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Mein Wunscherbe. Teil 2: Im Land meiner Träume: Eine biografische Liebes-Reise-Dokumentation über die Gründerin der Deutsch-Indischen-Gesellschaft in Hamburg e.V.
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eBook451 Seiten5 Stunden

Mein Wunscherbe. Teil 2: Im Land meiner Träume: Eine biografische Liebes-Reise-Dokumentation über die Gründerin der Deutsch-Indischen-Gesellschaft in Hamburg e.V.

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Über dieses E-Book

Endlich geht die Reise weiter …
Der zweite Teil der spannenden Liebesgeschichte um Lieselotte, Deboo und Hans verspricht viel Gefühl, Herzschmerz und atemberaubende Einblicke ins Land der Träume!

Drei Tage ist Lieselotte nun schon im Zug unterwegs von Bombay nach Kalkutta, wo ihre große Liebe auf sie wartet. Je näher sie der Erfüllung ihres Wunsches kommt, Deboo endlich wiederzusehen, desto größer wird auch die Angst vor einer möglichen Entfremdung. Doch das Wiedersehen der beiden übertrifft alle Erwartungen. Es folgen aufregende Wochen voller Gefühle und Erlebnisse. Der Höhepunkt ist eine gemeinsame Reise durch den Himalaya.
Trotz ihres Glücks mit Deboo fühlt sich Lieselotte durch die vorwurfsvollen Briefe ihres Ehemannes Hans immer zerrissener. Als sie sich schweren Herzens von Deboo verabschieden muss, um ihre Reise durch Indien fortzusetzen, drehen sich ihre Gedanken ständig um den Verlust ihrer großen Liebe und ihre Familie in Deutschland. Die gedrückte Stimmung trübt viele Erlebnisse ihrer Indien-Reise. Von Sehnsucht getrieben, entschließt sie sich schließlich doch noch einmal ihrem Herzen zu folgen und nach Kalkutta zurückzukehren. Eine Entscheidung, die sie nie bereuen wird.

Denn zurück in Deutschland fällt Lieselotte die Gewöhnung an ihr altes Zuhause schwer und ein schreckliches Ereignis ereilt die Familie. Wird Lieselotte Deboo je wiedersehen?
SpracheDeutsch
Herausgeberacabus Verlag
Erscheinungsdatum15. Apr. 2011
ISBN9783862821051
Mein Wunscherbe. Teil 2: Im Land meiner Träume: Eine biografische Liebes-Reise-Dokumentation über die Gründerin der Deutsch-Indischen-Gesellschaft in Hamburg e.V.

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    Buchvorschau

    Mein Wunscherbe. Teil 2 - Dietlinde Hachmann

    VORWORT

    Ich habe das Buch „MEIN WUNSCHERBE" geschrieben, um das Andenken und das Schicksal von drei Menschen zu ehren, nämlich das meiner Mutter Lieselotte, meines Vaters Hans und das Onkel Deboos, den ich selbst leider nie kennen gelernt habe. Er entstammte einer indischen Brahmanenfamilie und studierte gemeinsam mit meiner Mutter in Schottland. Später wurde er in Kalkutta, Indien, angesehener Leiter des berühmten, riesigen Botanischen Gartens.

    Außerdem habe ich es geschrieben, damit meine Geschwister und unsere Kinder davon erfahren, welch außergewöhnliches Leben unsere Eltern, ihre Großeltern, vor allem aber ihre Großmutter, gelebt haben, denn Frauen gingen im Jahre 1938 normalerweise nicht ins Ausland, um zu studieren, und die Wenigsten von ihnen hatten die Gelegenheit, sich in einen Inder zu verlieben.

    Aber ich will der Reihe nach erzählen.

    1938 lernte meine Mutter Lieselotte, als 19-jährige Studentin, in Schottland einen indischen Studenten kennen. Es war Liebe auf den ersten Blick – und das von beiden Seiten. Der Krieg trennte die Beiden jedoch, noch bevor „es richtig angefangen hatte. Zurück in Deutschland erlebte Lieselotte die mannigfachen Schrecken des Krieges und heiratete schließlich Hans. Bis 1951 bekamen sie vier Kinder. Ihrem Mann hatte meine Mutter vor der Hochzeit von der Liebe zu dem Inder, der Liebe ihres Lebens, erzählt. Da er sich jedoch unsterblich in sie verliebt hatte und wahrscheinlich nicht damit rechnete, dass sich Lieselotte und dieser Inder je wieder begegnen würden, machte er ihr ein folgenschweres Angebot: Sollte Lieselotte „ihren Inder wiedersehen und feststellen, dass sie ihn immer noch mehr liebte als Hans, dann würde er sie freigeben.

    Jahre vergingen. Die Familie fand sich zwar nach der Flucht vor den Russen wieder, sie hatte jedoch die gesichert scheinende Existenz und das vertraute Zuhause verloren. Sie kämpfte ums Überleben. Dieser Kampf ging nicht spurlos an dem Paar vorüber. Als sich das dritte Kind ankündigte, spürten sie beide keine Freude darüber, sondern machten sich gegenseitig Vorwürfe.

    Zudem hatte sich Hans der Entnazifizierung durch die Briten entzogen, wodurch es für ihn fast unmöglich wurde, so eine adäquate Anstellung wie vor dem Krieg zu bekommen, um den Unterhalt der Familie zu gewährleisten. Schließlich erhielt er aber die Chance, sich als selbständiger Vertreter einer Bausparkasse zu bewähren, womit sich die Familie über Wasser halten konnte, und das Leben scheinbar wieder lebenswerter wurde. Die Tatsache, dass Lieselotte ein viertes Mal schwanger wurde, stürzte sie, und damit die Ehe, in eine tiefe Krise.

    Aus dieser depressiven Situation entkam sie erst nach der schweren Geburt ihrer jüngsten Tochter, und nachdem das Schicksal sie junge, indische Studenten kennen lernen ließ, die sich in Deutschland sehr einsam und allein fühlten, was sie sehr gut nachvollziehen konnte. In den fünfziger Jahren gab es in Hamburg und Umgebung nur eine unerhebliche Anzahl von Indern. Sie wollte diese Wenigen zusammenführen und sie mit anderen deutschen Familien in Kontakt bringen, um ihnen damit Wärme, Nähe und Vertrautheit zu geben und ihnen zu vermitteln, dass sie sich in Deutschland wohlfühlen könnten. Das war der Anstoß zur Gründung der Deutsch-Indischen Gesellschaft.

    Durch die Organisation von verschiedenen Veranstaltungen für die Studenten und deren Familien kam sie in Kontakt mit dem indischen Generalkonsul in Hamburg und dem indischen Botschafter in Bonn, die ihre Pläne stets unterstützten. Gleichzeitig war sie erfüllt von dieser Aufgabe und suchte nach immer neuen Herausforderungen. Die Liebe zu Indien wuchs und damit auch die Erinnerung an ihren indischen Freund Deboo.

    Einer Eingebung folgend wusste sie plötzlich, an wen sie sich wenden musste, um seine Adresse in Indien zu erfahren. Nach Wochen des Wartens hielt sie seine überglückliche Antwort in den Händen. Daraufhin entstand ein reger Briefwechsel, in dessen Verlauf die Sehnsucht nach der Jugendliebe immer größer wurde. Lieselottes Ehe bestand mehr oder weniger nur noch auf dem Papier. Gemeinsamkeiten gab es fast ausschließlich durch die Deutsch-Indische Gesellschaft. Kinder und Haushalt wurden „nebenher" versorgt.

    Hans bemerkte zu spät, dass er eine Wende hätte herbeiführen können, und dass es ihm vielleicht an Verständnis mangelte, um seine Frau nicht gänzlich zu verlieren. Er spürte nur das Glück, das sie jedes Mal ausstrahlte, wenn wieder ein Brief aus Indien angekommen war. Schließlich sprachen sie miteinander und er erinnerte an sein Versprechen von einst: Er würde sie freigeben, wäre ihre Liebe zu Deboo größer als zu ihm. Um das festzustellen, ermöglichte und erlaubte er ihr die Reise nach Indien.

    Keine zwei Wochen bevor das Schiff, mit Lieselotte an Bord, nach Bombay ablegte, besuchte der indische Ministerpräsident, Jawarhalal Nehru, die Stadt Hamburg. Als Präsidentin der Deutsch-Indischen Gesellschaft hatte sie die Gelegenheit, ein sehr privates Gespräch mit ihm zu führen. Nehru verabschiedete sich herzlich von ihr mit dem Versprechen, sie würden sich in Delhi noch einmal begegnen.

    Sie war 37 Jahre alt, als sie von Hamburg mit dem Zug nach Genua aufbrach, um an Bord der „Victoria" nach Bombay zu reisen. Dort wurde sie von Wilhelm von Pochhammer erwartet, dem deutschen Generalkonsul.

    Sie wohnte bei einer sehr reichen Familie an dem legendären Marine Drive in Bombay. In langen Briefen berichtet sie Hans von einer Hochzeit, die unvorstellbar schien. Derart viel Geschmeide und Kostbarkeiten hatte Lieselotte noch nie gesehen. Aber sie erzählte auch von Einladungen, dem alltäglichen Leben reicher, indischer Familien und natürlich von vielen interessanten Sehenswürdigkeiten.

    Ausführlich wird darüber im Buch:

    „MEIN WUNSCHERBE.

    Band I: Zwischen zwei Welten

    Eine biografische Liebes-Reise-Dokumentation über die Gründerin der Deutsch-Indischen-Gesellschaft in Hamburg e.V.",

    ISBN 978-3-941404-12-0

    das 2010 im ACABUS Verlag in Hamburg erschienen ist, berichtet.

    LIESELOTTES REISE DURCH INDIEN – 1956

    Aus Lieselottes Tagebuch I – September 1956

    Im Zug unterwegs von Bombay nach Kalkutta, Freitag, 21.09.1956

    Seit zirka vierzehn Stunden befinde ich mich in der Bahn. Momentan hält der Zug, sodass ich diesen kurzen Aufenthalt zum Schreiben nutze. Die Zeit reicht aber nur für kurze Schilderungen darüber, was draußen vor sich geht.

    Der Himmel ist bedeckt, noch ist es nicht heiß. Ich sehe kleine Ansiedlungen, niedrige Hütten, manchmal aus Lehm oder auch weiß getüncht. Kleine und größere Kuhherden, die Tiere sind ziemlich knochig. An den Brunnen holen Leute Wasser, sie stehen auf dem Rand und ziehen den Eimer an einem Strick heraus. Vom Monsun sind überall noch Rinnsale zu sehen. Oft sitzen Frauen an den Pfützen mit einem Häufchen Wäsche, das sie auf einem Stein waschen. Dabei schlagen sie das Wäschestück, das beinahe zu einem Strick zusammengedreht ist, dauernd darauf. Die Landschaft ist flach, beinahe wie an der Elbe, mit kleinem Gebüsch, meist Palmengesträuch.

    Wir erreichen Nagpur. Auf dem Bahnhof herrscht viel Betrieb. Meine drei Mitreisenden, ein indisches Ehepaar und ein Bekannter von ihnen, haben soeben eine Menge Verwandte im Abteil empfangen. Diese brachten unter anderem Riesenportionen Obst mit.

    Die Begrüßungszeremonien waren interessant. Die jüngeren Leute verbeugten sich bis auf die Erde, bzw. bis zu den Füßen der Frau, die wiederum dasselbe, wahrscheinlich bei ihrer Mutter oder ihrem Vater, tat. Die anderen Frauen umarmten sich von links nach rechts. Bei der Begrüßung gab es Tränen und auch beim Abschied sind die Inder, wie ich feststellte, sehr gerührt.

    Die Dame, die äußerst hässlich war, hockte auf dem Sitz, der Kopf war bedeckt und sie schaute aus dem Fenster. Während sich die Männer lebhaft unterhielten, sagte sie kein Wort. Nur wenn ihr Mann etwas von ihr forderte, sprach sie. Die beiden Herren haben gestern Abend auf dem Boden des Zuges gesessen und unentwegt Karten gespielt, das in Indien übliche Mittel, um sich die Zeit zu vertreiben. Heute Morgen haben sie gefrühstückt, die Frau bekam aber nichts ab. Wahrscheinlich mag sie nur ihr selbst zubereitetes Essen, welches sie, zur Wand gekehrt, dann gelegentlich verzehrt. Die Morgenstunden hat sie größtenteils mit dem Zubereiten von „Pan" – Betelnuss in Blättern – zugebracht.

    Ich habe „Pan" am ersten Abend in Bombay probiert, aber noch keinen besonderen Geschmack daran gefunden. Es soll allerdings gut für die Verdauung sein.

    Das Abteil sah wie ein Kramladen aus, so viele Körbe, Pakete und Geschirr führen die Drei mit sich. Zur Lunchtime wurde ein Tuch auf dem Boden ausgebreitet und das Geschirr darauf gestellt. Als Teller benutzten sie aus vielen kleinen Blättern zusammengesteckte, etwa tortenbodengroße Platten. Das Essen wurde darauf gefüllt und dann ging es los. Anschließend wurden diese Blatt-Teller einfach weggeworfen. Sie haben mindestens drei Diener bei sich, die gelegentlich kamen und zum Beispiel für frisches Wasser sorgten. Sie reisten allerdings im Abteil für Diener (servants compartment).

    Der Eine erhielt sein Essen auf Zeitungspapier bereitet. Ich hätte nichts heruntergebracht, er aber aß mit Herzenslust. Gott sei Dank verließ die Reisegesellschaft gegen fünf Uhr das Abteil, da sie am Ziel angelangt war.

    Von da an hatte ich das Abteil für mich und habe es mir entsprechend gemütlich gemacht. Zur Nacht bin ich in das obere Bett umgezogen, da die Fenster und Türen undicht sind und es entsetzlich zieht. Oben sind keine Fenster, so stört also während der Nacht die Helligkeit der Bahnhöfe nicht. Die Türen habe ich von innen verriegelt, so fühle ich mich allein ganz wohl. Die Ventilatoren habe ich auch nicht angestellt, da in der letzten Nacht alle vier liefen und das Ergebnis der ersten Eisenbahnnacht in Indien eine handfeste Erkältung war. Demzufolge bin ich in der zweiten Nacht vorsichtiger.

    Am Abend erlebte ich ein heftiges Gewitter. Es war trotzdem schön, die hellen Blitze am dunklen Nachthimmel zu betrachten. Vom Donner hörte man nichts, da das Rattern des Zuges jeglichen Lärm von außen verschluckte.

    Auch in der zweiten Eisenbahnnacht habe ich nur wenig geschlafen und war um fünf Uhr bereits hellwach. Eine halbe Stunde später wurde der Morgentee gebracht mit zwei Scheiben Toast und Butter, es kostete elf Annas. Am ersten Tag habe ich mir drei Mal Tee bestellt, denn Essen wollte ich nicht haben. Es ist zwar nicht teuer, aber es war mir im Abteil nicht sauber genug. Jetzt erst habe ich den Rest der deutschen Schokolade und von den Keksen gegessen, die ich von zu Hause mitgenommen hatte. Sie sind noch ganz hervorragend.

    Da wir um sechs Uhr dreißig in Kalkutta ankommen sollen, habe ich meine Bettrolle zusammengepackt. Viel zu früh, wie sich herausstellte, denn der Zug hatte alles in allem drei Stunden Verspätung.

    Über Nacht hatte sich die Landschaft kolossal verändert. Die Dörfer sahen viel sauberer aus. Aus Lehm gebaut und mit Palmwedeln gedeckt, umgeben von Bäumen und Palmen. Es sah recht romantisch aus. Hier habe ich keine der vielen Schweine gesehen, die überall herumliefen als wir die Gegend zwischen Nagpur und Raipur durchfuhren. Die Schweine haben Ähnlichkeit mit unseren Wildschweinen, in Gestalt und Farbe,– ich mag sie nicht gern sehen. Hier in diesem Landstrich – ob es schon Bengalen ist? – steht viel Land unter Wasser. Die Reisfelder sehen sauber und ordentlich aus und es wirkt oft sehr idyllisch mit dschungelartigen Wäldern an beiden Seiten.

    Zum Schluss werde ich nun aber doch ungeduldig, denn es ist bereits neun Uhr und noch immer keine Howrah-Station in Sicht.

    Für die Gedanken, die mir in dieser Zeit des ungeduldigen Wartens durch den Kopf gehen, habe ich mir seit meiner Abreise keinen Augenblick genommen. Eigentlich habe ich noch überhaupt nicht viel darüber nachgedacht. Nun aber überkommen mich plötzlich Zweifel. Wäre ich wohl tatsächlich gefahren, wenn Hans sich in den letzten Monaten, vielleicht Jahren, anders verhalten hätte, wenn der Krieg einen anderen Ausgang genommen und Hans noch immer berufliche Zufriedenheit und damit Erfolge gehabt hätte? Wäre er so griesgrämig, misslaunig und cholerisch geworden, wenn ich mit der DIG (Deutsch-Indische-Gesellschaft) Schiffbruch erlitten und weniger erfolgreich gewesen wäre?

    Wie oft hatte er mich gedemütigt, angeprangert, vor anderen wie ein Schulmädchen belehrt und wie oft habe ich darunter gelitten. Ich weiß es nicht – bin ich etwa schon abgestumpft? Höre ich es nicht mehr? Doch! Und es tut noch immer weh.

    Ich sitze in meinem Abteil und merke, dass ich während dieser Erinnerung völlig zusammen gesunken bin, als hätte ich kein Rückgrat. Rückgrat? Ist es das, was ich stärken müsste? Was würde es bringen? Ginge ich mit gestärktem Rückgrat auf Hans zu, könnte das bedeuten, dass wir ständig miteinander kämpfen müssten: Wer hat Recht, wer bekommt Recht, wer hat die besseren Ideen, wer wird mehr anerkannt, wer hat mehr Kraft und Ausdauer, wer weiß mehr, wer ist gebildeter, wer hat mehr Freunde? Nein, das wollte ich nicht, geht es mir durch den Kopf. Ich will eine gerechte Lebensweise, eine harmonische, eine friedliche, ich möchte nicht kämpfen! Ist das mit Hans noch möglich, wieder möglich, wenn ich zurückkomme?

    Samstag, 22.09.1956

    Der schrille Pfiff des Zuges, der in die Howrah-Station einfuhr, riss mich aus meinen Überlegungen. Nun bin ich also in Kalkutta angekommen.

    Die widersprüchlichsten Empfindungen haben mich in den letzten Eisenbahnfahrtstunden gemartert. Einerseits habe ich über meine Ehe und ihre Entwicklung nachgedacht, andererseits beherrschte Deboo alle Gefühle. Wie wird es, wie wird er sein, nach so langen Jahren?

    Auf dem Bahnsteig habe ich ihn, vom Abteil aus, zuerst entdeckt. Ich winkte ihm und daraufhin bahnte er sich einen Weg durch die Menschenmenge, denn mehr als ein Dutzend Träger stand vor meiner Tür. Als er schließlich vor mir stand, sagte er in etwa:

    „Na, da bist du ja nun!"

    Ich bekam zwar keine Girlande, aber vier wundervolle rote Lotusblüten, da er ganz richtig angenommen hatte, dass mir diese unbekannt seien.

    Was wir auf dem langen Weg zum Auto sprachen, war ziemlich belanglos. Was soll man sich auch schon zwischen Tausenden von Menschen sagen? Während der Fahrt von der Station bis zum Botanischen Garten erzählte er mir, dass er morgens um sechs Uhr schon einmal am Bahnhof gewesen war und gehört hatte, dass mit der Ankunft des Zuges noch nicht zu rechnen sei. Telefonisch habe man ihn dann auf dem Laufenden gehalten, und schließlich war er zur richtigen Zeit da.

    Ich war sehr aufgeregt und angespannt, und musste ihn dauernd anschauen. In seinen dunklen Haaren, die sich lockten, war kein einziges weißes oder graues Haar zu entdecken, obwohl es sich bereits ein ganz klein wenig lichtete. Seine Augen waren dunkel, wobei das eine minimal kleiner war, als das andere. Die Ohren waren eng anliegend. Er hatte schmale Hände, die Finger wirkten beinahe zierlich. Ich mochte seinen Mund, die Form und die gar nicht breiten Lippen, die sehr weich aussahen. Er trug europäisch-tropische Kleidung: weiße Hosen und ein cremefarbenes Buschhemd, das kurze Ärmel hat und über der Hose getragen wird.

    Von der Fahrt durch die Stadt nahm ich nichts wahr. Erst als wir durch den wundervollen Botanischen Garten fuhren und ich das Haus von der Fotografie her erkannte, das wirklich wie ein kleines Schloss aussah, richtete sich mein Blick wieder anderen Dingen zu.

    Zuerst wurde ich in mein Zimmer geführt, damit ich mich ein wenig erfrischen konnte. Dann bekam ich Deboos zweitjüngste Schwester, die 22 Jahre alt und ihren Sohn, der zwei Jahre alt ist, zu Gesicht. Sie ist entzückend schön, das Bübchen ebenfalls.

    1. Dr. Debabrata Chatterjee, genannt Deboo (sprich: Debu)

    Ich hörte, wie Deboo seine Tochter Ratna rief, aber sie war wohl nicht in der Nähe.

    Als ich aus meinem Zimmer kam, sah ich sie allerdings im gegenüberliegenden Raum entlang huschen. Die Zimmer haben Vorhänge vor den Türen, da diese im Allgemeinen nicht geschlossen werden. So blieb ich stehen und dachte:

    ‚Mal sehen, was sie tut.‘

    Und richtig! Nach wenigen Sekunden schielte sie durch den Vorhang. Daraufhin habe ich sie gerufen. Ratna ist sehr groß für ihre dreizehn Jahre. Sie ist größer als ich. Ihre ganze Erscheinung ist die einer jungen Frau, aber im Wesen ist sie noch sehr kindlich und schüchtern. Auf den Fotos erkennt man gar nicht, dass sie ein sehr hübsches Mädchen ist.

    Sigrun ist zwar ein wenig älter, aber erscheinungsmäßig wirkt sie, Ratna gegenüber, viel kindlicher.

    Das Zimmer, das ich bewohne, ist fantastisch. Es gehört sonst Deboo, man hat es nun aber für mich hergerichtet. Wahrscheinlich werden hier nur besondere Gäste untergebracht, denn eigentlich gibt es andere Gästezimmer. Die Räume sind riesig groß und hoch. Ein Raum ist größer als unsere ganze Wohnung. Es ist mit einem großen Bett, über das ein Moskitoschleier gespannt ist, was sehr romantisch aussieht, drei Schränken, einem Tisch, auf dem ein großer Strauß Gladiolen steht, Stuhl, Sessel, Frisiertisch und einem Kamin ausgestattet. Daran angeschlossen ist ein Badezimmer. Drei große, verglaste Doppeltüren führen an beiden Seiten des Zimmers auf Balkone, beziehungsweise auf Veranden. Eine davon gibt den Blick auf den Hooghly River frei. Es ist zauberhaft schön, diesen Ausblick auf den Strom zu genießen.

    Das Haus umgibt eine sehr vornehme Atmosphäre. Die Zahl der Diener habe ich noch nicht herausgefunden. Zwei kochen und bedienen bei Tisch. Es lebt auch noch ein Neffe im Haus, und morgen werden die Mutter von ihm und ein zweiter Bruder, aus Madras kommend, erwartet.

    Am Abend lernte ich die Eltern von Deboo kennen. Der Vater ist ein sehr interessanter Mann, der mir äußerst gut gefällt. Er ist sehr klug und überaus religiös. Früher war er Professor.

    Herr von Pochhammer, der deutsche Generalkonsul in Bombay, hatte mir bei irgendeiner Gelegenheit einmal seine Interpretation des Namen „Chatterjee" erläutert. Er bedeutet: Einer, der die Vier Veden lesen kann, also derjenige, der der gelehrtesten Klasse, den Brahmanenpriestern, angehört, so in etwa jedenfalls. Es ist kompliziert.

    2. Mr. und Mrs. Chatterjee, die Eltern von Deboo

    Danach erfolgte eine Hausbesichtigung und im Anschluss daran auch ein Besuch im „Office, in seinem Büro, nur wenige Meter vom Hause entfernt. Es ist ein großes Gebäude. Eine ungeheure Menge von Büchern ist dort in Schränken untergebracht. Wir haben alles eingehend angesehen und, an einem der Schränke stehend, fragte Deboo mich plötzlich: „Liese, why do you like me so much? („Liese, warum magst du mich so sehr?")

    Ich war ein klein wenig überrascht, denn während des Tages hatte er, außer einer sehr liebevollen Zuvorkommenheit, kein direktes Wort diesbezüglich gesagt. Deshalb wusste ich nicht, was ich antworten sollte. Er sprach aber gleich weiter und erzählte, wie lange er mich schon mag, und dass ich heute noch viel, viel schöner wäre als damals.

    „Ich mag dich so sehr, flüsterte er, „als ich dich im Zug sah, hätte ich dich am liebsten geküsst, aber das ist in Indien nicht üblich. Ich hoffte den ganzen Tag auf eine passende Gelegenheit. Darf ich es jetzt?

    Es war ein sehr heißer und leidenschaftlicher Kuss, dem ein zweiter folgte und der den ganzen botanischen Garten in Brand setzte. Was ist das doch für eine Macht!

    Er ist unsagbar verliebt und ich bin es ebenfalls. Am liebsten wären wir noch geblieben, aber wir wollten kein Aufsehen erregen und von niemandem beobachtet werden, deshalb sind wir ins Haus zurückgekehrt, während zahllose Zikaden im Gras zirpten und Glühwürmchen durchs Gesträuch flogen. Wie schade, diese wonnige Zweisamkeit wieder verlassen zu müssen.

    Da es fast ununterbrochen regnete, es sind die letzten Monsunregen, verbrachten wir den Sonntag zusammen im Haus, erzählten einiges und schwiegen viel. Wir konnten uns nicht trennen, obgleich jeder den Mittagsschlaf hätte brauchen können.

    Wir verbrachten lange Zeit damit, Hunderte von Fischern in ihren Booten zu beobachten, die auf Fische warteten und die jeweils mit ein- beziehungsweise ausgehender Flut in Massen gefangen werden. Jetzt ist die Saison für einen besonders schmackhaften Fisch, von dem alle Bengalen in Hamburg schwärmten. Er wurde uns gestern Abend zum Essen serviert und ich muss sagen, er war wirklich deliziös.

    Am Nachmittag beobachteten wir von der riesigen Dachterrasse aus viele große Schiffe, die in Kalkutta ankamen oder die den Hafen verließen. Plötzlich erkannte ich den gelben Stern der „Indian Steamship Company und war neugierig, welches der Schiffe wohl gerade ankommt: Es war die „Indian Resource! Nun wird Mallik meinen Brief bekommen, den ich aus Bombay an ihn geschrieben habe. Wir fotografierten das Schiff, das zum Zeichen der Jungfernreise wieder, wie damals in Hamburg, beflaggt war.

    Ich musste dabei an den damaligen schönen Tag und an den Abend in Hamburg denken, als Indien noch ein holder Traum für mich war und sich alles in mir nach der Erfüllung dieses Traumes sehnte. Heute ist es Wirklichkeit geworden und noch hat mich nichts, aber auch gar nichts enttäuscht. Über das Land selbst hatte ich ja keine Illusionen, sondern wusste, was mich erwartet. Was ich nicht wusste und was bis gestern noch von Zweifeln eingehüllt war, ist sehr schnell sonnenklar geworden, viel schneller, als es eigentlich zu erwarten gewesen war.

    Ich beschließe, am nächsten Morgen einen Bericht über diese erste Zeit in Kalkutta nach Putensen zu schicken.

    Es ist spät geworden, hier ist es zauberhaft schön, so dass ich zwar jede verschlafene Stunde als Versäumnis betrachte, aber ich möchte morgen frisch und ausgeruht sein.

    KALKUTTA

    Briefe aus Kalkutta an Hans - September 1956

    Kalkutta, 25.09.1956

    Mein liebes, liebes Hannele,

    soeben habe ich einen ausführlichen Brief an dich abgeschickt und dir die ersten Tage in Kalkutta geschildert. Nun sitze ich schon wieder an meinem Schreibtisch und will dir Neues berichten.

    Habe ich dir eigentlich schon geschrieben, dass es hier seit meiner Ankunft gießt? Nachts weckt mich der heftige Regen oft aus dem Schlaf. Du hast einmal den „Großen Regen" gelesen, so sieht es jetzt hier aus. Er kommt in unendlichen Mengen vom Himmel. In der letzten Nacht gab es zwar ein Gewitter, das mich aber wenig störte, da ich unendlich müde war. Das ganze Klima macht mich recht faul. Allerdings geht es den anderen nicht besser.

    Vom Botanischen Garten habe ich daher bis jetzt wenig gesehen. Eigentlich müssten dort Nachtspaziergänge ganz romantisch sein, aber wir dürften wohl wenig Gelegenheit dazu haben, zumal mindestens fünfundzwanzig Wächter im Garten sind, so dass der Zauber eines solchen nächtlichen Ganges sehr beeinträchtigt werden würde.

    Die Kinder sind heute wegen des schlechten Wetters nicht in die Schule geschickt worden. Wenn Ratna beispielsweise nicht mit dem Auto abgeholt werden kann, holt einer der vielen Angestellten sie von der Schule ab, da sie nicht allein gehen darf. Dann nehmen sie gemeinsam den Bus.

    Das Haus ist im Augenblick voller Besuch. Er kommt und geht – wie bei den Khannas in Bombay. Die Eltern von Deboo hatten zehn Kinder, sieben Töchter und drei Söhne, wovon heute noch sechs leben, zwei Brüder und vier Schwestern. Einige davon sind hier.

    Sein Vater, der auch im Staatsdienst beschäftigt war, bezieht jetzt Pension. Er ist ein sehr sympathischer, sehr gelehrter Mann – Professor für Sanskrit und Bengali – sehr religiös. Er kümmert sich außerordentlich um seine Enkelkinder Ratna und Ranjan und dessen Bruder Kajal. Die beiden Jungs kommen aus Madras, einer geht aber hier zur Schule und lebt mit im Haus. Oft sitzen alle Vier im großen, riesengroßen Wohnzimmer und dann wird gelernt, dass die Köpfe rauchen.

    Deboo’s Mutter beschäftigt sich morgens ausschließlich mit dem Zubereiten des Essens für ihren Mann, der nur das isst, was sie für ihn, und manchmal auch für uns, kocht. Im Allgemeinen wird unser Essen jedoch von den zwei Köchen zubereitet, denn es gibt getrennte Küchen. Die Eltern leben vegetarisch, die Kinder nicht. Deboo geht es wie dir, er sagt, er muss Fleisch oder Fisch haben. Es ist so rührend, wie die alte Mutter oft irgendetwas Besonderes für mich zubereitet und dann am Tisch sitzt und wissen will, ob und wie es mir schmeckt. Ich sage „alte Mutter", obwohl sie erst 62 Jahre alt ist. Ich denke jedoch, dass zehn Kinder und das aufopferungsvolle Leben, das sie führt, dazu beigetragen haben, sie älter aussehen zu lassen.

    Mit einem Gast werden hier sehr viele Umstände gemacht. Jeder bemüht sich, alles so gut und komfortabel zu machen wie nur irgend möglich. Deboo ist in jeder Weise derart besorgt um mein Wohlergehen, dass es kaum zu beschreiben ist. Gelegentlich erzählte er, was er alles zu tun hatte, als die Polizei ihn wegen der mit meiner Einladung verbundenen Formalitäten aufsuchte. Er habe es schriftlich geben müssen, gut für mich zu sorgen und dieses Versprechen müsse er halten. Ich denke jedoch, dass er es als Rechtfertigung für die anderen Familienmitglieder benutzt, da niemand Näheres von uns weiß.

    An Deboo gefällt mir besonders, dass für ihn, sobald er in seinem Office ist, nur noch seine Arbeit existiert. Alles andere vergisst er darüber, selbst das Essen. Seine Mutter muss dann häufig nach ihm schicken, damit er überhaupt kommt. Er hat mir erzählt, dass er abends oft bis spät in die Nacht im Office sitzt, in seine Arbeit vertieft. Seine Eltern mögen es nicht sonderlich gern, denn damit vernachlässigt er das Haus, und seine Angehörigen haben nichts von ihm. Deshalb versuchen sie auch immerfort, ihn zu überreden, wieder zu heiraten, damit er glücklich sein könnte. Er aber hat mir gesagt:

    „Sie können nicht wissen, dass ich bei dem Leben, das ich zu führen gezwungen bin, nicht unglücklich bin. Ich habe oft beiden gesagt, träfe ich das richtige Mädchen, würde ich wieder heiraten, sonst nicht."

    Neulich hat er mich bei Mrs. Bhaduri abgesetzt, da er ein Meeting hatte. Mrs. Bhaduri ist hier sehr bekannt, sie ist eine Deutsche aus Berlin, die hier viele Inder in Deutsch unterrichtet. Deboo und sie sind ziemlich vertraut miteinander, er hat es mir in Briefen geschrieben. Sie hat eine richtige Berliner Schnauze! Nach meinem Besuch habe ich ihn gefragt, warum er denn Mrs. Bhaduri nicht heiratet, sie wäre doch kein junges Mädchen. So etwas will er nämlich nicht haben, da die jungen Dinger nicht in der Lage sind „to look after a man very well", wie er sich ausdrückte. Aber Frau Bhaduri, meint er, kommandiere oder versuche wenigstens, ihn schon heute zu kommandieren, was solle das denn wohl erst später geben, außerdem sei sie eine Großmutter!

    26.09.1956

    Heute Nachmittag, nachdem endlich der Regen etwas nachgelassen hatte, wollten wir einen Spaziergang durch den Garten machen. Als wir gerade aus dem Haus traten – die Wächter grüßen immer so ehrfurchtsvoll – fing plötzlich ein in geringer Entfernung stehender Inder an zu weinen und zu lamentieren und gestikulierte ganz wild. Ich konnte mir von alldem kein Bild machen und fragte anschließend, was dies bedeutete. Dann stellte sich heraus, dass es sich um einen früheren Wächter des Gartens handelte, der sich etwas hatte zuschulden kommen lassen und deshalb entlassen worden war. Nun wartete er auf Deboo und klagte, dass er auch in Kalkutta keine Arbeit mehr bekäme und nichts zu essen habe, er möchte ihn doch wieder zu sich nehmen. Deboo sagte nur kurz angebunden, dass er es sich überlegen wolle, woraufhin sich der Mann von dannen trollte.

    Dann traten wir unseren gemeinsamen Inspektionsgang an. Viele Blumen gibt es hier nicht. Was jeder pflanzen kann, darauf wird wenig Wert gelegt. Aber viele seltene Gewächse und Bäume sind zu bewundern, außerdem bietet die ganze Anlage wundervolle Ausblicke.

    Es gibt hier zwei Palmenhäuser, keine Glasanlage, sondern das Dach wird von Schlinggewächsen, die auf Draht ranken, geformt. Es sieht wunderschön aus. Bänke laden zum Verweilen ein.

    Während wir dort saßen, quälte mich ein schlechtes Gewissen, da sich Deboo soviel Zeit für mich nahm. Deshalb sagte ich, er solle seine Zeit nicht mit mir verschwenden. Woraufhin er mich empört fragte, ob ich die Zeit wirklich für verschwendet hielte? Es wäre eine große Freude für ihn, mir den Garten zeigen zu können und er wäre stolz darauf, Direktor dieses Botanischen Gartens zu sein. Er meinte, es wäre

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