Von der Vermessung der Künste: Poesie der Weite
Von Petra Lötschert
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Buchvorschau
Von der Vermessung der Künste - Petra Lötschert
2000
REISE-LYRIK
Balduinstein
11. Juni 2000, 14.30 Uhr – ein Sonntag an der Lahn
Du Bild einer schönen Seele, meine Augen sind gefangen
Deine Gestalt brennt sich gerade fein in meine Gedanken ein
Die Umarmung mit dir ist grün und tief – so vertraut
Dein Achselgeruch ist erdig, zieht mich in dich hinein
Ich höre deinen welligen Rhythmus mit meinem Herzen pochen
Jeder Grashalm streichelt mich, weckt eine natürliche Melodie in mir
Es beginnt gerade in deine fruchtbare Erde hinein zu regnen
Ich schließe meine Augen und sehe in den Himmel, deine Sonne
Ich sehe rote Glut wie ein Lavastrom in mir, warm, mich entblätternd
Ziehe den Schal aus, um mehr zu spüren, jeden Windhauch an diesem Ort
Zu dir gehören möchte ich, in diesem Sommer, jetzt
Somit springe ich zu dir mit Sinnen hinauf und tauche tief, tief ein
Deine Schwingung stimmt mit meiner überein – ein Takt
Ich fühle mich wie neugeboren, unschuldig, sorglos – glücklich
Ich atme dich ein, mir wird’s schwindlig
Kann nicht genug bekommen, so gut riecht dein Leib
Du, ich möchte bleiben, mehr als drei Tage …
Flingern, Ackerstraße – Ecke Elisabethkirche
Sonntag – 9. Juli 2000, 23 Uhr
Gläser zittern auf deiner Spüle, ein Zug rattert vorbei
Lasst uns die Fenster schließen, den Abend genießen
In den Zugpausen sprechen Vögel miteinander oder singen
Einfach vor sich hin. Andere Geräusche schalten wir ab
Licht geht aus, ein Video bestimmt das Dunkel
Ein Film mit Sonne, Meer, einer Amerikanerin, die ihren Mann sucht
Fremdgegangen in Frankreich, eine Chance für sie die Liebe
Neu zu finden – wir entdecken sie mit, nippen am Rotwein
Freunde fahren um Mitternacht auf ihrem Gleis nach Hause
Heimkino, Lachen, Kommentare, ein bisschen Faulenzen
Meine Kopfschmerzen lassen sich nicht wegschlucken
Sie begleiten mich bis in den Morgen
Acht Uhr wieder auf der Straße, die Inder schließen auf
Der arabische Friseur hat heute zu, er will in die Staaten ziehen
Zeitungen klemmen linkisch hinter manchen Türklinken
Keiner schaut in sie hinein. Noch nicht
Reklameblätter zieren unfein bis unbeachtet den Bordstein
Der Regen presst sie unübersehbar ins Straßenpflaster
Flingern, du hässliche Schöne, du Charakterdarstellerin unter
Düsseldorfs Stadteilen – Löwenzahn wächst aus deinen Fugen
Du verdaust die Säufer, die Dealer - die, die Bushaltestelle belagern
Du lässt einbeinige Tauben auf Straßenbahnschienen hüpfen
Die Härte der Realität kennt keine Grenzen, ein Zug rattert vorbei
Zwei Autos sind ineinander gefahren, typisch Gerresheimer Straße
Mond über Rolandseck
Freitag – 23. Juni 2000
Wie ein dicker Champagnertropfen schwimmst du thronend am Firmament
Bei untergehender Sonne wie ein unberechenbares Nachtgewächs
Ich wechsele die Rheinseite, Wolken verdecken dich, mit tränenden Streifen
Die du anleuchtest magisch schön. Blätterraunende Wälder erreichen mein Ohr
Klatschmohn punktiert die Landschaft, Margeriten sagen tschüss, komm wieder
Wenn es nicht mehr weiter geht. Die Autoschlange blinkt
Hochzeitsautos rauschen tutend vorbei, Motorräder atmen Freiheit. Zeit zu entfliehen
Erhebe dich mit dem Habicht, spür den Luftstoß in deinem Gesicht. Hoch geht’s
Atemberaubend schön – die Tannenhügel, die die Wolken berühren, einfach so
Genießen - sich gehen lassen. Der Wind trägt dich, nicht irgendwohin, sondern zu dir
Die Braut, die davonfliegt, erzählt
Januar 2005, Bremen – Institut Francais
Du fliegst die Sonne mehrmals an
Auf verschiedenen Tönen, summend
Ohne über die Schulter zu schauen
Angezogen vom kosmischen Nektar
Der blauen Weite des reinen Bewusstseins
Dem großen Düfte-Farbenmeer dahinter
Hörst du, es raschelt, die bunten Farben - riechst du sie
Du findest wieder zurück auf deinen Boden
Um mich mit Gelee Royal zu füttern
Stillst das Männerheer um mich herum
Berühren sie mich, lässt du sie sterben
Unbeeindruckt von ihrer Schönheit
Summend, dich badend im Pollenfeld
Was rot – ist nicht die Himbeermarmelade, es ist das Tierblut
Du pflegst das Leben, dass ich gebe
Erbrichst warmen Honig in die meinen
Der süße Saft berauscht sogleich
Sonne steht auf unserem Speiseplan
Spuren der Süße noch auf deinen Lippen
Der süße Wabenwein stillt jeden Schmerz
Löse das Kreuzworträtsel ohne Worte, benutze die Wanderwege
2005
Dein Kuchenkuss wirkt jetzt