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Nicht mehr lange: Roman
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eBook245 Seiten2 Stunden

Nicht mehr lange: Roman

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Über dieses E-Book

Der Mensch zerstört die Welt.
Der Mensch zerstört sich selbst.
Was dagegen tun?
Wie weit kann man gehen?
Wo ist die Grenze?
Ein Freundeskreis radikalisiert sich.
Erst fallen Bäume - dann Schüsse.
München lebt in Angst.
Und die Katastrophe nimmt ihren Lauf.
Jeder muss sich entscheiden.
Es bleibt keine Zeit.

»Das Buch geht unter die Haut! Die Stimmung wirkt noch lange nach, spannend, packend, aktuell, wichtig - lässt einen verzweifelt, aber wachgerüttelt zurück ...« (Toni Taschler, Regisseur)
SpracheDeutsch
HerausgeberAllitera Verlag
Erscheinungsdatum11. Dez. 2020
ISBN9783962332587
Nicht mehr lange: Roman

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    Buchvorschau

    Nicht mehr lange - Max Schönmüller

    EINS

    _______________

    Gonna rise up

    Burning black holes in dark memories

    Gonna rise up

    Turning mistakes into gold

    1

    _____

    Er sprang.

    Die Arme weit geöffnet, wie er es in Filmszenen gesehen hatte.

    Die Augen geschlossen.

    Er hörte nichts mehr, sah nichts mehr und ließ sich nach vorne fallen. So, wie er einmal als kleiner Junge vom Drei-Meter-Brett einen Kopfsprung gemacht hatte. Er hatte sich überschlagen und war unsanft auf dem Rücken gelandet. Dieses Mal jedoch riss eine plötzliche Panikattacke seine Augen auf.

    Während er auf ein Gewirr aus Bildern und Gesichtern zuraste, konnte er für kurze Momente seine Freunde sehen, die ihm an einem Tisch im Biergarten sitzend zulächelten. Amira legte ihre Hand auf seine … laute, aufbrandende Musik ließ diesen Augenblick explodieren und er vermochte nichts mehr zu erkennen, nicht einmal geringste Umrisse seiner Umwelt.

    Dann war er tot.

    Balthasar beobachtete aus gut 50 Metern Entfernung genau, was geschah, und hoffte bis zuletzt, der Mann würde es nicht tun. Im Nachhinein konnte er nicht einmal sagen, warum er dies gedacht hatte, doch das Miterleben jenes Moments ließ ihn zögern und beinahe darum bitten, es möge nicht geschehen. Er glaubte, ein leichtes Ziehen in der Brust wahrzunehmen, aber nach einigen gleichmäßig tief durchgeführten Atemzügen war diese unangenehme Bedrücktheit wieder verschwunden.

    Langsam ging Balthasar auf die Stelle zu, an der der Mann aufgekommen war. Seine Position, verkrümmt und verrenkt, war ihm von ähnlichen Fällen bekannt. Lange starrte er in die offenen, leuchtend blauen Augen des Toten.

    »Das wars dann«, hörte er eine Stimme in unmittelbarer Nähe sagen.

    Er drehte sich um, suchte seinen Assistenten und rief ihn zu sich.

    »Der ist noch ganz jung, höchstens Ende zwanzig. Gehen wir, Thomas, ich bin müde und das Ganze macht mich echt fertig. Sollen die anderen hier weiter herumwühlen. Ich brauche einen Kaffee. Die Berichte können wir morgen lesen. Dann sehen wir weiter. Für heute gibt es nichts mehr zu tun. Auch wenn der Tag erst angefangen hat.«

    Wortlos stimmte ihm Thomas Rück zu und die beiden gingen zu ihrem Einsatzfahrzeug.

    Am Auto angekommen, fragte ihn Rück: »Wohin, Hans?

    Nach Giesing in die Bäckerei in die Tegernseer Landstraße?«

    »Ja, das wäre gut jetzt. Was ganz anderes. Gute Idee. Fährst du? Danke.«

    Wie jeden Donnerstag trafen sie sich am frühen Abend bei ihrem Lieblingsgriechen in Deisenhofen. Da es sommerlich warm war Ende Juni, saßen sie im Schatten unter alten Kastanienbäumen in einem riesigen Garten in der Nähe der S-Bahn-Station und genossen die laue, angenehme Luft.

    Matthias fing gleich an, zur Sache zu kommen.

    »Ich kann und will so nicht weiter machen, ich nehme diesen ganzen Irrsinn nicht mehr hin. Aus. Vorbei. Ich werde etwas dagegen machen«, eröffnete er die Runde.

    »Bleib mal cool, Alter«, stöhnte Ben, »nicht so früh am Abend gleich Weltuntergang.«

    »Nein, nein, ich meine es ernst. Ich habe lange darüber nachgedacht, jetzt muss ich auch handeln. Ich sage euch, was ich vorhabe, und dann könnt ihr euch überlegen, ob ihr mitmacht. Ok?«

    »Was hast du vor?«, drängte ihn Sara, »ich bin schon ganz Ohr. Fängst du jetzt endlich auch an zu begreifen, dass man was gegen diese Ungerechtigkeiten in der Welt tun muss? Warum, glaubst du, engagiere ich mich schon so lange politisch? Doch nicht nur aus Mangel an Freizeitbeschäftigung.«

    Sie bestellten sich etwas zu trinken und Matthias begann zu erzählen, was er loswerden wollte.

    »Jeder redet nur, eine wirkliche Aktion, die etwas verändern würde, geschieht nicht. Deshalb werde ich ab sofort handeln. Ein Statement ist ein Anfang. Ich bin es leid, dass uns alle in der Politik und in den Medien immer nur vertrösten auf bessere Zeiten. Die dann nie kommen. Wir müssen einen Schnitt machen und diesen Irrsinn anhalten. Damit alle vielleicht mal zum Nachdenken kommen und auch etwas ändern, nicht nur drüber reden.

    Ziemlich verwundert schauten ihn die anderen an.

    »Was meinst du denn konkret?«, sagte Alex, »ich meine, wirklich konkret?«

    »Ich werde am Wochenende, an der Autobahn Richtung Nürnberg, einen Baum auf die Autobahn fallen lassen. Mal sehen, was passiert«, sagte er lächelnd.

    »Blödsinn!«, fuhr Ben ihn an, »hast du schon zu viel getrunken? Was soll der Quatsch?«

    »Mein Gott, wir haben doch schon so oft darüber gesprochen, dass man diesen Irrsinns-Verkehr einfach mal anhalten sollte, damit den Leuten klar wird, was hier jeden Tag passiert. Warum nicht so anfangen?«

    »Du bist total gaga, lass das dumme Gerede«, Sara winkte ab. »Wenn sie dich dabei erwischen, hast du dein Studium umsonst gemacht. Mit einer Vorstrafe darfst du nicht mal dein Examen antreten und fliegst sofort von der Uni. So ein Scheiß, jetzt lass das.«

    »Ne, ne. Nicht ganz so schnell«, warf Amira ein, »was denkt denn der Herr, wie das gehen soll? Du redest mit dem Baum und der fällt um, oder wie?« Alle lachten laut los, auch er, irgendwie fühlte er sich in diesem Moment entlarvt. Fast schämte er sich ein wenig. Nach einer längeren Pause, in der jeder an seinem Getränk herumhantierte oder mit dem Bierdeckel spielte, fing Ben noch mal an.

    »Na, schon stumm? Wie sollte es denn ablaufen, deiner Meinung nach?«

    Matthias sah ihm in die Augen.

    »Mit einer Motorsäge natürlich, wie denn sonst? Keilschnitt, und der Baum fällt um. Genau dahin, wo ich das will. Man braucht natürlich auch einen passenden Baum und eine Stelle, die für diese Aktion tauglich ist, um schnell wieder wegzukommen von dort.«

    »Du hast also schon Vorüberlegungen gemacht in diese Richtung? Ich bin baff!«, stöhnte Alex.

    »Jetzt hört aber auf mit der Kinderei!«, ermahnte sie Sara, »was soll das denn bringen? Ausgemachter Schwachsinn ist so was. Habt ihr nichts anderes zu tun, als euch über das Gerede von Matthias auszulassen? Dann, bitteschön, lieber noch Fußball. Die Weltmeisterschaft läuft grade. Was haltet ihr vom Endspiel? Wer wird denn nach Meinung der hier anwesenden Experten Weltmeister? Frankreich oder Kroatien? Ich tippe auf die Franzosen, die sind irgendwie eleganter«.

    Das Gespräch nahm an dieser Stelle die von Sara angestoßene Wende, während des nun folgenden Essens gab jeder sein Spezialwissen zu den beiden Mannschaften zum Besten, und die Gedanken von Matthias zu Beginn des Abends wurden verscheucht. Erst nach dem obligatorischen Ouzo, dem noch eine Extrarunde folgte, nahm Amira das vorherige Thema wieder auf.

    »So. Du hast gut gegessen. Immer noch revolutionäre Gedanken? Oder bist du glücklicherweise in die bürgerliche Normalität und Zufriedenheit hedonistischen Lebens zurückgekehrt?«

    Dieser Spott hatte sein Ziel nicht verfehlt und wurde mit lautem, anhaltendem Gelächter von den anderen quittiert. Nachdem auch Matthias über ihre gelungene Formulierung geschmunzelt hatte, setzte er zu einer Art Widerrede an.

    »Nicht ganz. Ich bleibe dabei. Am Wochenende fällt ein Baum auf die Autobahn, und ich schaue mal, wie es mir dabei ergeht«.

    »Buh, bist du heute anstrengend! Jetzt aber wirklich. Rede über was anderes!« Sara schob ihr Mineralwasser ein Stück in die Tischmitte und drehte das Glas zwischen den Fingern ihrer rechten Hand leicht nach links und dann wieder nach rechts, während sie sichtlich genervt auf die Tischplatte starrte. Alex bestellte sich noch ein Weizen, dann ergriff er das Wort.

    »Also, ich geb dir recht. Es passiert nicht wirklich was. Heute habe ich in der Süddeutschen gelesen, dass nur die Reichsten überleben werden. Glauben auf jeden Fall die Reichsten. Einige Milliardäre sehen den Untergang der Welt als unumstößliche Wahrheit an. Und ein Professor für Zukunftsforschung aus Potsdam, den sie sich zu einer Fragestunde haben kommen lassen, ist einfach nur peinlich. Er appelliert dauernd an das Gute im Menschen und der Menschheit. Aber eine Lösung für die Probleme beziehungsweise Ängste der Reichen hat er auch nicht, nur die Floskel: Zusammenhalten und weitermachen. Ja gehts noch. Matthias hat recht. Immer das gleiche Bla-bla. Gebetsmühlenartig. Wir schaffen das. Wir kriegen das schon hin. Kommt Zeit, kommt Rat. Am Ende sogar die Deutsche Bundesbahn. Haha!«

    »Haben wir auch bisher, ich als Elektrotechnikerin sage euch, wir kriegen das hin. Die Energieprobleme und so. Dauert halt.« Amira klopfte mit ihrem linken Zeigefinger an die Tischkante und fügte hinzu: »Und: Es kann zu spät sein. Das muss man allerdings auch zugeben. Schon längst zu spät. Zumindest, was die Welt angeht. Lokal kann man noch einiges gut regeln. Sieht man ja bei uns oder in den skandinavischen Ländern. Aber weltweit sieht es eher zappenduster aus. Vor allem, weil auch bei uns der Energiehaushalt – Strom und Öl – schnell mal kollabieren kann. Dann gibts eh einen riesigen Wumms.«

    »Genau«, das war der Wiedereinstieg für Matthias, »deshalb werde ich ein Zeichen setzen und im Kleinen anfangen.«

    »Aber doch nicht mit Gewalt, du Dödel!«, fauchte ihn Sara an, »sei kreativ! Da wird dir doch was Besseres einfallen, oder?«

    »Nein. Ich will nicht als Grünenmitglied, wie du, im Dauerlabern feststecken. Quatsch mich tot, nene! Was haben denn die Grünen erreicht in den letzten drei Jahrzehnten? Nichts! Gar nichts! – Na ja, sie sitzen im Deutschen Bundestag und in den meisten Landtagen und verdienen wie irre. Bravo. Aus Rotation wurde Stagnation und Reichtum für wenige. Das war alles. Hör bloß auf mit dem »kreativ sein« – Geschwätz. Das kann schon lange keiner mehr hören. Ihr dreht euch nur um die eigene Selbstbespiegelungs-Achse. Der Einzige, der bei eurem Verein den Mund aufmacht und auch mal anders denkt, nämlich realistisch, den killt ihr in aller Öffentlichkeit. Du weißt schon, den Palmer.«

    »Jetzt bleib aber mal sachlich, hier gehts um die Flüchtlingsfrage!«

    »Ja, nicht nur. Er ist auch das einzige Grünen-Vorstandsmitglied, das mit den öffentlichen Verkehrsmitteln zum Grünen-Bundesparteitag erscheint. Die anderen kommen mit dem Flugzeug oder in ihren Luxuslimousinen angerauscht. – Umweltschutz? Nein, danke! Solche Scheinheiligen! Ihr seid nicht besser als die katholische Kirche in Sachen Nächstenliebe … oder Kinderliebe.«

    »Langsam, immer schön langsam«, warf Ben ein, der die Stimmung nicht kippen lassen wollte, »klar, stimmt alles, aber ist das, was du jetzt machen willst, besser?«

    »Keine Frage!«, Matthias gab sich kämpferisch, »die meisten Menschen sind so benebelt, die kann nur eine ganz krasse Sache aufwecken. Alles andere ist schon verpufft!«

    Wieder trat eine lange Pause in ihrem Gespräch ein, in der sich alle in ihr eigenes Denkgebäude zurückzogen. Eine neue Runde Ouzo wurde bestellt, sie prosteten sich zu und lächelten sich freundlich an. Solche Auseinandersetzungen kannten sie alle seit Jahren, und sie hatten bisher stets mit einem gesunden Augenmaß zueinander zurückgefunden. Das letzte Wort ging an Alex.

    »Hier, ich hab den Artikel gefunden. Der Zukunftsforscher sagt wörtlich: »Menschlichkeit handelt nicht von individuellem Überleben oder von Flucht. Es ist ein Mannschaftssport. Was auch immer zukünftige Menschen haben werden, sie werden es gemeinsam haben.«

    »Na dann, Prost!«, schickte Matthias hinterher.

    Um 4 Uhr 20 klingelte der Wecker meines Handys. Noch wie im Tiefschlaf wankte ich ins Badezimmer und machte mich frisch. Das kalte Wasser aktivierte die Gesichtsnerven und auch die Fähigkeit, die Umwelt wirklich wahrzunehmen, nahm zu. Erste Unruhe stieg in mir auf und ich fragte mich, ob ich nicht lieber wieder ins Bett zurückkehren sollte. Vielleicht war das Ganze doch nur eine Schnapsidee. Was sollte ein Einzelner gegen Millionen ausrichten? Alle redeten zwar über den höllischen Verkehr, der immer mehr zunahm, aber am Ende setzten sie sich jeden Tag in ihre Blechkisten und donnerten weiter wie vorher. »Wie soll man denn sonst in die Arbeit kommen? Wie sollen die Waren aus der ganzen Welt überall hinkommen? Wie sollen die vielen Arbeiter aus ganz Europa kreuz und quer zu den unterschiedlichsten Arbeitsstätten kommen, in Zeiten der europäischen Vereinigung?« Auf diese Fragen gab es unterschiedliche Antworten, doch die wollte bestimmt keiner hören. Sonst hätte sich längst schon etwas geändert.

    Mit einer heißen Tasse Kaffee und einem Brötchen war ich eine halbe Stunde später auf der Autobahn Richtung Nürnberg unterwegs. Da um diese Zeit kaum Verkehr war, kam ich schnell voran. Was hieß, dass ich auf der Mittelspur fuhr, ungefähr mit 120 km/h, an einer LKW-Kolonne vorbei, die sich von München bis Kiel erstreckte. »Ganz normaler Verkehr auf den bayerischen Autobahnen«, nennt man dies im Rundfunkdeutsch der Nachrichtensender. Auf der linken Spur bretterten die meisten Autos mit 150 bis 220 km/h an mir vorbei, dass es mir so vorkam, als würde ich stehen und nicht fahren. Die ganz Wichtigen, die unterwegs waren, und es waren anscheinend sehr viele sehr Wichtige auf ihrem Weg zum Ruhm, allen voran eine Phalanx von Vertretern in Audis, BMWs und Passats, gaben kräftig Lichthupe, wenn sie mich sahen. Sie hatten wohl Angst, ich könnte nach links ausweichen, um einen LKW auf der Mittelspur zu überholen, denn dann müssten sie scharf bremsen und ihr Geschwindigkeitsrausch bekäme einen leichten Dämpfer. Insgesamt gesehen war ich einer der Langsamsten von allen Reisenden.

    Etwa eine Stunde Autobahnfahrt später nahm ich die Ausfahrt kurz vor Ingolstadt und fuhr dann weiter auf der Landstraße noch eine gute halbe Stunde bis zu dem ausgespähten Feldweg, der über einen kleinen Weg an eine Stelle neben der Autobahn führte. Ungefähr 100 Meter von dem Baum entfernt, den ich mir bereits Wochen vorher ausgesucht hatte, stellte ich das Auto ab. Vorher wendete ich, damit ich möglichst schnell wieder davonkam. Ich blieb etwa 10 Minuten am Waldrand stehen und schaute mich nach Fahrzeugen oder Fußgängern um, die vielleicht in meine Richtung unterwegs waren. Mein Auto hatte ich soweit in den Wald hineingefahren, dass man es nicht von der Landstraße aus sehen konnte, ich aber noch einen freien Blick hinauswerfen konnte.

    Als ich mir sicher war, dass niemand in den Feldweg einbog, stieg ich aus und nahm meine Utensilien mit, die ich für die Unternehmung sorgfältig im Kofferraum verstaut hatte. Die Motorsäge meines Vaters hatte ich mit Benzin und Öl aufgefüllt und die Kette sauber gemacht und neu gespannt. Handschuhe, alte Turnschuhe. Alles war bestens vorbereitet. Nach weiteren Minuten, in denen ich am Auto stehen blieb, um zu sehen, ob nicht irgendein Spaziergänger oder Jogger in der Nähe auszumachen war, ging ich los. Die Möglichkeit, dass mich an diesem Platz jemand entdecken könnte, schätzte ich als äußerst gering bis unwahrscheinlich ein, denn wer geht schon fast unmittelbar neben der Autobahn laufen oder inmitten eines stetigen Lärmpegels. Noch einmal blieb ich in einem gewissen Abstand, in der dritten Baumreihe von der Autobahn entfernt, stehen und beobachtete die Umgebung. Auf meiner Seite der Straße war keine Bewegung auszumachen und auch auf der gegenüber liegenden Waldseite rührte sich nichts Ungewöhnliches.

    Ich war ziemlich nervös, atmete flach und unruhig und bekam schweißige Hände, als ich den Choke drückte und am Starterseil zog. Beim dritten Mal ruckelte der Motor, ich drückte den Choke leicht zurück und gab Vollgas. Das mir bekannte Rasseln und Surren der Motorsäge hallte durch den Wald und ich hoffte, es würde nicht zu früh oder am besten gar nicht bemerkt werden. Als der Motor rund lief, zog ich den Choke-Schalter ganz zurück und stellte mich vor den Baum. Ohne groß zu überlegen, schnitt ich einen Keil aus der Vorderseite, und als der Baum sich zu bewegen begann, da ich mich weit genug auf der gegenüberliegenden Seite vorgearbeitet hatte, legte ich die Säge neben mich auf den Boden. Schweißperlen liefen mir in die Augen und gebannt starrte ich nach oben in die Baumkrone, die sich langsam Richtung Straße senkte. Ich stellte mich hinter den Baum und stemmte mich mit ausgestreckten Armen gegen den Baum, um ihn in seiner Fallrichtung zu beeinflussen und den Fall zu beschleunigen. Ich wusste natürlich, dass das A und O beim Baumfällen der Keilschnitt war, der dann

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