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Zufälle, die keine sind: Mitten ins Herz
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Zufälle, die keine sind: Mitten ins Herz
eBook305 Seiten3 Stunden

Zufälle, die keine sind: Mitten ins Herz

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Über dieses E-Book

Unglaubliche Geschichten waren der Anlass für "Der Admiral", das erste Buch von Heidi Witzig. Seitdem sind noch viel mehr dieser "Zufälle, die keine sind", passiert. Die Autorin erzählt in ihrer frischen und unbeschwerten Art von weiteren Erlebnissen und berichtet, wohin sie ihr kleiner Schmetterling noch begleitet und geführt hat. Lassen Sie sich auch von diesem zweiten Buch verzaubern. Es ist ein idealer Begleiter, der den Leser bestens unterhält, ihn zum Schmunzeln bringt und zudem noch viel Freude und Lebenskraft vermittelt.
SpracheDeutsch
Herausgebertredition
Erscheinungsdatum9. Feb. 2022
ISBN9783347528406
Zufälle, die keine sind: Mitten ins Herz

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    Buchvorschau

    Zufälle, die keine sind - Heidi Witzig

    Mein erstes Buch

    So unwahrscheinlich es klingen mag, so wahr ist meine Geschichte. Um mir meinen unerfüllten Traum, ein Buch zu schreiben, zu erfüllen, sollten vierzig Jahre vergehen.

    Erst im Alter von 70 Jahren stand ich vor meiner größten Herausforderung: Autorin zu werden.

    Die „ZUFÄLLE, die keine sind", brachten mich dazu, Menschen darauf hinzuweisen, aufmerksamer auf die kleineren Dinge und Zeichen am Wegesrand zu achten.

    Vor einem Jahr sind meine Tochter Iris und meine Mutter Else gestorben. Nach dem ersten Trauerjahr verspürte ich große Lust auf einen Spaziergang über die Weinberge. Begleitet wurde ich von Haggard, dem Hund meiner Schwester, einem aufgeweckten Kerlchen, der mich oftmals mit neugierigen Unternehmungen überraschte. So führte er mich dieses Mal zu unserem kleinen Friedhof, der nicht weit von unserm Zuhause entfernt lag. Noch bevor wir unser Ziel erreicht hatten, überkam mich ein mir völlig unbekanntes Gefühl. Ich bekam Gänsehaut, spürte die Nähe meiner Tochter Iris. Irgendeine Kraft drängte mich, auf einen großen Stein vor dem Tor zuzugehen, worauf ein bunter, wunderschöner Schmetterling saß. Keine Menschenseele war unterwegs. So hatte ich keine Scheu, ihn mit einem Flüsterton anzusprechen und ihn zu fragen, ob ich mich zu ihm setzen dürfte. Ich sprach mit ihm wie mit einem anderen Tier, nur etwas vorsichtiger, als wäre es das Normalste auf der Welt!

    Er ließ es zu, als kannten wir uns bereits. Ich war total verblüfft. Nicht einmal ansatzweise hätte ich mit so etwas gerechnet. Haggard blieb ruhig und still an meiner Seite und lauschte dem Treiben zwischen mir und einem Schmetterling. Vorsichtig streckte ich ihm meine rechte Hand entgegen, mit einem Wunsch, ihn bitte an mein Herz zu führen. Was ich für unmöglich hielt, verzauberte er mich. Der Falter umgab mich mit einer angenehmen Wärme, die ich nur meiner Tochter Iris zuordnen konnte. Als sollte dieser Moment nur uns dreien gehören, gab ich ihm spontan den Namen meiner Tochter: Iris. Für mich war es eine unbeschreibliche Begebenheit: Durch den Schmetterling Iris war ich tief in meinem Herzen mit der Seele meiner Tochter verbunden.

    Wie ich erst später erfuhr, war es ein „Admiral".

    Diese wahre Geschichte war der Anstoß für mein erstes Buch DER ADMIRAL – Zufälle, die keine sind.

    Was mich bewegte, ein Buch zu schreiben

    In dieser Zeit waren mein Mann und ich einem väterlichen Freund sehr verbunden. Er kannte meine Träume, ein Buch zu schreiben und war an allen Geschichten und Erlebnissen interessiert, von denen er sich auch selbst überzeugte. Eines Tages überreichte er mir das Buch einer Bekannten. Damit wollte er mir Mut machen, selbst zur Feder zu greifen. Mit den Worten: „Schreiben Sie Frau Witzig," fangen sie jetzt an, und schreiben Sie alle ihre Erlebnisse auf.

    Ich liebte Herausforderungen und nahm das Buch dankend an. Nach eineinhalb Jahren konnte ich ihm erstmals mein fertiges „Manuskript" überreichen, womit ich ihm eine große Freude bereitete.

    Nur meine engsten Vertrauten wussten von meinem langjährigen Traum und verfolgten alle meine Geschichten, die ich mit Fotos aus meinem Tagebuch untermauern und ausschmücken konnte.

    Wer hatte schon die Möglichkeit, drei ganze Jahre mit einem ungewöhnlichen Freund, einem Falter, an seiner Seite zu verbringen? Wer bekam schon die Gelegenheit, etwas von einem Schmetterling zu lernen und etwas Besonderes über ihn zu erfahren? Ich sollte auf seine nicht nachvollziehbaren Späßchen und Zeichen achten, die mich über den Verlust zweier geliebter Menschen hinwegtrösteten. Für mich gehörte diese Begegnung zur intensivsten Trauerverarbeitung, die man sich überhaupt vorstellen kann.

    Bis heute ist es mir unerklärlich, wie einfühlsam, vertraulich und intelligent ein „Schmetterling" sein konnte und wie er sich auf mich und meine Mitmenschen einstellen konnte.

    Die Gedanken und Erlebnisse mit meinem „Admiral" wurden mir täglich immer klarer. Ich sollte mich an ganz ungewöhnliche Dinge zurückerinnern und seine Spuren verfolgen, die ich letztendlich als wahre Geschichten entschlüsseln sollte.

    Leider reichte mir die Zeit nicht aus, einem väterlichen Freund mein fertiges Buch zu überreichen, deshalb musste ich erst einen Lektor ausfindig machen, der sich für meine Geschichte interessierte.

    Schon nach meinem ersten Anruf fühlte ich mich verstanden und hatte das Gefühl, angekommen zu sein. Wir waren uns sofort sympathisch, was mir sehr zugutekam, und ich freute mich, eine reizende Dame am Telefon zu hören. Sie überraschte mich mit den Worten, dass ihr kleiner Sohn gerade von Schmetterlingen angetan war, was genau passte, und wünschte mir viel Glück. Danach übergab sie den Hörer an ihren Mann, der sich um das Projekt kümmern wollte. Ich konnte es kaum fassen: Ich war meinem Ziel etwas nähergekommen!

    Nach unserer Begrüßung erklärte ich ihm, wie ich auf den Untertitel „Zufällen, die keine sind gekommen war. „Wissen Sie, sagte ich, „das mit den ‚Zufällen‘ ist so eine Sache. Meine Mutter ist eine geborene ‚Sommerfeld‘ und mein Mädchenname ist ‚Baum‘. Warum enthält ausgerechnet Ihr Nachname zwei ‚meiner‘ Wörter? ‚Feld‘ und ‚Baum‘. Wenn das kein Zufall ist."

    Er, fand es sehr witzig.

    Damit war sogleich das Eis gebrochen und unser Gespräch endete in dem Satz: „Frau Witzig, wir schaffen das!"

    Ich war überglücklich. Dies war der erste größere Moment, der mir zeigte, dass ich mich auf dem richtigen Weg befand.

    Im Mai 2017 wurde mein Buch Der Admiral herausgebracht. Was für ein Geschenk Gottes und was für ein unbeschreibliches Gefühl, noch mit 70 Autorin zu werden!

    Als ich mein fertiges Buch meinem Mann und unserem väterlichen Freund überreichte, beglückwünschten beide mich zu meinem Erfolg und beide verbeugten sich vor mir. Zwei Menschen von denen ich Respekt habe und von ihrer Ernsthaftigkeit überzeugt bin. Beide trauten mir schon eine Menge zu, waren aber über meine Leistungen erstaunt, den langen Weg bis zur Autorin geschafft zu haben.

    Zu diesem Zeitpunkt ahnte noch niemand, wie ernst es mir mit meiner Geschichte wirklich war. Und jetzt schreibe ich auf, WOHIN mich MEIN Admiral und die „Zufälle, die keine sind, hinzogen und mich „Mitten ins Herz trafen.

    Wie alles begann.

    Vielleicht hatte mein zweiter Ehemann wirklich recht: Einige Talente waren verschüttet oder nicht genug gefördert worden. Aber wer hätte mir seinerzeit helfen können? Meine Eltern mussten arbeiten, aber meine Oma war immer für uns da. Sie konnte uns sehr gut Märchen erzählen und Geschichten vorlesen und sie vertraute uns heimliche Verstecke in der Osterzeit an. So brauchten wir nie zu lange zu suchen.

    Meine Schwester Christel war drei Jahre älter. Sie verstand und behielt in diesen jungen Jahren mehr als ich. Nachts las sie noch mit einer Taschenlampe unter der Bettdecke. Das musste sie heimlich machen und ich versprach ihr, sie nie zu verpetzen. Eigentlich war ich nie eine „Petze".

    Ich mochte spannende Geschichten, die mich so anregten, dass ich sie in meinen Träumen ausplapperte. Daher horchte mein Vater mich nachts aus, mit wem und wo wir spielten, oder ob meine Schwester schon einen Freund hatte. Diese hielt mich darauf hin für eine Petze, da mein Vater sie auf ihren Freund ansprach. Eines Tages erzählte uns unsere Oma, woher mein Vater das alles wusste: großes Gelächter. Sie war die beste Oma, die wir uns wünschen konnten. Christel musste sich jetzt gut überlegen, ob sie mir weiterhin ihre Geheimnisse anvertraut.

    Ich liebte meine Oma schon deshalb, weil sie sehr gerne mit mir Mensch ärgere dich nicht spielte. Sie war keine gute Verliererin und ärgerte sich fürchterlich, deshalb überließ ich ihr gerne den Gewinn. Hauptsache, sie behielt ihre gute Laune und wir konnten uns die Zeit vertreiben; so wurde es nie langweilig bei uns.

    Auf diese Weise rückte die gesamte Familie oft zu einem lustigen Nachmittag oder Abend zusammen. Es fehlte uns an nichts.

    Die Wassertonne

    In unserem Garten besaßen wir alle Freiheiten. Wenn unser Cousin Herbert zu Besuch kam, was fast zur Routine gehörte, wurde immer gelacht. Auch Herbert war drei Jahre älter als ich, deshalb sollten Christel und er ab und an ein Auge auf mich werfen und auf mich aufpassen. Unser Garten wurde reichlich mit Gemüse bepflanzt. Und wir liebten alle Tiere, die im Garten herumliefen: Hühner, einen Hahn, der besonders frech war, Gänse und Stallhasen. In der Mitte des Gartens stand eine in die Erde eingelassene Wassertonne, die nicht sehr hoch war. Oft standen wir davor und setzten kleine Papierschiffchen hinein, oder wir spiegelten uns im Wasser. So geschah es, dass ich im Alter von zwei Jahren in einem unbeobachteten Moment kopfüber in diese Wassertonne fiel. Christel stand wie versteinert davor und schaute mich nur an. Herbert reagierte sofort und schrie, so laut er konnte: „Oma, Oma, die Heidi ist gerade in die Wassertonne gefallen!" Immerhin wurde er so mein Lebensretter und weil meine geliebte Oma zum Glück immer in unserer Nähe war, zog sie mich an beiden Beinen aus der Tonne. Seitdem hatte ich einen Gehörschaden, der mich mein ganzes Leben daran hinderte, konzentrierter zu lernen oder hinzuhören, ohne mich ablenken zu lassen. Meine Besuche beim Hals-Nasen-Ohren-Arzt wurden zur Routine.

    Nach der Schule bin ich sehr oft den weiten Weg bis zu einem Bauernhof gelaufen, um meiner Mutter dort bei der Feldarbeit zu helfen. So lernte ich vieles darüber. Ich liebte die Natur und konnte mich nie sattsehen, was sich in oder über der Erdoberfläche versteckte.

    So konnte ich in der Schule mit immer neuen Berichten bei den Stadtkindern punkten. Meine Geschichten waren allein schon deshalb sehr beliebt, weil sie der Wahrheit entsprachen und weil sie alle zum Lachen brachten. Alle waren auf meine neusten Erlebnisse und Erzählungen gespannt. Hier war ich einmal eine unter wenigen, die sich etwas zutraute, wovor andere zurückschreckten und sich einer solchen Herausforderung nicht stellen möchten.

    Feldgeschichten

    Eine meiner gern erzählten Feldgeschichten ist die vom „Spargelstechen, und was man dabei beachten muss". Alle lauschten gespannt. „Also, sagte ich gönnerhaft, „zum Spargelstechen gehört eine ganz besondere kleine Stielschippe. Man muss sie in einer speziellen Haltung dicht neben den Spargel und tief genug in die Erde stechen. Dabei dürfen die Spargelstiele nicht verletzt werden. Meine Mutter hat mir diese Technik beigebracht, erklärte ich ganz stolz. „Danach werden sie nach Größe, Länge und Dicke sortiert und auf dem Sandboden aufgereiht. An diesem bestimmten Tag schien die Sonne so stark, dass sie mich blendete. Dadurch erschien die Spargelerde mal heller, mal dunkler und ich konnte nichts so recht erkennen. Also stach ich gut gelaunt und fröhlich nach einem Spargel, der aber leider keine Ähnlichkeit mit einem solchen hatte. Vor lauter Angst schrie ich nach meiner Mutter.

    Vor mir saß eine fette, große, sandfarbene und hässliche Kröte, die mich mit riesigen Glupschaugen und aufgeblasenen Backen anglotzte. Noch nie hatte ich so etwas Hässliches gesehen, weshalb ich vor lauter Schreck meine Schippe im hohen Bogen weit wegwarf und anschließend nie wieder beim Spargelstechen dabei sein wollte. Zum Glück hatte ich die Kröte nicht verletzt, aber dieser Schock steckte mir noch lange in den Knochen.

    Mutters Lachen schallt heute noch in meinen Ohren; diesen Moment werde ich nie vergessen, als sie mit ihrer bunten Kittelschürze auf dem Feld stand und mir noch von Weitem nachrief: „Du bist ja doch ein Angsthase!" Ich war alles andere als ein Angsthase, aber der überraschende Moment hätte jeden anderen, außer meine Mutter natürlich, auch erschreckt. Meine Klassenkameraden waren begeistert. Wieder einmal habe ich sie alle mit einem Erlebnis zum Lachen gebracht, das war das Schönste für mich.

    Dies geschah zur Zeit, als die Berliner Mauer gebaut wurde. Dabei konnte ich zuschauen, wie Soldaten der NVA Stacheldrahtzäune dicht neben unseren Feldern hochzogen.

    Schon damals sammelte ich meine Geschichten. Die Stadtkinder fanden die einfache Vorstadt und das Familienleben von uns ganz toll und freuten sich auf jede Einladung von mir. Ich machte sie neugierig und strotzte vor Freude, sie zu unserem Bauern Zech mitzunehmen.

    Immerhin sind wir dorthin jeweils vier Kilometern gelaufen, was uns keineswegs zu lang wurde. Meine Mutter amüsierte sich über die jungen Besucher, die neugierig die Tiere aufsuchten. Bauer Zech war ein Meister seines Fachs. Alles tat er mit Ruhe, was sich auf seine Tiere übertragen hat. Ich führte die Besucher in die großen sauberen Kuh- und Schweineställe. Beim Melken durften sie sogar die frische Kuhmilch aus den silbernen Blecheimern trinken. Da Stadtkinder so etwas kaum zu Gesicht bekamen, war das hier für sie eine andere Welt. Aber jeder gönnte mir diese Freiheiten, mit denen ich unbeschwert und glücklich aufgewachsen war.

    Schon in der Schule entdeckten die Lehrer meine Mal- und Zeichentalente. Auf Elternabenden sprach mein Lehrer meine Eltern auf meine künstlerischen Talente an, die man, seiner Meinung nach, fördern müsse.

    Viele meiner Zeichnungen wurden damals sogar im Rathaus von Spandau ausgestellt. Es war mein größter Wunsch, zu zeichnen und zu malen. Leider fiel dies bei meinen Eltern auf wenig Gehör, da die Geldmittel für eine künstlerische Weiterbildung fehlten und sie mich nicht unterstützen konnten. Mutters Geld allein reichte nicht aus und mein Vater konnte als Straßenbahnschaffner auch keine großen Sprünge machen.

    Mein praktisches Talent

    Meine Eltern hatten meine praktische Veranlagung längst erkannt. Aus allem konnte ich etwas zaubern und hatte viele Ideen. Gerne hätte ich entsprechende Berufe ausüben wollen, die ich mir zutraute. Für mein Maltalent gab es keine speziellen Berufe, vielleicht die Kulissenmalerei, hier hätte ich meiner Fantasie freien Lauf lassen können.

    Auch Konditorin oder Blumenbinderin zu werden, hätte ich mir gut vorstellen können. Vieles, was ich kreativ umsetzen und mir zugetraut hätte, wurde mir durch meine mangelnde Schulbildung versagt. Mir fehlten meist bessere Noten. Diese konnte ich leider nicht vorweisen und somit konnte ich auch den ein oder anderen meiner Träume nicht verwirklichen.

    Ich liebte die Musik und ich liebte es, vor einem schwarzen Klavier, einem „Lackflügel" zu stehen, der bei meiner Tante Alice und meinem Onkel Oskar stand. Einmal pro Woche unterstützte ich sie im Haushalt und konnte mir so ein Taschengeld verdienen. Einer ihrer drei Söhne, Jörg, spielte sehr schön Klavier, worum ich ihn beneidete.

    Jeder wusste von meinem anderen Traum, Klavier spielen zu lernen, aber niemand ging darauf ein, da es auch hierfür nicht genug Geldmittel gab. Es sollte einfach nicht sein. Heute bin ich froh, dass mein Mann Jürgen, der aus einer sehr musikalischen Familie kommt, Klavier und einige andere Musikinstrumente beherrscht. So spielte er zum Beispiel mit meinem Vetter Jörg vierhändig zu Mutter Elses 85. Geburtstag in Berlin-Spandau. Damit haben sie uns überrascht, ich war wirklich sehr stolz darauf.

    Lehrstelle in Berlin-Charlottenburg

    Tante Marta war die Cousine meiner Mutter, die kinderlos und allein in Berlin-Charlottenburg gegenüber vom alten Charlottenburger Schloss, Ecke Leibnizstraße wohnte. Sie war eine von den feinen Damen, die immer edel und schick gekleidet waren und stets mit der Mode gingen. Durch ihre Beziehungen bekam ich eine Lehrstelle als Friseurin in einem Friseursalon, der nur eine Straße von ihrer Wohnung entfernt lag. So konnte ich sie in der Mittagspause besuchen.

    Friseurin war ein Beruf, in dem ich mich halbwegs kreativ entfalten konnte. In einer Zeit mit wenigen Lehrstellen war ich stolz darauf, diese Stelle bekommen zu haben. Die schönsten Frisuren und Haarfarben malte ich mir aus. Auch könnte ich mir endlich mein eigenes Geld verdienen und etwas Hübsches kaufen.

    Tatsächlich machte es mir großen Spaß, mich mit diesem Beruf auseinanderzusetzen. Mein Lehrmeister und meine Chefin hatten große Pläne mit mir, da sie keine eigenen Kinder hatten. Schnell erkannten sie, dass sie nach langer Zeit mit mir den ersten Lehrling eingestellt hatten, der das richtige Talent für diesen Beruf mitbrachte. Ich sollte eines Tages die Hauptrolle in ihrem Friseursalon spielen. Endlich jemand, der an mich und meine Talente glaubte und diese fördern wollte.

    Mit den letzten Lehrlingen, die ausgelernt hatten, hatten sie mehr als Pech gehabt. Schon bei meiner Einstellung fragten sie mich, ob ich einen Freund hätte. Zu dieser Zeit konnte ich die Frage meiner Chefin noch mit einem klaren Nein beantworten. Sie wusste, warum sie fragte, da ihre letzten Angestellten wegen Schwangerschaften ihren Beruf an den Nagel hängen mussten.

    Ich war viel zu jung und wollte nicht zu diesen Vorgängerinnen gehören. Nein, lieber konzentrierte ich mich, so gut ich konnte, auf meinen Beruf, der mir neue Aufgaben und Herausforderungen gab.

    In einer Mittagspause vertrauten mir meine beiden Kolleginnen ein Geheimnis an. Beide wurden zur gleichen Zeit schwanger und wünschten mir, dass es mir nicht auch noch passieren sollte. Unsere Chefs würden es nicht mehr verkraften, meinten sie. „Wie gut, dass ich eure Sorgen nicht habe", gab ich angeberisch zurück.

    Ach du meine Güte, deshalb fragte das Friseur-Ehepaar mich also, ob ich schon einen Freund hätte, was ich energisch verneinte. Außerdem hatte ich keine blasse Ahnung; ich war noch Jungfrau und nicht aufgeklärt. Trotzdem musste ich dieses Geheimnis für mich behalten.

    10. April 1962

    Es war im ersten Jahr nach dem

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