... und zur Not kommen wir durch's Fenster: Skurrile G'schichten aus der Hauskrankenpflege
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Über dieses E-Book
Es gab natürlich traurige Momente, doch es überwogen bei Weitem die Schönen und Lustigen.
Es mangelte auch nicht an Herausforderungen die es zu bewältigen galt. Eine Portion Flexibilität und Hausverstand waren daher von großem Nutzen.
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Buchvorschau
... und zur Not kommen wir durch's Fenster - Karin Beisteiner
Kapitel 1
Erschwerte Bedingungen
Mein Einsatzgebiet war am Land, wo die Winter noch sehr schneereich waren. Schneeketten anlegen gehörte zu meinem Spezialgebiet. Dies schaffte ich in Rekordzeit. Es spukte immer wieder der Gedanke durch meinen Kopf, mich bei „Wetten dass …" anzumelden. Allen Wetterkapriolen zu trotzen, das war die Devise. Es blieb auch keine andere Wahl, die Kunden waren angewiesen auf mein Erscheinen.
So auch bei dem Jahrhunderthochwasser. Nach erschwerten Bedingungen traf ich bei einem sehr betagten Ehepaar ein. Das Wasser drohte schon in das Haus zu gelangen. Ein von mir alarmierter Kollege kam ebenfalls und half mir Sandsäcke vor die Terrassentür zu stapeln. Der Garten füllte sich mit Wasser und glich bald einem See. Die Frau, die an Alzheimer erkrankt war, saß aufgekratzt in ihrem Bett und klatschte munter in ihre Hände. Sie konnte natürlich den Ernst der Lage nicht erfassen und hatte ihre helle Freude mit dem See in ihrem Garten. „Schön!, jauchzte sie vor Glückseligkeit. Ihr Mann hingegen streifte nervös durchs Haus, von Raum zu Raum, und blickte durch die Fenster, um die bedrohliche Lage zu beobachten. Mein Kollege schlug dem besorgten Mann vor, seine Frau zur Sicherheit in den ersten Stock zu tragen. Es wäre wohl besser so, wir könnten der Frau oben das Zimmer richten. Doch dieser schüttelte energisch den Kopf und meinte aufgeregt: „Nein, die Frau lassen wir da liegen, die Bücher müssen rauf!
Da kam nun wohl der einstige Schuldirektor in ihm durch. Doch dies war ihm schon überaus wichtig, denn sofort mühte sich der alte Herr damit ab, sämtliche Bücher in Sicherheit zu bringen. Damit er sich nicht auch noch übernimmt, half ihm mein Kollege, die Bücher in den ersten Stock des Hauses zu schaffen. Ich kümmerte mich einstweilen um die Frau. Mittlerweile war die Feuerwehr angerückt und damit beschäftigt, die Straße aufzuschremmen, um die Siedlung vor dem Hochwasser zu retten. Mit Erfolg, das Wasser stieg nun zumindest nicht mehr weiter an. Die Begeisterung der Frau erreichte den Höhepunkt. Ich musste zugeben, der Anblick war grandios. Durch die abgeschnittene Straße, wirkte es fast so, als entständen Mini-Niagarafälle vor dem Haus. Als Zugabe hatten sich auch schon ein paar Enten auf dem neu gewonnenen See eingefunden. Nach getaner Arbeit wateten wir wieder zu unseren Dienstautos. Erst jetzt realisierten wir das eben Erlebte. „Die Frau lassen wir liegen, die Bücher müssen rauf!" Es war zum Schreien, wir zerkugelten uns vor Lachen. Obwohl, das Ganze hatte schon eine gewisse Logik. Die Frau könnte man abtrocknen, die Bücher wären hin gewesen. Ein bisschen Spaß musste auch sein, denn schnell wurde es wieder ernst.
Wir beschlossen, unter diesen Bedingungen, den restlichen Dienst lieber gemeinsam zu erledigen. Würde es halt heute mal etwas später werden, doch unsere Sicherheit hatte Priorität. Nun stellte sich die Frage, wie würden wir den nächsten Einsatz im Nachbarort bewältigen? Mit den Autos kamen wir nicht mehr durch. Doch dort wartete ein ebenfalls hilfloses, sehr betagtes Ehepaar auf uns, und es gab keine Angehörigen mehr. Unsere Köpfe rauchten. Sollten wir es zur Not schwimmend versuchen? Ein Schlauchboot wäre super! Doch woher nehmen auf die Schnelle?
Wir fuhren, soweit wir kamen, dann ging es zu Fuß weiter. Bis zu den Oberschenkeln im Wasser kämpften wir uns zu dem Haus vor. War gar nicht so einfach! Die Straße glich einem Fluss, einem verdreckten Fluss, und die Strömung hatte es in sich. Doch wir schafften es. Aber wie kommen wir nun in das Haus? Wenn wir die Eingangstür öffnen, zischt das ganze Wasser hinein. Der Lebensraum des Ehepaares befand sich hier Gott sei Dank im ersten Stock. Im Erdgeschoß waren noch die Räumlichkeiten ihres aufgelassenen Gasthauses. Zum Glück funktionierte die Telefonverbindung noch. Bei dem Wetter auch keine Selbstverständlichkeit. Wir riefen an und baten die Frau herunter, um uns auf der Hinterseite des Hauses ein Fenster zu öffnen. Die Frau war noch einigermaßen mobil und konnte es gut schaffen, die Stiegen herunterzukommen. So stiegen wir kurz darauf durch das Fenster und versorgten so rasch es ging den Mann. Denn nun wurde es uns schon etwas mulmig zumute. Das ständige Heulen der Sirenen beruhigte uns keineswegs. Immerhin würden wir es sehr gerne noch nach Hause schaffen. So nass und dreckig wie wir waren, hatten wir nur noch eines im Sinn: eine heiße Badewanne. Zur allgemeinen Freude entspannte sich über Nacht die Lage. Es waren zwar am nächsten Tag einige Straßen und Gassen gesperrt, doch über Umwegen konnten wir unsere Kunden zumindest halbwegs trocken erreichen. Zwei Tage später war die wöchentliche Dienstbesprechung. Mit vor Stolz geschwellter Brust saßen wir alle da. Wir waren ja nicht die einzigen im Team, die an diesem Tag Übermenschliches geleistet hatten, und sahen bedeutungsvoll in die Runde. Die Leitung fand unseren draufgängerischen Einsatz ganz toll, der Orden blieb jedoch aus. So ist es in der Arbeitswelt!
Doch die Kunden behalten dich in ihren Herzen, dies ist wertvoller als jede Auszeichnung!
Kapitel 2 –
Immer das „G´frett" mit dem Hund des Hauses
Eine meiner größten Herausforderungen war es stets, wenn große Hunde zu den Familienmitgliedern zählten. Dummerweise wurde mir eine gewisse Grundangst vor Hunden anerzogen.
➢ Nicht anschauen, haben sie gesagt.
➢ Die Angst nicht zeigen, haben sie gesagt.
Also meiner Meinung nach nützt das alles nichts. Diese Spezies „Hund" spürt meine Unsicherheit schon kilometerweit. Aber Dienst ist Dienst und Schnaps ist Schnaps, da musste ich durch! Anfangs versuchte ich, meine Hundeangst den Kunden verständlich zu machen, mit der Bitte, den Hund wegzusperren, wenn ich im Anmarsch war. Doch das funktionierte nur bedingt. Denn jeder Hundebesitzer war überzeugt von der Gutmütigkeit seines Lieblings, auch wenn er schon die Zähne fletschte, sobald er nur das Geräusch des Motors meines Dienstautos vernahm. Solche Diensteinsätze kosteten mir einige schlaflose Nächte in meiner Pflegelaufbahn.
So trug es sich zu an einem eisig kaltem Winterabend. Der erste Besuch bei meiner Abendtour galt einem etwas mürrischen, alkoholkranken Mann. Einer der wenigen, der sich keinesfalls über mein Kommen freute. Er sah unsere Betreuung eher als Zwangsbeglückung, die er nicht verlangt hatte.
In diesem Punkt musste ich der Meinung des alten Mannes zustimmen. Seine Betreuung in Auftrag gegeben hatte sein besorgter Sohn, der so die Verwahrlosung seines Vaters verhindern wollte. Kurz und gut, dieser Kunde ließ mich seinen Unmut darüber regelmäßig spüren. Mein Arbeitsauftrag war klar: Einheizen, Jause richten und Körperpflege.
Sein Hund reagierte ganz nach Stimmungslage seines Herrchens. Manchmal kam es vor, dass der gute Mann, kurz bevor ich seine Gartentür öffnen konnte, die Kettensäge „anriss", um sich bewaffnet mit der laufenden Motorsäge vor die Tür zu stellen.
In Windeseile hing dann auch sein Hund am Gartenzaun - laut kläffend und bedrohlich knurrend. Was nun, dachte ich, davonlaufen oder verhandeln? Todesmutig begann ich ein Gespräch mit dem Mann. Anfangs war dies keine einfache Kommunikation, aber meist klappte es dann doch und er wurde mir wohlgesinnt. Er sperrte seinen Hund weg, um etwas widerwillig meine Betreuung über sich ergehen zu lassen.
Die Jause nahm er gerne an. Wenn es um die Körperpflege ging, wurde es schon schwieriger. Es benötigte viel Geduld und Fingerspitzengefühl meinerseits, um ihn von der Notwendigkeit zu überzeugen.
Mit Engelszungen redete ich auf den Mann ein, um wenigstens eine Katzenwäsche durchführen zu dürfen. Oftmals empfand er es dann doch als angenehm erfrischend und wir schafften eine ordentliche Pflege.
Es ist ja nicht so, dass Menschen gerne schmutzig durchs Leben laufen und deshalb die Pflege verweigern. Das Schamgefühl spielte da schon eine sehr große Rolle. Dies galt es immer zu Bedenken. Jedenfalls war ich jedes Mal auf das Neue überrascht, als mir danach ein eigentlich recht ansehnlicher Herr gegenüber saß.
Was war ihm bloß widerfahren, dass er so geworden ist? Er hatte die Trennung von seiner Frau nie überwunden, aber war das alles?
Er kramte ein altes Fotoalbum hervor, es war schon sehr abgegriffen. Er blätterte oft darinnen und schwelgte in Erinnerungen. Ich machte ihm die Freude und sah es mir mit ihm an. Lange und gerne erzählte er von seinem früheren Leben, als seine Welt noch in Ordnung war.
Ich musste feststellen, er konnte wohl ein sehr sympathischer Mensch gewesen sein, mit einem weichen Herzen. Das Leben machte ihn griesgrämig.
Nun war es ein ganz netter Abend geworden bis zu dem Zeitpunkt, als ich wieder aufbrechen musste und noch vorher meinen letzten Arbeitsauftrag zu erfüllen hatte. Nämlich das Einheizen, denn die Nächte wurden grimmig kalt.
Abermals stellte er sich mir in den Weg, als ich Holz holen wollte. Auch der Hund spürte im Nebenzimmer die aufkommende Unruhe und bellte lauthals. Wieder brauchte es einige Überredungskunst, um doch noch ein wärmendes Feuerchen entfachen zu dürfen. Als es kurze Zeit später im Ofen knisterte und wohlig warm wurde in der Stube, verabschiedete ich mich mit den Worten: „Gute Nacht, bis morgen Früh. Und bitte legen S` dann nach, damit das Feuer nicht ausgeht! Ich hörte noch ein mürrisches: „Ja, ja, ja, ich mach, was ich will
, als ich zur Tür rausging.
Als ich am nächsten Morgen wieder zu dem Haus kam, war es gespenstisch ruhig, nicht einmal der Hund bellte. Vorsichtig öffnete ich die Tür, der Hund winselte kurz auf und schlüpfte an mir vorbei ins Freie. Worüber ich ja ganz glücklich war. Was war da los? Glatteis in der Küche! Das Mineralwasser in den Flaschen war gefroren! Was war passiert? Eiligen Schrittes betrat ich die Stube. Was für ein Chaos erwartete mich da! Mir fehlten die Worte. Der Boden war vereist und schwarz von Ruß und Asche. Der gute Mann hatte mit einem Kübel Wasser das Feuer im Ofen gelöscht; offensichtlich bald, nachdem ich gegangen war.
Er selbst saß regungslos auf der Bank, seine Gesichtsfarbe war lila.
Der Schreck fuhr mir durch alle Glieder. Jetzt ist er erfroren, so mein erster Gedanke. Ich sprach ihn an - keine Reaktion.
Ich schüttelte ihn an seinen Schultern und wurde lauter. Plötzlich rührte er sich. Gott sei Dank! Ich hüllte ihn in eine Decke und stellte Teewasser auf.
Hektisch versuchte ich Feuer zu machen, was mir wie durch ein Wunder nach einiger Zeit gelang.
Ich reichte dem offensichtlich unterkühlten Mann Tee und bereitete ein warmes Fußbad.
Bibernd sah er mich an und meinte, dass ich doch recht hatte gestern Abend. Die Nacht wurde wirklich furchtbar kalt, doch er wollte Holz sparen.