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ERWIN: .. ich geh' dann mal nachdenken…
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ERWIN: .. ich geh' dann mal nachdenken…
eBook150 Seiten1 Stunde

ERWIN: .. ich geh' dann mal nachdenken…

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Über dieses E-Book

In allen Geschichten geht es um Erwin. Er ist einer von uns.
Er ist, je nachdem wie er sich im Augenblick fühlt, zwischen fünfunddreißig und sechzig Jahre alt, arbeitet und wohnt in einer Kleinstadt irgendwo in Deutschland.
Er ist ein Einzelgänger, er lebt also allein und ist zufrieden damit. Meistens.
Er sieht Probleme, wo keine sind, und fühlt sich gut, wenn er die Probleme nicht wahrnimmt.
Er ist entrüstet, wenn er glaubt, dass man von ihm verlangt, anders zu sein, als er ist.
Er liest viel und macht sich schlau über Sachen, über die er täglich stolpert.
Er denkt ständig nach. Da gibt es Dinge, die ihn bewegen, oder die ihn bewegen könnten und Dinge, die er nicht wissen will.
Eine seiner Angewohnheiten ist es, in die Ferne zu sehen. Dabei kann er am besten entspannen, sich beruhigen, nachdenken, grübeln oder sich aufregen. Je nach Bedarf.
Erwin philosophiert über das tägliche Leben. Ihm fallen Sätze ein, die mancher Gelehrte in der Zukunft benutzen wird.
Er tappt in alle menschlichen und unmenschlichen Fallen.
Er erfüllt alle Klischees, die für ihn erfunden wurden.
Er möchte aus dem täglichen Laufrad seines Lebens ausbrechen und findet sich am Ende des Tages als denjenigen wieder, der das Laufrad antreibt.
Er spielt nicht mit dem Leben. Das Leben spielt mit ihm.
Er ist ein Eigenbrötler, ein Nerd, ein Klugscheißer.
Dennoch hat er meistens recht.
Auf irgendeine Art ist er wie jeder von uns.
Er ist einzigartig.
SpracheDeutsch
Herausgebertredition
Erscheinungsdatum9. März 2022
ISBN9783347564114
ERWIN: .. ich geh' dann mal nachdenken…

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    Buchvorschau

    ERWIN - Ullrich FRANK

    Kleckern

    Da ist sie wieder, die Psychologie für den ›kleinen Mann‹. Sie kommt einfach angeflogen, ohne Rücksicht auf die Tageszeit oder gar auf das Umfeld sowie die derzeitige Gefühlswelt von der Zielperson. Das macht sich heute Abend wie folgt bemerkbar: Einer von den drei Kellnern von diesem feinen Restaurant nahm ihm den leeren Teller von der linken Seite weg. Eingesetzt hat er die Speise von rechts. War das richtig? Erwin überlegt, aber es bleibt dabei: Er hat keine Ahnung. Es wird natürlich richtig sein. Ansonsten würde der Mann hier keinesfalls arbeiten dürfen.

    Er fühlt sich beobachtet. Er glaubt, dass alle anwesenden Gäste hier am Tisch ihn ansehen. Sie hatten ihre Augen auf ihn gerichtet. Ungeachtet der Tatsache, dass er sich um keinen Preis erinnern kann, ob er irgendeinen Hinweis gegeben hatte, dass er nun eine Rede halten wollte.

    Er weiß genau, dass er in keiner Weise mit einem Löffel oder anderem Besteck, auf ein Glas geklopft hat. Sahen sie in wirklich an? Vielleicht spielt sein Ego ihm wieder etwas vor.

    Diese Verhaltensweise, die ihn derzeit beschäftigt, erinnert ihn an die, dass nur er selbst weiß, dass er gerade eben seine Krawatte mit einer wohlschmeckenden roter Soße bekleckert hat.

    Ob die Soße wirklich wohlschmeckend ist, weiß er noch nicht. Denn diese kam bislang nie ans Ziel. Aber dessen ungeachtet ist er gleichzeitig der Auffassung, dass alle Menschen, die bei dieser Feier am Tisch sitzen, dieses Malheur beobachtet haben.

    Gleich werden sie die Köpfe zusammenstecken und über ihn tuscheln. So wie Früher. Wie immer. Also: Normal.

    Er hatte mal gelesen, dass dieses Verhalten von Menschen, meistens deswegen auftritt, weil in Kinder- und Jugendjahren, ständig das Umfeld versucht hat, diese Person zu beeinflussen.

    Erwin denkt zurück, soweit er halt zurückdenken kann, und erinnert sich, dass ebenso bei ihm immer beim Essen an ihm rumgemeckert wurde. »Zappel nicht so mit den Füssen« und »Mein Gott, geht das hier auch mal ohne kleckern?« Oder ebenfalls immer wieder gerne angebracht: »Geh‹ jetzt Spielen, aber mach dich nicht schmutzig!«

    Das ist genauso behämmert wie: »Ich wünsche dir einen schönen Abend, aber sei bitte in einer Stunde wieder hier!«

    Beim Spielen ist er schon mal ganz gerne hingefallen. Er konnte so schnell laufen damals. Statt Trost über den erlittenen Schmerz nach so einem Sturz, erntete er meistens den Satz: »Kannst du denn nicht aufpassen? – Ständig diese Raserei. Nun sind auch noch deine Knie aufgeschürft!«

    Später, in der Schule, war da so ein Klassenlehrer, der wohl seine Ausbildung beim Militär gemacht haben muss. »Du redest erst, wenn du gefragt wirst! Verstanden?« Ich habe gefragt, ob du mich verstanden hast? Wegtreten!«

    Ja, lauthals lachen, das war gleichermaßen verboten. In der Schule, aber auch zu Hause. Weil dann Opa immer meinte, dass sein Hörgerät kaputt ist. Laute Kinderstimmen und Lachen, brachten das Ding zum Pfeifen.

    Im Allgemeinen war Erwin als Kind sehr zurückhaltend. Das lag daran, weil er nicht das Geringste durfte. Ein Duckmäuser. Ein Feigling.

    Die Nachbarn oder Fremde sagten immer zu seinen Eltern: »Oh‹ was ist der Kleine aber brav. So still und so aufmerksam und höflich.« Wenn die wüssten. ›Das hole ich alles nach, wenn ich groß bin‹, dachte er damals.

    Das ist lange her. Nachgeholt wurde kein Stück, denn es kam ja schlimmer.

    Das Wort »Träumer« hat er ganz oft in seiner Kindheit gehört.

    Und das ist er ja bewiesenermaßen sodann geworden.

    Bei der Berufswahl gab es so gewisse Vorstellungen. ›Beamter‹, das hatte etwas. Ebenfalls Arzt hätte er werden wollen. Die erste Reaktion von seinen Eltern: »Du doch nicht!« Und »Das kannst Du doch sowieso nicht!«

    Was sollte er zu dem damaligen Zeitpunkt tun? Lokomotivführer, Polizist und Astronaut wollten schon seine Mitschüler werden. Somit waren diese Stellen besetzt. Die Auswahl wurde kleiner. Es war fast nix mehr frei! Kasper und Krokodil ginge noch. Cowboy und Indianer geht nur in Amerika. Doch das ist er aber ganz woanders und vermutlich auch ganz weit weg.

    Es war bekannt im ganzen Land: Einen sicheren Job gibt’s nur beim Amt. Oder bei der Post. Das wäre sogar was für ihn. Aber, da gibt es noch diesen anderen Spruch: »Schuster, bleib bei deinem Leisten. Und da die Tante und der Onkel und der Schwager und wer auch immer, »Gärtner« waren, musste auch Erwin diesen Beruf erlernen.

    Ob er wollte oder nicht. Erwin weiß: Er wollte nicht. Deshalb wurde er in diesem Beruf auch nichts, und machte nach der Lehre ständig etwas anderes.

    Er wollte außerdem um keinen Preis in dieser Kleinstadt bleiben, geschweige denn hier seine Freizeit verbringen müssen. Er wollte nie und nimmer in die Freiwillige Feuerwehr, keinesfalls in den Turnverein und auch nicht in den Schützenverein.

    ›Wenn Du kein Selbstbewusstsein hast, dann nimmt Dich keiner für voll‹, dachte er im Augenblick vor sich hin.

    Erwin lächelt nun in die Gesichter der vermeintlichen ›Gaffer‹. Keiner von denen erwidert diese Geste entsprechend. Es schaut ihn also doch niemand an.

    Keiner sieht ihn an. Kein Mensch. Noch nicht mal soeben, wo er sich vollgesabbert hat. Er wird womöglich in keiner Weise wahrgenommen. Er ist Luft. Er ist nicht existent. Er ist der Sack Reis in China.

    ›Brauch ich eine Brille? Oder bin ich mal wieder Mitten in einem meiner Träume?‹, denkt er, und reibt sich verstohlen die Augen. Er stellt keinen Unterschied fest, zwischen vorhin und gerade eben.

    ›Jetzt tun die auch noch so, als ob sie es nicht bemerkt hätten.‹

    Die junge Frau von höchstens 55 Jahren, rechts neben ihm, stupste ihn an. Der Ellbogen war sehr spitz. Erwin zuckte leicht zusammen, und konnte gerade noch, den Happen auf seiner Vorspeisen-Gabel vor dem Sturz auf das weiße Tischtuch retten. Die leckere ›Sauce Choron‹ aber nicht. Die Schwerkraft hatte den flüssigeren Teil des Happens zu fassen bekommen, und zog diese Moleküle ein weiteres Mal in Richtung Krawatte.

    Treffer. Zehn Punkte. Die Zufallstheorie von Charles Darwin ist hiermit bestätigt. Oder ist das die Chaostheorie? Er wird es prüfen müssen. Morgen.

    Bewegungslos, ohne Reaktion sitzt er eine Weile da. Nur die Augen checken ganz kurz die nähere Umgebung, ohne dabei den Kopf zu bewegen.

    »Warum essen Sie nicht weiter? Schmeckt es Ihnen wenigstens?«, kam die leicht erotische, lispelnde Stimme von rechts.

    »Danke, es ist alles in Ordnung. Es schmeckt prima. Ein wenig dünn, die Tunke. Das kann dann leicht kleckern.«

    »Ja. Ich muss ebenfalls sehr aufpassen. Ich habe heute ein so helles Kleid an. Da gehen Flecken nie und nimmer wieder raus.«

    (‹Ach, sie hat also ein helles Kleid an. Mein Gott, ich sitze genau neben ihr, ich sehe, was sie trägt‹),

    »Ein sehr schönes Kleid. Wunderschön. Es steht Ihnen sehr gut. Da sollten Sie achtgeben«, flunkerte er ihr zu. »Sehr, sehr hübsch – Haben Sie ein Ersatzkleid dabei, wenn dies hier vollgekleckert, also versaut ist, dabei?«

    Wie von der Tarantel gestochen, sprang die noch nicht vollgekleckerte Dame rechts neben ihm auf, riss dabei ihre Arme wie beim Zumba-Leistungskurs in die Höhe und rief: »Ein Fleck? Wo denn?« Hilfe! Mein Designer-Kleid von Schanell!«

    Spitze Schreie im sehr hohen Frequenzbereich erfüllten den Raum. Die Fliegen und Mücken verlassen vorsichtshalber fluchtartig das Lokal.

    Hm. Eine schöne Figur hat die Mittfünfzigerin noch obendrein. Der schmächtige, hagere Mann, der zu ihrer Rechten saß, machte dagegen im Moment eine etwas schlechtere Figur.

    Denn der, wurde von dem rechten Arm der hochspringenden Dame an seiner linken Schulter getroffen, und torkelte ziemlich stark, weil er gerade im Begriff war, aufzustehen. Er fand sich eine Sekunde später, quer auf der Tafel, zwischen und inmitten der Dips für den nächsten Gang wieder.

    Das sah ebenfalls lecker aus. Was gibt es wohl zu den Dips zu essen? Erwin ist in freudiger Erwartung auf die nächsten Köstlichkeiten.

    Wenn man das, mit dem Kopfstand auf einem gedeckten Tisch, absichtlich machen wollte, dachte Erwin, funktioniert so was nicht.

    Die Aufmerksamkeit der Menge lag nun bei einer anderen Person. Bei dem Herrn, der sich über den Tisch drapiert hat.

    Bunt durcheinander schwirrende Wortfetzen, wie:

    »Wie der jetzt aussieht«, »wie kann man sich so daneben benehmen«, »was hat er denn?« Und auch »wer hat den denn eingeladen?«, kamen an Erwins Ohren vorbei.

    »Wer ist das überhaupt?« Fragte eine Dame auf der anderen Seite dieses Tisches, mit insgesamt 24 Personen, ihren Sitznachbarn.

    »Der mit dem Kopf in der Soße?«

    Ja, den meine ich.«

    »Keine Ahnung.«

    »Und, was ist mit dem Anderen, den auf der rechten Seite von Frau von Fleckenschild?«

    »Ich kann es nicht sagen«, flüsterte der Mann zurück, »Der ist schon die ganze Zeit so still und schweigt vor sich hin.«

    »Ja, er macht den Eindruck, als ob er gar abwesend wäre, meinen Sie das auch?«

    »Irgendwie macht der mir den Eindruck, dass er gar nicht hier her gehört.«

    »Na ja, andererseits kann man so einen ja einfach ignorieren, oder?«

    Das war ein Satz zu viel. Erwin erhob sich nun ganz langsam, baute sich zu seiner vollen Körpergröße auf, holte tief Luft. Er nahm einen Löffel und klopfte damit auf ein Glas, was vor ihm stand. Jetzt steht es nicht mehr. Ein ScherbenPuzzle.

    »Ihr seid doch so bescheuert. Genau wie Früher. Während der ganzen Schulzeit habt ihr mich geärgert und mich wie Luft behandelt. Keiner von Euch hat mich je eingeladen oder hat sich nach der Schule mit mir getroffen. Und heute, da habt ihr euch was ganz Besonderes ausgedacht. Da habt ihr die Soße extra dünn kochen lassen, damit ich mich mal wieder bekleckere. Danke. Aber seht euch mal selbst an. Ihr seid ein einziger großer Kleckerhaufen.

    Ich haue jetzt hier ab!«

    Er schmiss seine Serviette mitten auf die Tafel. Diese riss noch ein paar Rotweingläser um. Das hatte zur Folge, dass noch zusätzlich einige Damen mehr sich bei dem Zumba-Leistungskurs einklinkten. Sie sprangen hoch und fuchtelten mit Allem, was man bewegen kann in der Gegend herum, damit die herumfliegenden Flecken ja nicht auf

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