Lebenskunst: Mystik und Lebenskunst
Von Michael Stoll, Birgit Stoll, Falk Liese und
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Über dieses E-Book
Der Dichter und Mystiker Heinrich Seuse (lat. Suso - 1295-1366) lebte und wirkte im Bodenseeraum und gilt als Verfasser der ersten spirituellen Autobiographie in deutscher Sprache. In dieser Vita werden die kleinsten Handlungen des täglichen Lebens mit gleicher Selbstverständlichkeit und liebender Hingabe auf die höchste Wirklichkeit hingeordnet, wie die wesentlichen Fragen unseres Daseins.
Die Frage nach dem gelungenen Leben - nach Einheit im Sein und Handeln, zwischen Individualität und Gemeinschaft - hat an Aktualität nicht verloren und wird in diesem Buch erneut gestellt und auf unterschiedlichsten Wegen behandelt.
Michael Stoll
Michael Stoll, geboren am 15. Februar 1964 in Bogen /Niederbayern. Aufgewachsen in Überlingen am Bodensee. Studium in Berlin und Konstanz. Freiberuflich als Dichter und Musiker seit 1992 tätig. Gründung des SusoHaus Überlingen und Lebensklosters in Worndorf bei Neuhausen als Orte der Stille und schöpferischen Arbeit. Tätig als Musiker und Dichter und spiritueller Mentor einer Mystik der Gelassenheit nach Meister Eckhart.
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ESSENZEN VIII --- Dichterische Texte von Michael Stoll, die ausgehend vom Konkreten, geöffnete Wege hin zu einer wahren Gelassenheit aufzeigen: Der achte Jahresband aus der Reihe ESSENZEN von Michael Stoll Bewertung: 0 von 5 Sternen0 BewertungenESSENZEN gelb: 4. Jahresband der Dichtung ESSENZEN von Michael Stoll Bewertung: 0 von 5 Sternen0 BewertungenESSENZEN: Dichtungen von Michael Stoll Bewertung: 0 von 5 Sternen0 Bewertungen
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Buchvorschau
Lebenskunst - Michael Stoll
Das SusoHaus in Überlingen am Bodensee
Das SusoHaus in Überlingen ist eines der ältesten Häuser in Süddeutschland und wurde in den letzten Jahren aufwändig renoviert.
Im Zentrum der Renovation steht der Quellturm – Wasser aus der Sickerquelle im Keller wird in den Dachraum getragen und fällt tropfenweise in einem Lichtstrahl durch das Haus in den Molassegrund zurück.
Jeder Mensch sucht in seinem Leben auf seiner ihm eigenen Weise Sinn und Erfüllung. Heinrich Seuse (lat. Suso) lebte vor 700 Jahren am Bodensee und hat die erste Autobiographie in deutscher Sprache seiner Nachwelt hinterlassen. Darin beschreibt er sein Leben als ein sinnvolles Ganzes und dessen Vollendung im Gewahrsein höchster Gelassenheit.
Die Erinnerung an einen Menschen, der vor 700 Jahren hier am Bodensee gelebt hat und das Leben im umfassenden Sinne ernst nahm und angenommen hat, weist auf den Kern, die Quelle menschlichen Seins, die unabhängig vom Wandel der Zeit als eine ewige Dimension tiefsten Sinn offenbart.
Das SusoHaus bietet mit seiner Kulturarbeit dem einzelnen Besucher auf seinem eigenen Lebensweg Erfahrungsräume an, um sich neu zu orientieren, oder bewusster die eigenen Lebens - Schritte weiter vollziehen zu können.
www.susohaus.de
Was ist rechte Gelassenheit?
aus dem „Buch der Wahrheit" von Heinrich Seuse
…begehrest du in die geheimnisvolle Verborgenheit zu kommen, steig kühnlich aufwärts, lass deine inneren und äußeren Sinne, das Eigenwerk deiner Vernunft, alles, was sichtbar ist oder nicht, und was ein Sein oder Nichtsein ist, hinter dir.
Prolog
Allen Menschen, die wieder in das Eine geführt werden sollen, ist es nützlich, den Ursprung von sich und allen Dingen zu wissen, denn dort ist auch ihr letztes Ziel. Deswegen muss man wissen, dass alle, die jemals über die Wahrheit sprachen, darin übereinstimmen, dass es etwas gibt, das über allem das Erste und Einfachste ist und vor dem nichts ist.
Es ist nun aber bekannt, dass die Natur des genannten einfachen Seins endlos, unermesslich und unbegreiflich für alles kreatürliche Denken ist. Darum ist allen gelehrten Theologen bekannt, dass eben dieses Wesen, das keine Weise hat, auch ohne Namen ist. Und darum sagt Dionysius in dem Buch »Von den göttlichen Namen«, Gott sei ein »Nichtsein« oder ein »Nichts«, und das ist in Bezug auf alles Sein und jedes bestimmte Etwas zu verstehen, das wir ihm nach kreatürlicher Weise zulegen können. Denn »was man ihm in dieser Weise zuschreibt, das ist alles in gewissem Sinn falsch, und seine Verneinung ist wahr«. Und daher könnte man ihn ein »ewiges Nichts« nennen. Andererseits, will man von etwas sprechen, wie erhaben und über alles Verstehen es ist, so muss man ihm irgendeinen Namen geben. Das Wesen dieser stillen Einfachheit ist ihr Leben - und ihr Leben ist ihr Wesen. Es ist ein lebendes, seiendes, existierendes Denken, das sich selber denkt und ist und lebt in sich selber und ist dasselbe.
Weiter kann ich es nicht ausdrücken, und dieses Wesen nenne ich: »Ewige ungeschaffene Wahrheit«.
Denn alle Dinge sind in ihr in ihrer Neuheit und in ihrem Ersten und in ihrem ewigen Ursprung. Und darin beginnt ein gelassener Mensch und kommt an sein Ziel in rechtem Eins-Sein, wie hiernach gezeigt wird.
Der Fragende: Was ist rechte Gelassenheit?
Die Wahrheit antwortet: Achte auf folgende zwei Worte und erkenne ihre Bedeutung; sie lauten: »Sich lassen«. Und wenn du diese zwei Worte genau abwägen und bis in ihren Grund auf ihren letzten Sinn prüfen und in rechter Unterscheidung betrachten kannst, so kannst du rasch ihren wahren Sinn erkennen. Nimm zunächst das erste Wort, nämlich »Sich« oder »mich«, und schau, was das bedeutet. Hier muss man wissen, dass jeder Mensch ein fünffaches Sich hat: Das eine hat er mit dem Stein gemeinsam, und das ist Sein; das zweite mit der Pflanze, und das ist Wachsen; das dritte mit den Tieren, und das ist Empfinden; das vierte, das alle Menschen verbindet, ist die allgemeine menschliche Natur; das fünfte, das nur ihm eigen ist, ist sein persönliches Ich sowohl hinsichtlich seines Adels wie seinem Eigen-Sein.
Der Fragende: Was führt nun den Menschen
in die Irre und beraubt ihn seiner Seligkeit?
Die Wahrheit: Das ist ausschließlich dieses letzte Sich, in dem der Mensch sich von Gott ab- und auf sich selbst hinwendet, während er doch zurückkehren sollte.
Wenn er sich selbst also in seiner Eigen-Sucht ein eigenes Sich stiftet - das heißt in seiner Blindheit sich selber zuschreibt, was Gottes ist - und danach strebt und mit der Zeit in Unzulänglichkeit zerfließt.
Wer dieses Sich in rechter Weise lassen will, soll drei Betrachtungen anstellen: Zuerst soll er, nach innen schauend, auf die Nichtigkeit seines eigenen Sichs blicken und wahrnehmen, dass sein Sich wie das aller Dinge ein Nichts ist, entfernt und ausgeschlossen von dem Etwas, das die allein wirkende Kraft ist.
Die zweite Betrachtung besteht darin, nicht zu übersehen, dass, was immer er tut, sein eigenes Sich immer in seiner eigenen Kreatürlichkeit bleibt, in die es ausgeflossen ist, und nicht ganz und gar vernichtet wird. Die dritte Betrachtung besteht in einem Sich-abhandenkommen und freiwilligen Aufgeben seiner Selbst hinsichtlich alles dessen, wie er sich bisher verhalten hat: in seiner geschaffenen Eigenheit, in unfreier Mannigfaltigkeit gegenüber der göttlichen Wahrheit, in Lieb oder in Leid, im Tun oder im Lassen. Dann wird er mit gewaltiger Kraft sich ohne irgendeine äußerliche Weise entäußern und unwiderruflich sich selbst verlieren und mit Christus in Einheit eins werden, so dass er aus Christus in dieser Rückorientierung immer wirkt, alles empfängt und in dieser Einfachheit alles betrachtet. Dieses gelassene Sich wird ein christusförmiges Ich, von welchem Paulus sagt: »Ich lebe, aber nicht mehr als Ich, sondern Christus lebt in mir«. Das nenne ich ein vollkommenes Sich.
Betrachten wir nun das zweite Wort, das er spricht, nämlich »lassen«. Das meinte er im Sinn von »aufgeben« oder »nicht beachten«, nicht etwa, dass man das Sich so lassen kann, dass es gänzlich vernichtet wird; vielmehr wird es nicht beachtet, und dann ist es richtig.
Denn wie ein kleines Wassertröpflein, in viel Wein gegossen, sich selbst auflöst, wenn es dessen Geschmack und Farbe an- und aufnimmt, so geschieht es jenen, die im vollkommenen Besitz der Seligkeit sind, dass ihnen in unsagbarer Weise alles menschliche Verlangen vergeht und sie aus sich selber herausfließen und vollständig in den göttlichen Willen eintauchen. Das Schriftwort, dass Gott alles in allem werden soll, wäre nicht wahr, wenn in dem Menschen etwas bliebe, was nicht aus ihm geschüttet wurde. Es bleibt zwar sein Wesen, aber in einer anderen Form, in einer anderen Herrlichkeit, in einem anderen Vermögen.
Was ist nun diese andere fremde Form, wenn nicht die göttliche Natur und das göttliche Wesen, in das sie sich ergießen und das sich in sie ergießt, so dass sie dasselbe sind? Was ist eine andere Herrlichkeit, wenn nicht, im unzugänglichen Licht verklärt und verherrlicht zu werden? Was ist ein anderes Vermögen, als dass dem Menschen von diesem Wesen selbst und von dieser Einheit eine göttliche Kraft und ein göttliches Vermögen zuteil wird, all das zu tun und zu lassen, worin dessen Seligkeit besteht?
Und in dieser Weise kommt der Mensch sich abhanden, wie gesagt wurde. Man kann dieses ein- und wiederausfließen eine »gebärende Weise« nennen, wie es im Johannes Evangelium heißt, dass er »allen, die nur aus Gott geboren sind, die Macht gegeben hat, Kinder Gottes zu werden«. Und das geschieht so, wie man im Allgemeinen von »gebären« spricht.
Was ein anderes in dieser Weise gebiert, das bildet es sich nach und in sich und verleiht ihm dasselbe Wesen und Wirken.
Darum werden einem gelassenen Menschen, in dem Gott allein der Vater ist und in dem nichts ZeitlichEigenes geboren wird, die Augen geöffnet, dass er sich selbst erkennt und darin sein seliges Sein und Leben erhält und eins mit ihm ist, denn alle Dinge sind hierin Eines in dem Einen.