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Erinnerungen aus meinem Leben: Familienchronik der Leipziger und Basler Missionarsfrau in Indien
Erinnerungen aus meinem Leben: Familienchronik der Leipziger und Basler Missionarsfrau in Indien
Erinnerungen aus meinem Leben: Familienchronik der Leipziger und Basler Missionarsfrau in Indien
eBook1.020 Seiten11 Stunden

Erinnerungen aus meinem Leben: Familienchronik der Leipziger und Basler Missionarsfrau in Indien

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Über dieses E-Book

In ihren Erinnerungen liefert Susanna Schad, geb. Weber, mit wachem Einfühlungsvermögen und beobachtendem Verstand literarische Qualität. Eher beschreibend als wertend schildert sie das Aufwachsen in den protestantischen Pfarr- und Waisenhäusern in Bayern (Diebach, Neuendettelsau, Polsingen) und in Sachsen (Euba, Leipzig).

Ihre Eindrücke, Erlebnisse und Erfahrungen über Mitmenschen und Orte werden ergreifend beschrieben, wie der frühe Tod beider Eltern, das Kennenlernen ihres Mannes, Friedrich Schad, (Missionar der Leipziger und der Basler Mission), die Vorbereitungen zur Reise nach Indien, die Vorfreude auf die Hochzeit in Madras, sowie die Geburt der 5 Töchter und des Sohnes in Indien.

Die detailreichen Erinnerungen sind somit lebendige und autobiografische Zeugnisse aus der Zeit um die Jahrhundertwende 1900. Sie leisten einen authentischen Beitrag zur protestantischen Missionsgeschichte, zur europäisch-indischen Kulturgeschichte und zur bayerischen, schwäbischen und sächsischen Regionalgeschichte.

Das Buch enthält historische Reiseberichte, Erzählungen zu familiären und kirchlichen Angelegenheiten sowie die Schilderung indischer Besonderheiten, wie Distriktsreisen, Tumult der Brahmanen oder das Verhältnis zu lokalen Stämmen.

Mit einem Vorwort von Prof. Dr. Klaus Fitschen, Theologische Fakultät der Universität Leipzig.

Mit 51 farbigen und 238 schwarz-weißen Bildern.
SpracheDeutsch
Herausgebertredition
Erscheinungsdatum27. Okt. 2016
ISBN9783734558818
Erinnerungen aus meinem Leben: Familienchronik der Leipziger und Basler Missionarsfrau in Indien

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    Buchvorschau

    Erinnerungen aus meinem Leben - Susanna Schad

    Erinnerungen aus meinem Leben

    I. KAPITEL - KINDERZEIT

    In diesem Buche ¹, das mein lieber Bruder Philipp mir als Hochzeitsgeschenk gewidmet hat, will ich niederlegen, was ich mir aus meinem Leben erinnern kann. 24 Lebensjahre habe ich bis jetzt zurückgelegt und mancherlei erlebt, Freud und Leid, Licht und Schatten. In allen Lebensführungen aber habe ich die waltende Hand Gottes erkennen dürfen und Er, der mich bis hierher gebracht, wird auch weiter helfen. Ich schreibe diese Blätter auf indischem Boden, im Missionshaus von Cuddalore.

    Kindheit in Diebach

    Von hier aus lasse ich nun meine Gedanken weiter schweifen, zurück in die Vergangenheit. Die jüngsten Kindheitserinnerungen reichen ungefähr bis in mein 4. Lebensjahr. Ich bin geboren am 11. Mai 1867 im Pfarrhaus zu Diebach bei Rothenburg ob der Tauber in Bayern. Am 20. Mai wurde ich getauft, ich erhielt die Namen Christiane, Susanne, Ottilie. Meine Paten waren Pfarrer Brennhäuser² und Tante Ottilie³. Merkwürdigerweise heiße ich nach keinem meiner Patennamen, sondern kurzweg Anna. Papa nannte mich gerne: Butti, oder Buttle, wohl weil ich als Kind so dick und rund wie ein Butlhühnchen war. Ich soll ein gesundes, stets frisches Kind gewesen sein, das nicht viel Not machte, sondern fröhlich gedieh: ein Sonnenschein des Elternhauses.

    Bis zu meinem 6. Lebensjahr waren wir in Diebach. Ich kann mir noch sehr gut das Pfarrhaus vorstellen, auch den großen Süßapfelbaum und den Blutbirnbaum im Garten. Es waren sonnige Kinderjahre, die wir da verlebten, die Leute im Dorf meinten es auch gut mit uns. Schwach erinnere ich mich auch noch des Berges, der hinauf zur Kirche und Schule führt. In Letzterer wohnten Lehrer Belzens⁴ mit ihrem Töchterlein, dem „Belzens-Mariele. Papa hatte ein Pferd, mit dem er auf sein Filial nach Faulenberg ritt, auch ein Geisle. Eine Kuh stand im Stall und ich erinnere mich heute noch unserer Tränen, als sie geschlachtet werden musste. Eine treue Magd, die „Margaretti hatte alles in ihrer Obhut.

    Liste der Pfarrer in Diebach (Ausschnitt). Foto 2016: D. Schad

    Kirche St. Sixtus Faulenberg. Foto 2016: D. Schad

    In jene Zeit fiel die schwere Krankheit der Mama. Monatelang lag sie am Tode. Nach der Geburt unseres seligen Schwesterchens „Dorothele", brach die Krankheit aus, eine schwere Blutvergiftung. Papa und Tante Ottilie teilten sich in die Pflege. In einer Nacht empfing sie das Heilige Abendmahl und der Papa glaubte, sie nun hergeben zu müssen. Doch schenkte der liebe Gott sie uns von Neuem wieder. Ein Doktor Schnetzer aus Regensburg war rührend treu in ihrer Behandlung. Es müssen unendlich schwere Zeiten gewesen sein. Kaum war die Mama besser, so legte sich erst der Philipp, dann die Tante Ottilie am Typhus, ja wir alle mussten typhöse Fieber durchmachen.

    Der Vater: Dr. phil. Ferdinand Wilhelm Matthäus Weber Widmung auf der Rückseite: Mit innigem Gruß für meinen geliebten Patenjungen Georg (Schad), Großvater von Georg, Großvater der Bettina. Quelle: Familienarchiv Schad

    Alte Pfarrkirche St. Bartholomäus Diebach um 1897

    Quelle: Gemälde aus der Sakristei, gemalt von Pfarrer Hartwich aus Lohr

    Die Mutter: Eintrag 14. März 1842 Caroline Laura Marie Schmid Quelle: Taufregister Leipzig-Wiederitzsch

    Eins erinnere ich mich noch genau. Als Mama am schwersten darniederlag, waren wir Kinder in befreundeten Bauernhäusern untergebracht. Wir waren tagsüber bei den Leuten, am Abend wurden wir heimgeholt, zogen im Hof die Schuhe aus, schlichen die Treppe hinauf in unser Schlafzimmer und morgens war es wieder ebenso. Wir schlichen leise herunter, im Hof zogen wir die Schuhe an und sprangen dann fröhlich davon, nicht ahnend, dass das Leben der geliebten Mama an einem seidenen Faden hing. Doch nach aller Krankheitsnot schenkte Gott wieder gesunde Tage. Als die Mama aufstand, ging sie erst an Krücken, dann an Stöcken. Und als sie endlich auch diese wegwerfen konnte, dachte der Papa daran, endlich seine Pläne auszuführen, Talmud-studienhalber nach Leipzig zu gehen. Hier arbeitete er mit und bei Professor Delitzsch⁵. In diesen Jahren machte er auch eine Reise nach Russland, der Judenmission wegen, die ihm so besonders am Herzen lag.

    Im Jahr 1872 starb Pfarrer Löhe⁶ in Neuendettelsau⁷ und Papa nahm nach langem Widerstreben und Überlegen den Ruf als Löhes Nachfolger⁸ an. Und so schließt dann die Diebacher Zeit im Juli 1872. Es war ein schwerer Abschied von den treuen Diebachern, unter Glockengeläute begleitete das ganze Dorf uns bis an die Grenze.

    Johann Konrad Wilhelm Löhe, Friedrich Meyer

    Quellen: http://diakonissen-neuendettelsau.de/Rektoren.578.0.html

    Umzug nach Neuendettelsau 1872

    Es war ein heißer Julitag, als wir in Neuendettelsau einzogen. Auf dem Eschenbacher Weg kam die Anstalts- und Dorfgemeinde uns entgegen, ihren neuen Pfarrer feierlich einzuholen. Der älteste Konfirmand, Hans Stürzenbaum überreichte einen Blumenstrauß und sagte einen Willkommensvers. Langsam fuhren nun die Wagen im Sonnenbrand den Berg hinauf auf die Höhe von Neuendettelsau. Die Glocken fingen an zu läuten, als wir in das festlich geschmückte Dorf einfuhren. Es waren Ehrenpforten gebaut, Kränze hingen an den Häusern und auch das Pfarrhaus war in festlichem Gewand.

    Pfarr- und Wohnhaus der Familie Weber in Neuendettelsau von 1872-1876 Foto um 1955.

    Quelle: Familienarchiv Hommel/Schad

    Ich erinnere auch nur noch, dass der Papa im Pfarrhof dann eine Rede hielt. Das Pfarrhaus ist ein echtes Pfarrhaus, am Eingang stehen zwei hohe Pappeln, nach der Straße zu ist ein kleines Gärtchen, in dem ein Weinstock steht, der die Front des Hauses überzieht. Der Hof ist schmal und klein. Vom Hof aus tritt man in den Blumengarten, der sich lang und schmal bis zur Scheune zieht und dann ausmündet in einen schönen großen Gras- und Obstgarten, der Schauplatz unserer kindlichen Spiele und Missetaten. Das Haus selbst hatte gerade Raum genug für unsere Familie. Tritt man ein, so ist man im Vorzimmer, wo wir stets aßen. Rechts führt eine Tür ins Wohnzimmer von da in ein Logierzimmer. Auf der anderen Seite war eine Kinderstube und daneben lagen Küche und Speisekammer.

    Ging man die Treppe hinauf, so kam man rechts in ein kleines Stübchen, dann geradeaus in ein Durchgangszimmer, das nach rechts in Papas Studierzimmer, Aktenstube etc. führte und nach links in das Schlafzimmer der Eltern und die Kinderschlafstube. Eine wacklige Treppe führte auf den Boden, wohin wir als Kinder nie ohne Furcht gingen, dort war die Magdkammer und noch weiter oben der Taubenschlag. Dies war das Haus.

    Alte Kirche St. Nikolai und Pfarrhaus Neuendettelsau, Kupferstich zu Löhes Zeiten

    Quelle: Wilhelm Löhes Leben, Band 2, Bertelsmann 1880

    Die Insassen waren beim Einzug folgende: Papa, Mama, Hermann, als Kind „Männe genannt, Mariele, „Masli genannt, Philipp mit dem Beinamen „Lippus, ich als „Buttle und das jüngste, Lisle, auf diebacherisch: s’Liesle. Drei Geschwister hat der liebe Gott in Diebach zu sich genommen, deren Gräber sind dort, Sophie, Joseph und Dorothea. Keines dieser kleinen Geschwister kann ich mich erinnern. Joseph und Dorothele starben ganz klein, Sofieli war ein liebliches 6-jähriges Mägdlein, der Sonnenschein der Eltern. Sie starb in wenig Tagen an der Diphteritis. So waren wir fünf Kinder, mit denen die lieben Eltern in Neuendettelsau einzogen.

    Wie Papa und Mama sich in die neuen Verhältnisse einlebten, weiß ich nicht. Als Kind versteht man ja nicht viel. Jedenfalls aber war das Amt für den Papa sehr aufreibend, die Verhältnisse sehr schwierig, denn da war ja nicht nur die Dorfgemeinde, da war auch die Missionsanstalt und die anderen Anstalten alle, die Löhe gegründet hat. Ich glaube, Papa wollte gerne beide Gemeinden verschmelzen, doch gerade in jener Zeit wurde eine völlige Trennung herbeigeführt, in der Ernennung eines speziellen Seelsorgers für die Anstaltsgemeinde.

    Alte Kirche St. Nikolai in Neuendettelsau

    Quelle: Familienarchiv Johannes Riegler, Neuendettelsau

    Ein hessischer renitenter Pfarrer Friedrich Meyer⁹, unser späterer so geliebter Pflegevater, übernahm das Rektorat über die Anstalten, die von Jahr zu Jahr wuchsen und sich ausweiteten. War es erst ein kleines Mutterhaus mit einigen Tochteranstalten, so entstand nach und nach eine Kolonie, die ein Ganzes für die bildete und notwendig einen speziellen Leiter für sich brauchte. Bald musste auch noch eine Hilfskraft herangezogen werden in der Person des Diakonus Draudt¹⁰, der teils im Amt, teils lehrend an den Schulen seinen Beruf hatte. Wir also waren im Dorf, das Dorf hat seine spezielle Kirche, die Anstalt ihren Betsaal. Papa pflegte seine Gemeinde samt den Filialen, studierte, schrieb Bücher, den Jesajas, die Einleitung zur Heiligen Schrift, die kleinen Betrachtungen und außerdem sein großes Werk über die Jüdische Theologie.

    Doch Gott schickte manches Kreuz. Papas Gesundheit war erschüttert, ein Lungenleiden, das schon in ihm keimte, kam zum Ausbruch. Er hustete Tag und Nacht, hatte Blutstürze, fühlte sich oft recht krank und arbeitete immer weiter in Stille und Demut. Als auch ein Kehlkopfleiden hinzukam und Papa heiser und schließlich ganz stimmlos wurde, musste er nach Reichenhall, dort eine Kur zu gebrauchen. Es war schwer für die arme Mama, den kranken Papa allein reisen zu lassen, denn das Leiden war so schwer und wiederum war es für den Papa schwer wegzugehen, da in kurzer Zeit ein Kindlein ankommen sollte. Doch es war nicht zu ändern. Papa reiste ab und befahl Weib und Kinder der Obhut Gottes. Wir hatten ja in Neuendettelsau auch viele liebe Freunde und getreue Nachbarn, die treu beistanden. So viele sind jetzt tot, der alte Herr Doktor Alt, Frau Pfarrer Sattler, Herr Inspektor Bauer, Frau Professor Lichtenberg, Herr Laible, alle sind heimgegangen.

    Sehr lieb waren Rektor Meyers stets mit uns, Lichtenbergs, Rügers, Schwester Elisabeth von Oldershausen, Schwester Amalie von Stein und eine unserer edelsten Freunde war Tante Borcke¹¹. Wenn wir Kinder zu ihr durften, war es allemal ein Festtag. Auch schön war es, wenn Frau Liesching, eine alte silberweiße Matrone, die beim Postmeister Öchsle wohnte, uns zur Schokolade, oder zum „Kaisertee" einlud. Die alte Frau Professor Lichtenberg, die mit ihrer Tochter Fräulein Mathilde auch in Neuendettelsau lebte, erlaubte uns auch oft, sie zu besuchen. Viele nahmen sich unserer, der allzeit wilden übermütigen Kinderschar an. Wir haben es der armen Mama gewiss manchmal recht schwer gemacht, denn sie war wohl noch schwach von der letzten schweren Krankheit und hatte immer so viel für uns zu tun.

    Die Mutter: Caroline Laura Marie Schmid. Der Vater: Dr. phil. Ferdinand Wilhelm Matthäus Weber Portraits nach Fotografien in Öl gemalt vom Schwager Wilhelm „Willy" Johannes Adolph von Kotzebue

    Quelle: Familienarchiv Hommel/Schad

    Die vielen Beinchen mögen manchen Strumpf zerrissen haben, die vielen Ellenbogen manchen Ärmel durchgewetzt haben und all die vielen Schuhsohlen. Ich weiß es heute noch, wenn die Mama dann immer gleich einen ganzen Henkelkorb zerrissener Schuhe zusammenpackte und zum „Steinmann" schickte. Aber nie war die Mama einmal ungeduldig, oder unwillig, oder hätte uns ein unwilliges Wort gegeben, obwohl wir es gewiss oft verdient hätten! Die Mama steht vor meiner Seele als eine der edelsten Frauen, die in stiller Demut den Weg gegangen ist, den Gott sie geführt hat. Es war ein Weg vom Kreuz zur Krone. Nun trägt sie die Krone. Gott hat sie lange schon ausgespannt und heimgeholt. Ich war 13 Jahre alt, als die Mama die Augen für immer schloss. 13 Jahre ist noch ein Kindesalter, aber doch steht das Bild unserer Mutter als ein leuchtendes Vorbild mir vor der Seele, dem ich nachtrachten möchte, um in ihren Fußstapfen weiter zu wandeln.

    Dr. phil. Ferdinand Wilhelm Matthäus Weber. Fotoreproduktion aus der Kirche Diebach

    Die Mama war furchtbar gut und milde, aber wir hätten gewiss nie gewagt, ihr nicht zu gehorchen. Strafen gab es nur selten. Ich erinnere mich nur an die ernsten Szenen. Einmal galt es, unseren Leichtsinn und Schlamperei ernstlich und exemplarisch zu rügen. Und dann – und das ging nur mich an – war es eine Lüge, die mir die Mama für die Zeit meines Lebens ins Gewissen schreiben wollte. Bei ersterem Sinne fühle ich mich eigentlich nicht schuldig, aber bei einem größeren Geschwisterkreis ist es oft so, dass die ganze kleine Bande für einen mitleiden muss.

    Der Missetäter war wohl der Lippus. Der war wohl 10 Jahre alt und im Alter, wo man Indianergeschichten, Robinsonaden und dergleichen verschlingt. Er hatte einen sehr schönen Robinson¹² und mit dem zog er sich oft und gerne in die entlegensten Örter zurück. Sein Lieblingsplätzchen war im Stall, wo unsere schwarze Geis residierte. Der Stall war groß und geräumig, oft der Schauplatz unserer wilden Spiele. Manche Schütte Stroh diente als Versteck. Hier versenkte sich Lippus in den Robinson und einmal scheint er ihn liegen gelassen zu haben. Die Geis hat sich jedenfalls losgemacht, mit ihren Hörnern im Stroh gewühlt und dabei die Blätter unwissentlich zerzaust. Die Mama fand eines Tages die Fragmente Robinsons bei der Ziege und nun kam die Verantwortung die wohlverdiente Strafe. Wir mussten uns alle in eine Reihe stellen, unsere Hände hergeben und empfingen mit der Birkenrute unsern Lohn. Schön war es aber doch in jener Pfarrscheune, besonders wenn Nachbarskinder kamen und man sich im Heu oder Stroh ein Versteckchen machte.

    Ein anderes Strafgericht, dass nur mich betrifft, ist mir noch lebhaft in Erinnerung. Für mein Leben gerne aß ich Schokolade. Als Kinder wurden wir mit dergleichen nicht verwöhnt. So war es ein seltener Genuss, aber umso höherer. Die gute Frau Liesching besuchte eines nachmittags die Mama und brachte aus ihrem Handtäschchen für jedes Kind ein Schokoladentäfelchen zum Vorschein. Welch ein Jubel! Jeder erhielt das seine, nur Marieles wurde auf einen kleinen Schrank gelegt, bis sie heim von der Schule kam. Es hatte herrlich geschmeckt und schmeckte noch nach mehr.

    Der böse Feind flüsterte mir zu: „Schau die Schokolade nur einmal an. Ich dachte bei mir: anschauen und anfühlen schadet ja nichts, nahm das Täfelein und verschwand damit im dunkeln Vorzimmer. Die anderen saßen in der Kinderstube um den Tisch herum und spielten. Ich stand im dunkeln Vorzimmer, fühlte und fühlte an der schönen Schokolade, endlich dachte ich: einmal beißen schadet vielleicht nicht so viel, vielleicht sieht man es gar nicht. So erlag ich der Versuchung, biss einmal. Aber wer einmal gebissen, oder das Verbotene gekostet hat, tut es gar zu leicht auch zum zweiten Mal. Ich biss und biss und nach kurzer Zeit war die Schokolade einfach disparu. Nun da es geschehen war, schlug aber mein Kinderherz gewaltig. Nun kam auch Mariele heim und wurde begrüßt: „Du kriegst Schokoladentäfele, a ganzes.

    Meine Gefühle! Das Schokoladentäfelchen war aber nirgends zu finden. „Kinder, habt denn ihr die Schokolade genascht? So hieß es nun. Mütterlein wird wohl an Augen, Mund und Händen die kleine Missetäterin sofort erkannt haben. Sie fragte: „Butli, bist dus gewesen? Und, einmal im Unrecht tun drin, ging ich noch den traurigen Schritt zur Lüge weiter und sagte: „Nein".

    Dia Mama muss sehr betrübt gewesen sein. Sie wartete eine Nacht, ob ich selber kommen und gestehen würde. Ich kam nicht. Es wurde mir als Kind namenlos schwer, die Lippen zu öffnen und zu sagen: „Ich war es. Hernach meine spätere Erziehung lehrte michs, jederzeit frei zu sagen: „Ja ich habe Unrecht getan. Die Mama kannte ihr Kind. Sie half mir selbst und zwar auf eine Weise, die fürs ganze Leben sich mir tief eingeprägt hat. Sie sagte kein Wort, nahm die Birkenrute in eine Hand, ihr Kind an die andere und in einer Stube sagte sie mir, dass die schlimmste Sünde das Lügen wäre und dass Eltern das furchtbar strafen müssten. Daraufhin erfolgte die Exekution und daraufhin tiefe Reue und dann zog mich die Mama an ihr Herz und nie wieder kam so etwas vor. So mild unser Mütterlein war, so kannte sie auch heiligen Ernst. Sie hatte ja einen großen Teil unserer Erziehung allein in der Hand. Papa war im Bad und war er daheim, so sollte er nicht betrübt werden, war er doch oft so schwach.

    Geburt des Bruders Friedrich WEBER 1873 in Neuendettelsau

    Im Juli 1873 trat ein wichtiges Ereignis ein. Ich erinnere mich nur noch, dass es am 28. Juli sehr geheimnisvoll bei uns zuging. Frau Rektor Meyer holte uns alle und wir waren den ganzen Tag im Rektorat. Abends mussten wir uns ganz leise in unsere Betten begeben. Von der Mama war nichts zu sehen. Am anderen Morgen kommt der Herr Doktor Riedel zu uns herauf und verkündet: „Der Storch hat euch ein Brüderchen gebracht". Das war eine Überraschung! Natürlich konnten wir es kaum erwarten, bis wir die Wiege und das neue Brüderchen sehen durften, endlich durften wir auf den Fußzehen ganz leise hinein in das dunkel verhängte Zimmer, wo unsere Mama blass im Bett lag und neben ihr die Wiege stand, in der wir eine rosiges Gesichtchen zwischen weißen Bettchen erkannten und in den Schleifen des Wickelbettchens stattliche bunte Zuckertüten. Mit diesen im Arm zogen wir ab und waren in jenen Tagen ganz im Rektorat.

    Eintrag Friedrich Weber 29. Juli 1873.

    Quelle: Taufregister Evang.-Luth. Pfarramt Neuendettelsau

    Die Taufe war bald. Die Mama lag im Fremdenstübchen, das unten neben dem Wohnzimmer liegt und mit dem einen Fenster auf die Straße, mit dem anderen zur „Brunnerei" sieht. So viel ich mich erin nere, hielt die Taufe Inspektor Deinzer¹³, Pate war Herr Rektor Meyer. Nach ihm hieß der Täufling Friedrich. Onkel Edmund¹⁴ war Mitpate. Wie schwer mag der armen Mama die Abwesenheit Papas getan haben!

    Damals verstanden und fühlten wir das ja nicht, aber wenn ich es jetzt bedenke, so mag es manchmal beiden Eltern doch schwer geworden sein. Mit Gottes Hilfe kam die Mama bald wieder zu Kräften. Der Papa kam dann auch bald, aber so viel ich mich erinnere, recht elend zurück. Er hatte in Reichenhall noch einen Blutsturz gehabt und wenig Hilfe gefunden. Daheim freute sich Papa an der neuen Gottesgabe. Friedrich war anfangs ein zartes Kind. Er litt viel an Nasenblutungen, die ihn sehr schwächten.

    Ich glaube, in jener Zeit war Babette Steinmeyer¹⁵ – die nun auch schon gestorben ist – die treue Stütze der Mama. Sie war damals noch ein junges Mädchen und wir waren, glaube ich, oft recht ungezogen. Wir sollten ihr Schleißen zum Feueranzünden machen und drückten uns stets. Lippus, dessen Sache es war, machte lieber Räuberhöhlen, kleine Häuschen unter den Akazienbäumen hinter der Scheune, wo wir dann bei ihm wohnten. Sehr inventiös rammelte er Pfähle in die Erde, hing die Decken, die am Sonnabend als Schutz in die gefegten Stuben gelegt wurden, darüber, stellte die Kindermöbel hinein und so gab das ein herrliches Haus. Vollkommen war der Genuss, wenn es auch was zu schnabulieren gab, wenn z. B. der Nachbar Brunner uns eine Bodenrübe oder eine andere essbare Feldfrucht über den Zaun herüberwarf. Der Lippus bastelte immer. Er grub z. B. Brunnen, ganz regelrechte Ziehbrunnen. In die Erde machte er ein tiefes Loch, oben baute er ein kleines Gerüst und befestigte an einer Schnur ein leeres steinernes Wichstöpfchen. Erst wurde nun Wasser in das Loch gegossen und nun wurde das Töpfchen hinuntergelassen, mit spannender Erwartung verfolgt, bis es mit seinem lehmigen Inhalt wieder oben erschien. Doch nicht nur solche Streiche machten wir, wir mussten ja auch etwas lernen.

    Hermann, unser ältester lieber Bruder war auf der Lateinschule in Windsbach. Windsbach ist 1½ Stunden von Neuendettelsau entfernt und hat eine sehr segensreiche Anstalt, das „Pfarrwaisenhaus". Dort finden die Söhne von Pfarrern und Beamten Aufnahme, leben unter Aufsicht eines Inspektors und besuchen Real- und Lateinschule. Pfarrwaisen finden dort völlig kostenlose Aufnahme. Dort also war Hermann.

    Pfarrwaisenhaus Windsbach nach einem Stahlstich von 1840

    Quelle: https://commons.wikimedia.org/wiki/File:Pfarrwaisenhaus_Windsbach_(1840).jpg

    Mariele besuchte die Anstaltsschulen. Die Anstalten haben eine höhere Töchterschule, wo die Töchter aus Pfarrhäusern und höheren Ständen eine einfache gediegene geistliche Erziehung und Schulbildung genießen. Vom 7. bis 17. Lebensjahr sind Klassen eingerichtet. Mariele also lernte hier. Lis und ich waren noch zu dumm. Philipp hatte teils mit uns beiden Unterricht, teils beim Papa. Unsere Lehrerin war mehrere Jahre lang eine gewisse Tante Ida. Diese Tante Ida war damals wohl ein junges Mädchen von 25 Jahren und lebte mit ihrer Mutter, einer verwitweten Frau Pfarrer Rüger uns gegenüber beim „Bischoff".

    Alle Tage hatten wir unsere Stunden: Lesen, Rechnen, Schreiben, Biblische Geschichte. Wir waren eine zahlreiche Gesellschaft. Mit uns saßen noch zu Tante Idas Füßen die „Doktors Buben, die Söhne des Anstaltsarztes, Dr. Riedel, Fredi, Rudi und Mundi, unsere Gefährten im Arbeiten und Spielen. Jetzt sind Fredi, Rudi und Mundi bereits Assistenzärzte, Philologen und dergleichen Größen. So geht eben die Zeit dahin. Wir verdanken aber viel der Treue dieser Tante Ida. Sie machte uns Lust zum Lernen, pflanzte in uns auch Sinn zum Gesang, machte mit uns Spaziergänge in Felder und Wälder und da trillerten wir mit den Vöglein um die Wette. „Alle Vögel sind schon da und all die schönen Lieder.

    Gründung der Diakonissenanstalt Neuendettelsau 1854

    Quelle: Zentralarchiv Diakonie Neuendettelsau

    Außerdem hatten wir noch eine alte gute Tante, die ehrwürdige Fräulein Auguste von Funk. Dieses alte Dämchen genoss abwechselnd die Gastfreundschaft bei uns, dann wohnte sie wieder bei Lichtenbergs, oder Tante Borcke, dann verschwand sie wieder für etliche Jahre, bis sie endlich im stillen Hafen des Pfleghauses in der Diakonissenanstalt einlief, wo sie vor wenigen Jahren als kleines Fünkchen auslöschte. Diese Tante Auguste ließ uns oft zu sich kommen. Bei ihr lernten wir „stille sitzen". Wir mussten stricken, Stramin¹⁶ sticken, Taschentüchle säumen, Perlen zählen und aufreihen und all dergleichen.

    Töchterschule, Anstaltskirche und Diakonissenhaus in Neuendettelsau

    Quelle: Wilhelm Löhe. Ein Lebensbild. Zur 100. Wiederkehr seines Geburtstages von Pfarrer Friedrich Lindner. Nürnberg 1908. Kommissionsverlag der Buchhandlung des Vereins für innere Mission

    Eine besondere Vorliebe hatte sie für Lippus und „Klein Luschchen", die Lis, die manchmal ein herziger possierlicher kleiner Kerl gewesen sein mag. Philipp musste auch tüchtig sticken und Perlen aufziehen. Manchmal fand sich auch im Ofenrohr ein Schokoladenplätzchen, oder im Strickbeutel ein antikes Stückchen Zucker! Am stillsten saßen wir, wenn Tante Auguste vorlas, ich erinnere mir noch den Robinson. Es war uns so rührend, als er das Lamm fing und das kleine Lämmchen von allein seiner Mutter nachlief.

    Eine Schreckensszene weiß ich noch genau. An einem Freitagvormittag saßen wir emsig zusammen, die anderen um einen ehrwürdigen runden Tisch, ich auf einem Fußbänkchen am Sofa, um am Polster meine Säumerei anstecken zu können. Die Saumstichelchen wollten gar nicht so werden, wie sie sollten. Der Faden wurde schwarz und die etwas langen Stiche nannte die gestrenge Tante rundweg „Läuse. Da fing das Anstaltsglöckchen an, Sturm zu läuten. Wir alle flogen in die Höhe, das Tantchen wackelte hinter uns drein ans Fenster, da schlugen helle Flammen aus dem Waschhaus der Anstalt. Es war ein großes Gebäude mit Trockenhaus, der ganze Dachstuhl stand in Flammen, dazu war trocknes Wetter. Da ereignete sich etwas, was sich meinem Kinderherzen tief einprägte. Wir sahen, wie alles so angstvoll zusammenlief, wie Männer auf das Dach kletterten, der Zapfer wäre fast zu Schaden gekommen. Da sagte Tante Auguste: „Kinder, wir können nicht löschen helfen. Da wollen wir wenigstens den lieben Gott bitten, er möchte regnen lassen. Wir beteten zusammen um Regen und es dauerte nicht lange, da fing es ganz sachte an zu tröpfeln und es kam ein großer Regen, in einigen Stunden war auch das Feuer schon aus. Dies hat sich in mein Kinderherz tief eingegraben.

    Die Mama war gewiss recht froh, wenn sie uns manchmal ein wenig los war, denn daheim hatte sie das kleine Brüderlein, der Papa war viel leidend und brauchte Mamas Hilfe und Pflege. Dazu kam noch etwas Besonderes, was auch der Mama viel Mühe und Arbeit machte. Papa, dessen ganze Liebe die Judenmission war, hatte ein Proselytenstift¹⁷ eingerichtet. Mehrere Juden, meist junge Männer, hatte Papa unter seine seelsorgerliche Leitung genommen. Ich glaube, sie waren aus Russland, einer hieß Rabinowitsch, ein anderer Seemann. Beim Krämer Bischoff waren Zimmer gemietet und für sie eingerichtet, da lernten und studierten sie. Zum Essen kamen sie ins Pfarrhaus. Ich erinnere mich ganz dunkel, dass wir eine lange Tafel immer bildeten beim Essen, wir saßen da im oberen Vorzimmer. Da stand ein langer Tisch, außerdem das Klavier und darüber hing das große Ölbild, das Heilige Abendmahl darstellend. Wir Kinder spielten gerne mit den Herren, die neckten uns gerne. Ich weiß noch, ich hatte eine Puppe mit einem bloßen Stoffbalg, sie bestand nur aus Kopf, zwei Armen, alles andere war eins. Da ich keine Kleider für die Unglückspuppe hatte, schrieb einer der Herren auf den armen Balg eine kleine Geschichte.

    Es existierte damals ein richtiges Proselytenkomitee, Frau Pfarrer Pöschel und Tante Borcke waren Papas treuste Stützen hierin. Auch junge Mädchen waren da, ich glaube zwei Schwestern Valentin. Die wurden in der Industrieschule erzogen, Papa gab ihnen Taufunterricht und in der Anstaltskapelle wurden sie getauft. Es war ein feierlicher Moment, als die Täuflinge in weißen Kleidern am Tauftisch standen. Schwester Lina Bösbier und Schwester Therese Stählin¹⁸ waren Taufzeugen.

    Diakonisse Therese Stählin

    Quelle: http://diakonissen-neuendettelsau.de/Leiterinnen-der-Diakonissen.579.0.html

    Ein tiefer Schmerz war es für Papa, als eines Tages die Juden kamen und die Mädchen wegholten, ich hörte später einmal, sie seien nicht treu geblieben. Große Freude hatte Papa an einem Geschwisterpaar Pager. Paul, ein echter Judenjüngling und seine Schwester Bertha, ein zartes Mädchen. Paul wurde mit uns, speziell mit den Brüdern erzogen, im Waisenhaus in Windsbach besuchte er die Lateinschule, die Ferien brachte er bei uns zu. Bertha war in der Anstalt Schülerin und besonderer Schützling der Tante Borcke. Auch jetzt noch steht sie zu ihr wie zu einer Pflegemutter. Ich sehe sie heute noch, wie sie am Konfirmationstag so lieblich aussah mit dem Rosenkränzchen auf dem rabenschwarzen Haar. Papa hatte die Freude, beide zu konfirmieren, Jetzt sind beide tüchtige Menschen geworden, Bertha ist stellvertretende Hausfrau in einem adligen Haus in Kischineff. Paul ist angestellter Arzt in Südrussland und schon verheiratet. Beide gedenken der seligen Eltern in dankbarer Liebe. Dies war die Proselytenepisode.

    Papas Leiden nahm einen wehmütigen Fortgang. Neben dem Lungenleiden kam auch noch ein Kehlkopfleiden dazu, die Stimme wurde schwächer und schwächer und verschwand endlich ganz. Da musste, da die Not groß war, endlich ein lang ausgedachter Plan in Erfüllung gebracht werden. Papa sollte Hilfe suchen in den milden Lüften Italiens. Eine Kur in Meran und Pallanza war die letzte Hoffnung. Die Schwäche war aber schon so, dass die Mama unbedingt mitreisen musste, um wenigstens den Papa hinzubringen. Wir Kinder blieben wieder daheim im Schutz der Tante Ottilie, ich weiß es nimmer genau. Die Reise muss sehr beschwerlich für die armen Eltern gewesen sein. In eisiger Kälte fuhren sie im Schlitten über den St. Gotthard. Die Mama hatte sich aber nur für italienisches Klima vorgesehen, fror furchtbar, da gab ihr der barmherzige Kutscher seinen dicken Mantel. Als der Papa glücklich im Süden ein wenig sich eingelebt hatte, kam die Mama zurück zu ihrer Kinderschar und brachte Datteln und Knackmandeln und Rosinen mit. Dem Papa tat das Klima gut, es wurde etwas leichter, der Hals wieder freier. Ich glaube auch in Venedig war er. Zur Nachkur war er glaube ich in Cannstatt bei einem Herrn von Wintzingerode. Einmal war er auch in Boll, dann in Völkershausen bei der uns befreundeten Familie von Stein.

    Alles dies ist mir nur noch nebelhaft in Erinnerung, ich schreibe es auf, wie ich mich erinnere. Die Data sind mir unklar, aber hier im fernen Indien kann ich niemand befragen und so muss ich schreiben, was ich und wie ichs weiß.

    Geburt des Bruders Johannes WEBER 1875 in Neuendettelsau

    Im Juli 1875, es war am 18., kam abermals der Storch und brachte ein zartes Knäblein, den Johannes. Diesmal war der Papa aber da. Die näheren Umstände weiß ich nimmer, nur die Zuckertüten im grünen Glanzpapier sind mir in Erinnerung geblieben. Diesmal taufte Papa sein Söhnlein selbst. Frau Professor Lichtenberg war Patin. Fritz wurde im Haus getauft, Johannes in der Kirche. In einem langen Zug zogen wir in die Kirche, wir Kinder in weißen Schürzchen durften alle um den Taufstein stehen. Als wir aus der Kirchtür traten erscholl vom Kirchturm Posaunenklang. Die Posaunenbläser spielten sehr schön: „Wie herrlich ists, ein Schäflein Christi werden".

    Wie herrlich ists, ein Schäflein Christi werden und in der Huld des treusten Hirten stehn! Kein höh'rer Stand ist auf der ganzen Erden, als unverwandt dem Lamme nachzugehn.

    Wie herrlich ists, ein Schäflein Christi werden

    und in der Huld des treusten Hirten stehn!

    Kein höh'rer Stand ist auf der ganzen Erden,

    als unverwandt dem Lamme nachzugehn.

    Was alle Welt nicht geben kann,

    das trifft ein solches Lamm bei seinem Hirten an.

    Hier findet es die immergrünen Auen,

    hier wird ihm stets ein frischer Quell entdeckt.

    Kein Auge kann die Gaben überschauen,

    die es allhier in reicher Menge schmeckt.

    Hier wird ein Leben mitgeteilt,

    das unvergänglich ist und nie vorübereilt.

    Doch dies ist nur der Vorschmack größrer Freuden;

    es folget nach die ew'ge Seligkeit.

    Dann wird der Hirt die Seinen herrlich weiden,

    wo frischer Lebensstrom das Wasser beut.

    Da siehet man erst klar und frei,

    wie schön und auserwählt ein Schäflein Christi sei.

    Melodie: Christian David Friedrich Palmer, 1811-1875

    Text: Johann Jakob Rambach, 1693-1735

    Eine wunderschöne Einrichtung in Neuendettelsau sind die Posaunenchöre. Da haben sich mehrere christliche Männer vereint und einen Bläserchor gebildet. An Festtagen spielen sie in der Kirche, bei Hochzeiten, bei Begräbnissen und bei besonderen Gelegenheiten werden sie immer gebeten. Am Vorabend von Papas Geburtstag kamen die regelmäßig und spielten schöne Choräle. Also zu Ehren des kleinen Täuflings spielten sie auch. Hansel, so hieß er kurzweg, machte in den ersten Jahren viel Sorgen und Mühe. Er war ein holdes blondes Bübchen aber blass und schwach und seine Glieder zu zart. Papa liebte ihn ganz besonders.

    Eintrag Johannes Weber 18. Juli 1875.

    Quelle: Taufregister Evang.-Luth. Pfarramt Neuendettelsau

    So blühte der Kindersegen im Neuendettelsauer Pfarrhaus. Die „Pfarrers Kinderle so hießen wir. Am Sonntagvormittag saßen wir mit unsern weißen frisch gestärkten Schürzen gerne am Hoftor auf den zwei Steinen hinter den Pappeln. Kamen dann die Leute aus der Kirche, so mussten wir den Freunden ein „Patschhändle geben und bekamen manches freundliche Wort. Die Lis hatte dann stets ihre schwarze Katze auf dem Arm, ohne die war sie nie zu sehen. Die schwarze Pfarrerskatze war ganz historisch, noch jetzt leben ihre Ururenkel in Neuendettelsau in der treuen Pflege der Rektors Marie.

    Schulbesuch der Brüder in Oettingen

    Die Jahre vergingen. Wir Kinder wurden größer, der Ernst des Lebens trat auch an uns heran. Philipp hatte bei Papa Privatunterricht bekommen und sollte nun auf die Lateinschule kommen. Papa brachte ihn selbst nach Oettingen, wo er im Johannes-Pensionat, das dem Prinzen Salm¹⁹ gehörte, Aufnahme fand. Zu Papas Freude bestand er die Aufnahmeprüfung in die 2. Klasse. Auch Hermann kam in dies Pensionat, das eine Stiftung²⁰ des Prinzen Salm war. 25-30 Knaben konnten in demselben Aufnahme finden, ein Inspektor hatte die Leitung, eine Hausmutter bemutterte das Ganze. Damals war es Frau Pfarrer Pöschel, die Freundin unseres Hauses.

    Oettingen um 1896

    Quelle: Heimatmuseum Oettingen

    Im Prinzen und der Prinzessin²¹, eine edle Christin, hatten Hermann und Philipp freundliche Gönner. Erstere standen dem Papa sehr nah. Die Prinzessin hat ihr Stammschloss in Schillingsfürst bei Diebach, da kam sie mit den Eltern in Berührung und wurde sogar Liesels Taufpatin, Lis heißt nach der Prinzessin Elise. Kam der Papa nach Oettingen, so war er stets Gast des Prinzen. Er hatte mehrere Häuser in der Mühlstraße, eine freundliche Vorstadt des Städtchens. Das Pensionat mit seinem großen Garten gehörte mit zu dem Besitztum.

    Prinzessin Elise zu Hohenlohe-Schillingsfürst (1831-1920)

    Quellen: Fotoreproduktion aus dem Elisenstift Schillingsfürst;

    Schillingsfürst – Ein Heimatbuch, Herausgeber: Stadt Schillingsfürst 2000, S. 440

    Die Brüder also lernten da und wir Mädchen mussten nun auch ernstlich Schule schmecken. Der Privatunterricht bei der Tante Ida genügte nimmer, wir kamen in die Anstalt und begannen in der untersten Klasse. Unsere erste Lehrerin war Schwester Marie von Werder. Sie hat sich redlich Mühe mit uns gegeben, oben auf dem 2. Boden im Musikstübchen. Dies war eigentlich nur Vorschule.

    Dann kamen wir in die kleine Rote Schule²², Mariele schon in die große Rote. Eine treue Schulgefährtin war uns Else Kolb, das einziges Töchterlein einer hessischen Hauptmannswitwe, die uns gegenüber beim Stürzenbaum wohnte. Getreulich holten wir uns Tag für Tag früh ¾8 Uhr ab und wanderten dann mit der Schultasche „hinaus in die Anstalt". Am Rektorat gesellten sich die Rektors Töchter zu uns, wir passten im Alter hübsch zusammen. Clodilde war in Marieles, Gertrud in meiner und Mila in Liesels Klasse. So waren wir immer ein ganzer Zug der hinaus pilgerte und auch manchmal zu spät kam.

    Schloss Schillingsfürst. Foto 2016: D. Schad

    In der Pförtnerei bei der alten, silberweißen Schwester Johanna legten wir in Winterszeit unsere Schneemäntel und Schneeschuhe ab und schlüpften in die warmen Schuhe. Schwester Johanna war immer gut mit uns. Wie oft schenkte sie mir, wenn ich ein Brot oder einen Kipf mitnehmen musste, ein gebackenes „Kränzle. In einem hinteren Gang war die kleine Rote Schule. Hier schwang die gute Schwester Marie Dobbeler – sie ist nun auch abgerufen – den Stab, der manchmal „Wehe hieß. Wir hatten einen tüchtigen Respekt vor der guten Schwester Marie, besonders, wenn sie „Relapaz" versprach. Aber wir liebten sie sehr, denn sie war im Grunde doch sehr lieb mit uns.

    In der kleinen Roten Schule war ich eine ziemlich mittelmäßige Schülerin, Gaben (?) hatte ich stets Note 3, sittliches Verhalten, Fleiß etc. stand immer auf 2. Ich freute mich immer, wenn ich so mit durchkam. In der großen Roten Schule riss dann der Knoten ein wenig, da hielt ich mich straff zu den ersten, die anderen meinten, zu den „Sternen". Luisle Rüdiger, (ich habe nie wieder von ihr gehört) Amalie Hedenus, Molly genannt (ist jetzt Diakonissin) Pauline Herman, sah ich kürzlich in Neuendettelsau und ich hielten fest zusammen und behaupteten die ersten Plätze. Unsere Lehrerinnen waren unerbittlich streng, aber auch rührend gut. So lernten wir denn und gingen in unsere Schulen Tag für Tag.

    Blick auf das Johannes-Pensionat, Mühlstr. 4 stadteinwärts, um 1900 Foto: Richard Hirth.

    Quelle: Fotosammlung Heimatmuseum Oettingen

    Im Garten spielten wir, hatten auch ein Turngerüst. Im Sommer bepflanzten wir unsere Beete, ich baute mit Vorliebe Wicken und Bohnen an. Die Bohnen wurden dann weich gekocht, von der Mama ein Tröpfchen Essig gebettelt und dann schmeckte es köstlich. Gegenüber dem Pfarrhaus war damals die Industrieschule. Ungefähr 30 junge Mädchen wurden da häuslich und praktisch erzogen. Durch den Gartenzaun hindurch hielten wir gute Freundschaft mit Schwester Lina Bösbier, die leitende Schwester.

    Auf der anderen Seite des Pfarrhauses war der Bauernhof vom alten Brunner. Die „Brunneri" gab uns immer viel Amüsement, sie holte immer den Kaffeesatz und lieferte uns die Milch. Wir Kinder gruselten uns fast ein wenig vor ihr, sie war eine zu gelungene Frau. Gegenüber wohnte der Konditor Stünzenbaum, mit dem hielten wir auch möglichst gute Freundschaft. Beim Bischof wohnte noch ein altes Dämchen, die Fräulein Schnetten. Die war mit uns Kindern rührend gut, nährte sich selbst von kleinen Handarbeiten und schenkte uns doch zu jedem Geburtstag Törtchen. Bei ihr saß ich oft Stundenlang und lernte Filet stricken. Da machte ich sogar einmal ein großes Bindfadennetz, um es als Schutz gegen die Spatzen über den Weinstock zu spannen.

    Wir hatten viele liebe Freunde in Neuendettelsau und genossen manches Schöne. Welch schöne Stunden waren es bei Tante Borcke! Jetzt, nach fast 20 Jahren gehen die Kinder noch immer gerne zu ihr.

    Umzug nach Polsingen 1876

    Im Sommer 1876 trat für uns eine große Änderung ein! Papa konnte es nimmer machen in Neuendettelsau, er war zu aufreibend für ihn. Die Filiale Reuth, Haag, Wernsbach und dergleichen kosteten viel Kraft und außerdem war es noch mancherlei anderes, was dem Papa nicht gefiel. Er fand eine ganz kleine ruhige Pfarrei in Polsingen bei Oettingen. Hier hoffte er, noch einige Jahre Gott dienen zu dürfen. Der Abschied von vielen in Neuendettelsau mag den Eltern recht schwer geworden sein. Uns Kindern war es nicht zu schwer und ist Kinderart, sich über jede Veränderung zu freuen. Die gute Frau Laible – Laibles wohnten ja auch in Neuendettelsau beim Botenmaier – half der Mama treulich einpacken. Alles kam mit, selbst die schwarze Pfarrkatze sollte mit. Doch die entwischte noch im Dorf, kehrte ins leere Pfarrhaus zurück, wo sie trauernd saß, bis des Rektors Marie sich ihrer erbarmte und sie mit ins Rektorat nahm. Wir also verließen Neuendettelsau, die Kirchenvorstände begleiteten uns bis Triesdorf, wo wir die Bahn benutzten bis Oettingen. Hansel und „Bim", so hieß Friedrich, waren noch sehr klein zum reisen.

    Ich sehe heute noch im Geist, wie in Triesdorf das kleine Hänsle sich vor der Eisenbahn fürchtete, nicht ins Coupé wollte, bis der Papa seinen Stock nahm und Ernst machte. Es war gewiss keine Kleinigkeit, uns Kinder alle zu verladen, dazu auch noch das gewiss zahlreiche Handgepäck. In Oettingen erinnere ich mich, rasteten wir erst teils bei Steinmeyers²³, teils bei Prinzens. Steinmeyers waren schon seit langem mit den Eltern befreundet.

    Historische Ansichtskarte: „Blödenanstalt" Polsingen um 1900

    Es war ein heißer Tag, als wir nach Polsingen fuhren in den blumengeschmückten Chaisen²⁴. Die Kirchenvorstände, der Lehrer mit der Schule kamen uns bis Kronhof entgegen. Am Pfarrhaus stand die Gemeinde, wir stiegen alle aus, die Glocken läuteten, es wurde gesungen und Papa hielt eine Rede. So waren wir dann wieder einmal in andere Verhältnisse versetzt. Wie hat Gott den Papa immer kleiner und kleiner gemacht! Der Geist war so rege und bereit zu großen Taten, aber der arme kranke Leib konnte nimmer folgen. So kam es, dass der Papa solch eine kleine Gemeinde sich wählen musste, um die wenige Kraft, die er noch hatte zu verwerten! In Polsingen war es eigentlich wunderschön, freilich es kamen schwere Zeiten, in diesem Pfarrhaus schlossen sich die Augen beider Eltern für immer.

    Das Haus Löhe stand uns bald sehr nahe. Herr Löhe ist ein edler gediegener Mann und seine Frau ist auch gar lieb und selbstlos. Sie hing furchtbar an Papa und kann jetzt nach 12 Jahren noch Tränen weinen, dass sie ihn nimmer predigen hören kann. Dann ist noch der alte Braun da, ein ehrwürdiger frommer Webermeister, ein Salz und eine Stütze der Gemeinde. Er wurde nach und nach unser lieber Hausfreund.

    Die Anstalt in Polsingen bildet einen Hauptteil der Gemeinde und der seelsorgerischen Tätigkeit. Es ist ein altes großes Schloss, liegt hoch und frei, ringsherum führt der Schlossgraben. Hier wohnen über hundert männliche Blöde in allen Altersstufen, sie werden hier gepflegt und gewartet von Neuendettelsauer Schwestern. Die Oberin ist Schwester Marie Stählin²⁵, eine Freundin der Eltern, sonst sind noch acht Schwestern da. Es war da eine Schwester Adele Cullaz, eine Französin, die war Lehrerin der Blöden, dann eine Schwester Lina Schmidt, jetzt verheiratet, dann Schwester Luise Gursching, jetzt auch nimmer Diakonissin. Diese standen uns am nächsten und hielten treue Freundschaft mit dem Pfarrhaus.

    Unser Leben in Polsingen war gar still und friedlich. Papas Befinden wurde nicht schlimmer, er arbeitete treu weiter in Schwachheit des Leibes. Besonders schriftstellerisch beschäftigte er sich viel. Seine letzte Kraft widmete er seinem großen Werk, die Jüdische Theologie. Er hoffte, Gott werde es ihn noch beenden lassen. 10 Jahre treuesten Studiums und Fleiß hatte er daran gewandt. Mama pflegte treu den kranken Papa und widmete sich uns Kindern. Wir führten eigentlich ein herrliches ungebundenes Leben, wie es eben nur Pfarrkinder auf dem Lande haben können. Früh wurde zeitig aufgestanden, die Zöpfchen geflochten, die gute Mama! Und wir bedachten gar nicht, wie viel sie immer zu tun hatte, außer dem Flechten unserer drei Paar Zöpfe! Dann wurden in der Bäckerei bei Löhes die „Weck" geholt, dann war Andacht und nun mundete das Frühstück herrlich.

    Grabkreuz Wunibald Löhe in Polsingen. Foto 2015: D. Schad

    Um 8 Uhr begann die Schule. Wir drei Mädchen hatten vom Papa Unterricht, mit Wunibald Löhe ²⁶ zusammen. Doch der saß an einem extra Tisch. Es war eine Trennung nötig, da er wie wir immer voller Dummheiten steckten. Papa unterrichtete uns, ich plagte mich immer ganz besonders mit der Grammatik von Bauer. Die Biblische Geschichte mussten wir abends nach Tisch aufsagen. Französisch hatten wir bei Schwester Adele Cullaz. Am Nachmittag wurden die Aufgaben gemacht und nach dem Kaffee begann ein sehr ungebundenes Leben. Wir waren gut Freund mit allen Leuten im Dorf. Auch ganz spezielle Freunde hatten wir, wie z. B. Brauns, Schreiners, Knolls, Gallescheins, Lackers und Kuglers. Besonders schön war es in den Ferien, wenn der Hermann aus Augsburg – er war dort im St. Annakolleg ²⁷ auf dem Gymnasium – und der Philipp aus Oettingen in die Ferien kamen.

    Dann zogen wir auf Streifzüge aus. In der Heidelbeerzeit packten wir ein Wägelein. Dann wurde der kleine Bim, mehrere Krüge, ein tüchtiges Stück Brot hereingelegt und fort ging es für einen halben Tag. Im Walde nun schwelgten wir in den Beeren. Kamen wir mit einer reichen Beute heim, so gab es am anderen Tag Schwarzbeerbrei oder Schwarzbeerkuchen. Diese Wonne! Oder im Herbst erschmeichelten wir uns an bei guten Freunden zum Apfelschütteln und Birnschütteln oder wir fuhren auf dem Leiterwagen mit ins Heu, tollten in den Heuhaufen herum und fuhren dann stolz auf dem hohen vollgepackten Wagen heim. Wir verschmähten auch nicht, auf dem Mistwagen mit aufs Feld zu fahren.

    Besonders interessant war es zur Rübenzeit und Kartoffelernte. Dann zogen wir uns Rüben, schälten sie und verzehrten sie mit Hochgenuss. Oder wir trugen Holz zusammen, machten ein Feuerchen und brieten uns in der Asche Kartoffeln. Nicht gerade sehr reinlich mögen wir dann manchmal nach Hause gekommen sein, doch an unserer Garderobe war nicht viel zu verderben. Für solche Partien wird die Mama die Toilette schon speziell eingerichtet haben. Aber wir gingen immer, wenn auch furchtbar einfach, sauber und niedlich. Sommer wie Winter trugen wir ausgeschnittene, kurzärmlige Kleidchen. Die Bauern begriffen solche Abhärtung allerdings nicht, aber wir fühlten uns äußerst wohl dabei und zerrissen auf diese Weise keine Ellenbogen. Die gute Mama hatte sowieso schon genug für uns zu flicken. Jede Jahreszeit hatte für uns besondere Reize und ganz besonders in Polsingen, wo wir so nah am Wald lebten, genossen wir alles so besonders.

    Schloss Polsingen. Zeichnung von G. Kramer

    Quelle: Wilhelm Löhe. Ein Lebensbild. Zur 100. Wiederkehr seines Geburtstages. Nürnberg 1908

    Im Winter war es das Schlittenfahren auf den Dorfstraßen und den Berg herunter im Schlossgraben, oder das Schleifen auf dem glatten Mühlteich bei Lackers. Eine besondere Freude war es, wenn der gute Herr Löhe dann einmal den großen Familienschlitten anspannen ließ und wir eine Fahrt nach Ursheim oder sonst wohin machten. Kam dann der März, so gab es Schneeglöckchen, die ersten immer zu Mamas Geburtstag. Im April suchten wir im Laubwald die ersten Anemonen und Leberblümchen. Dann kam Ostern mit den Freuden des Eiersuchens. Das machte die Mama immer so ganz besonders sinnig und schön. Dann zogen wir am Nachmittag des 2. Osterfeiertags alle aus auf den „Biberstein", ein alter zum Schloss gehöriger Garten und hier begann nun das Vergnügen. Vater Braun war auch oft mit dabei, er kam stets am Sonntagnachmittag um 6 Uhr den Papa ins Schloss zu führen, wo im Betsaal Gottesdienst war.

    Im Mai kamen dann die Maiblümchen. Nirgends wachsen sie üppiger und schöner als in Polsingen. Mit großen Körben gingen wir da oft aus und, hatten wir besonders viel gefunden, dann wurden sie auch auswärts an liebe Freunde versandt, bei denen es keine so lieblichen Maikinder gab. Im Sommer kamen dann all die Beerenfrüchte, Erdbeeren, Himbeeren, Heidelbeeren in den Wäldern. Im Herbst kamen die Ferienbrüder, die womöglich noch einen Freund mitbrachten, dann ließen wir uns gerne einladen in die Obstgärten der Bauern. Kam dann der kühle Herbst und die Winterabende, mussten wir Mädchen stille sitzen und auch lernen mit Nähnadel und Stricknadel umzugehen.

    So vor Weihnachten luden einige nette Bauernfamilien uns gerne zu sich ein. Es war das ein besondrer Brauch in Polsingen. Wenn die Bauernfrauen auf dem Feld nichts zu tun mehr hatten, wenn sie selbst einmal zum Nähen kamen, dann machten sie sich gerne die Ehre, die Töchter des Herrn Pfarrers zu sich bitten. Wir Maidsches waren zwar noch recht kleine Töchter, aber es war uns eine große Ehre, wenn eine Bauersfrau uns einlud. Wir nahmen dann eine Handarbeit mit und kamen feierlich an. Die Stube war gefegt und mit weißem Sand ausgestreut, der Ofen strömte eine besondere Hitze aus, das Himmelbett mit seinen blumigen Überzügen besonders glatt gestrichen. Der Bauer in weißen Hemdärmeln, die Bäuerin womöglich in einer Sonntagsnachmittagsausgehebändelhaube.

    „Ey nehmens nur Platz, Freile, so begann es. „Was machen denn der Herr Pfarrer und d‘Fra Pfarreri? So ging es weiter. Die Bewirtung war natürlich die Hauptsache. Erst kam Kaffee mit schönem Schmalzgebackenem, oder Kranz oder Gugelhopf. „Et langes fei zu, etz tunkes nur recht ei, nehmes halt mit der Wenigkeit vorlieb". Wir Mädels ließen uns nicht zu sehr nötigen, wir taten den Gaben der guten Leute alle Ehre an. Hatte der Kaffee sich ein wenig gesetzt, dann wurde die Ofenröhre aufgemacht, da stand eine Bratpfanne drin und nun mussten wir auch Fleisch und Würste essen. Dazu wurde der Brotlaib auf den Tisch gelegt und der Bauer holte einen Krug Bier. Gingen wir dann nach Hause, so wurde womöglich noch was eingepackt für die Frau Pfarreri. Das waren Glanzpunkte unseres Kinderlebens. Manchmal wurden wir auch zur „Metzelsuppe²⁸" eingeladen.

    Wenn die Bauern schlachten, dann gibt es ein großes Essen, Kraut und Fleisch und „Wierschtl, „Brotwierschtl. Auch war wohl kein Haus, das nicht von dem Schwein, das es jeden Winter schlachtete, ein Stückchen ins Pfarrhaus gebracht hätte. Die Polsinger waren gute Leute, noch jetzt nach 10 Jahren hängen sie an uns und wir an ihnen. Nahe von Polsingen war Ursheim, im dortigen der uns befreundete alte Herr Pfarrer Volk. Schon damals war er halberblindet, aber doch war er jederzeit bereit, dem Papa zu helfen. Dann eine Stunde von Polsingen entfernt war Völklingen, wo Pfarrer Baists, eine edle liebe Familie, wohnten.

    Dorthin kamen wir manchmal. Herr Pfarrer verstand es so reizend, Kindern Geschichten zu erzählen in seiner hessischen Mundart. Frau Pfarrer, ein zartes feines Frauchen, die Töchter älter als wir, aber sehr nett mit uns. Etwas entfernter war Auernheim wo Köberlins, Heidenheim, wo Stocks, Munningen, wo Polunds Pfarrleute waren. Lauter liebe Häuser, aber der Verkehr war beschränkt, da die Eltern beide ans Haus gebunden waren. Die liebe Schwester Marie Stählin war eine liebe treue Freundin, sie verehrte den Papa sehr und war der Mama oft ein Trost. Auch mit uns Kindern war sie sehr freundlich.

    Geburt des Bruders Otto WEBER 1877 in Polsingen

    Im Juli 1877 trat wieder ein großes Ereignis ein, der Storch konnte uns gar nicht vergessen, auch an die Polsinger Pfarre klopfte er. Mit einem Mal hieß es: „Ihr habt heut Nacht ein Brüderlein bekommen!" Das war wieder eine große Freudenbotschaft für uns. Wenn solch ein Ereignis eintrat, brachte es auch für uns ganz hübsche Abwechslung immer mit sich. Wir müssen eine recht übermütige Bande gewesen sein, wir wurden für die ersten Tage wieder ausquartiert, die guten Löhes bemutterten uns sehr freundlich. Babette Steinmeyer kam, um die Mama zu unterstützen, zu pflegen und zu vertreten. Noch als Mama lag, erlebten wir eine weitere Überraschung.

    Eintrag Otto Weber 28. Juli 1877.

    Quelle: Taufregister Evang.-Luth. Pfarramt Polsingen

    Eines Morgens in aller Morgenfrühe kommt ein altes Dämchen aufs Haus zu. Da war es Tante Clarissa, unsere geliebte 70-jährige Großtante aus Stendal! Diese Überraschung. Als wir hinaufliefen, es dem Papa mitzuteilen, sagte er: „Eher glaube ich alles andere, als dass die alte Tante Claire nach Polsingen kommt. Die Sache war aber so gekommen. Tante Clarissa hatte mit einer befreundeten Familie eine Reise in die Schweiz unternommen. Auf der Rückreise führte der Weg sie wohl über Nürnberg und da sagte sie sich, bin ich den Polsinger Lieben einmal so nahe, dann reise ich auch hin und überrasche sie. Sie fuhr nach Oettingen und, da noch keine Postverbindung existierte, fuhr sie mit einem Müllersknecht auf dessen Mehlsäcken nach Polsingen. Unterwegs unterhielten sich beide, die gute „preußische Tante in ihrem Berliner Dialekt mag das Deutsch des Müllersknechts herzlich schlecht verstanden haben. Das eine bekam sie aber zu ihrem Schreck heraus, dass vor ein paar Tagen ein Bübchen angekommen sei bei Pfarrers.

    Es war späte Abendstunde, als der schwere Müllerwagen in Polsingen ankam, da beschloss die gute alte Tante in der Dorfschenke zu übernachten, um im Pfarrhaus am Abend keine Aufregung zu machen. So kam es, dass sie am Morgen gerade recht zum Frühstück kam. Die Freude des ganzen Hauses war groß. Auch Mama war gottlob wieder so weit, dass sie sich mit uns freuen konnte und Tante Clarissa, ein Stückchen verkörperte Heimat, recht genießen konnte. Es war ein herrliches Beisammensein. Trotz der 70 Jahre war die Großtante mit uns jung, erklimmte auf Hermanns Arm gestützt sogar den Polsinger Berg. Leider reiste sie noch vor der Taufe ab. Die Taufe wurde immer und immer wieder verschoben, da die Eltern hofften, der einzige Pate, Onkel Otto²⁹, würde es ermöglichen können, zu kommen. Die Mama hätte sich gewiss sehr gefreut, sie sah so selten jemand der Ihren. In den früheren Jahren reiste sie manchmal mit einigen von uns heim, aber später ging es immer schwerer.

    In Neuendettelsau waren ganz zu Anfang einmal die Großeltern gewesen, zu Lenis Konfirmation. Der Großeltern jüngste Tochter, unsere Tante Helene³⁰ war ein halbes Jahr vor ihrer Konfirmation bei uns gewesen, erhielt vom Papa den Konfirmandenunterricht, besuchte die Schulen in der Anstalt und wurde in der Dorfkirche konfirmiert. Dazu kamen die Großeltern. Einmal war auch Onkel Otto, der damals noch Reisender war und einmal Onkel Edmund da gewesen.

    Aber in Polsingen war Tante Clarissa der einzige Gast aus dem Norden. Sie reiste ab, auch kein Onkel Otto kam. So war Babette Steinmeyer Ottos Patin. Papa konnte sein Söhnlein selbst taufen, er erhielt den Namen Otto³¹. Wir Geschwister standen wieder rings um den Tauftisch, Löhes und Schwester Marie Stählin waren auch geladen. Für uns Kinder waren das auch immer Festtage, wir hatten nachgerade schon einige etliche erlebt.

    Das Leben ging nun ruhig weiter. Papa arbeitete treu in der immer mehr zunehmenden Schwachheit seines Leibes weiter. Mama erfüllte all ihre vielen Pflichten still und fröhlich als Mutter und Frau des kranken Papas. Doch wir Töchter fingen auch an, der Mama an die Hand zu gehen. Mariele half schon sehr tapfer, sie nahm der Mama völlig die Pflege des zarten Johannes ab. Er war so gar zart und schwächlich und Papa fürchtete immer, er werde gar nicht laufen lernen. Noch mit zwei Jahren rutschte er. Dann aber kam es miteinmal und dann lief er auch mit seinen krummen Beinchen wie ein Wieselchen.

    Ich durfte dem Papa seine kleine Pflegerin sein, ich besorgte das Heizen seines weißen Porzellanofens. Ich wischte Staub in der Studierstube, besorgte, so gut ich mit meinen 11-jährigen Kräften konnte, am Morgen die kalten Abwaschungen. Papa musste am Morgen Brust und Rücken kalt gewaschen und dann frottiert werden. Ich durfte das tun. Und als Papa einmal sagte: „Das Kind tut mir wohl", tat ich all diese kleinen Dienstleistungen mit doppelter Liebe und Freude. Des Nachts schlief ich nebenan im Kabinett, um immer bereit sein zu können. Mama schlief in einem anderen Zimmer mit den Kleinen, damit Papas Schlaf, der schon durch den Husten viel gestört war, nicht zu oft unterbrochen wurde. Die Brüderleins waren ja alle noch klein und oft gab es noch Nachtkonzert. Da stand Mariele der Mama treulich bei.

    Mir ist es für mein junges Leben eine liebe Erinnerung, dass ich Papas kleine Pflegerin sein durfte. Wir alle waren ja noch so kindisch und klein, ahnten nicht, was wir an unseren Eltern hatten und sahen nicht, was doch andere sahen, nämlich, dass Papas Gesundheitszustand immer ernster wurde. Was mag Mama wohl manchmal für sorgenvolle Stunden gehabt haben, wenn sie an die Zukunft dachte! Rings um sie her ein Häuflein unerzogener Kinder, Papas Zustand ein so ernster und sie selbst so angegriffen und schwach oft. Und doch mehrte sich der Kindersegen noch immer.

    Geburt des Bruders Heinrich WEBER 1878 in Polsingen

    Otto war eben ein Jahr alt geworden, da wurde am 30. August 1878 noch ein Brüderlein geboren. Nun war der Kranz, ein Dutzend voll und deshalb erhielt der Kleine den Namen Heinrich Benjamin Egidius³². Gerufen wird er Heinz. Dieser Taufe kann ich mir noch am besten erinnern. Schwester Marie Stählin und Schwester Adele Cullaz waren Paten. In der Kirche bildeten wir Geschwister abermals einen Kranz um den Tauftisch. Hernach waren alle zusammen in der großen Wohnstube unten. Die Taufe war sehr bald, Mama lag noch, sie lag in dem Stübchen neben der Wohnstube. Löhes und der alte Braun waren wie immer die teilnehmenden Freunde. So viel ich mich erinnere, war Tante Ottilie zur Pflege der Mama gekommen.

    Eintrag Heinrich Benjamin Egidius Weber 30. August 1878

    Quelle: Taufregister Evang.-Luth. Pfarramt Polsingen

    So war nun wieder ein Abschnitt eingetreten. Die Kleinen bedurften vieler Pflege, die kränkelten viel, auch Papa wurde in dem nun kommenden Winter leidender denn je. Wir drei Mädchen aber sollten doch ernstlich etwas lernen. Mariele war Ostern vorher vom Papa konfirmiert worden, mit der „Knolls Bäbi und dem „Chullehelen bildete sie eine kleine Konfirmandenschar. Mariele hatte immer noch Stunden beim Papa, auch guten Französisch-Unterricht bei Schwester Adele. Für uns, Lis und mich, genügte aber der oft unterbrochene väterliche Unterricht nicht mehr, es war allerhöchste Zeit, dass wir in geregelte Schulbildung hineinkamen. Es machte sich auch ungeheuer schnell.

    Im Februar 1879, eines Morgens, sagt Papa zu Lis und mir: „Kinder, ich habe mich heute Nacht entschlossen, euch nach Neuendettelsau in die Rote Schule zu tun. Ihr müsst nun tüchtig etwas lernen, ich selber kann Euch nimmer so viel sein als ich möchte. Morgen kommt Herr Rektor Meyer, den will ich bitten, Euch mitzunehmen".

    Noch heute kann ich mirs vergegenwärtigen als ich sprachlos an Papas Bett stand und nicht wusste, was ich sagen sollte. Schnell wurde das notwendigste besorgt und bei allen Freunden im Dorf Abschied genommen und der freundliche Herr Rektor nahm uns als seine Pflegekinder mit. Als solche blieben wir ihm verbunden bis zu seinem Tod. Wir verließen das Elternhaus, nicht wissend, dass wir die Eltern nur noch kurz einmal wieder sehen sollten. Es war dies der Abschluss der Kinderzeit, meiner sonnigen, von Elternliebe erwärmten Kinderzeit und nun begann ein zweiter Lebensabschnitt, mit welchem ich ein neues Kapitel beginnen will und überschreibe es als

    Pfarrhaus und Kirche Polsingen. Foto 2015: D. Schad

    II. KAPITEL - JUGENDZEIT

    Da unser Eintritt in die Rote Schule so unerwartet und mitten im Semester geschah, konnten wir zwar als Schülerinnen, nicht aber als Pensionärinnen aufgenommen werden. Liesel kam in die kleine, ich in die große Rote Schule. In Pension nahmen uns sehr freundlich Laibles auf. Wir schliefen da, tranken früh Kaffee, gingen dann um ½8 Uhr hinaus in die Anstalt, wo wir den ganzen Tag waren. Unter tags waren wir ganz Anstaltsbürger. Am Abend nach Tisch gingen wir dann zu Laibles. Wie gruselten wir beide uns oft, wenn wir den langen weiten Weg so allein machen mussten, wenn es stockfinster war, wenn es regnete, stürmte und schneite! Wie klopften unsere furchtsamen Herzen, wenn wir hinter uns nur das kleinste Geräusch hörten und wie atmeten wir auf, wenn wir die Türklinke von „Botenmeiers" Haus im Finsteren ertappt hatten und nun geborgen im Haus waren!

    Von Anfang Februar an hatten wir gerade noch ein paar recht stürmische kalte Monate zu unsern Morgen- und Abendwegen. Bei Laibles waren wir sehr freundlich aufgenommen, die gute Frau Laible sorgte rührend für uns und unsere Garderobe. Sie hielt alles instand, änderte und nähte selbst unsere Kleider und hat der Mama damit einen großen Liebesdienst getan. In der Schule gefiel es uns. Zuerst mussten wir uns freilich erst sehr an eine so geregelte Schulweise gewöhnen, aber das ging schnell. Wir fanden bald Freundinnen, am innigsten stand ich in der Roten Schule mit „Molly" und mit Pauline. Unsere Lehrerinnen, Schwester Marie de Dobbeler, Schwester Marie Marneburg und Schwester Frida Küchler waren auch immer sehr gütig zu uns. Besonderen Dank schulde ich für alle Zeit der lieben Schwester Marie Marneburg. Sie sorgte wie eine Mutter für uns.

    In den Osterferien durften wir zum ersten Mal „heim". Das war aber eine Freude! Diesmal kamen vier Ferienkinder heim. Von allen Seiten, Augsburg, Oettingen und Neuendettelsau kamen sie an. Es war ein bedeutsames Ostern. Philipp war Konfirmand und Papa, der schwächer und schwächer wurde, hatte sichs vom Herrn erbeten, diesen Sohn noch konfirmieren zu dürfen. Papa versammelte zu diesem Tag noch einmal all seine Kinder um sich. Es war der Sonntag Quasimodogeniti³³. Schon vorher hatten wir unter Mamas Anleitung mit den anderen Konfirmanden die Kirche geschmückt mit Girlanden, Tannenbäumen, Kränzen, Rosen und Lilien. Am Sonntagmorgen streuten wir Schwestern den Weg vom Pfarrhaus bis zur Kirche mit grünem Buchsbaum und Tannenzweigen. Unter Glockengeläuten zogen die Konfirmanden in die Kirche. Papa ging mit seinem Sohn. Es war eine ernste Rede, die Papa an seine Konfirmanden richtete. Einige Worte prägten sich mir fest ein und erschreckten mich. Papa sagte: „Behaltet in Eurem Herzen, was ich euch im Konfirmandenunterricht gesagt habe und wandelt darnach, auch wenn nun bald mein müder Leib im kühlen Grabeskämmerlein ruhen wird".

    Nun gingen mir die Augen auf und ich fing an zu begreifen, dass die Zeit bald kommen könne, da wir Waisen würden. Am Nachmittag versammelte Papa noch einmal im Pfarrhaus alle seine Freunde, den alten kleinen Kreis, Löhes, Brauns, die Schwestern. Man saß wohl in herzlicher Liebe beisammen, allein ein Hauch tiefster Wehmut lag auf allem. Und schließlich sangen wir noch gemeinsam: „Nun lob, mein Seel, den Herrn" bis zum 3. Vers.

    Wie sich ein Vatr erbarmet

    Über sein junge Kindlein klein,

    So tut der Herr uns Armen,

    Wo wir ihn kindlich fürchten rein,

    Er kennt das arm Gemächte,

    Er weiß, wir sind nur Staub,

    Gleichwie das Gras vom Reche,

    Ein Blum und fallends Laub,

    Der Wind nur drüber wehet,

    So ist es nimmer da,

    Also der Mensch vergehet,

    Sein Ende das ist ihm nah.

    Melodie: Heinrich Schütz, 1585-1672

    Text: Dr. Cornelius Becker, Leipzig 1602

    Papa setzte sich selbst ans Klavier, spielte kräftig, sang auch mit und dann hielt er eine tiefernste kleine Ansprache. Er knüpfte an, an die zuletzt gesungene Strophe „also der Mensch vergehet, sein End das ist ihm nah". Er sagte, wie dankbar er sei, dass Gott ihm diesen Freudentag noch geschenkt habe, wo er alle seine Kinder und seine getreuen Freunde noch einmal um sich sehen könnte, aber er wolle es niemanden verhehlen, wie müde sein kranker Leib sei und wie er fühle, dass Gott ihn, den müden Knecht bald

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