Entdecken Sie Millionen von E-Books, Hörbüchern und vieles mehr mit einer kostenlosen Testversion

Nur $11.99/Monat nach der Testphase. Jederzeit kündbar.

Mit Zitronen gehandelt
Mit Zitronen gehandelt
Mit Zitronen gehandelt
eBook404 Seiten5 Stunden

Mit Zitronen gehandelt

Bewertung: 0 von 5 Sternen

()

Vorschau lesen

Über dieses E-Book

Augsburg, 1987 - das ist die Geburt einer lokalen Radiolandschaft, wie sie bald überall in Deutschland entstehen wird. Jeder will dabei sein. Jeder will zum Radiohelden werden. Radio ist das Gebot der Stunde und Radio in seiner Stadt kann alles sein.
Eigentlich ist Udo Kaup Zollbeamter in München-Pasing, verheiratet und Vater eines Sohnes. Nach der Geburt der Tochter, die behindert und mit dem Down-Syndrom geboren wird, verändert sich sein Leben auf rasante Weise. Statt sich bequem in seinem Beamtenjob einzurichten, muss ein Nebenjob her.
An dem Tag, an dem Udo Kaup im Zug von Augsburg nach München pendelt, die Augsburger Zeitung liest und an einem Artikel hängen bleibt, der vom Start neuer Radiofrequenzen berichtet, setzt sich eine Idee in seinem Kopf fest: er will zum Radio! Es beginnt eine Gratwanderung zwischen Beruf und Berufung!
SpracheDeutsch
Herausgebertredition
Erscheinungsdatum8. Apr. 2020
ISBN9783347043763
Mit Zitronen gehandelt

Ähnlich wie Mit Zitronen gehandelt

Ähnliche E-Books

Allgemeine Belletristik für Sie

Mehr anzeigen

Ähnliche Artikel

Rezensionen für Mit Zitronen gehandelt

Bewertung: 0 von 5 Sternen
0 Bewertungen

0 Bewertungen0 Rezensionen

Wie hat es Ihnen gefallen?

Zum Bewerten, tippen

Die Rezension muss mindestens 10 Wörter umfassen

    Buchvorschau

    Mit Zitronen gehandelt - Michael Norden

    EINS………………………

    PASING/ OBERBAYERN

    März 1987

    ……

    Udo: Beseelt nehme ich zwei Stufen auf einmal und kann es kaum erwarten ins Amt zu kommen. Die alten Holzstufen knarren, als ob sich ein altes Segelschiff steil gegen den Wind legt, um zu beweisen, dass es noch nicht zum alten Eisen gehört. Schwungvoll betrete ich das Denkmalgeschützte Gebäude. „Guten Morgen Herbert, ist Heinz heute nicht im Dienst? Der ist doch sonst immer vor mir im Büro."

    „Servus Breiß tönt es aus dem Büro von Herbert zurück. Die Türe steht offen. „Na, den hob i heit a no niat gsehng. Das ist natürlich nur eine rein rhetorische Frage von mir. Das Zollamt hat nur zwei Büros für die Abfertigungsbeamten. In jedem stehen sich jeweils zwei Schreibtische gegenüber, sodass immer zwei Kollegen Blickkontakt miteinander haben können. Ein separates Büro geht vom Flur ab. Darin sitzt der Chef. Die Türe ist meistens geschlossen. Dann hat das Amt noch einen Kassenraum, der von außen aus Sicherheitsgründen ebenfalls meistens verschlossen und durch eine Panzerglasscheibe gesichert ist. Dieser Kassenraum ist mit einem Beamten besetzt. Der Kassierer und gleichzeitig Zahlstellenleiter heißt Franz Bauer. Somit wäre es logischer nach Franz zu fragen. Den Schreibtisch von Heinz kann ich ja selbst sofort einsehen und feststellen, dass dort noch niemand sitzt. Außerdem ist Heinz mein Tischnachbar. Heute Morgen scheint er jedenfalls nicht im Amt zu sein. Ich bin es gewohnt, Heinz immer als ersten zu begrüßen. Im Büro neben dem Chef logiert normalerweise Manuela Kleister, die gute Seele des Amtes. Mit einem üppigen Vorbau ausgestattet und langen blonden Haaren sieht sie aus wie Lucy Ewing aus der Fernsehserie Dallas. Genauso kess und schlagfertig ist sie auch. Als einzige Frau im Amt genießt sie die volle Aufmerksamkeit und nutzt diese Position auch wunderbar aus. Ihr obliegt die Arbeit in der Buchhaltung und gleichzeitig ist sie die Vorzimmerdame vom Chef. Ihr Stuhl ist leer. Auch Frank Kübler, der zweite Mann im Amt, der stille Beobachter und als gebürtiger Norddeutscher eher kühl reserviert, befindet sich nicht an seinem Schreibtisch. Ein Blick zu dem Tisch, wo sonst Peter Heider, ein etwas dicklicher Kollege, Platz nimmt, der zeigt sich jungfräulich aufgeräumt und verwaist. Nur Herbert Glaser, ein introvertierter Oberbayer, ist in seine Rosenheimer Zeitung vertieft. Eigentlich will er so früh in Ruhe gelassen und von niemanden angesprochen werden. Heinz heißt mit Nachnamen Spatz und ist der Dienstälteste und sowas wie eine Vaterfigur. So bleibt nur noch der Chef, Herr Proksch, der von allen mit Herr Proksch angesprochen wird. Das verlangt der Dienstgrad, und so viel Respekt muss sein. Den muss ich aber nicht unbedingt sehen und es ist gut, dass seine Bürotür stets verschlossen ist. „Die andern san scho im Social-Room a Kaffee moch`n, raunzt Herbert ohne, dass er auch nur einen Blick von seiner Zeitung nimmt. Herbert kommt aus Rosenheim und ist der einzige neben Manuela, die direkt aus München oder wie sie sagen würde, „Minga kommt, die partout nicht Hochdeutsch mit mir sprechen wollen. Ich bin neben Frank der einzige Nichtbayer in der Runde und muss anfangs schon genau hinhören, um alles zu verstehen. Also tigere ich zu dem Social-Room rüber, „danke Herbert rufend und werfe einen Blick hinein. Komischerweise sprechen alle das Wort Sozialraum auf Englisch aus. Das hat wahrscheinlich damit zu tun, dass viele internationale LKW-Fahrer zur Abfertigung erscheinen und kein Deutsch sprechen können. Oder, weil ein neu auf Sendung gegangenes Radioformat, dessen Frequenz im Büro-Radio fest gespeichert ist, mit Anglizismen seitens der Moderatoren nur so um sich wirft. Das gefällt allen gut. So mischen sie dem Bayerischen und Hochdeutschen immer wieder mal Englische Wörter bei, klingt irgendwie cooler. „Servus Leute. „Servus Breiß, schallt es im Chor zurück. „Moagst a en Kaffee, is groad frisch aus der Maschin, raunzt mir Manuela zu. „Hab frische Semmeln mitbroacht, greif zua. Natürlich will ich erstmal mein zweites Frühstück einnehmen. Das ist schließlich morgens immer die erste Amtshandlung. „Ja, danke, ihr wisst ja, nur ein satter Beamter ist auch ein guter Beamter. Wie aus einem Munde der anderen echot es „freilie zurück. Der Social-Room ist ein kleiner Raum mit einem Tisch in der Mitte und sechs Stühlen drum herum. Es riecht etwas muffig, was dem innerlichen Verfall des Gebäudes geschuldet ist. Nur der Kaffee-Duft übertüncht den Modergeruch. Die Mischung aus beidem riecht nach einer Art Waldpilz. Ein Kühlschrank darf natürlich nicht fehlen, verwahrt dieser im Innern jede Menge Gerstenkaltschalen, die reihum abwechselnd von jedem Beamten mit einem vollen Kasten dieses süffigen Gebräus aufzufüllen sind, damit keiner auf dem Trockenen sitzt. Neben etwas Butter, abgelaufenem Käse und eventuell angegilbter Wurst sucht man gesündere Lebensmittel vergeblich. Nur einmal in der Woche beherbergt der Kühlschrank für kurze Zeit für jeden drei Weißwürste und süßen Senf. Die Verweildauer ist in der Regel freitags 07: 00 bis 11: 00 Uhr. Dann verschwinden die Würste im Kochtopf am Herd um anschließend genüsslich in froher Runde vertilgt zu werden. Und zu Weißwurst gehört in Bayern nun mal auch ein ordentliches Weißbier. Ich nehme mir einen Stuhl und will mich gerade dazu setzen und den Artikel in der Zeitung zu Ende lesen, als die Türe aufgeht und ein vertrauter Angestellter einer ortsbekannten Spedition, der den norddeutschen Namen Peters trägt, ohne ein Wort des Grußes schnurstracks auf den Kühlschrank zugeht und nach einer Flasche Bier greift, was er jeden Morgen etwa um dieselbe Zeit tut. Er fühlt sich irgendwie im Zollamt zuhause. Peters ist eher eine, wie man sagen würde, schmierige Gestalt mit adipösem Wanst bei ungefähr einem Meter neunzig Körpergröße, immer leicht fettigem Haar und einer schwammigen Haut. Sein Wortschatz ist überschaubar, so dass man meinen kann, er kommt tatsächlich aus Norddeutschland. Dort ist das zweite Moin von „Moin, moin schon zu viel gesprochen. Aber Peters, alle sagen nur Peters zu ihm, es ist nicht bekannt, ob Peters überhaupt mit einem Vornamen getauft ist, wenn, dann aber nur mit hellem Bier. Wasser ist weder beim Trinken noch beim Waschen sein Elixier. Er stammt aber ursprünglich aus Wien. Auch er nimmt sich einen Stuhl, setzt sich unaufgefordert zu den anderen an den Tisch und nimmt erstmal einen herzhaften Schluck aus der Flasche. Mit einem unüberhörbaren Rülpser stellt er die Flasche auf dem Tisch ab und nimmt sein etwas angegilbtes Stofftaschentuch aus der Hosentasche, um sich damit seinen Mund abzuwischen. „Peters, du nixiger, dafeida Hund, entfährt es Manuela. „Nixiger dafeida Hund, wieder bayerische Ausdrücke, mit denen ich anfangs nichts anfangen kann. Auch hier muss ich im Buch „Bairisch für Zugereiste", dass ich gleich am Anfang meines Dienstantrittes in Bayern gekauft habe, nachschlagen, um die Bedeutung zu verstehen.

    Die bayerische Sagenwelt ist voll von den lieblichsten Märchengestalten, es wimmelt von Elfen, hilfreichen kleinen Zwergen, Königen, die in verwunschenen Schlössern wohnen, und von gütigen Feen, die dem braven Volk hilfreich zur Seite stehen. Das neuhochdeutsche „Fee wurde erst Mitte des 18. Jahrhunderts aus dem französischen „Fe`e entlehnt. Im Mittelhochdeutschen sagte man „feie (in „gefeit sein steckt dieser Stamm). Das bairische dafeid hat die Bedeutung „von einer Fee gesegnet und könnte mangels einer schriftdeutschen Entsprechung etwa mit „zauberhaft übersetzt werden. Ein dafeida Hund (helles a, Betonung auf der zweiten Silbe) ist ein besonders liebreizendes Tier, eine dafeide Wirtschaft eine Gastwirtschaft, in der man sich vorkommt wie im Schlaraffenland. „Nixig, ebenfalls aus der Märchensprache, bedeutet „nixengleich, „zart".

    Besser hätte Manuela die Zuneigung zu Peters nicht ausdrücken können. „Was steht heute an, Peters, fragt Franz, um gleich hinzuzufügen, „wenn du Geld gewechselt haben willst, dann gleich, denn nachher geht hier die Post ab. Was grundsätzlich auch stimmt. Das Zollamt Pasing ist ein hochfrequentiertes Zollamt mit einem weiten Abfertigungsradius. Im Süden Münchens sind viele große Firmen angesiedelt, die Waren aus dem Ausland importieren. Auch der Flugplatz Oberpfaffenhofen gehört zum Gebiet, dort werden viele Privatflieger abgefertigt. Oder die Deutsche Luft-und Raumfahrt Behörde „EADS", ebenfalls in Oberpfaffenhofen beheimatet; hier bezieht sich die Kontrolle auch auf die Waren, die nur vorübergehend ausgeführt sind, sogenannte Rückwaren. Meistens werden Teile der Ariane-Rakete zum Weltraumbahnhof Kourouin, Französisch-Guayana, 5 Grad nördlich des Äquators, ausgeführt. Alles beginnt 1980 mit der Gründung der Firma Arianespace, die seitdem Finanzierung, Produktion, Verkauf und Start der Ariane-Raketen übernimmt. Eigentümer dieser Firma sind verschiedene europäische Raumfahrtunternehmen. Alleiniger Hauptauftragnehmer für die Serienfertigung der Ariane 5 Rakete ist die Airbus Group-Tochter Airbus Defence & Space. Um eine Abfertigung vor Ort vornehmen zu können, schickt man einen Fahrer in das Zollamt, der einen Beamten abholt. Der wird nach getaner Arbeit oder bei längeren Wartezeiten bestens in der hauseigenen Kantine versorgt und anschließend wieder zurück ins Amt chauffiert. Deswegen ist es natürlich von Vorteil, wenn der Fahrer schon am frühen Morgen auftaucht, so ist wenigstens gewährleistet, dass man wieder pünktlich vor Feierabend zurück ist.

    „I brauch koa Göld net heit, Froonz, nur oan Kollegn zur Abfertigung bei der EADS. Peters wischt sich mit demselben Taschentusch den Schweiß von der Stirn. „Auf was wartest du dann noch, schnapp dir einen und Servus. Er legt das zerknitterte Taschentuch sorgfältig zusammen, man glaubt, die Zeit ist eingefroren, steckt es in seine Hosentasche und antwortet: „Net so schnöll, oan Bier geht noch, außerdem mägen die Kollegn erst amoal ihre Brotzeit genießen. Peters bemüht sich stets vom wienerischen Schmäh ins Bayerische zu verfallen, was oft zu einer eigenen Dialektik führt. Aber von Genuss kann keine Rede mehr sein, sobald Peters den Raum betritt. Eine Mischung aus abgestandenem Schweiß und Dreck verbreitet sich um seine Aura. Zwischenzeitlich hat der Chef, Herr Proksch, mitbekommen, dass Peters, wie fast jeden Morgen, im Frühstücksraum sitzt und erstmal beim Tanken ist. Peters kann nur fahren, wenn er gut geölt ist, das heißt, ohne Sprit geht bei ihm gar nichts. Peters hat als sogenannter Spiegeltrinker immer denselben Pegelstand. Jedenfalls fällt es bei seinem Dialekt nicht auf, ob er lallt oder wienerisch spricht. Aber viel spricht er ja eh nicht. Und schnell gehen kann er auch nicht. Hinter seinem Rücken werden oft spaßige Sprüche geklopft wie „gehen`s auf die Seiten, a Schneck wüll überholn. Ich hänge gerade meinen Gedanken nach und will eigentlich den Zeitungsartikel zu Ende lesen, das Thema Lokalradio inspiriert mich auf eine schon fast magische Weise. Einen Job beim Radio zu machen stelle ich mir fantastisch vor. Nur wie fasst man das an? Und genau in diesem Moment erwischt es mich wie eine emotionale Blechlawine, als sich mein innerer Trieb, für die Familie da sein zu wollen, meldet, und ich werde zu zwei meiner erstaunlichsten Momente in meinem Leben zurückkatapultiert.

    Vor vier Jahren.

    Und vor zwei Jahren.

    VOR VIER JAHREN

    ………………………..

    Ich bin ein frischgebackener Papa. Noch vierundzwanzig Stunden nach Michis Geburt bin ich völlig überwältigt vor lauter Glück. Leider kann ich im Kreissaal nicht dabei sein, da es ein Kaiserschnitt-Baby ist. Dafür bekomme ich es, als meine Frau eingeschlafen ist, in die Hand gedrückt und muss mich an meinen Sohn abrupt gewöhnen. Meine neue Familie ist ab nun mein sicherer Hafen, mein Sohn Michael ist da, und mein Leben wird nie wieder so sein wie zuvor. Es ist Liebe auf den ersten Blick, und die schönste Sache der Welt für mich. Ich frage mich, wie ich zu so viel Glück gekommen bin. Manchmal haut es mich immer noch aus den Socken, wenn ich daran denke, dass seitdem vier Jahre vergangen sind. Wie oft bin ich erschöpft an seiner Wiege eingeschlafen, wie oft wechsele ich seine Windeln. Wie viele Male muss ich sein Lieblingsspielzeug an sein Bettchen bringen; all die Male, die er vor lauter Koliken schreit und nur von seiner Mami zu beruhigen ist. Dann das erste Brabbeln, die ersten Worte.

    VOR ZWEI JAHREN

    ………………………..

    Ich bin dieses Mal bei der Geburt von Caro dabei. Ein Kaiserschnitt ist nicht notwendig, alles im grünen Bereich. Bis nach der Entbindung.

    Noch keine Stunde ist seit der Geburt vergangen. Ich bin wieder ein frischgebackener Vater, und wieder überwältigt vor Glück. Die Hormone spielen verrückt. Ich sehe meine Tochter in ihrer Käseschmiere, sie ist wunderschön. Ich kann den Blick nicht von ihr lassen, als eine Ärztin leise den Raum betritt und mir nicht direkt in die Augen sehen kann. Sie unterrichtet mich knapp, dass ich jetzt besser nach Hause gehen solle und gleich am nächsten Morgen in der Früh ein Gespräch mit dem leitenden Oberarzt angesetzt wäre.

    Von einem Augenblick zum anderen verdunkelt sich meine Welt und droht unter meinen Füßen wegzubrechen, als ich aus dem Munde des Arztes erfahre, dass meine Tochter einen schweren Herzfehler und möglicherweise das Down-Syndrom habe. Mir verschlägt es die Sprache. Ich bin hilflos. Hilflos ausgeliefert den Dingen, die jetzt auf mich zukommen werden.

    Es wird noch Wochen, Monate gar dauern, bis ich gelernt haben werde mit der Realität umzugehen. Im Grunde weiß ich, dass der Abgrund jederzeit droht und lauert wie ein Kojote auf dem Sprung nach seiner Beute. Das Leben dadurch völlig auf den Kopf gestellt wird und ein eiserner Griff sich um mein Leben legen kann. Das habe ich früher schon erlebt und weiß, dass es wiederkehren wird, bei jedem von uns. Irgendwann.

    Mit Caros Geburt wird die Situation noch angespannter, und ich weiß, dass wir nicht für immer und ewig in einer winzigen Wohnung leben können. Ich bin jetzt Familienvater und werde tun, was nötig ist, um meiner Familie Sicherheit zu bieten. Also muss ein Nebenjob her, jetzt, wo meine Frau Rose ihre ganze Kraft den Kindern widmet und mein kleines Beamtengehalt in einer Stadt wie München zum Leben kaum reichen wird…

    Mitten in meinem Gedankenkarussell bremst mich Herr Proksch. „Kaup, Sie fahren mit Peters…- „Wohin soll ich fahren?- „und vergessen Sie den Stempel und die Abfertigungstasche nicht. Sie können noch in Ruhe fertig essen. Die EADS hat gerade bei mir angerufen, die Ankunft der Maschine aus Französisch - Guyana verspätet sich um zirka zwei Stunden. Damit ist die Frage auch schon beantwortet. Ich merke, wie die anderen mehr oder weniger neidvoll zu mir blicken, denn die Abfertigung außerhalb des Amtes ist sehr begehrt. Man ist quasi sein eigener Chef und das, was man vor Ort entscheidet, hat Gewicht. Manuela ergreift kaum, dass der Chef den Raum verlassen hat, das Wort: „Mei, da is a Gschwerl herin, i geh schon moal in mei Hüttn.

    Dies äußert man in einem Raum, in dem sich viele Leute befinden, in dem Betrieb herrscht. Im Oktoberfestbierzelt und auch in Lokalen ist ein Gschwerl, im Kino, im Theater, im Konzert, bei Parteiversammlungen, oft auch bei Hochzeiten und Namenstagsfeiern. Gschwerl (von altnordisch „Sverra = wirbeln) hängt mit „Geschwirre zusammen: die Menschen schwirren durcheinander. Wieder haben wir hier das zärtliche I. Auch die Bewohner dichtbesiedelter Gebiete (wie die Münchener Viertel Hasenbergl, Bogenhausen, Herzogpark) oder große Familien bezeichnet man treffend als Gschwerl.

    Kurz vor der Tür dreht sich Manuela noch mal zu mir um und sagt einschmeichelnd mit typischem Augenaufschlag: „Bringst mir oane Brezn mit auf´m Rückweg? Zwischenzeitlich, ich bin nun auch schon ein gutes Jahr im Pasinger Zollamt, beherrsche ich so einige bayerische Worte. Zur Übung sage ich gespielt: „Sowas Dabbiges wia di hab i no nia gsehng. Da habe ich aber die Rechnung ohne den Wirt gemacht. „Mogst mi omachen? I steh nia auf verheiratete Mannsbuilder, kommt wie aus der Pistole oder auf bayerisch Pistoln geschossen, zurück. Sie verzieht dabei gespielt das Gesicht zu einer Miene, die verkündet, mit ihr ist nicht gut Kirschen essen. „Nein, ich doch nicht, da gibt es doch hier ganz andere, die auf dich stehen. Oder viel lieber auch mal liegen würden. „So, so, davon merk i no nix, des wüst i aber…, - sie stemmt die Hände in die Hüfte, „was is, bringst mia die Brezn mit? „Freilie, sage ich und fühle mich genötigt, bayerisch sprechen zu müssen. Prompt kommt zurück: „A Breiß bleibt Breiß. Das Breißn dratzn gehört irgendwie zum morgentlichen Ritual. Aber, was das „sowas Dabbiges wia di hab i no nia gsehng" betrifft, habe ich diesen Satz auswendig gelernt und nur auf die richtige Gelegenheit gewartet, ihn anzuwenden.

    In Bayern hört das ein jedes Mädchen gern. Bewunderung und erotische Begehrlichkeit drücken sich in diesen Worten aus. Dabbig-mit hellem a- nennt man ein Mädchen, das man, weil es so nett und wohlgebaut ist, gern „antappen, anfassen möchte. Die sprachliche Wurzel ist im mittelhochdeutschen „tape = Pfote zu suchen. „So etwas zum Anfassen Reizendes wie dich habe ich noch nie gesehen."

    Nachdem dann Peters seine zweite Halbe getrunken hat und die anderen der Reihe nach zu ihrem Arbeitsplatz tigern, mache ich mich ebenfalls auf zu meinem Schreibtisch, um das Nötigste mitzunehmen. Peters will derweil schon mal zu seinem PKW gehen und dort auf mich warten. Auf dem Flur zum Weg in mein Büro kommt Herr Proksch auf mich zu und trägt mir eine weitere Aufgabe an. „Herr Spatz hat sich heute krankgemeldet. Haben Sie auf seinem Schreibtisch die Abfertigungspapiere für Oberpfaffenhofen liegen sehen?" Du Depp, wie soll ich denn die Papiere gesehen haben, wenn ich selber erst gerade auf dem Weg ins Büro bin. Oder hast du mich nicht eben erst im Social-Room angesprochen? „Nein Chef, muss ich noch mal nachschauen. Er schaut mir streng in die Augen. „Nehmen sie diese bitte mit und lassen sie sich von Peters, bevor sie von der EADS wieder zurückkommen, beim Hanger II vorbeifahren und übernehmen die Abfertigung vom Heinz Spatz. Zwei Fliegen mit einer Klappe. Und nun machen sie hin und gehen sie mir aus dem Weg, ich kann sie nicht mehr sehen, sagt Herr Proksch mit gespielter finsterer Miene. Na, dann passen sie mal auf, dass sie nicht eines Tages blind werden. „Ja, Chef, bin schon unterwegs. Den letzten Abschnitt seines Satzes sagt Herr Proksch übrigens zu jedem, dem er kraft seines Amtes einen Auftrag erteilt oder zu den LKW- Fahrern, wenn sie mal wieder ungläubig das Büro belagern und nicht kapieren, dass die Papiere bereits fertig zur Weiterfahrt abgestempelt sind und den Abfertigungsverkehr blockieren. Dann kann Herr Proksch auch schon mal seine Stimme in Phonstärke eines startenden Düsenjägers erheben, wenn es sein muss. Und es muss oft sein. Im Büro stopfe ich mir die nötigen Papiere in die Abfertigungstasche und sage „Servus zu den anderen. „Bin dann mal weg!"

    „Udo, Breiß, vergiß mei Brezn nachher nia! Ohne mich noch mal umzudrehen, sage ich: „mach ich und gleite gemächlichen Schrittes Richtung Parkplatz zu Peters` Auto.

    Wie immer läuft der Motor bereits und die Heizung powert auf Hochtouren. Peters friert immer. Trotzdem die März-Sonne schon eine gute Kraft entwickelt und so das Innere des Wagens schnell auf dreißig Grad hochkocht. Ich denke eigentlich, Fett würde gut wärmen. Aber bei dem Tempo, das Peters an den Tag legt, kann er sich ja nun mal nicht warmlaufen. „So Peters, dann wollen wir mal los. Auf zum Schichtl. Das ist auch wieder so ein bayerischer Begriff. Gemeint ist wohl ein Fahrgeschäft auf dem Münchener Oktoberfest, was so eine Art Geisterbahn darstellt, wenn ich es recht erinnere. Eigentlich hätte ich Gummihandschuhe anziehen sollen, bevor ich die Türklinke runterdrücke, denke ich noch, da sitze ich bereits in dem vermüllten, klebrigen Etwas, das irgendwann mal ein Fiat oder wie Peters sagen würde, Simca, gewesen ist. Irgendwie ist das schon eine Zumutung ohne Schmerzensgeld während des Dienstes in so eine Karre steigen zu müssen. Wenigstens sind die Dienststunden bezahlt. Mir schießt in den Sinn, ja nur nichts anzufassen. Es ist schon ein Glück, wenn man sich ohne Infizierung irgendeiner Krankheit zurück aus dem Beifahrersitz schälen kann. Die Fahrt mit Peters nach Oberpfaffenhofen ist immer das Unangenehmste bei der Sache, die Zeit dort zu verbringen hingegen sehr angenehm. Vor allem freue ich mich auf die Einladung zum Mittagessen in der vorzüglichen hauseigenen Kantine. Das setzt allerdings voraus, dass man die Zeit bis zur Mittagspause dehnen muss, ansonsten bekommt man keinen Einladungsgutschein dafür. „Bist ogschnallt? Sonst koa ich nämlich net fohrn. Du weißt ja eh, wo das Gurtschloss is, oder?

    „Ja, Peters, ich weiß, dass du keine Automatikgurte mehr einbauen lassen willst, da sich das nicht mehr lohnt. Ach schau mal einer an, was liegt denn da vorn? Ich zeige gezielt auf das Ablagefach auf dem Armaturenbrett. „Sieht aus wie eine Tüte Pariser. Wenn ich es nicht besser wüsste, tät ich meinen, Peters hat eine neue Freundin. Oder verleihst du das Auto? Bei dem Gedanken wird mir ja ganz übel bei der Vorstellung, dass in diesem Auto gepoppt worden ist. „Na, i hob doch mei Schnalln in der Landsberger Stroßn, des woast doch eh. Ich zucke kurz mit den Schultern. „Na, der Puff ums Eck. Maria zoihl ich doch scho über zwoa Joahr. Ja, gebe ich zu, davon schon gehört zu haben. Die Amtsspatzen piepen es bereits von den Dächern. Peters hat eine Prostituierte in der Landsberger Straße, dem wohl bekanntesten Straßenstrich in München. Heinz Spatz, welch Zufall bei dem Namen, erzählte davon.

    Er ist so der heimliche Beichtvater von Peters und zischt ebenfalls gern eine Halbe Bier oder auch mal zwei mit ihm. Ist zur Brotzeit in Bayern auch während des Dienstes erlaubt. Da hört man so einige Schoten. Aber Peters geht sehr offensiv damit um. Der schämt sich für gar nichts. „Ach ja, hast du mal erzählt. Und, die große Liebe?"

    „Ach geh, einmal die Wochn zum Vögeln, wenn i niat zuvul gesoffn hab. Dann göht eh nix mehr, dann red mer nur. Maria is a aus Wien, verstehst."

    „Ah ja, alles klar. Hat dich eigentlich die Polizei mal angehalten und blasen lassen?"

    „Wieso, de moasten kenn i eh, woast. Die gehen doch a in den Puff, da is des mitm blaoasen andersrum, hahaha…"

    „Ha, ha, ha, lache ich gekünstelt zurück. Eigentlich ist der Peters doch eine arme Sau, denke ich so bei mir. Aber sonst ganz in Ordnung. Ihm ist nur wichtig, dass er sein Bier hat und pünktlich uns Zöllner zu den Terminen fahren kann. Pflichtbewusst ist er ja. Trotzdem würde mich interessieren, wo er die falsche Abbiegung in seinem Leben genommen hat. Eines Tages werde ich ihn mal danach fragen. Tief in mir bin ich ein Philosoph. Ich interessiere mich sehr für menschliche Schicksale. Aber mit Peters zu philosophieren fällt schwer. Na, mal sehen… Die Fahrt geht ein kurzes Stück auf der A 96 entlang Richtung Ammersee. Schon die zweite Ausfahrt ist Oberpfaffenhofen. Nachdem wir die Autobahn verlassen, sieht man schon von weitem weiße Segel auf glitzerndem Wasser. Die Saison auf dem Ammersee hat bereits Anfang März begonnen. Auch die Weiße Flotte, Personenschifffahrt, die Besucher von einem Ort zum anderen übersetzt, fährt schon gut sichtbar in Richtung Andechs. Auf einer Anhöhe kann man auf der gegenüberliegenden Uferseite von weiter Ferne das Kloster erkennen, dass das ganze Jahr über von Touristenschwärmen wegen des guten selbst gebrauten Bieres angesteuert wird. Bei schönem Wetter ist die Aussicht atemberaubend. Manche kommen natürlich nur wegen der klösterlichen Ruhe zum Beten vorbei. Manche beten vor dem Trinken und andere wieder können nach dem Trinken nicht mehr beten. „So, mir san do.

    „Danke, Peters, so in drei Stunden bei der Kantine? Dann können wir noch zum Hangar nach dem Essen und dann zurück zum Amt, damit ich pünktlich zu Frau und Kindern komme."

    „Jo, Chef, ba, ba." Um 16: 00 Uhr ist normalerweise Feierabend. Mein Zug nach Datschiburg, wie Augsburg von der bayerischschwäbischen Bevölkerung auch genannt wird, fährt pünktlich um 16: 20 Uhr ab.

    ZWEI………………….

    München 1986/1987

    Udo: Anfangs ist meine Euphorie, einen Job bei einer großen Versicherung ergattert zu haben, noch ziemlich hoch. Es macht mir Freude mit immer neuen Menschen in Kontakt zu treten und dabei auch einiges über deren Leben zu erfahren. Ich, Udo Kaup, bin ein eloquenter Bursche und komme bei meiner Klientel auch sympathisch rüber. Das rede ich mir ständig ein. Immerhin kann ich schon in kürzester Zeit mehr Versicherungen verkaufen als mein Mentor, mit dem ich unterwegs bin. Nur, es gibt dabei einen entscheidenden Unterschied: Ich verkaufe nur aus Überzeugung, dass das, was ich verkaufe, für den Kunden auch nützlich und von Vorteil ist. Mein Lehrer und Mentor, Paul Greulich, macht das beileibe nicht immer so. Ich vereinbare bei meiner Akquise schon sehr am Anfang meiner Tätigkeit für das Versicherungsunternehmen, ein sehr bekannter und weltweit operierender Konzern mit Sitz in München, einen Termin bei einem älteren Ehepaar, das eigentlich eine Beratung über eine Sterbeversicherung haben will. Paul Greulich, der bei dem Termin selbstredend dabei ist, verkauft dem Paar dann noch eine unnötige Lebensversicherung zu teuren monatlichen Raten. Die Begründung: „Das ist gut für die Erben, haben die wenigstens was davon. Ich muss die Termine immer mit Greulich abstimmen. Dabei kommt es nicht selten vor, dass Greulich von mir genau den zu erwarteten Umfang des Abschlusses eingeschätzt haben will, was natürlich schwer zu sagen ist. Wenn ich von einer Hausratversicherung spreche, um die es bei dem Telefonat gegangen ist, dann will Greulich wissen, ob der Interessent auch schon eine Lebensversicherung besitzt. Das soll ich stets erfragen, da der Abschluss von Lebensversicherungen ihm, Greulich, eine höhere Provision einbringt. Verneine ich das, dann kann es gut sein, dass Greulich den Termin platzen lässt. Das wurmt mich jedes Mal fürchterlich. Überhaupt ist mir Greulich nicht sehr sympathisch. Das liegt aber nicht nur am Äußeren von Paul Greulich. Er ist nicht sonderlich groß, Ende dreißig, hat eine Stirnglatze und ein immer gerötetes, rundliches Gesicht, aus dem winzige Augen-Knöpfe lugen, die mit einer für die achtziger Jahre altmodischen Hornbrille verdeckt sind. Sein Anzug, ein beigefarbener Cordanzug, der auch schon bessere Tage erlebt haben muss, ist ihm über den Bauch ein wenig zu eng geworden, sodass er die Knöpfe offenlässt. Bei schlechtem Wetter trägt er darüber einen Trenchcoat in grau, der zu dem beigen Anzug einen ordentlichen Kontrast bildet. Er wechselt auch nur die Hemden und Krawatten, nicht aber den Anzug. Die Krawatten aber wählt er in Farben, die das breite Spektrum der Farbenlehre widerspiegeln. Die Hosenbeine sind etwas zu kurz geraten, das lässt ihn wie einen aus der Zeit gefallenen Buchhalter aussehen. Seine Zähne haben die Farbe eines Postautos und seine Finger sind ebenfalls vergilbt. Sein Atem riecht nach kalten Zigaretten, vermischt mit Kaugummi, der im Kampf um die frische Atemluft nur zweiter Sieger wurde. Das Unsympathische an Greulich ist für mich vor allem aber der Umgang und das Gebärden bei den Kunden selbst. Er setzt sich grundsätzlich nur an den Rand des Stuhls und kommt mit seinem Gesicht sehr nahe dabei an sein Gegenüber. Beim Reden bildet sich immer so etwas wie weißer Schaum in den Mundwinkeln, obwohl er sehr bedacht redet und dabei auch noch sehr leise, sodass gerade ältere Leute oftmals nachfragen müssen, da sie ihn akustisch nicht verstehen können. Überhaupt seine Stimme. Seine Figur ist für die Höhe der Stimmlage zu üppig ausgefallen oder umgekehrt. Als ich ihn schon sehr zeitnah bei dem ersten oder zweiten Termin auf das leise Sprechen aufmerksam mache, das natürlich erst, nachdem wir uns vom Kunden entfernt haben, erklärt Greulich mit sarkastischem Unterton: „Udo, das solltest du dir unbedingt auch angewöhnen, nicht wahr. Es ist gut, dass die Leut` nicht alles verstehen. Dann kann man denen auch noch eine Versicherung aufschwatzen, die sie nicht unbedingt brauchen, nicht wahr. Dann kannst ja hinterher immer sagen, dass du denen das erklärt gehabt hast, wenn aber keine Nachfrage kommt, kannst du davon ausgehen, dass sie mit der Unterschrift alles verstanden haben, nicht wahr. Dann ist ein Widerspruch wertlos und mein Provisionskonto schneller gefüllt, nicht wahr. Greulich kiekst dabei laut auf und verzieht sein Gesicht zu einem breiten Grinsen, das seine Brille auf der Nase tanzen lässt. Darauf brodelt es in mir. Mit so einer Antwort habe ich nicht gerechnet. Auch geht mir das dauernde nicht wahr auf die Nerven. „Ja aber Paul, das ist doch nicht in Ordnung! Die merken doch spätestens, wenn die Police zu denen nach Hause geschickt wird, was sie gekauft haben und wieviel sie monatlich dafür zahlen müssen. Paul schaut mich mitleidig an. „Ach geh, Udo, du bist ja ganz schön naiv. Ich weise sie doch vor der Unterschrift nochmal darauf hin, wie hoch die monatliche Rate ausfällt, nicht wahr. Erst danach unterschreiben sie den Vertrag, das hast du doch mitbekommen, nicht wahr. Du gerissenes Arschloch denke ich mir und kontere: „Ich habe nur mitbekommen, dass die eben nicht alles mitbekommen haben, nicht wahr! Das gefällt Greulich, jetzt ist er in seinem Element. Dass ich ihn nachahme, fällt ihm nicht auf oder er will es absichtlich überhören. „Udo, du hast es doch auch lieber, wenn du zu deiner Süßen nach Hause kommst und sagen kannst, Schatzl, am Wochenende gehen wir groß essen, da werde ich dich mal so richtig verwöhnen. Und denk an die Lebenshaltungskosten hier in München, die sind nicht ohne. Oder warum wolltest du nochmal einen Zweitjob? Das sitzt, denkt Greulich. Der will doch auch gutes Geld verdienen, da muss er lernen, es mit der Wahrheit nicht immer so genau zu nehmen.

    Schnellen Schrittes gehen wir beide mit gesenktem Kopf auf der Lindauer Straße in Pasing Richtung Bahnhof, wo das Auto von Greulich geparkt ist. Der sonnige Nachmittag im September ist im Begriff sich viel zu schnell in einen bewölkten Feierabend zu wandeln. Ein letztes Flackern des Sonnenlichtes ist zu erhaschen, nicht mehr lange und es ist stockdunkel. Greulich greift nach seinen Zigaretten, nimmt eine heraus, steckt sie an, inhaliert und atmet eine blaue Wolke aus, die mit ihrem Schatten den letzten Lichtstrahl der Sonne schneidet und dann weiß wird. „Paul, ich muss schon sagen, du hast recht, ich möchte natürlich liebend gern meine Frau und die Kinder mal mit einem Extra verwöhnen, das wir uns auch leisten können. Ich bleibe stehen und auch Greulich stoppt augenblicklich das Tempo. Paul Greulich grinst verzückt in sich hinein. „Endlich hast du es kapiert, Udo, du lernst ja doch noch dazu, nicht wahr! Wieder zieht Paul kräftig an seiner Zigarette, sodass die Glut feuerrot sich fast bis zu seinem Mund durchbrennt. Er bläst dicke Rauschkringel in die Höhe indem er seinen Kopf in den Nacken neigt, erst dann drückt er den Rest der Glut gemeinsam mit der Kippe auf dem Gehweg aus. „Ja, ja, Paul, aber erstens nenne ich meine Frau nicht Schatzl und zweitens entspricht das ganz und gar nicht meiner Philosophie."

    „Was entspricht denn deiner Philosophie, Udo? Vorsicht, lass erst das Auto

    Gefällt Ihnen die Vorschau?
    Seite 1 von 1