Entdecken Sie Millionen von E-Books, Hörbüchern und vieles mehr mit einer kostenlosen Testversion

Nur $11.99/Monat nach der Testphase. Jederzeit kündbar.

Königliche Hoheit und Ich: Tyrannenland
Königliche Hoheit und Ich: Tyrannenland
Königliche Hoheit und Ich: Tyrannenland
eBook744 Seiten10 Stunden

Königliche Hoheit und Ich: Tyrannenland

Bewertung: 0 von 5 Sternen

()

Vorschau lesen

Über dieses E-Book

Wilhelmine, Tochter des berüchtigten Soldatenkönigs, ist für die junge Luise wie eine Schwester. Ihre Freundschaft gründet auf dem Inferno, in dem beide aufwachsen. Die brutale Tyrannei des Königs ist ihr tägliches Brot, die Durchtriebenheit der Königin das Dessert. Von allen Seiten bedrängt, setzen sich die jungen Adligen zur Wehr, gegen die Monarchen, den Hof, gegen England und den Kaiser. In einem ungleichen Kampf bleiben ihnen nur Intrigen und die Künste der Aphrodite als Waffen. Sie bereuen nichts, auch nicht die Opfer ihrer Machenschaften, denn sie haben keine Wahl. In einer labilen Welt, in der Bündnisse entstehen und bald wieder brechen, dürfen sie niemandem trauen! Die Stunde der Wahrheit schlägt, als es um eine politisch vorteilhafte Verheiratung geht. Die Kandidaten sind nicht akzeptabel. August der Starke alt und krank, der Cousin irre. Keine Partei ist zufrieden. Und der Prince of Wales? England zögert! Wilhelmines exzentrischer Kopf macht die Suche nach geeigneten Kandidaten nicht einfacher. Alles scheint verloren, als der unglückliche Thronfolger Friedrich (der Große) auf seiner Flucht vor dem Vater gefasst wird. Wilhelmine und ihr kleiner Hof werden der Mitwisserschaft bezichtigt. Als die Hochzeitsfrage mit dem Leben des inhaftierten Bruders verknüpft wird, vollbringen die Freundinnen ihr diplomatisches Meisterstück und präsentieren einen eigenen Kandidaten, den keine Seite auf dem Plan hat!

Der auf dem Leben der Lieblingsschwester Friedrich des Großen basierende Roman verbindet spritzige Unterhaltung mit fundierten Einblicken in die Zeit des Aufstiegs Preußens zur Großmacht. Die authentische Geschichte lässt keine Wünsche an einen großen Roman dieses Genres offen! Schon der erste Band der Tetralogie zündet ein Feuerwerk aus spannenden sowie kuriosen Geschichten und öffnet die Bühne für eine mitreißend emotionale Zeitreise in eine schillernde, aber verstörend widersprüchliche Epoche, reich an historischen Persönlichkeiten und Augenblicken.
SpracheDeutsch
Herausgebertredition
Erscheinungsdatum20. Juni 2019
ISBN9783746996486
Königliche Hoheit und Ich: Tyrannenland
Autor

Claus von Kroenitz

Der 1966 geborene Claus von Kroenitz wuchs im Rheinland auf. Nach dem Abschluss seines Studiums in Bayreuth bereiste er beruflich alle Kontinente. Kroenitz war schon früh von der Historie und deren Geschichten fasziniert. C.S. Foresters Klassiker Hornblower prägte sein Verständnis eines historischen Romans grundlegend. Auch andere anspruchsvolle Romane des Genres, die fundiert Geschichte durch Geschichten erzählen, fanden seine Aufmerksamkeit. Doch es blieb nicht bei der Fiktion, regelmäßig erweiterte er sein Wissen über die historischen Hintergründe. In seiner fränkischen Wahlheimat stieß Kroenitz auf die Memoiren der Wilhelmine von Bayreuth, Lieblingsschwester Friedrich des Großen. Elektrisiert von dieser Persönlichkeit erkannte Kroenitz schnell das Potential, welches ihr Leben für einen Roman bot. Durch das Studium ihrer Korrespondenz mit dem Königlichen Bruder sowie anderer zeitgenössischer Berichte näherte sich der Autor seiner Protagonistin und ihrer Zeit behutsam an. Mehrere Jahre setzte sich Kroenitz mit Wilhelmine und ihrem Umfeld auseinander, bevor er das romanreife Leben der Prinzessin und Markgräfin in einen eigenen Plot überführte. Am Ende steht ein historischer Roman, der in der Tradition großer Romane dieses Genres gesehen werden muss und trotzdem unverkennbar einen eigenen, herausragenden Stil entwickelt. Kroenitz spielt mit dem für das 18. Jahrhundert so typischen Esprit als Stilmittel, genauso wie mit der zuweilen deftigen Sprache jener Zeit. Die Widersprüche dieser Epoche, Galanterie und Brutalität, lockere Moral und tiefe Frömmigkeit, Treue und Verrat, sind immer wieder die Grundlage fulminanter Wendungen im Leben seiner Protagonisten. Der Autor erzählt Wilhelmines Leben in einer frischen, modernen Weise, die doch immer Authentizität vermittelt.

Ähnlich wie Königliche Hoheit und Ich

Titel in dieser Serie (3)

Mehr anzeigen

Ähnliche E-Books

Allgemeine Belletristik für Sie

Mehr anzeigen

Ähnliche Artikel

Rezensionen für Königliche Hoheit und Ich

Bewertung: 0 von 5 Sternen
0 Bewertungen

0 Bewertungen0 Rezensionen

Wie hat es Ihnen gefallen?

Zum Bewerten, tippen

Die Rezension muss mindestens 10 Wörter umfassen

    Buchvorschau

    Königliche Hoheit und Ich - Claus von Kroenitz

    *

    Ich kann mich heute nur noch wenig an diese frühe Zeit in Berlin erinnern, nur an einige, wirklich einschneidende Ereignisse. Aber an meine Ankunft bei Hofe entsinne ich mich, als wäre es gestern gewesen. Die Mutter setzte mich in unsere Kutsche mit dem freiherrlichen Wappen derer von Krönitz und ein Diener lieferte mich einige Tage später vor dem königlichen Schloss ab. Er wartete nicht erst was mit mir geschah, sondern beeilte sich möglichst schnell aus der für ihn ungewohnten Umgebung zu verschwinden. Ich sehe mich noch auf dem Schlossplatz stehen, alleine, mit einer Truhe, die das Nötigste beinhaltete, in einer Hand den Brief des preußischen Kronprinzen. Es war ein warmer Nachmittag, die Bäume färbten sich bereits leicht und die Straßen waren aufgrund der langen Trockenheit staubig gewesen. Mein lindgrünes Reisekleid, über und über eben mit jenem Staub bedeckt, zeigte sich an einer Stelle gar leicht zerrissen. Die weiß uniformierten Wachsoldaten standen eher lässig vor den Eingängen des Schlosses und von überall her hörte ich Menschen reden, rufen und sogar singen. Aus einem der geöffneten Fenster des herrschaftlichen Baus klang wunderbare Orchestermusik. Ich hörte den Triller eines Cembalos, bevor die Streicher in Wellen ihr Werk fortsetzten, bis eine autoritätsgewohnte Stimme die Musiker innehalten ließ, ihr Zusammenspiel korrigierend. Auf dem Schlossplatz trieb sich eine Menge Volk herum. Man sah Dienstmägde und Bauern, in ihre meist grauen oder braunen Stoffe gehüllt, mit Gesichtern und Körpern, die vom harten Leben kündeten, welches ihre Besitzer fristeten. Ich beobachtete Damen und Herren mit aufwendigen Perücken und feinster, farbenfroher Garderobe, Lieferanten mit ihren Karren und Bürger, die den bescheidenen Wohlstand durch dezente, aber ansehnliche Kleidung zur Schau stellten. Es war eben das bunte Bild, welches man in einer großen Stadt wie Berlin mit seinen damals über fünfzigtausend Einwohnern erwarten konnte. Als kleines Mädchen vom Lande war ich jedoch von dieser Szenerie eingeschüchtert. Ich kannte nur den weiten Horizont, Felder, Wiesen und Dörfer. Gelegentlich fuhren wir auch in die nahegelegene Stadt, aber so etwas wie Berlin hatte ich bis dahin noch nicht gesehen.

    Besonders beeindruckte mich das Schloss. Es lag auf einer Spreeinsel in dem Bezirk Cölln mitten in Berlin. Der Schlossplatz, auf dem ich staunte, war rechteckig, nicht besonders breit und die Fassade des Schlosses nahm auf der einen Seite die ganze Länge des Areals ein. Es war eine durchgehende Fassade, drei Stockwerke hoch, optisch unterbrochen durch zwei Eingangsportale, die die gesamte Höhe des Bauwerkes einnahmen. Das Schloss endete nach oben mit einem flachen Dach, welches durch eine Art steinernen Zaun begrenzt wurde. Auf dem Dach über den Eingangsbereichen befanden sich jeweils vier steinerne Allegorien. Was diese Figuren darstellten habe ich vergessen. Ich war durch das Landleben robust und hatte gelernt, mich durchzusetzen, zumindest gegenüber dem Dienstpersonal, Kindern von Leibeigenen und Kühen. Der Situation, in die ich nun geraten war, stand ich jedoch hilflos gegenüber. Ich ritt mäßig, las und schrieb leidlich, sogar ein wenig französisch brachte ich hervor. Diese Sprache des Hofes und des europäischen Hochadels hatte mir ein hugenottischer Freund der Familie beigebracht, der vor vielen Jahren durch den Erlass des Großen Kurfürsten aus Frankreich emigriert war. Aber als ich vor dem mächtigen Schloss stand wurde mir bewusst, dass das Gelernte für das Leben bei Hof in der Brandenburg-Preußischen Kapitale zu wenig war und mein bisschen Selbstvertrauen verflüchtigte sich augenblicklich. Ich erkannte, alles was ich bisher gesehen, erfahren oder erlebt hatte war im Vergleich mit dem was jetzt kommen würde ziemlich klein und unbedeutend. Auf diesen Schock hatte mich Mutter nicht vorbereitet. Meine liebe Mutter! Kaum war der Vater ein Jahr in fremder Erde verscharrt, schon heiratete sie einen neuen Mann, sozusagen den Landedelmann von nebenan. Ich denke, meine Frau Mutter hatte schon seit längerem ein Verhältnis mit ihm. Als Folge dieser Hochzeit fiel unser Besitz an meinen Stiefvater und vier Jahre lang kamen, in schöner Regelmäßigkeit, kleine Halbgeschwister zur Welt. Ausnahmslos Jungen. Das verschlechterte meine Chancen auf eine sinnvolle Erziehung und Bildung ungemein. Die Mutter konzentrierte sich von nun an auf ihre männliche Brut. Der Stiefvater investierte in mich nur das Nötigste, da ich, aus seiner Sicht, in wenigen Jahren ohnehin durch den preußischen Hof erzogen würde. Außerdem war ich nur ein Mädchen und somit eine unnütze Last, die es irgendwie durchzufüttern galt.

    Trotz meines etwas verstaubten und zerrissenen Aussehens sah man wohl, dass ich von, zumindest geringem, adeligen Stand war und bei mir vielleicht ein paar Münzen zu verdienen waren, denn es dauerte nicht lang, bis ein Tagelöhner erschien, der meine wenigen Habseligkeiten vor dem linken Eingang des Schlosses abstellte. Ich war am Tag meiner Ankunft in Berlin natürlich nicht die einzige, die in das Schloss vorgelassen werden wollte. Durch den Eingang drängten sich immer wieder Menschen, wohl mit den verschiedensten Absichten. Im Eingangsbereich standen blau livrierte Hofbeamte mit eleganten weißen Strümpfen sowie silberbeschnallten schwarzen Schuhen. Auf ihren Köpfen thronten einfache, weiß gepuderte Perücken. Die blauen Röcke beeindruckten mit silberfarbenen Knöpfen und üppigen Stickereien. Über den Westen trug man am Hemdkragen weiße Rüschen, die in derselben Art auch aus den Ärmeln hervortraten.

    Dann stand ich im Eingangstor des Schlosses, ohne rechte Ahnung, wie ich dorthin gelangt war. Die gewölbte Decke der Halle verzierte weißer Stuck, der unregelmäßig durch vergoldete Blattornamentik unterbrochen wurde. In den Ecken der Torhalle schien es feucht, denn der Putz löste sich bereits von der Mauer ab. An vielen Stellen verunstalteten braune oder dunkelgrüne Stockflecken den Gesamteindruck. Die klaren Geräusche des Platzes traten in den Hintergrund, überlagert vom dumpfen Widerhall der Stimmen, die sich als Echo von einer Seite des Gemäuers zur anderen fortbewegten. Hinzu kamen die Geräusche von metallbeschlagenen Kutschenrädern und Hufen, die laut ratternd und klappernd durch die gepflasterte Zufahrt in den Hof einfuhren. Es roch feucht, sogar nach Urin, und es war deutlich kühler als zuvor auf dem sonnenbeschienenen Schlossplatz. Einer jener, für mich gesichtslosen, Beamten beugte sich vor mir herab. Ich roch an seinem Atem, dass er gelegentlich sein Leben durch einen Schluck aus der Flasche erträglicher gestaltete.

    „Was kann ich für Euch tun, kleines Fräulein?", fragte er mich damals nicht unfreundlich.

    Ich drückte ihm wortlos mein Schreiben in die Hand. Er öffnete dieses in einer umständlichen Weise, mit der er seine Bedeutung als Hofbeamter unterstrich. Dann las er die wenigen Zeilen. Nachdem er die Unterschrift und das Siegel erblickte, verneigte er sich intuitiv davor, schaute mich kurz über den Rand des Briefes hinweg an und las von neuem, wobei er nachdenklich die Stirn runzelte. Nachdem er den Brief noch mehrmals betrachtet hatte, forderte er mich auf, ihm zu folgen. Benommen von all den neuen Eindrücken, die Welt um mich wie durch einen Nebelschleier beobachtend, wandelte ich entlang eines langen Ganges, der ebenso weiß gekalkt war wie der Eingangsbereich und ebenso einfach verziert. Durch hohe Fenster fiel Licht in den Gang und eine Tür reihte sich an die nächste. Dann blieb der Blauberockte vor einem Portal stehen. Er atmete tief durch, zog noch einmal geräuschvoll den Naseninhalt nach oben, klopfte an die Tür und öffnete diese, nachdem er laut und barsch dazu aufgefordert worden war. Eine Verbeugung zelebrierend trat er ein und lehnte die Tür hinter sich an. Ich hörte, wie er einer anderen Person in dem Zimmer mein Anliegen erläuterte.

    „Ein Mädchen?, konnte ich die ungläubige Frage des anderen Herren in dem Raum hören, „Ja, ist die Frau von allen guten Geistern verlassen? Glaubt sie im Ernst, wir würden hier noch ein Weib durchfüttern? Wir haben von denen schon viel zu viele hier! Ich spürte, wie mein Kloß im Hals noch dicker wurde und langsam traten mir die Tränen in die Augen. „Der Kronprinz will Soldaten erzogen haben, keine Weiber. Schicken Sie sie wieder dahin, woher sie gekommen ist!"

    Damit war die Unterredung für den kleinen Hofbeamten beendet. Er war zu klug, als dass er seinem Vorgesetzten widersprochen hätte. Warum hätte er das auch tun sollen? Als er die Tür hinter sich schloss, war ich bereits in Tränen aufgelöst.

    „Machen Sie sich nichts daraus, kleines Fräulein!", sagte er und zuckte teilnahmslos mit den Schultern.

    Dann retournierte er mir das Schreiben und führte mich den Gang zurück, durch den wir kurz zuvor gekommen waren. Ich schluchzte den ganzen Weg entlang, nicht weil ich besonders enttäuscht war, ich fühlte mich alleingelassen und wusste auch nicht weiter. Meine neue Heimat wollte mich nicht haben und die alte hatte mich bereits abgeschrieben. Auch verfügte ich über keine Mittel, um die Heimreise anzutreten. Mein Stiefvater hatte mich lediglich für die Hinreise ausgestattet. Für alles Weitere war der Kronprinz verantwortlich, fand er.

    An der Stelle, an der der Gang wieder den Eingangsbereich erreichte, blieb der Hofbeamte ohne Vorwarnung abrupt stehen und knickte vornüber, in einer tiefen Verbeugung verharrend. Diese Verbeugung war deutlich ausführlicher als diejenige, die er kurz zuvor seinem Vorgesetzten zugemutet hatte und ich sah trotz meines Kummers mit Vergnügen, wie sich seine Perücke im Nacken hob und den Anschein machte, als wolle sie sich nach vorne, in Richtung Boden, selbständig machen. Unter der Perücke wurde kurzgeschnittenes graues Haar erkennbar und ich malte mir in meiner kindlichen Fantasie aus, wie das Haarteil langsam vornüberkippte, erst über die Stirn, schließlich über die Nase rutschend, auf die Marmorfliesen fallen würde. Doch dann wurde meine Aufmerksamkeit durch den Grund für die plötzliche Leibesübung des Beamten in Anspruch genommen. Links und rechts der Eingangshalle führten, aus dem oberen Geschoss, breite repräsentative Treppen hinab, die auf einer Seite durch die Wand, auf der anderen Seite, zur Halle hin, durch wuchtige Treppengeländer aus feinstem, rosafarbenen Marmor begrenzt waren. Über diesen Treppen hing jeweils ein großer bronzefarbener Leuchter, der bei Dunkelheit den Aufgang erhellen sollte. Den uns am nächsten befindlichen Aufgang kam just in dem Augenblick, in dem wir wieder die Torhalle betreten wollten, eine Gruppe Damen hinab, die von einigen edel livrierten Dienern begleitet wurden. Vorweg schwebte eine junge Frau mit gepuderter, sehr feiner Perücke. Die Coiffure bestand aus modischen kleinen Löckchen, das Gesicht weiß gepudert, der Mund schmal und grell geschminkt. Über die spitze Nase hinweg fixierten zwei hellblaue Augen gebieterisch die Treppe, so als würde sie jener befehlen, aufgrund ihrer Persönlichkeit lebendig zu werden und den Aufgang hinunter zu tragen. Die auffallende Person präsentierte ein schmales Reisekleid, das trotz seiner Schlichtheit eine hohe Eleganz ausstrahlte und sich deutlich von denen ihrer Begleiterinnen, die hinter ihr die Treppe hinunter schritten, in Aufmachung und Vornehmheit unterschied. Ich möchte keinen Zweifel aufkommen lassen, auch die Kleider der Begleitdamen waren um vieles eleganter, als alles was meine Mutter in ihrer Kleiderkammer aufzuwarten hatte.

    Die Stimmen in der Halle verstummten, die Wachen waren vor die Tore getreten und hielten alle ein- oder ausfahrenden Kutschen an. Die eiligen Menschen verharrten in tiefen, ehrfürchtigen Verbeugungen. Auch ich machte, wie ich es gelernt hatte, einen tiefen Knicks und erstarrte in dieser Stellung. Aber im Vergleich mit den meisten anderen Personen, die ihren Blick auf den Boden richteten, blieb der meine neugierig auf der ersten Dame haften. In der Stille hörten wir nur das Klappern der leichten Damenschuhe auf den Treppen und das Rascheln ihrer Kleider. Aus der Ferne drangen gedämpft die Geräusche des Schlossplatzes störend in das würdige Szenario. In dem Moment, in dem die Gruppe majestätisch an uns vorbeischwebte, blieb der Blick der edlen Dame an meinem haften. Erschrocken senkte ich die Augen, aber mein erbärmliches Aussehen, mein tränenverschmiertes Gesicht und die Triefnase hatten bereits ihre Aufmerksamkeit erregt. Madame hielt an und wandte sich an den Hofbeamten, der sich vor lauter Entsetzen noch tiefer beugte, bis seine Stirn fast den Boden berührte.

    „Wen hat Er da?" fragte sie mit überraschend hoher und schriller Stimme.

    Der Gefragte richtete sich ein wenig auf, wagte aber nicht, der noblen Dame ins Gesicht zu blicken. Mit belegter Stimme gab er eine Antwort, die so leise gemurmelt war, dass die Dame, die augenscheinlich das Wiederholen einer Frage nicht gewohnt war, aufbrauste:

    „Möge Er lauter sprechen! Nun wissen Wir, warum Er nur Beamter und kein Soldat ist, man würde Ihn auf dem Exerzierplatz kaum hören!"

    Es war dem Angesprochenen mehr als peinlich, denn es schien mir, als würde er noch mehr erröten, wenn dies überhaupt möglich war. Der Gedemütigte riss sich zusammen, erläuterte dieser herrischen Person wer ich war und klärte sie über mein Anliegen auf. Schließlich streckte sie die Hand in meine Richtung aus. Ich sollte der Dame den Brief aushändigen, den ich mit feuchten Fingern fest umklammert hielt. So erhob ich mich aus meinem Knicks, trat mit gesenktem Haupt und leicht nach vorne gebeugtem Oberkörper der Frau aus anderen Sphären entgegen und übergab ihr mit zitternder Hand meinen Brief. Geniert wusste ich mich von allen anwesenden Personen neugierig gemustert. Die Dame nahm das Papier und faltete es auseinander, nicht ohne mich vorher nochmals von oben bis unten betrachtet zu haben. Ihre hellen Augen durchbohrten mich förmlich. Nachdem sie den Inhalt überflogen hatte, richtete sie ihren Blick wieder auf den armen Hofbeamten.

    „Warum wird den Anweisungen Unseres Gemahls, des Kronprinzen, nicht genüge getan?, fragte sie scharf. „Wir werden ihm darüber berichten müssen, dass seine Befehle nicht befolgt werden! Dann zeigte sie direkt auf den armen Beamten, der unter ihrem Blick sichtlich schrumpfte. „Und Er ist ein Esel! Wisse Er, Wir brauchen nicht nur gute Soldaten, sondern auch gute Frauen, die gesunde und taugliche Söhne auf die Welt bringen!"

    Die Kronprinzessin Sophie Dorothea schwenkte ihre spitze Nase wieder in meine Richtung und stellte mir auf Französisch einige Fragen, die ich einigermaßen flüssig beantworten konnte, da sie auf einem sprachlichen Niveau lagen, welches ich mit meinen Kenntnissen sicher abdecken konnte. Dann wandte sie sich wieder dem Beamten zu.

    „Das Kind hat eine schnelle Auffassungsgabe, wirkt wach und klug. Er sollte sich daran ein Beispiel nehmen! Der Spott war zu viel für den Beamten. Der Schweiß rannte unter seiner schiefen Perücke nur so hervor und hatte am Boden bereits deutlich sichtbare Flecken hinterlassen. „Wir werden die Kleine zusammen mit Unserer Tochter erziehen lassen. So hat die Prinzessin eine ältere Gefährtin, es kann sich als nützlich erweisen. Möge Er alles Notwendige veranlassen und sie dann der Frau von Kamecke zuführen. Wenn Wir von Unserer Reise nach Hannover zurückkehren, mögen sie sich bei mir einfinden!

    Es schien dem Beamten nicht ganz nachvollziehbar, wen die Kronprinzessin mit „sie" meinte, aber er wagte keine Frage. Sophie Dorothea wandte sich von uns ab und rauschte raschelnd mit ihrem kleinen Gefolge die restlichen Stufen hinunter, wo die ganze Gesellschaft in zwei bereitstehende Kutschen stieg und klappernd aus dem Schloss fuhr.

    Als die Kutschen aus dem Tor gefahren waren richteten sich all die „Bücklinge wieder auf und das geschäftige Treiben begann von neuem. Der Beamte, der so glimpflich davongekommen war, nahm meinen Arm und brachte mich zu dem Wesen, welches mir das erste Mal in meinem Leben so etwas wie Geborgenheit geben sollte, Frau von Kamecke, die Gemahlin des königlichen Oberhofmeisters, in deren Obhut sich die damals dreijährige Prinzessin Wilhelmine befand. Im Nachhinein wundere ich mich darüber, wie stark schon in jener Zeit das „Soldatentum den Berliner Hof durchdrungen hatte, war der „Soldatenkönig", wie er später landläufig genannt wurde, noch nicht einmal gekrönt. Die Kronprinzessin hatte offensichtlich die Liebhabereien ihres Gemahls verinnerlicht und maß mittlerweile alles mit den Werten Friedrich Wilhelms, des Kronprinzen. Die Ehrerbietung, die die Menschen ihr in der Torhalle erwiesen hatten, war bereits einer Königin würdig. Niemand wollte der künftigen Majestät ungünstig auffallen, denn es war bereits abzusehen, dass das Leben des kränklichen Königs, Friedrich I., nicht mehr lange währte. Der Hof begann sich bereits im Jahre 1712 auf das baldige Herrscherpaar einzustellen, auch wenn ich das als Achtjährige natürlich noch nicht wissen konnte. So lernte ich den für seine Prunksucht und Lebensfreude bekannten Berliner Hof des ersten Preußenkönigs nur noch durch Erzählungen der am Hof lebenden Personen und durch wenige eigene Erfahrungen kennen.

    Nach einem schier endlosen Marsch durch die Gänge des Schlosses erreichte ich, geführt von meinem kleinen Beamten, einen größeren Raum, der recht verschwenderisch mit roten Wandbespannungen verziert war, auf denen florales Rankwerk prangte. In dem Zimmer boten allerlei Sitzgelegenheiten ihre weichen und erholsamen Dienste an. Aus Gemälden in schweren goldenen Rahmen starrten längst verblichene Antlitze in den Raum, man kam sich unwillkürlich beobachtet vor. Kein Zweifel, die Augen der Ahnen verfolgten den Betrachter, wohin er sich auch flüchtete. Die Fenster blickten auf einen der Höfe des Schlosses hinaus und so fiel nur spärlich Licht in das Innere des Zimmers. Von außen hörte ich gedämpft das Marschieren einer kleinen Abteilung Soldaten, eine große braune Standuhr aus edlen Hölzern und reich verziertem Zifferblatt schob in einer Ecke laut tickend ihre Zeiger vorwärts. Ich hielt immer noch mein Schreiben in der Hand, wie ein Amulett, welches mich sicher durch diese fremde Zauberwelt geleiten sollte.

    Nachdem ich meine Umschau beendet hatte, wollte ich mich an meinen Begleiter wenden, dieser aber war, in aller Stille, durch eine in die Wand eingelassene und kaum erkennbare Tür verschwunden, froh, sich endlich weniger komplizierten Dingen zuwenden zu können. Neben diesem kleinen Seiteneingang für die niederen Chargen und Diener gab es in diesem Gemach auch noch zwei größere Flügeltüren, die jedoch beide geschlossen waren. Ich wusste nicht weiter. Warum hatte mich der Beamte einfach in diesem Zimmer „abgestellt"? Ich konnte es mir nicht erklären. Noch einige Zeit lief ich ziellos durch den Raum, schaute aus den Fenstern, dann setzte ich mich auf eines der Sofas und harrte der Dinge. Erneut fühlte ich mich verlassen.

    Die Standuhr ließ sich mit hellem Schlag vernehmen, als eine der Flügeltüren unverhofft von Dienern aufgerissen wurde und eine Dame mit dunkelblauem Kleid und altmodischer Perücke im mächtigen Türrahmen erschien. Sie kam mir uralt vor aber sie hatte warme und gutmütige Augen. Ihr Gesicht zeichneten bereits viele Falten, der Mund zahnlos eingefallen und das Dekolleté war nicht mehr so straff und rein, wie es idealerweise hätte sein sollen. Die Frau kam direkt auf mich zu und streckte mir ihre großmütterlich wirkenden Hände entgegen.

    „Mein liebes Kind, hat man dich hier einfach alleine gelassen? Du must Sophie Luise sein? Du armes Ding, du bist ja ganz eingeschüchtert!"

    Sie überschüttete mich mit weiteren lieben Worten, die ersten, die ich seit langem gehört hatte und sie waren so unendlich wohltuend. Ihre Wirkung spüre ich noch bis heute, wenn ich an diese Zeit denke. Ich hatte Frau von Kamecke gleich in mein Herz geschlossen und sie mich in das ihre. Sie lebte den Typ Frau, der Kinder über alles mochte und verstand mit ihnen umzugehen. Eine echte Seltenheit. Kinder werden an den Maßstäben der Erwachsenen gemessen, als kleine Erwachsene behandelt. Die Erziehung ist streng und hart, für Zuneigung oder gar Liebe bleibt wenig Zeit. Im Gegenteil, sie werden sogar als falsch und schädlich angesehen. Eine harte Welt braucht auch harte Kinder.

    Nachdem sie mich wieder aus ihrer Umarmung entlassen hatte, sah ich in einigem Abstand hinter ihr ein kleines, etwa dreijähriges Mädchen stehen. Sie trug eine gepuderte Perücke, die ihren großen Kopf grotesk erscheinen ließ, und ein weites, weißes Kleid, welches am Saum und weit darüber hinaus mit Erde und Schmutz befleckt war. Auch an ihrem Gesicht mit der stupsigen Kindernase und den Sommersprossen erkannte der Betrachter, dass die Kleine noch vor kurzem in der örtlichen Botanik unterwegs gewesen sein musste. Sie hielt ihre hellen blaugrauen Augen starr auf mich gerichtet, das Kinn stolz nach oben gereckt. Ich erwiderte ihren Blick freundlich und lächelte schüchtern. Sie revanchierte sich für meine Liebenswürdigkeit nicht.

    „Du musst vor mir knicksen!, sagte sie schnippisch und in Französisch. „Ich bin eine Prinzessin von königlichem Geblüt und du musst alles tun, was ich von dir will!

    Das fing ja gut an! Ich stand einem dreijährigen Tyrannen gegenüber, kaum in der Lage, das kindliche Französisch zu verstehen. Ich hatte keine Ahnung wie ich darauf reagieren sollte, machte aber sicherheitshalber einen kleinen Knicks.

    „Das war nicht tief genug, ich…", Frau von Kamecke griff ein.

    „Mein liebes Kind, sagte sie an das kleine Ungeheuer mit den Sommersprossen gewandt. „Luise ist neu und sie muss die Gepflogenheiten erst kennen lernen. Sie weiß ja noch nicht einmal wer Ihr seid.

    Die Kleine schaute ihre Erzieherin unsicher an, dann wieder mich.

    „Sophie Luise, das ist Ihre Königliche Hoheit Prinzessin Friederike Sophie Wilhelmine. Du musst vor ihr einen tiefen Knicks machen", belehrte mich Frau von Kamecke.

    Ich wiederholte brav meinen Knicks, was blieb mir auch anderes übrig. Mit ernstem Gesicht und einem huldvollen Kopfnicken nahm das kleine Biest meine Ehrbezeugung entgegen. Einen Knicks zu machen war ich von daheim gewohnt, aber vor einem dreijährigen Dreikäsehoch, das kostete mich Überwindung. Doch ich verstand natürlich, ich hatte hier eine künftige Fürstin vor mir mit königlichem Blut. Das flößte mir ordentlich Respekt vor dem kleinen Mädchen ein und es verunsicherte mich. Zuhause hätte ich einer so vorlauten Dreijährigen einfach eine Tracht Prügel verabreicht, in diesem Fall, bildete ich mir damals ein, hätte es mich wohl den Kopf gekostet. Also ordnete ich mich ihr unter, wie es fast jeder in diesem Land tun musste.

    „Luise wird Eure Gefährtin sein., klärte die Kamecke die Prinzessin auf. „Sie wird mit Euch spielen, lernen und alles andere mit Euch zusammen machen.

    Es dauerte etwas, bis die Kleine das Gehörte in ihrem Kopf verarbeitet hatte. Dann fragte sie:

    „Aber warum, ich habe doch schon genügend Diener? „Luise ist keine Dienerin,, antwortete Frau von Kamecke geduldig, „… sie ist Eure Freundin".

    Ich bezweifelte in diesem Moment stark, ob jemals jemand die Freundin von diesem kleinen arroganten Kinderfurz werden würde, behielt aber meine Befürchtungen für mich und lächelte der Prinzessin tapfer entgegen. Diese würdigte mich keines weiteren Blickes und wandte sich in Richtung der anderen großen Flügeltür. Auch diese wurde geschwind von Dienern, die offensichtlich auf der anderen Seite darauf gelauert hatten, geöffnet und die kleine Person ging schnellen und energischen Schrittes in das Nachbarzimmer. Frau von Kamecke nahm mich bei der Hand und wir folgten der königlichen Giftspritze nach nebenan.

    Im Nachbarzimmer empfing uns ein Potpourri aus verschiedensten Gerüchen. Die Fenster waren verschlossen, obwohl es nicht gerade kühl in diesem Raum war, da die Sonne noch auf die Fenster schien. Einige in die Wandverkleidung eingelassene Türchen standen offen und Diener beeilten sich mit dem Servieren von heißen Getränken und Gebäck. Die Wände waren durch große und dicke Teppiche weitestgehend verhüllt und ein mächtiger Kamin, über dem ein goldverzierter Spiegel hing, bildete den Blickfang des Gemachs. In einer Ecke des Raumes stand ein zierliches Bettchen, das nach Vorbild der großen Betten ebenfalls mit Himmel und Vorhängen ausgestattet war. Spielzeug lag in Regalen bereit, um bei Bedarf ihren Besitzern Freude zu bereiten.

    Ein unwilliges Grunzen aus einer anderen Ecke des Zimmers lenkte meine Aufmerksamkeit auf eine kleine Wiege, die dort aufgestellt war. Neben der Wiege saß eine junge, einfach aussehende Frau in einem schlichten grauen Kleid. Sie hielt ein weißes Bündel im Arm, an dessen oberen Ende ein paar wirre dunkle Haare herausschauten. Das Paket schmatzte und saugte an der nackten Brust der jungen Frau. Die Kamecke folgte meinem Blick und erklärte:

    „Das ist Friedrich, der kleine Bruder unserer Prinzessin und, so Gott will, einmal der übernächste preußische König!"

    Die Kronprinzessin hatte bereits zwei Söhne geboren, aber beide waren kein Jahr alt geworden. Auch der kleine Friedrich gab Anlass zur Sorge, neigte er doch, wie seine seligen Brüder, zum Kränkeln. Sollte der kleine Mann bestehen, sah ich hier den künftigen König genüsslich an der Brust seiner Amme saugen. Nun wusste ich auch, welche Gerüche mir am Zimmereingang in die Nase gestiegen waren.

    Wir gruppierten uns an dem inzwischen gedeckten Tisch in der Zimmermitte. Frau von Kamecke wartete, bis sich die Prinzessin gesetzt hatte, dann durften auch wir uns setzen. Ein Diener schenkte zuerst Wilhelmine ein, dann der Gouvernante und zuletzt mir. Das Gebäck war köstlich und ich konnte mich nicht zurückhalten, hatte ich doch seit dem Morgen nichts mehr gegessen. Der Tyrann beobachtete mich eine Weile und beschuldigte mich dann, absichtlich ihr Lieblingsgebäck aufzuessen. Frau von Kamecke beruhigte die Prinzessin wieder, die mir aber immer noch böse Blicke zuwarf. Nach dem Imbiss kamen weitere Kindermädchen und verfrachteten die Prinzessin in eines der Nebenzimmer in dem sie gewaschen werden sollte. Empörtes Schimpfen der kleinen Hexe zeigte mir, dass sie sich dieser Prozedur nicht ganz freiwillig unterwarf und ich fühlte so etwas wie Genugtuung in mir aufsteigen. Ihre energischen Proteste interessierten die Kindermädchen nicht, eine Tatsache, die mich einigermaßen erstaunte. Ein weiteres kleines Bettchen fand kurz darauf seinen Weg in die Gemächer der kleinen Königlichen Hoheiten, ich sollte im Zimmer der Geschwister schlafen und das tat ich dann auch.

    Als das Licht, bis auf ein kleines Nachtlicht, gelöscht war weinte ich leise in mein Kissen. Die Aussicht auf ein Leben an der Seite dieser blaublütigen Furie, ihre Boshaftigkeiten ohne Gegenwehr ertragen zu müssen, zerschmetterte mich am Boden. Ich wollte wieder heim in meine kleine Kammer, weg von dieser mir so fremden Welt. Irgendwann bemerkte ich, wie mir jemand beruhigend über die Haare strich. Es war das ältere Kindermädchen, welches sich neben mein Bettchen gekniet hatte. Mich mit der Hand liebkosend flüsterte sie: „Sie müssen das Vertrauen der Prinzessin gewinnen. Zeigt ihr, Ihr seid für sie da, als Freundin, als große Schwester. Sie muss Sie akzeptieren lernen. Seid höflich, aber macht Euch nicht klein, lassen Sie sich nicht erniedrigen. Zeigt ihr Eure Werte."

    Schöne Ratschläge waren das. Doch alles, was ich in den nächsten Tagen und Wochen auch anstellte um ihr Vertrauen und ihre Freundschaft zu erringen, endete in einem Desaster. Mein Französisch erbrachte mir nur ihren Spott, denn Wilhelmine sprach es wie ihre Muttersprache. Als Vorleserin eignete ich mich mit meinen mäßigen Lesekenntnissen schlecht und auch ansonsten trat ich in jedes Fettnäpfchen, war es auch noch so weit entfernt. Aus Sicht der Prinzessin war ich einfach nur ein unterprivilegiertes Ding, das unsicher und verschreckt hinter ihr her stolperte. Ich eignete mich für sie lediglich als Stiefelabtreter, als Ziel ihrer herrschsüchtigen Allüren und Launen und genau die ließ sie auch an mir aus. Frau von Kamecke griff immer wieder mäßigend ein, konnte aber Wilhelmines Abneigung mir gegenüber nicht ändern. Interessanterweise war der Tyrann gegenüber Dienern freundlich, wenn sie sie einmal bemerkte. Auch anderen Menschen näherte sie sich höflich und wohlerzogen. Ich hingegen passte nicht in ihr kindliches Schema, sie konnte mich nicht einordnen, das verunsicherte sie und dies drückte sich in ihrem Verhalten aus.

    Dann, etwa drei Wochen nach meiner ersten Begegnung mit Wilhelmine, kam mir das Glück zur Hilfe. Endlich bot sich die Gelegenheit, auf die ich unbewusst gewartet hatte. Wie bereits erwähnt, ich stammte von einem Landgut auf dem es vor Tieren nur so wimmelte. Besonders eng war mein Kontakt aber mit den Hunden unseres Anwesens. Ich tollte täglich mit ihnen herum und lernte mich ihnen gegenüber mit fester Hand durchzusetzen. Diese Fähigkeit rettete der Prinzessin mit ziemlicher Sicherheit ihr Aussehen, wenn nicht gar ihr Leben. Frau von Kamecke, die Prinzessin, ein oder zwei Kindermädchen und ich lustwandelten im herbstlichen Schlossgarten umher. Die Blätter waren herrlich bunt und die Sonne schien warm von einem fast wolkenlosen Himmel. Wilhelmine sprang, wie zumeist, vor uns her und verschwand mal in dem einen, mal in dem anderen Gebüsch um dort mit den bloßen Händen Löcher in den Boden zu graben. Aus der Ferne hörte man das Bellen der Hunde einer Jagdgesellschaft und das Dröhnen von Jagdhörnern. Das war an sich nichts Besonderes, gab es doch nicht selten Jagdgesellschaften, die vom Schloss zur Jagd ins Umland aufbrachen oder zurückkehrten. Also maßen wir dem Bellen keine weitere Bedeutung bei. Erst als zwei große und kräftige Jagdhunde kläffend quer über eine Wiese hetzten, wurden wir ein wenig unruhig. Just in diesem Augenblick kam die kleine Wilhelmine auf allen Vieren aus ihrem Gebüsch und krabbelte krähend vor Freude auf uns zu. Die Hunde hatten die Kleine sofort entdeckt und hielten sie wohl für Jagdbeute. Wie in Trance sah ich die Tiere ihre Richtung ändern und auf das arglose Mädchen zuhalten. Ihre Zungen hingen seitlich aus den geöffneten und zahnbewehrten Mäulern, Schaum hing ihnen an den Lefzen. Noch bevor die Tiere die Kleine erreichten, war ich losgelaufen und hatte die wenigen Meter in dem Moment überwunden, als die Hunde die Prinzessin in einem ersten Schwung überrannten. Sich wild überschlagend rollte die Angegriffene einige Meter weiter und blieb dann benommen im Gras liegen. Die Tölen hatten inzwischen gewendet und setzten zu einem weiteren Angriff an, stockten aber verunsichert, als sie mich über der Kleinen stehend entdeckten, bereit es mit ihnen aufzunehmen. Wild bellend umkreisten sie ihre Beute. Meine Knie zitterten vor Angst. Doch ich durfte keine Furcht zeigen und so sprach ich die Vierbeiner mit ihrem gesträubten Nackenfell und den gefletschten Zähnen laut und deutlich an, sagte ihnen sie sollen sich trollen. Ich wusste auch um ihre Taktik und trotzdem wurde ich von einem Biss in mein Hinterteil überrascht. Als ich mich umdrehte, ließ der Hund ab und zog sich mit einem beachtlichen Teil meines Kleides zurück, während der andere versuchte mich von vorne an der Kehle zu fassen. Gott sei Dank gelang es ihm nicht, da ich reaktionsschnell nach ihm trat und so blieb an meiner Wange lediglich eine leichte aber stark blutende Fleischwunde zurück. Ich hätte den wildgewordenen Tieren wohl kaum länger Widerstand leisten können, wenn nicht in diesem Augenblick Wachen vom königlichen Garderegiment herbei gestürmt wären, die die Hunde ohne große Umschweife erschossen. Schwer atmend stand ich über der Prinzessin, die unter meinen arg mitgenommenen Kleidern kaum erkennbar blieb. Frau von Kamecke rannte nun völlig aufgelöst auf uns zu, zog die Prinzessin unter meinen Röcken hervor und begutachtete sie von oben bis unten, konnte aber, bis auf ein paar Schürfwunden, keine weiteren Verletzungen feststellen. Um mich kümmerte sich eines der Kindermädchen sowie der kurz darauf ankommende Militärarzt, der noch an Ort und Stelle meine Wunde reinigte und verband. Während dieser Prozedur schaute mich die Prinzessin die ganze Zeit mit großen Augen an, doch ich ließ mir nichts von meinen Schmerzen und schwachen, immer noch zitternden Beinen anmerken. Schließlich wurden wir, samt Frau von Kamecke, in eine Sänfte gesteckt und eilig zurück ins Schloss getragen.

    Am Abend, nachdem wir uns alle ein wenig beruhigt hatten, nahm die Erzieherin mich in den Arm und lobte meinen Mut und meine Tatkraft. Wilhelmine lag schon lange erschöpft im Bett und warf sich mit unruhigen Träumen hin und her. Leise öffnete sich die große Tür, so leise, dass wir es nicht bemerkten. Plötzlich ließ mich die Kamecke los, schoss aus dem Stuhl nach oben, daraufhin einen tiefen Knicks vollführend. Ich schaute, ihrer herrlichen Zuneigung beraubt, auf und erblickte einen alten Mann mit dunkelgrauer, altmodischer Perücke, deren toupierte Haare weit über die Schultern reichten. Sein roter Rock mit vielerlei goldenem Zierwerk, wurde durch die breite Seidenschärpe in derselben Farbe umschmeichelt. Unter dem schweren Rock schauten ein paar dürre Beine hervor, die sich ebenfalls von rotem Stoff umhüllt fanden. Seine Füße staken in einem schwarzen Paar Schuhe mit goldenen Schnallen, von funkelnden Diamanten besetzt. Das Gesicht des Herren zeigte deutliche Spuren eines intensiv geführten Lebens und von schwerer Krankheit. Der Versuch des Überdeckens dieses Zustandens mit reichlich Puder und Rouge war eher nachlässig ausgeführt. Die Haltung erschien bucklig, insgesamt machte der Herr körperlich einen eher labilen Eindruck, welcher durch asthmatische Atemgeräusche noch verstärkt wurde. Ich ahnte, dass ich dem König gegenüberstand und beeilte mich ebenfalls, schleunigst einen tiefen Knicks auszuführen. Majestät bedeutete uns, sich wieder zu erheben. Wir taten wie uns geheißen und blieben in abwartender, ehrerbietiger Haltung stehen. Des Herrschers helle Augen betrachteten mich prüfend.

    „Ist sie das Mädchen, welches die Königliche Prinzessin vor den rasenden Hunden errettet hat?", fragte er Frau von Kamecke und deutete mit seinem nach Parfüm riechenden Schnupftuch in meine Richtung.

    „Sehr wohl, Eure Majestät", antwortete die Erzieherin mit einem angedeuteten Knicks.

    Der König betrachtete mich mit einem abschätzenden, aber warmen Blick. Er liebte seine beiden Enkel abgöttisch, besonders aber Wilhelmine, der er jeden Wunsch erfüllte und viel Liebe entgegenbrachte, was an sich ungewöhnlich war, kümmerten sich doch weder fürstliche Eltern noch Großeltern besonders um ihren Nachwuchs. Bei ihm war es anders, er hatte an der kleinen Wilhelmine seinen Narren gefressen und wer seiner Prinzessin ergeben war, dem leuchtete auch die Gunst des Monarchen.

    „Das habt Ihr sehr gut gemacht, kleines Fräulein, sagte er, beugte sich hinunter und kniff mir leicht in die Backe. „Ihr macht Eurem Vater Ehre und zeigt, wie wohl der Kronprinz beraten war, Sie an den Hof zu befehlen. Ihr habt ein tapferes Herz, wie Euer Vater!

    Ich schaute betreten auf das Parkett, was der König fälschlicherweise als Bescheidenheit auslegte. Es war keine Bescheidenheit, sondern die inbrünstige Hoffnung, der König läge falsch und ich hätte nicht den Mut meines Vaters geerbt, es wäre ein peinliches Erbe gewesen. Trotzdem bedankte ich mich artig bei Seiner Majestät für diese gütige Auszeichnung. Zufrieden strich er mir über mein Haar, wobei sich wieder eine Parfümwolke vor meiner Nase ausbreitete.

    Nachdem der Monarch uns wieder verlassen hatte, ging auch ich zu Bett. Dem Einschlummern nahe, bemerkte ich jemanden, der neben mein Lager getreten war. Zuerst dachte ich es sei ein Kindermädchen, welches nach mir schaute. Dann wurde die Decke zurückgezogen, zwei kleine kalte Füße berührten meine Knie und ich spürte einen kurzen warmen Atem im Gesicht. Erwartungsvoll und mit klopfendem Herzen öffnete ich die Augen und erkannte im Dunklen das Antlitz der kleinen Prinzessin, die mich mit großen Augen und einem lieben Lächeln anschaute. Ich blickte zum Kindermädchen, das zusammengesunken auf ihrem unbequemen Holzstuhl saß und mit schief sitzender Haube und offenem Mund fest schlief. Zärtlich streichelten meine Finger der Kleinen ihre Haare aus dem Gesicht, schließlich legte ich einen Arm um sie. Ihr huldvolles Lächeln, das erste Lächeln welches sie mir schenkte, hatte mich im Sturm erobert. Vergessen war ihr übles Benehmen, ihre Tyrannei. Ich war gerührt, endlich durch die kleine Prinzessin Anerkennung zu finden. Sie suchte meine Wärme, meinen Schutz und bot mir dafür ihre Freundschaft. Seitdem war ich der Prinzessin verfallen und in dieser Nacht trug ich ihr mein Leben an. Ich konnte noch nicht ahnen, welche Folgen mein Entschluss für mich haben sollte, welch ein Leben ich mir damit erwählte.

    Bald setzte die Schwindsucht Friedrich I. zu. Im November und Dezember war der König und Kurfürst kaum noch in der Öffentlichkeit vertreten und die Gerüchte bezüglich seines letzten Stündleins waberten mehr als nur einmal durch die Gänge des Schlosses. Aber er erhielt sein Leben und somit seine Macht noch für eine kurze Weile. Trotzdem war es für jedermann ersichtlich, wie das Lebenslicht des Fürsten langsam erlosch und somit seine Regentschaft. Die Großen und Kleinen des Reiches begannen, sich auf den bevorstehenden Machtwechsel einzustellen. Aber auf das, was kommen würde, konnte sich der Hof nicht einstellen, weil es einfach unvorstellbar war. Niemand war auf die fundamentalen Umwälzungen gefasst, die das Gewohnte davonwehen sollten, wie der Wind den Schaum des Meeres. Friedrich I. war ein Herrscher vom Typus Sonnenkönig. Er eiferte seinen Vorbildern, den französischen Königen, mit repräsentativen Gebäuden, prunkvoller Hofhaltung und natürlich auch mit Künstlern von Rang und Namen nach. Er war es, der der Brandenburger Linie der Hohenzollern die Königswürde erkämpfte. Seit dem Großen Kurfürsten strebte Brandenburg nach Höherem, wollte aus dem Schatten der Geschichte treten, keine drittklassige Macht mehr in Europa sein. Die Bedingungen dafür waren denkbar schlecht. Des Reiches Streusandbüchse, wie Brandenburg aufgrund seiner schlechten Böden verächtlich genannt wurde, war nach dem Dreißigjährigen Krieg ein entvölkerter und wirtschaftlich völlig ruinierter Landstrich. Doch die erfolgreiche und überlegte Politik von Friedrich Wilhelm, dem Großen Kurfürsten, brachte Brandenburg-Preußen auf die Sonnenseite der Geschichte. Die Wiedereroberung der von Schweden besetzten brandenburgischen Gebiete zeigte 1675 der ganzen Welt, dass sich hier etwas Großes anbahnte, galten die Schweden doch bis dahin als schier übermächtig und quasi unbesiegbar. Als geschickter Schachzug kann die Ansiedlung der Hugenotten aus Frankreich gelten. Über 20.000 kamen in das unwirkliche Land und brachten mit ihrem Geld, ihrem Können und ihrem Fleiß den wirtschaftlichen Aufschwung nach Brandenburg. Aufgrund seiner religiösen Toleranz und der wirtschaftlichen Förderpolitik für Immigranten, wurde das Kurfürstentum Brandenburg zur ersten Adresse für fleißige, gebildete und wohlhabende Menschen, die aus ihrer alten Heimat vertrieben wurden und einen neuen Anfang machen mussten. So entwickelte sich Brandenburg langsam aber sicher zu einer Macht in Europa, mit der man rechnen musste. Lediglich zwei Dinge standen den Kurfürsten von Brandenburg, die zudem Herzöge in Preußen waren, im Wege, damit sie künftig auch die Rolle einer ersten Macht spielen konnten. Die territoriale Zerrissenheit des Landes und die geringere Stellung, die man als Kurfürst des deutschen Reiches im europäischen Kontext hatte. Wie sich der niedere Rang im europäischen Machtgefüge anfühlte, spürte Wilhelmines Großvater, Friedrich I., damals Friedrich III. nach kurfürstlicher Zählweise, bei einem Treffen mit dem englischen König Wilhelm III. Seine Englische Majestät beanspruchte für sich einen Polstersessel mit Armlehne, während der arme Kurfürst lediglich auf einem Holzstuhl ohne Armlehne Platz nehmen musste. Umso verständlicher war dessen Wunsch nach der Erlangung einer Königswürde, wenn die Betonung auch auf Würde stehen sollte, denn es handelte sich hier mehr um einen Titel, als um einen realen Zugewinn an Macht. Aber in dieser Zeit, meiner Zeit, waren Schein und Titel so unendlich wichtig, fast so wichtig wie ein starkes Heer.

    Für eine große Macht ist ein zersplittertes Staatsgebiet nicht eben förderlich und Brandenburg-Preußen ist zersplittert. So muss man, will man von Kleve, dem westlichsten Gebiet der Hohenzollern, direkt an der Grenze zur Republik der Vereinigten Niederlande gelegen, in das Kurfürstentum reisen, nicht weniger als acht Länder durchqueren. Will man von Berlin nach Preußen gelangen, zieht der Reisende mehr als 14 preußische Meilen¹ durch polnisches Gebiet, bevor er das damalige Herzogtum Preußen erreicht. Eine Zusammenlegung der Territorien war nicht ohne Konfrontationen mit den Nachbarn möglich, also blieb zunächst nur die Erhöhung der eigenen Würde für eine befriedigendere Rolle in Europa und dies schien sogar im Bereich des Machbaren. Im Gebiet des deutschen Reiches war es natürlich unmöglich, neben der Böhmischen Königswürde, die traditionell dem Kaiser zustand, eine weitere zu etablieren. Aus diesem Dilemma hatte vor einigen Jahren der Kurfürst von Sachsen, August der Starke, einen Ausweg gefunden und eben jener galt nun für Friedrich als nacheifernswertes Vorbild. August bestach damals für seine Zwecke die Großen Polens und wurde auf diese Weise zum polnischen König gewählt. So war er zwar im Reich nach wie vor ein Kurfürst, galt aber auf europäischer Ebene als König.

    Die Situation für die brandenburgischen Kurfürsten stellte sich ein wenig anders dar, besaß man doch mit dem Herzogtum Preußen ein passendes Gebiet, welches bereits den Kurfürsten gehörte, aber außerhalb des Reichsgebiets lag. Komplizierte und teure Bestechungsgelder konnten also entfallen, da man bereits über ein geeignetes Territorium verfügte. Eine Rangerhöhung konnte man jedoch nicht so einfach beschließen. Für die damit verbundene Anerkennung benötigte Friedrich die Unterstützung durch höhere Instanzen, denen die übrigen Fürsten folgen würden, vor allem der Polenkönig, dem Preußen offiziell ein Vasall war. Einen solchen Unterstützer zu finden war nicht einfach, denn es kamen hier lediglich der erzkatholische Kaiser in Wien und der Papst in Rom in Frage, der ebenfalls als erzkatholisch eingestuft werden musste. Aufgrund der strengen evangelischen Religion des Kurfürsten verbot sich die Zustimmung durch diese beiden Instanzen zunächst von selber. August der Starke war übrigens kurzerhand zum Katholizismus konvertiert, damit er die polnische Königswürde erlangen durfte. Obwohl der Kaiser in Wien wenig Neigung verspürte, Friedrich diesen Gefallen zu tun, bemühte man sich doch mit ihm Verhandlungen über das Vorhaben aufzunehmen, durchaus in dem Bewusstsein, dass der Kaiser irgendwann die politische oder militärische Hilfe der Hohenzollern benötigen würde. Trotz brandenburgischer Zugeständnisse an den Kaiser zögerte dieser. Kein Wunder, hatte doch der brandenburgische Kurfürst Friedrich in seiner unnachahmlichen Art angekündigt, den Katholizismus in Preußen auszurotten. Das war für den Wiener Hof natürlich keine Motivation für eine Unterstützung der protestantischen Ambitionen. Dann kam Brandenburg das politische Fortune zur Hilfe, auf welches man gehofft hatte. Durch einen drohenden Konflikt mit Frankreich benötigte der Kaiser Truppen und Brandenburg verfügte mittlerweile über ein starkes Heer. Die Zusage des Kurfürsten, künftig bei allen Kaiserwahlen für die Habsburger zu stimmen, brach schließlich das Eis und der Kaiser unterstützte die Erhöhung Friedrichs zum König in Preußen. Das war im Jahre 1700. Im Januar 1701 setzte sich der Brandenburgische Kurfürst Friedrich III. in Königsberg selbst die Krone aufs Haupt. Nun war er endlich Seine Königliche Majestät Friedrich I., König in Preußen.

    Nicht nur die nun folgende Prunksucht stürzte Brandenburg-Preußen in den finanziellen Ruin. Schon vorher hatte der Kurfürst versucht, durch eine wahrhaft königliche Hofhaltung mit den europäischen Königshäusern, zumindest in Sachen Prunk und Glanz, schrittzuhalten. Das kleine Land mit seinen zweieinhalb Millionen Einwohnern, ein großer Teil davon lebte als Leibeigene der adligen Großgrundbesitzer, konnte diese finanzielle Last nicht stemmen und so stiegen die Schulden des Staates ins Unermessliche. Ein starkes stehendes Heer war schon teuer genug, die maßlose Hofhaltung gab den Finanzen jedoch den Rest. Zudem wurden Preußen und auch Teile Brandenburgs ab 1708 von einer ganzen Serie an Seuchen und Missernten heimgesucht, die eine Unzahl an Menschenleben forderten. Der König? Für ihn war nur sein Glanz von Bedeutung. Er kümmerte sich wenig um sein Volk, beklagte lediglich die rückläufigen Staatseinnahmen und ordnete für alle am Hof den täglichen Besuch der Messe an, Gott um die Beendigung des Elends in seinem Reich anzuflehen, der Staatseinnahmen wegen. Berlin blieb von der Pest verschont. So kam es also, dass der nächste König einen Staat mit immensen Schulden übernehmen würde, Schulden, die das Land binnen kürzester Zeit in die Knie zwingen mussten, wenn keine Gegenmaßnahmen ergriffen würden. Brandenburg-Preußen war zum Ende der Regierungszeit Friedrich I. quasi bankrott.

    All dies interessierte uns Kinder nicht und natürlich wussten wir auch nichts davon. Der königliche Großvater überschüttete uns mit Dingen, die eine Menge Geld kosteten, so unendlich schön waren und dafür liebten wir ihn!

    Mittlerweile war die Kronprinzessin von ihrem Aufenthalt im heimatlichen Hannover zurückgekehrt. Nicht lange und Wilhelmine, Frau von Kamecke, der kleine Friedrich und ich sahen uns zur künftigen Königin befohlen. Sie empfing uns auf einem mit rotem Samt bezogenen Lehnstuhl, dessen prächtige Schnitzereien filigranst gearbeitet waren. Die vergoldeten Armlehnen schauten unter der üppigen Pracht ihrer mit Rüschen verzierten Ärmel nur noch wenig hervor. Die Farbe des Kleides war eine Mischung aus verschiedenen hellen Brauntönen, die durchaus goldene Nuancen erkennen ließen. Die künftige Königin trug keine Perücke, sondern zeigte ihr natürliches braunes Haar, welches im unteren Drittel zu kunstvollen langen Locken gedreht war, die über die fürstlichen Schultern fielen. Wir befanden uns im Kleinen Salon der Kronprinzessin, in dem Sophie Dorothea ihre inoffiziellen Besucher empfing. Der Kleine Salon war weder klein noch bescheiden ausgestattet. Neben Bildern, die Szenen aus der antiken Mythologie darstellten, war auch eine ziemlich umfangreiche Welfische Ahnengalerie anwesend, die mit ernst und sehr würdig dreinschauenden Vorfahren der Kronprinzessin ausgestattet war. Bei unserem Eintreten erkannte ich Sophie Dorothea inmitten einiger ihrer Hofdamen. Zwischen jenen fiel mir gleich eine Dame mittleren Alters auf, die sich durch eine dunklere Hautfarbe und fast olivfarbene Augen von den übrigen unterschied. Auch ihre Robe war nicht ganz so schillernd wie die der anwesenden Hofdamen. Obwohl sie mitten unter den Frauen der künftigen Königin stand, wirkte sie wie ein Fremdkörper und auch ich hatte diese Frau bis dahin noch nicht gesehen. In dem Moment, in dem wir erschienen, verstummte die rege Unterhaltung und alle Blicke wandten sich uns entgegen. Wir lenkten die Schritte in Richtung der Raummitte, blieben in einigem Abstand vor dem Stuhl mit Wilhelmines Mutter stehen und machten einen tiefen Knicks. Königliche Hoheit nickte uns huldvoll zu. Einige Schritte hinter mir knickste das Kindermädchen, welches den kleinen Thronerben auf dem Arm hielt. Die Kronprinzessin winkte das Mädchen heran und ließ sich ihren Sohn zeigen, der beim ungewohnten Anblick seiner Mutter gleich in ein unruhiges Brabbeln verfiel. Dabei sabberte er, sehr zum Missfallen Sophie Dorotheas, prächtige Luftblasen.

    „Erfreut er sich guter Gesundheit?", wollte sie von der Kamecke wissen.

    Die Gouvernante berichtete kurz und knapp über den Zustand und die Entwicklung des kleinen Friedrich. Die künftige Königin schien zufrieden, fuchtelte dem Kleinen kurz und sehr ungeschickt mit einem Finger im Gesicht herum, was diesen augenblicklich seine Haltung verlieren ließ, um in ein nervenzerreißendes Gebrüll auszubrechen. Die Welfin machte mit ihrer Hand eine ungeduldig wedelnde Bewegung und augenblicklich zog sich das Kindermädchen mit ihrem lärmenden Bündel zurück.

    „Es scheint, der Prinz ist in einer guten Verfassung. Vielleicht ist Gott Uns diesmal gewogen und Unser Sohn wird einmal König in Preußen, hat der Herr doch in seinem untrüglichen Ratschluss bisher all Unsere Kinder zu sich befohlen."

    Diese letzte Bemerkung ließ mich aufhorchen. Was war mit Wilhelmine? War sie nicht auch ein Kind jener Matrone, die dort auf dem Stuhl saß und vor Selbstmitleid um ihre beiden verstorbenen Söhne zerfloss? Damals wusste ich es noch nicht, aber es war nicht das Leid um ihre beiden jung verstorbenen Söhne, welches sie so unendlich bedauerte, sondern eine wirkliche Sorge um ihr eigenes Schicksal bei Hofe. Ihr war es angst und bange, dass auch der dritte potentielle Thronerbe nicht überleben könnte. Für ihren Gemahl zählten nur Jungen, Thronerben und Soldaten. Eine weibliche Thronfolge wie in England, ja sogar im rückständigen Russland möglich, war in Brandenburg und Preußen nicht vorgesehen. Dorothea musste eben diesen Thronerben gebären. Überhäufte der Kronprinz seine Frau nach der Geburt des ersten Sohnes Friedrich Ludwig 1707 mit viel Liebe und Zuneigung, verstand er dessen frühen Tod als eine persönliche Beleidigung. Als Sophie Dorothea 1709 erneut guter Hoffnung war, freuten sich ganz Brandenburg und Preußen auf einen weiteren männlichen Spross, der einmal den Thron besteigen konnte. Der Kronprinz, der sich damals bei seinen Truppen im Felde aufhielt, erwartete von seiner Gemahlin nun endlich jenen kleinen Grenadier, der den Fortbestand des Geschlechts sichern sollte. Doch kein Grenadier erblickte das Licht der Welt, sondern „lediglich eine Prinzessin. Das war für die Mutter ein entsetzlicher Schlag. In ihrem ersten Brief nach der Geburt an den Gemahl entschuldigte sie sich fast für dieses Missgeschick und bedauerte zutiefst die Geburt des Kindes, ja, sie traute sich noch nicht einmal, das Wort Tochter auf Papier zu bannen. Die Geburt Wilhelmines beeinflusste sehr stark das Verhältnis ihrer beiden Eltern zueinander, brachte den unberechenbaren Kronprinzen sogar dazu, über eine Scheidung nachzudenken. Auch die Geburt eines weiteren Jungen, ein Jahr später, den man Friedrich Wilhelm taufte, entspannte nur für einen Moment das Verhältnis des Kronprinzenpaares. Als der Junge kurz darauf starb, zogen wieder dunkle Wolken über deren Beziehung auf. Erst die Geburt Friedrichs, 1712, erfreute den Vater und machte ihn zufrieden mit seiner lieben „Fiecke.

    Zurück in den Kleinen Salon, bevor ich noch weiter abschweife. Gerade in dem Augenblick, als die Kronprinzessin sich anschickte, die Dame mit den dunklen Augen vorzustellen, kündigte ein livrierter Diener die Ankunft des Kronprinzen an. Just als dieser eintrat machten alle Anwesenden, inklusive der Kronprinzessin, ihren artigen und ehrerbietigen Knicks, als seien sie mechanische Figuren auf einem Glockenspiel. Nein, es war mehr als nur artig und ehrerbietig. Ich spürte es sofort, es lag mit einem Mal eine gefährliche Stimmung in der Luft, Furcht und Ungewissheit, eine Spannung, wo eben noch alles spannungsfrei war. Dieses Gefühl, das lernte ich sehr schnell, griff in jedem Raum um sich, wenn Friedrich Wilhelm auftauchte. Man konnte sich nie sicher sein, in welcher Stimmung er sich gerade befand. War er gut gelaunt, durfte man von ihm, war er einem gewogen, alles erbitten. War er schlechter Laune, und das traf besonders für seine Familie durchweg häufiger zu, konnte er furchtbar wütend und in seinem Jähzorn alle verprügeln, inklusive der Zertrümmerung des Mobiliars. Als geübter Choleriker verfiel er perfekt von einer guten Laune in eine sehr schlechte, in Sekundenschnelle und ohne V orwarnung. Leider beherrschte er die umgekehrte Reihenfolge eines Stimmungswandels weniger gut. So knicksten alle ihren tiefsten Knicks und hielten den Blick mit gesenktem Kopf auf den Boden gerichtet, damit man nicht die Aufmerksamkeit des Prinzen auf sich lenkte. Einem Betrachter aus der Vogelperspektive wären die knicksenden Damen mit ihrer farbenprächtigen Garderobe sicherlich wie ein Teich voller Seerosen erschienen, wir hatten damals, in Anbetracht des Prinzen, weniger romantische Gedanken. Gott sei Dank war Friedrich Wilhelm glänzender Laune. Er bedachte uns mit seinem freundlichsten Lächeln und innerlich aufatmend erhoben wir uns, jedoch ohne die rechte Entspannung. Er tauschte mit einigen der Damen und natürlich mit seiner Gemahlin einige Artigkeiten aus. Dann fiel sein Blick auf mich. Unwillkürlich suchte ich Schutz hinter Frau von Kamecke, denn dieser eher kleine Mann, der seinen Bauchansatz nicht mehr verbergen konnte, flößte mir Angst ein. Augenscheinlich gefiel ihm die Wirkung, die er auf mich hatte. Er streckte seine Hand nach mir aus und die Kamecke schob mich, ein wenig unsanft, vorwärts. Ich machte den tiefsten Knicks, den ich bis dahin jemals ausgeführt hatte, mit der begründeten Sorge, mich nicht wieder unfallfrei daraus erheben zu können. Der Balanceakt gelang und ich nannte dem Prinzen auf sein Geheiß hin, mit gesenktem Haupt, meinen Namen.

    „So!, sagte er, „Sie ist also die Tochter des tapferen Krönitz? Tapferer Mann. Man erzählte Uns von Eurem Mut, wie Ihr gegen die Hunde bestanden habt. Ihr Geschlecht ist eine Schande für Euch! Ihr würdet einen guten Grenadier abgeben, wie Euer Vater. Aber Wir werden dafür sorgen, dass Ihr einen Mann heiratet, der ebenso tapfer ist, dann wird Euer Mut wenigstens nicht ganz vergeudet und Ihr könnt Eurem König tapfere Soldaten für sein Heer schenken.

    Er lachte schallend, wobei sich Königliche Hoheit in ein Hohlkreuz begab und den Bauch äußerst unvorteilhaft nach vorne schob.

    „Aber bevor Wir jemanden finden der Euch heiratet, müssen Wir wohl noch einige Jahre warten!"

    Die Umstehenden lachten leise und gezwungen mit dem Kronprinzen, als hätte er einen recht guten Witz gemacht. Dann wandte er sich abrupt an seine Gemahlin und sein Lachen erstarb augenblicklich.

    „Habt Ihr schon Frau von Kamecke wegen der neuen Erzieherin informiert, Madame?"

    Ich nutzte die Gelegenheit und zog mich wieder in die zweite Reihe, hinter die Prinzessin, zurück. Nun konnte ich mir den Kronprinzen ungestört ein wenig genauer betrachten. Es war überdeutlich, trotz seiner erst fünfundzwanzig Jahre neigte der nächste König augenscheinlich zur Fülle. Daran änderten auch die Feldzüge, an denen er ständig teilnahm, nichts. Offenbar unterschieden sich die körperliche Härte und die Verpflegung zwischen Feldherrenhügel und den übrigen Soldaten deutlich. Unter seinem Kinn winkte bereits erkennbar der Ansatz eines zweiten Kinns und auch die Backen wuchsen sichtlich über die Wangenknochen hinaus. Sein Haupt bedeckte eine eng anliegende gepuderte Perücke ohne viele Schnörkel. Den winzigen graublauen Augen sah man an, dass deren Besitzer keinen Widerspruch duldete. Der kleine Schmollmund des Kronprinzen verriet dem Betrachter, wie empfindsam der Mensch war, dem diese Lippen gehörten. Ohne Zweifel fühlte sich dieses Bild eines Mannes schnell in seiner persönlichen Ehre gekränkt. Was Friedrich Wilhelm deutlich von den meisten anderen Männern am Hof unterschied, war seine Kleidung. Anstelle der aufwendigen, farbenprächtigen und modischen Hofkleidung bevorzugte der Kronprinz Uniformen. Auch an diesem Tag thronte auf seiner Perücke ein schwarzer Dreispitz mit einem Rand aus flaumigen Straußenfedern. Der Herr trug einen langen blauen Rock, welcher bis fast an die Kniekehlen reichte, mit einer nur leicht kürzeren weißen Weste darunter, die mit goldenen Knöpfen versehen war. Der Aufschlag des Rocks war rot, mit einfachen Verzierungen. Seine Füße staken in hohen, schwarz glänzenden Schaftstiefeln, so dass die weiße Hose nur in einer schmalen Lücke zwischen Stiefeln und Rock sichtbar wurde. Um den Bauch mühte sich eine goldene Schärpe gegen die drückende Übermacht des Volumens, an deren linken Seite der Degen herabhing.

    „Nun, Kamecke, … , sprach der Kronprinz die Erzieherin an, „gemäß Eurem Wunsch haben Wir für Euch eine Nachfolgerin gefunden, die ab morgen die Erziehung des Kronprinzen und seiner Schwester übernehmen wird. Sie wurde Uns am hannoverischen Hof empfohlen und hat bereits viele Erfahrungen bei der Erziehung von fürstlichen Kindern sammeln können. Bereiten Sie alles Notwendige vor, damit die Leti, er wies dabei auf die Dame mit den olivfarbenen Augen, „über alles Wichtige unterrichtet ist, um die Erziehung Unserer Kinder fortzuführen."

    Mir wirbelte der Kopf. Ich konnte kaum begreifen, was ich da hörte. Frau von Kamecke war abgelöst und sollte durch die südländisch wirkende Frau ersetzt werden, die ich kurz unter den Hofdamen wahrgenommen hatte. Ich blickte verstohlen zur Kamecke, die augenscheinlich mit dem Gehörten kämpfte. Sie öffnete den Mund, schloss ihn dann wieder, öffnete ihn erneut und sprach den Prinzen mit trockener und rissiger Stimme an.

    „Königliche Hoheit, sicherlich bin ich im Unrecht, aber ich kann mich nicht entsinnen, meinen Rücktritt erbeten zu haben. Vielleicht können mich Königliche Hoheit über den Grund Eurer Entscheidung gnädigst aufklären?"

    Mit Interesse beobachtete ich, wie sich die Büste der Kamecke vor lauter Aufregung unregelmäßig auf und nieder hob, ihre Finger sich ineinander verkrallten und dabei so fest gedrückt wurden, bis die Knöchel ganz weiß waren. Noch interessanter war jedoch die Wandlung, die der Kronprinz binnen Sekunden durchmachte. Ich erinnere mich noch gut daran, wie sich mir damals vor Entsetzen eine kalte Hand um den Hals legte und mir wie ein Schraubstock den Atem nahm. Friedrich Wilhelm bekam augenblicklich ein krebsrotes Gesicht, der Blick flimmerte und seine Lippen zitterten unkontrolliert. Dann brüllte er ohne Vorwarnung:

    Was untersteht Sie sich, Sie impertinentes Weib, Uns ungefragt anzusprechen, Unsere Entscheidungen infrage zu stellen. Wenn Wir sagen, Sie hat um Ihren Rücktritt gebeten, dann hat Sie das getan, Sie hat keinen Grund, das anzuzweifeln. Aus seinem Mund flossen Speichelfäden und die Augen waren binnen kürzester Zeit blutunterlaufen. „Wie kann Sie es wagen, Erklärungen von Uns einzufordern?"

    Diese Frage war natürlich rein rhetorischer Natur und so erwiderte die arme Kamecke auch nichts darauf. Sie war kreidebleich, verharrte in einem tiefen Knicks und ich befürchtete ihre Ohnmacht ob des gewaltigen Zorns, der sich über ihr entlud. Die Umstehenden waren vor lauter Schreck einige Schritte von der Unglücklichen gewichen, so dass sie nun ziemlich alleine vor dem Kronprinzen knickste. Sie war nur noch ein kümmerliches Häufchen Elend und wie sie so ihren Kopf nach vorne beugte sah es aus, als würde sie auf ihre Enthauptung warten.

    „Warum müssen Weiber immer widersprechen?, tobte der Prinz weiter, denn niemand wagte es, ihn zu beruhigen. „Wo kämen wir da hin, wenn jeder seine Meinung sagen und die Obrigkeit in Frage stellte, das wäre Anarchie! Ist Sie wohl eine Anarchistin, will Sie Unsere Autorität untergraben, gar den Staat umstürzen? Auch hierauf gab die Geknickte natürlich keine Antwort. „Insubordination! Soldaten würden Wir jetzt den Stock spüren lassen, aber ein Soldat stellt niemals die Entscheidung seines Obersten in Frage!, ereiferte er sich munter weiter. „Weiber tun das, was der Mann sagt, das ist Gottes Gesetz und will Sie bei Hofe bleiben, soll Sie sich das hinter die Ohren schreiben!

    Eine Tür knallte, dann trat Stille ein. Als ich vorsichtig aufblickte, war der Kronprinz samt seinem cholerischen Anfall aus dem Raum verschwunden. Zurück blieb ein Haufen erschrockener Hofdamen nebst Prinzessin und eine völlig am Boden zerstörte Frau von Kamecke. Wilhelmine hatte sich, während ihres Vaters Toben, entsetzt unter mein Kleid geflüchtet und kam nun, da es still war, langsam wieder aus ihrem Versteck hervor.

    „Sie dürfen sich zurückziehen und merken Sie sich, was Unser Gemahl Ihnen gesagt hat. Lassen Sie es sich eine Lehre sein, Sie dummes Ding!"

    Damit war die Kamecke entlassen. Sie stand auf, knickste noch einmal vor der Prinzessin und verließ dann fluchtartig den Raum. Bevor die Tür zuschlug hörte man sie erbärmlich aufschluchzen, was aber durch das Zufallen der Tür abrupt unterbrochen wurde, als hätte man ihr endlich doch den Kopf vom Rumpfe getrennt.

    Ich konnte es kaum glauben. Ich hatte erwartet, dass die Prinzessin die Erzieherin, die ihr ja treu ergeben gewesen war, wieder seelisch aufrichtete, diese wenigstens trösten würde. Nichts dergleichen. Sie entließ die alte Frau eiskalt ohne ein weiteres Wort. Sophie Dorothea widersprach erst später in ihrem Leben dem Gatten. Doch angesichts ihrer unsicheren Stellung mit nur einem Sohn tat die Ärmste in jener Zeit alles, dem Gemahl treu anzuhängen. Auch dann, wenn

    Gefällt Ihnen die Vorschau?
    Seite 1 von 1