Quinn
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Über dieses E-Book
Der Protagonist Quinn Harper erzählt aus seiner Jugendzeit, das Verhältnis zu seinem Stiefvater, aus der Zeit in der Militärakademie, der Ausbildung bei den US-Marines und seinem Auslandseinsatz in Afghanistan.
Die Entwicklung des Protagonisten wird von seiner harten Jugend, über kriminelle Aktionen bis hin zum kriegstraumatisierten Soldaten verfolgt.
Zwischendrin regen seine Gedankengänge immer wieder zum Innehalten und Überdenken des eigenen Lebens an.
Bis zur letzten Seite bleibt offen, welchen Weg Quinn einschlagen wird.
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Buchvorschau
Quinn - Hansjürgen Wölfinger
1
Ich habe schreckliche Dinge in meinem früheren Leben getan.
Ich habe Freunde getäuscht und verraten.
Habe Dinge getan, die man mir niemals vergeben wird.
Ich habe gewusst, irgendwann werden mich meine Vergehen einholen und ich dafür bestraft werden.
Wenn ich könnte, würde ich die Zeit zurückdrehen und von vorne anfangen.
Oder kann ich so schnell und weit zurücklaufen, um dann in die Zukunft sehen zu können?
Geht das überhaupt?
Natürlich nicht!
Aber wenn ich die Zeit doch zurückdrehen könnte, würde ich alles anders machen wollen?
Vielleicht. Doch, ich würde vieles anders machen!
Jetzt ist es zu spät.
Keine Macht der Welt kann die Zeit zurückdrehen. Also stellt sich mir die Frage auch nicht.
Ich habe keine Zeit mehr.
Jetzt muss ich versuchen, mich bei denen, die ich enttäuscht habe, zu entschuldigen.
Alles was ich jetzt ändern könnte, muss ich tun.
Wenn ich nur mehr Zeit hätte.
Ich kann nachts nicht mehr schlafen.
Ich träume immer den gleichen Traum.
Ich gehe durch eine Straße und weiß nicht, wo ich bin.
Ich frage Leute.
Sie sagen etwas zu mir, aber ich kann sie nicht hören.
Ich sehe nur, wie sich ihre Lippen bewegen.
Ich schreie, rufe, aber keine Antwort.
Ich irre durch die Straßen.
Die Bilder in meinem Traum rasen vorbei wie in einem vorbeifahrenden Zug.
Dann bin ich ganz wo anders.
Ich irre durch die Gassen und suche nach meinem Auto.
Mein Atem wird immer hektischer.
Ich schnappe nach Luft.
Ich glaube zu ersticken.
Ich schreie, aber keiner hört mich.
Ich stehe kurz vor einem Herzinfarkt.
Ich fasse an meine Brust.
Mein Herz schlägt wie ein Presslufthammer.
Schweißgebadet werde ich wach.
Ich versuche, das Licht anzuschalten, aber es gelingt mir nicht.
Ich träume noch immer.
Ich schreie, wieder und immer wieder.
Keiner hört mich.
Niemand.
Dieser Scheißtraum umklammert mich wie eine Fessel.
Drückt mich zusammen wie ein Knäuel Papier.
Ich glaube, ich befinde mich in meinem eigenen Film und spiele die Hauptrolle.
Ich stehe vor meinem Fenster und sehe von außen auf meinen im Bett liegenden Körper.
Sehe mich schweißgebadet und schwer atmend dort liegen.
Meine Augen drehen sich wie in einem Kreisel.
Ich klopfe an die Scheibe.
Versuche sie einzuschlagen, aber ich gelange nicht hinein.
Kurz vor dem endgültigen Kollaps wache ich auf.
Dann haste ich ins Bad und wasche mein Gesicht mit kaltem Wasser.
Ich bin wie in einer Zeitschleife gefangen. Immer und immer wieder drehe ich mich im Kreis.
So geht es mir fast jeden Abend wie in dem Klassiker „Und täglich grüßt das Murmeltier".
Erst nach einiger Zeit traue ich mich wieder in mein Bett zu gehen, um versuchen weiter zu schlafen.
Angst ist das grundlegendste menschliche Gefühl.
Ich erinnere mich an meine Kindheit.
Als Kind hatte ich vor allem möglichen Angst.
Vor der Dunkelheit, vor Gespenster die uns im Traum erscheinen oder von Monster, die unter unserem Bett liegen.
Das Licht sollte abends immer eingeschaltet bleiben und ich betete, dass die Nacht schnell wieder vorbeigehen und die Monster wieder verschwänden.
Leider taten sie das nie, denn sie kamen immer wieder, jeden Abend aufs Neue.
Nicht alle Eltern sind ihren Kindern gegenüber verständnisvoll. Mein Stiefvater war es nicht. Im Gegenteil, es gab noch Schläge obendrein.
Mutter musste viel aushalten.
Wenn sie das kleine Licht anließ, schaltete er es wieder aus und meine Mutter musste mit Repressalien rechnen und diese waren verbal oder sogar durch physische Gewalt.
Dass mit der Angst ist so ein Ding. Sie war bei mir täglich präsent.
Angst kann traurig machen oder aggressiv. Mich machte sie aggressiv gegenüber meinem Peiniger und der hieß Stiefvater.
Angst ist ein Phänomen, wie eine Spinnenphobie, die alle Haare am Körper hochstellen lässt.
Meine Körperhaare konnten sich nur selten beilegen.
Ich stand unter Dauerangst.
Mutter nahm mich dann in ihre Arme und tröstete mich, indem sie immer und immer wieder meinen Namen flüsterte „Quinn, Quinn".
Sie hatte eine warme leise Stimme. Ich liebte sie über alles.
Wie oft hörte ich meinen Stiefvater sagen „Dann ändere dich".
„Der wird sich nie ändern, glaub mir".
Wie oft hörte ich das von ihm.
Ich wollte es ja, mich ändern.
Er ließ mich ja nicht.
Er war doch derjenige, der meinen Hass immer wieder aufs Neue schürte.
Aber können sich Menschen, die das Böse in sich haben, ändern?
Ich denke ja.
Dann höre ich wieder „Menschen können sich nicht ändern".
Wer sagt das? Natürlich können sich Menschen ändern.
Wie oft habe ich Sätze gehört wie: „Menschen ändern sich nie."
Er war schon immer so, er wird auch immer so bleiben.
Einmal ein Lügner, immer ein Lügner.
Einmal ein Schläger, immer ein Schläger.
Wer es einmal tut, tut es immer wieder.
Ich vertrete aber die These, wenn man das schlechte Umfeld nicht verlässt, wird man sich nicht ändern können.
Drehst du aber diesem Umfeld den Rücken und begibst dich in ein Besseres, dann kannst du dich sicher ändern.
Letztendlich bist du alleine für dein Verhalten verantwortlich und nur du kannst es ändern. Zum Positiven oder Negativen.
Wenn du ein Arschloch bleiben willst, dann kannst du in einem noch so friedlichen und tollen Umfeld leben, dann bleibst du auch eines.
So einfach ist das.
Obwohl ich kein gläubiger Mensch bin, bete ich und bitte um Verzeihung.
Ich weiß nicht, ob ich mein restliches Leben jemals unter Kontrolle bringen kann.
Entweder habe ich mein Leben unter Kontrolle, oder ich glaube es nur.
Am Ende endet alles doch nur im Chaos.
Alle tragen wir eine Maske.
Viele Menschen tragen Masken, und merken es gar nicht.
Manche schlüpfen ganz bewusst täglich in eine Rolle.
Am augenfälligsten ist es, wenn man eine Berufskleidung trägt, wie die Robe des Richters, der Uniform des Soldaten oder Polizisten oder aber auch einen feinen Anzug eines Managers. Sie leben dann in einer anderen Welt.
In einer bestimmten Rolle.
Nachdem sie ihre Maske abgelegt haben, sind sie wieder völlig andere Menschen.
Aber viele Menschen leben in ihrem Alltag vor sich hin, und nehmen ihre verschiedenen Rollen und Masken gar nicht so bewusst wahr.
Bei meinem Stiefvater verspüre ich den Impuls, ihm ins Gesicht zu schreien: „Ich hasse dich! Du kotzt mich an!"
Eigentlich ist das keine gute Idee denn, wie würde wohl seine direkte Antwort lauten?
Dann ist es doch besser, die Maske der Diplomatie aufzusetzen.
Es strengt zwar an, ist aber die bessere Lösung.
Egal ob die Guten, die Bösen oder die Gleichgültigen.
Wenn aber bei einem von uns die Maske verrutscht, dann kommt das wahre ICH zum Vorschein und jeder kann es sehen, das eigentliche ICH.
Das Gute oder das Böse, Licht oder Schatten, hell oder dunkel.
Zwei Seiten derselben Münze.
So ist es auch mit der Hoffnung.
Es ist ein sehr großes Wort.
Für einen kann es ein Segen sein und für den Anderen ein Reinfall.
Die schlimmen Dinge bleiben dir erhalten.
Sie verfolgen dich immer und immer wieder.
Du kannst ihnen einfach nicht entkommen.
So sehr du es dir auch wünschst.
Für das Gute kann man bereit sein.
Es einfach zulassen.
Weil man es braucht. Das Gute.
Jeder Mensch braucht es.
Es kommt nur nicht zu jedem.
Was bedeutet eigentlich, ein guter Mensch zu sein?
Ein guter Mensch sollte sozial erwünschte Eigenschaften aufweisen.
Für jeden Menschen ist es ein hochrangiges Ziel, das Gute in den Vordergrund zu stellen, das er durch entsprechende Handlungen verwirklicht.
Er sollte alle höflich behandeln, so wie er selbst behandelt werden möchte.
Die Frage stellt sich aber doch, wann ist man ein guter Mensch?
In der Philosophie?
Der Mensch ist gut, wenn er moralisch gut ist, und er ist gut, wenn er insgesamt, über das Moralische hinaus, in seinen Zielen gut ist.
Wow!
Fest steht allerdings, dass der Mensch sowohl das Gute als auch das Böse in sich hat.
Es leuchtet mir ein, dass es für die menschliche Gesellschaft sinnvoller ist, dem Guten den Vorrang zu geben, das heißt friedlich miteinander umzugehen.
„Tue das Gute und meide das Böse!"
Ob ich diese positiven Eigenschaften jemals vorweisen kann, ist fraglich.
Vielleicht kann ich sie ja doch irgendwann in der weiteren Zukunft erreichen.
2
In seinen Träumen hatte Quinn seinen Stiefvater schon viele Male in die Hölle geschickt. Was hatte er ihm nicht alles angetan?
Vom Zerstückeln bis hin zur Verbrennung in einem riesigen Ofen.
In seinen Träumen wurde sein Verlangen ihn zu töten immer stärker, je älter er wurde.
Jedes Mal wacht er nass gebadet auf. Dann schämte er sich wegen seiner gedanklichen Taten.
Manchmal träumte er auch von seiner schwarzen Katze. Sie war von einem Auto angefahren worden.
Er hatte sie tagelang im Keller gefüttert und die blutende Wunde an ihrem Fuß versorgt.
Trotz aller Liebe und Fürsorge konnte er sie nicht retten.
Er konnte sie deshalb nicht retten, weil sein Stiefvater es ihm verboten hatte.
Sie starb nach wenigen Tagen.
Er konnte sie nie vergessen und dafür hasste er diesen Mann.
Auch sich gab er eine Teilschuld.
Er hätte sich durchsetzen, gegen das Verbot handeln und diese Katze weiter pflegen sollen, aber als kleiner Junge von sieben Jahren, traute er sich nicht und wollte auch den Schlägen, die er sicher bekommen hätte, aus dem Weg gehen.
Im Garten seines Freundes vergrub er sie.
Der Hass gegen diesen Mann wuchs von Jahr zu Jahr und er