

    Normalerweise nahm er menschlichen Blutgeruch nur so intensiv wahr, wenn Sauerstoff damit in Berührung kam; lebendes Blut in den Adern besaß einen anderen Geruch. Doch warum ging sie in diesem Zustand jagen? Wusste sie denn nicht, dass sie damit sehr viel leichter zur Beute werden konnte, als zu anderen Zeiten?

    Wieso hatte sie gestern Nacht nicht bemerkt, dass er einer von denen war, dass er ein Blutsauger war? Wieso, um Himmels Willen, war ihr das nur entgangen? Hatte sie gestern Nacht, dort im Club, irgendetwas übersehen? War sie womöglich zu nachlässig geworden? Sie musste diese Kreaturen auf den ersten Blick erkennen können!

    Sie war eine Jägerin!

    Der Blutsauger schloss gerade die Augen, in Erwartung ihres Schlages, den sie immer noch auf halber Höhe hielt. Wenn sie die Klinge jetzt zu Ende führte, täte sie ihm damit wohl einen Gefallen; aber sie war es nicht gewohnt, so leichtes Spiel zu haben.

    Führte diese Kreatur sie an der Nase herum, um dann doch noch aufzuspringen? Um ihr beim neuen Ausholen für den Hieb den Brustkorb zu zerfetzen?

    Aber sie ließ die Waffe aus irgendeinem, nicht rational erfassbaren Grund sinken und wurde beinahe zeitgleich zu Boden gerissen von dem Etwas, das sie angesprungen hatte.

    Sie spürte den dumpfen Aufprall auf dem feuchten Asphalt und die Schwertscheide, die sich nun, wie ein Hieb, in ihren Rücken bohrte und ihrer Kehle einen schmerzerfüllten Laut entrang. Ihr Kopf schlug glücklicherweise nur auf der Kunststoffscheide auf, die durch den Aufprall nach oben geschoben wurde.

    Der Vampir öffnete überrascht die Augen, als er den Anderen hörte, aber der hatte sie bereits niedergerissen; ihre Klinge fiel klirrend zu Boden.

    Es war einer der jüngeren Vampire; er musste ihrem Vater entwischt sein und sie hatte eine Sekunde nicht aufgepasst. Jetzt würde sie sterben und nicht die Kreatur, die hatte sterben wollen.

    Ihr Verstand war in diesem Moment erstaunlich klar strukturiert und errechnete schon mögliche, weitere Verteidigungsmechanismen, während ihre rechte Hand blind nach ihrem Schwert tastete und doch immer ins Leere fasste.

    Das Messer an ihrem Bein würde sie nicht erreichen, solange diese Kreatur auf ihren Oberschenkeln hockte. Der Blutsauger würde nicht lange zögern, er entblößte bereits seine Fangzähne und drückte sie mit einem Arm an der rechten Schulter und dem anderen in ihrer linken Ellenbeuge fest auf den Boden.

    Sie konnte den abgestandenen Atem, angereichert mit diesem halb verwesten Blutgeruch, über sich wahrnehmen und versuchte ihn nun, sich windend, und mit dem angewinkelten, rechten Unterarm, der gegen sein Schlüsselbein drückte, auf Abstand zu halten.

    Ihr Blick suchte jetzt verzweifelt nach ihrem Katana, doch es lag nicht in ihrer Reichweite.

    Die blutunterlaufenen Augen des Jungvampirs waren unterdessen weit aufgerissen und stierten sie gierig an. Ein Biss würde ihre Halsschlagader vollkommen zerfetzen. Wenige Sekunden später, und sie würde wegen dem Blutverlust bewusstlos, von den unerträglichen Schmerzen einmal abgesehen, und noch ein paar Sekunden später, wäre sie tot, aufgrund ihres eigenen Herzschlages, der dann gegen sie arbeitete.

    Es gab keine Rettung. Nicht in einer solchen Situation. Ihr Vater wäre enttäuscht von ihrem Versagen.

    Wattige Stille umhüllte sie nun und sie hatte das Gefühl, dass sie aus ihrem Körper gezogen wurde.

    Sie schloss die Augen, in Erwartung ihres Schicksals.

    Gleich wäre es vorüber…

    Gleich…

    Abgeschwächt drang ein Fauchen an ihr Ohr, dessen Ursprung aber sehr weit entfernt zu liegen schien.

    Nur noch eine Sekunde…

    Aber die Sekunde ging vorüber und das Gewicht des Vampirs auf ihrem Leib war abrupt verschwunden.

    Als sie die Augen öffnete, prangte über ihr nur noch der neblige Nachthimmel.

    Schlagartig kam die Erkenntnis, dass der Blutsauger sie losgelassen hatte und sie sprang hastig auf, um gerade noch zu verfolgen, wie der kopflose Körper ihres Angreifers keine zwei Meter neben ihr zu Boden fiel. Hinter ihm stand der Vampir, den sie hatte töten wollen; er hielt noch ihre blutige Klinge in der Hand, als der abgetrennte Kopf des Anderen auf dem Asphalt liegen blieb.

    Für eine Sekunde starrte sie ihren Retter völlig entgeistert an und zuckte über die immense Schnelligkeit, mit der er sich fortbewegen konnte, erschrocken zusammen, als der Vampir plötzlich links neben ihr stand und nach ihrem Handgelenk griff.

    In ihren Augen konnte er Furcht, aber auch Überraschung erkennen.

    Er schien keinen Angriff im Sinn zu haben und hielt ihr Handgelenk nur einen Moment lang fest.

    Der Vampir blickte sie dabei ruhig an und gab ihr gleichzeitig das Schwert zurück in die Hand.

    Seine Haut war kalt, als er ihre Finger, die aus den fingerlosen Lederhandschuhen herausragten, dabei berührte.

    Stumm schauten sie sich nun gegenseitig an.

    Ihre Augen erinnerten ihn an das bläulich grau schäumende Meer vor der Bretagne… Wie es an einem sonnigen Tag vor über dreihundert Jahren einmal gewesen war…

    Das rötliche Braun seiner Iris schimmerte im Licht der Straßenlaternen und sie bemerkte die leichte Rötung seiner weißen Augenhaut. Das hatten alle Vampire, da ihre Augen trotz allmählicher Anpassung immer empfindlich auf helles Licht reagierten; nur oftmals fiel das nicht derartig auf, weil man einem Vampir selten so nah gegenüberstand, und wenn dies doch geschah, so hatte man für gewöhnlich keine Zeit, sich darum zu bemühen, ihm in die Augen zu schauen.

    Sein Blick schweifte plötzlich für den Bruchteil einer Sekunde ab und dann sah er sie eindringlich an.

    „Ein Leben… für ein Leben…", sagte er mit ruhiger Stimme und war binnen einer Sekunde aus ihrem Sichtfeld verschwunden.

    Entfernt waren jetzt lauter werdende Stimmen zu vernehmen, die ihren Namen, Katharina, riefen.

    Sie stand nun mit der Klinge in der Hand und starrte ins Leere.

    Ihr Vater und ihr älterer Bruder rannten gerade um die Ecke und sahen sie neben der kopflosen Leiche stehen.

    „Katharina!", rief ihr Vater ihr zu, aber sie reagierte nicht und starrte weiter ins Nichts.

    Er hatte sie verschont…

    Ihr Leben für seines…

    Und dennoch fühlte es sich irgendwie merkwürdig an. Warum hatte er sterben wollen? Warum will jemand freiwillig sterben? Warum könnte ein Vampir sterben wollen? Und warum hatte er sie gerettet? Er hätte einfach verschwinden und sie ihrem Schicksal überlassen können…

    Das Leben hatte er ihr zwar gelassen, aber dafür hatte er etwas Anderes, für sie viel Wertvolleres mitgenommen: ihren unerschütterlichen Glauben an die Prinzipien.

    Sie hatte gezögert und diese Kreatur hatte die Chance genutzt. Der Zweifel keimte bereits.

    Man konnte keinem Blutsauger vertrauen, sie waren Meister der Täuschung, begnadete Schauspieler und gleichzeitig von Hunger und Gier getriebene Killer. Schon als Kind war ihr das eingebläut worden. Aber dieser hier…

    „Katharina!"

    Ihr Vater packte sie an den Schultern und sie zuckte erschrocken zusammen. Zu abrupt war sie aus den Gedanken zurück ins Hier und Jetzt gerissen worden.

    „Mach‘ das nie wieder! Hörst du!? Das hätte auch anders enden können! Du darfst die Gruppe niemals verlassen!"

    Sie sah ihn jetzt verunsichert an, denn er hatte Recht. Um ein Haar hätte sie diese unüberlegte Verfolgungsaktion das Leben gekostet. Das war eine der Regeln, wenn man in Gruppen jagte, niemals Alleingänge zu starten… Besonders dann nicht, wenn man mehreren Blutsaugern gegenüberstand.

    „Du unterschätzt sie in letzter Zeit, Vater."

    Der jüngere Mann hob den Kopf des Vampirs an den Haaren hoch und begutachtete den Schnitt.

    „Ein einziger Schlag…"

    Er schien sehr erstaunt über diesen Fakt, denn seine Stimmlage klang skeptisch und sein Blick musterte nun die blutige Klinge.

    „Ich wusste gar nicht, dass deine Linke stärker ist als deine Rechte… Aber gut gemacht, kleine Schwester. Mach weiter so und du kannst irgendwann mal gegen mich antreten. Jetzt müssen wir aber erst den Scheißhaufen hier verschwinden lassen."

    Katharina blickte an sich herab, sie hielt das Katana in ihrer linken Hand.

    Sie war jedoch Rechtshänderin.

    Es gelang ihr gerade noch, das aufkommende Schluckbedürfnis zu unterdrücken.

    Sie wagte nicht, ihrem Bruder ins Gesicht zu sehen, er wusste scheinbar ganz genau, dass sie das nicht hätte bewerkstelligen können.

    Ihr Vater klopfte ihr beruhigend auf die Schulter und legte den Arm um ihren Rücken.

    „Gut gemacht, Katharina. Sehr gut."

    Katharina blieb weiter stumm. Aber das Unbehagen überkam sie in diesem Moment wieder. Sie hatte die Kreatur entkommen lassen und er hatte für sie getötet… Seine eigene Art…

    Aber was sollte sie ihrem Vater sagen? Dass der Vampir sie gerettet hatte? Dass sie ihn dann hatte davonkommen lassen?

    Sie hatte die Regeln missachtet und ihr Bruder schien das alles schon zu wissen.

    Irgendwann, wenn sie nicht damit rechnete, würde er damit herausplatzen und sie denunzieren, so, wie er es immer tat, wenn sie einen Fehler gemacht hatte.

    Ihr Bruder zückte ein Sturmfeuerzeug und eine kleine, silberne Flasche, deren Inhalt er auf die Leiche verteilte. Offensichtlich handelte es sich um einen guten Brandbeschleuniger, denn die Flammen fraßen sich recht schnell durch die Kleidung in das bleiche Fleisch, das nun Blasen zu schlagen begann.

    Der Vampir beobachtete die Szene aus gebührender Entfernung.

    Sie gehörte also zu einer Jägerfamilie…

    Er würde noch herausfinden, welchen Familiennamen sie trug, welchem der Schlächterclans sie angehörte.

    Das Mädchen stand unbeweglich, immer noch mit der blutigen Klinge in der Hand, und starrte in die Flammen, die bleichen Lippen zusammengepresst, damit ja kein Laut entweichen und sie womöglich verraten konnte.

    Der Vampir schätzte sie auf das Teenageralter, vielleicht sechzehn, vielleicht auch erst fünfzehn. Sie war viel zu jung, um diese Bürde eines Jägers tragen zu können, noch dazu, weil sie ein Mädchen war.

    Der Arm ihres Vaters lag noch an ihrem Rücken, aber es kam ihm so vor, als suche sie eher Abstand, denn Trost oder Beruhigung, ja, beinahe so, als empfinde sie einen Widerwillen gegen diese Geste des Vaters.

    Jetzt wirkte sie so ganz anders als eben; sie war nur noch ein zerbrechliches, unsicheres Mädchen und nicht mehr der flinke und schlagkräftige Jäger, der ihn ohne zu schwächeln in vampirischem Tempo über einen Kilometer verfolgt und zu seiner Verwunderung sogar noch überholt hätte, wäre er nicht stehen geblieben, um seinem Schicksal entgegen zu treten.

    Kapitel 2

    Im Sommer 1682 beging man in Frankreich anlässlich des annähernd fertiggestellten Versailles in den Gärten des Schlosses ein üppiges Fest. Jeder Blaublütige, der etwas auf sich hielt und auch die, die nichts mehr von irgendwas oder irgendwem hielten, überschlugen sich mit Bekundungen reinen Verzückens bezüglich des Neubaus, der Frankreich eine erhebliche Schuldensumme eingebracht hatte.

    Inmitten all dieser Verzückung befand sich ein junger Adliger aus dem südlichsten, beinahe schon spanischsprachigen Teil des Landes, ausgesandt von seinem ehrgeizigen Vater, um dem entfernt blutsverwandten, französischen Sonnenkönig seine Ehrerbietung zu erweisen und vielleicht auch, um eine vermögende Schwiegertochter zu suchen, bahnte sich dieser nicht minder ehrgeizige, junge Adlige seinen Weg in den engeren Umkreis des Königs. Bei den abendlichen Festspielen saß er sogar mit an dessen Tafel und nahm am königlichen Tanz teil.

    Später näherte sich ihm eine junge Dame immer weiter an.

    Die junge Frau entsprach zwar in keiner Weise dem Schönheitsideal der Zeit, sie war viel zu dünn, beinahe schon knochig, aber das kümmerte ihn wenig. Sie gefiel ihm und wenn sie aus einer guten, wohlhabenden Familie stammte, würde auch sein Vater alle weiteren Schritte billigen.

    Er hatte Glück, schon in seinen ersten Tagen in Versailles auf sie zu treffen. Jetzt dürfte sie nur nicht schon anderweitig versprochen sein. Den König schien sie jedenfalls nicht zu interessieren, sonst hätte er sie schon näher heranbringen lassen. Und sie hatte ihre Augen tatsächlich nur auf ihn gerichtet; die jungen Damen bei Hofe schienen genau zu wissen, wer Neuankömmling und noch ohne nähere Kontakte war.

    Er müsste unbedingt ihren Namen erfahren!

    Sie hatte ein sehr hübsches Gesicht und bewegte sich grazil und elegant. Das nachtblaue Kleid betonte ihre blasse Haut im Kerzenschein und ihr schwarzes Haar war kunstvoll in weiche Locken gedreht und an beiden Seiten hoch frisiert, wie frühere Favoritinnen des Königs es in ihrer Jugend getragen hatten.

    Durch ein geschicktes Manöver kam er ihr beim Tanz sehr nahe und scheinbar beiläufig berührte er sie dann an der Hand und sah ihr in die Augen, bevor sie sich gleich wieder wegdrehte.

    Ihre Haut war ungewöhnlich kühl, aber das fiel ihm in diesem Moment nicht weiter auf. Er war verzaubert von solcher Schönheit und bemühte sich redlich, ihr noch einmal so nahe zu kommen, wie eben.

    Seine Bemühungen erregten scheinbar ihre Beachtung, denn sie warf ihm hier und da einen Blick zu.

    Der Tanz endete schließlich und sie zog sich grazil mit dem aufgeschlagenen Fächer in der Hand etwas zurück, so dass er ihr bereits bebend vor Vorfreude nachging.

    Wann immer sie in den bewachsenen Wegen abbog, vergewisserte sie sich durch einen Blick über die Schulter, ob er ihr auch weiter folgte.

    Die aufgestellten Fackeln erhellten die sternenklare Nacht nur unmerklich, während er sich seinen Weg hinter der Dame seines Begehrens durch den Garten bahnte.

    Als er sie wenig später entdeckte, saß sie an einem der Springbrunnen und ließ ihre Hand im Wasser hin und her gleiten. Den Fächer hatte sie scheinbar kurz zuvor fallen gelassen, so dass er fast darauf getreten wäre.

    Innerlich schmunzelnd bückte er sich und hob den Fächer auf. Sie hatte ihn wohl absichtlich verloren, um ihm den Einstieg ins Gespräch zu erleichtern.

    „Madame…, begann er enthusiastisch, „Euer Fächer. Ihr müsst ihn soeben verloren haben…

    Sie lachte leise in sich hinein und wiederholte seinen Gruß amüsiert, dann wandte sie sich zu ihm um.

    Er verneigte sich tiefer, als er es hätte tun müssen und sie kicherte kindlich, fasste sich aber schnell wieder und lächelte ihn freundlich an.

    „Merci beaucoup, Monsieur… Das ist zu freundlich von euch. Ich habe ihn bereits vermisst."

    Sein freundliches Lächeln wandelte sich mit der Erkenntnis, dass er selbst mit ihrer Aussage gemeint war, zu einem siegessicheren Grinsen.

    Sie entgegnete mit einem wissenden Lächeln.

    „Verratet ihr mir euren Namen?", fragte er dann höflich.

    - „Und ihr, Monsieur? Verratet ihr mir euren?", konterte sie.

    „Philippe de Foix, Madame. Stets zu euren Diensten…", entgegnete er immer noch ganz überschwänglich.

    Ihr Lächeln gewann nun etwas an Süffisanz.

    „Lucrezia Varga… Aber ihr seid kein echter Franzose, oder?"

    - „Zur Hälfte. Meine Mutter ist Spanierin."

    Er lächelte, als sie ihm ihre Hand zum formellen Handkuss hinhielt.

    Philippe berührte ihre Finger und bemerkte nun ihre kühle Haut. In Anbetracht der noch immer vorherrschenden Hitze war das doch etwas ungewöhnlich.

    „Und ihr, Madame, seid Italienerin?"

    Er sah sie auffordernd an.

    Sein Blick schien ihr zu gefallen, denn sie erwiderte ihn.

    „Si… Di Venezia…, sie erhob sich und trat ihm entgegen, „Habt ihr Mut, Monsieur? Oder seid ihr auch nur wieder einer dieser Speichellecker, wie alle hier am Hof?

    Sie war kühn. Das gefiel ihm.

    „Was wäre euch denn lieber?", antwortete er herausfordernd.

    Sie wäre nicht die erste Frau, die er noch in derselben Nacht in seinem Bett gehabt hätte.

    Lucrezia packte seine Hand und zog ihn an sich. „Ihr riecht nach Veilchen, Monsieur… und Lavendel… Ich schätze Derartiges sehr…"

    Ihr kühler Atem streifte sein Ohr.

    Er war über ihre abrupte Reaktion überrascht und auch darüber, dass sie so offensichtlich an ihm zu riechen schien.

    Ihre Nasenspitze berührte nun seinen Hals und etwas Merkwürdiges, das an seiner Haut entlang streifte, verursachte ihm eine Gänsehaut. Es fühlte sich irgendwie feucht und kühl an.

    „Madame, ihr überrascht mich…, flüsterte er in ihr Ohr, „Seid ihr zu allen Herren so einladend?

    Sie entfernte sich etwas von ihm, so dass er wieder in ihr Gesicht sehen und ein dunkles Lachen hören konnte, das so gar nicht zu diesem hübschen Gesicht passen wollte.

    „Du bist unterhaltsam… Philippe de Foix. Ich glaube, ich werde dich eine Weile behalten…"

    Etwas in ihrem Gesichtsausdruck veränderte sich dann abrupt und der Blick ihrer dunklen Augen fixierte ihn, wie ein Raubtier seine Beute.

    Das nächste, was er noch registrierte, war, dass sie ihre Lippen öffnete und ihre Oberlippe sich dabei etwas zurückzog und den Blick auf ungewöhnlich spitze Eckzähne preisgab.

    Philippe wich erschrocken zurück, doch er hatte keine Chance.

    Sie schlug ihm innerhalb eines Wimpernschlags ihre Zähne in den Hals und sog ihm gierig das Blut aus der Vene, so dass es ihm sehr schnell schwarz vor Augen wurde.

    Kapitel 3

    Drei Wochen waren jetzt vergangen, seitdem sie das Nest ausgelöscht hatten. Sie schienen also noch rechtzeitig gewesen zu sein, um die Stadt vor Schlimmerem zu bewahren.

    Ihr Bruder war daraufhin wieder abgereist und drei Wochen war tatsächlich alles ruhig gewesen, bis gestern Abend.

    Katharina lachte über diesen dämlichen Witz. Es war vollkommen sinnfrei, eine Kugel um die Ecke rollen und dann umfallen zu lassen, aber was machte das schon. Für einen Moment lachten alle und keiner dachte mehr an das Mädchen, das am Abend zuvor tot im Park aufgefunden worden war.

    Vergewaltigt und vollkommen blutleer.

    Mit zwei tiefen Bisswunden an der Halsschlagader. Wie von etwa drei Zentimeter auseinanderliegenden, oberen Eckzähnen…

    Es war in allen Zeitungen.

    Ihr Vater bemühte sich bereits um mehr Informationen diesbezüglich und wahrscheinlich war er auch

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