Mimili
Von Heinrich Clauen und mehrbuch Verlag
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Über dieses E-Book
Durch Zufall lernt er die kleine Mimili kennen, ein reizendes junges Mädchen, in das er sich auf Anhieb verliebt. Auch das Naturkind ist einer Liebelei mit dem Fremden nicht abgeneigt, und so verbringen Wilhelm und Mimili herrliche Tage, die jedoch zunächst ein bittersüßes Ende finden.
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Buchvorschau
Mimili - Heinrich Clauen
H. Clauren
Mimili
Inhaltsverzeichnis
Über den Autoren:
Inhalt
Impressum
Über den Autoren:
Heinrich Clauren war ein deutscher Schriftsteller.
Inhalt
Die sogenannte Hauptstadt der Welt, das lärmende Paris lag mir im Rücken; ich war ihrer herzlich müde geworden. Nach Ruhe, nur nach Ruhe sehnte sich mein Gemüth. Das Getreibe des herrlichen Feldzuges hatte mich erschöpft; im Wechselgeschwirre des Kriegeslebens war mir ein Jahr verflogen; ich suchte ein Plätzchen, wo ich mich ausruhen konnte; ein stilles, friedliches Plätzchen, um mir nur einmal selbst zu gehören.
Darum eilte ich über Fontainebleau und Dijon in die Schweiz.
Von allem, was ich auf dem Wege bis dahin, und in dem freundlichen Neufchatel, und weiter links und rechts sah, ein andermal, heute nur in das Lauterbrunner Thal.
Ich hatte meinen Reisegefährten, der etwas unwohl war, in Unterseen gelassen, und machte mich, noch am Tage unsrer Ankunft, auf den Weg.
Mein Führer war ein rüstiger Mann; wir stiegen raschen Schrittes am Ufer der weißschäumenden Lütschine hinauf, die zwischen den himmelhohen Felsen sich durchwindet. Zuerst nach Matten, unfern der Ruinen von Unspunnen und Wilderswyl vorbey; dann links den tosenden Waldstrom immer weiter entlang; rechts aber fast senkrechte, bald nackte, bald bewachsene Felswände. Immer dunkler und enger ward die Schlucht und immer wilder die Gegend. Mein Führer verstummte nach und nach – bei einem Felsenblock, groß wie ein Haus, schlug er sich ein Kreuz vor die Brust. »Was ist Euch?« frug ich neugierig, und sah verwundert ein Bächlein schwarzes Wasser, neben den Felsblock, aus dem steinigen Gerille, zu unsern Füßen in die Lütschine herabrieseln.
»Das, Herr, ist der böse Stein, und das hier, der böse Bach,« entgegnete der Führer. »Hier erschlug der Freiherr von Rothenflüh seinen Bruder um leidiges Erbe, und flüchtete dann, und irrte ohne Heimath und Obdach umher, bis er verkümmerte und elendig starb, und niemand hinterließ, so daß sein Name mit ihm erloschen ist: auf ewige Zeiten.«
Ich sah den Gräßlichen, wie er, im weißen Schaum der eilenden Lütschine, das Bruderblut von den Händen sich wusch, dann, von der Geißel seines Gewissens gepeitscht, von dannen flüchtete, und den Frieden seines Herzens, auf die Dauer seines ganzen Lebens, in dem schauerlichwilden Thale ließ.
Mir lief es kalt über den Nacken, und ich eilte von dem Mordplatze wegzukommen.
Von Zweilütschinen aus führt eine kühne Brücke auf die Iselten-Alp; hier treffen die schwarze Lütschine aus Grindelwald und die weiße Lütschine aus Lauterbrunn zusammen, und stürzen von da vereinigt, mit reissender Schnelligkeit, nach der Aar hinab.
Auf einigen Punkten gewinnt man hier, aus den engen Thalklüften die überraschende Aussicht auf die blendende Scheitel der Jungfrau in Süden, und auf den herrlichen Gletscher, das Wetterhorn, in Osten.
Vor Lauterbrunn kamen mir mehrere kleine arme Kinder entgegen, die mich um ein Almosen ansprachen. Sie thaten das mit einer so herzigen Manier, daß man keinem seine Bitte abschlagen konnte.
»I bi ä gar zu armes Bubeli!« riefen gewöhnlich die kleinen Jungen, und streckten die Händchen weit vor, und sobald sie die Spende erhalten hatten, erboten sie sich dankbarlich zu allen Liebesdiensten; besonders beeiferten sie sich, mir die schönsten Stellen ihres Thales zeigen zu wollen.
In den Französischen Städten war man auf jeder Straße von Gassenbuben umringt, die zu den schönsten Mamsells zu führen, sich an den Fremden drängten; hier wollten mir der Sennhirten schuldlose Kinder, die Pracht ihrer stillen Thäler weisen. – Jeder der Kleinen hier hatte sein Lieblingsplätzchen; einer wollte mir das, der andere jenes zeigen; ich wäre heute noch nicht fertig, wenn ich mit jedem hätte gehen wollen. Mehrere raunten mir, hinterm Rücken des Führers, in's Ohr, daß sie links und rechts tief drinnen im Thal viel besser Bescheid wüßten als er; allein meine Zeit war zu beschränkt, ich mußte mich von der kleinen Schweizerbrut mit Gewalt losreissen.
In Lauterbrunn selbst saßen vor den Thüren vieler Hütten, künstliche Holzschnitzer mit ihren Familien, und arbeiteten die niedlichsten Sachen aus Ahorn, die weit und breit verkauft werden; vornehmlich, Milchterrinen, Milchlöffel und Buttermesser. Erstere konnte ich Fußwanderer nicht fortbringen, aber mit letzteren belud ich meinen Führer dutzendweise.
Wir wanderten weiter.
Von fern schon rauschte der Staubbach.
An der 800 Fuß hohen Wand des Pletschberges stürzt dieser Bach herab. Man kann Stundenlang das Auge an dem seltsamen Spiel dieses Wasserfalls weiden. Oben am Rande der schroffen Felsenwand, bricht des Baches Wasser herüber, zerstiebt im Fallen in tausend Millionen kleiner Staubtheile, schwebt als leichtes weißes Schaumbild in den Lüften, und sprützt in äußerst feinem, sanften Regenthau hernieder. Oft ist es, als walle ein blendendweißer, vierhundert Ellen langer Florvorhang, von der Spitze der Felswand herab. Ein solches Prachtwerk der Natur kann kein Mensch beschreiben, kein Künstler malen; und die Versailler Wasserkünste sind gegen diesen Bach ein Nürnbergerei.
Schräg ihm gegen über liegt, im Hintergrunde eines einfachen Obstgartens, das Pfarrhaus. Die junge Pfarrfrau, eine frische blühende Bernerinn, kam, ein rundes, gesundes Kind auf den Arm, und, nachdem wir ein langes und breites geplaudert hatten, bat sie mich, bei ihnen einzutreten, und mit dem vorlieb zu nehmen, was das Haus vermöge. Allein ich mußte die freundliche Einladung ablehnen; denn ich hatte noch einen weiten Weg.
Ein schmaler Fußpfad führte uns tiefer in den Hintergrund des Thales. Der Spis- Buchen- Aegerten- und Myrrenbach auf der einen, und der Schildwald- Trimlete- Rosen- Maden- und Stuffibach, auf der andern Seite des Thales, stürzten, wie vorhin der Staubbach, von den Felsenwänden herab, und rauschten weit entgegen und weit nach. Das Ziel meines Wunsches war, diesen Abend noch, der Jungfrau näher zu seyn. (– Daß ich ihr so nahe kommen, in ihrer Nähe so glücklich seyn würde, ahnete ich nicht. –) Mein Führer versprach, wenn ich gut steigen könnte, mich in eine Sennhütte zu bringen, von der aus ich, auf die Jungfrau den besten Standpunkt in der ganzen Runde haben sollte; und so ging es denn aus dem Lauterbrunner Thale heraus auf eine herrliche