Das Schönheitspflästerchen
Von Alfred de Musset
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Über dieses E-Book
Alfred de Musset
Alfred de Musset (1810-1857) was a French poet, novelist, and dramatist. Born in Paris, he was raised in an upper-class family. Gifted from a young age, he showed an early interest in acting and storytelling and excelled as a student at the Lycée Henri-IV. After trying his hand at careers in law, art, and medicine, de Musset published his debut collection of poems to widespread acclaim. Recognized as a pioneering Romanticist, de Musset would base his most famous work, The Confession of a Child of the Century (1836), on his two-year love affair with French novelist George Sand. Although published anonymously, de Musset has also been identified as the author of Gamiani, or Two Nights of Excess (1833), a lesbian erotic novel. Believed to have been inspired by Sand, who dressed in men’s attire and pursued relationships with men and women throughout her life, Gamiani, or Two Passionate Nights was an immediate bestseller in France.
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Buchvorschau
Das Schönheitspflästerchen - Alfred de Musset
Alfred de Musset
Das Schönheitspflästerchen
I
Als im Jahre 1756 Ludwig XV., der Streitigkeiten zwischen der Richterschaft und dem Staatsrat wegen der Zwei-Sous-Steuer müde, den Entschluß faßte, einen Großen Gerichtstag abzuhalten, legten die Mitglieder des Parlaments ihre Ämter nieder. Sechzehn dieser Amtsniederlegungen wurden angenommen und daraufhin ebenso viele Verbannungen ausgesprochen. – »Aber könnten Sie«, sagte Frau von Pompadour zu einem der Präsidenten, »könnten Sie kaltblütig mit ansehen, daß eine Handvoll Männer sich der Autorität eines französischen Königs widersetzt? Würden Sie von ihm dann nicht gering denken? Legen Sie Ihr Amtskleid ab, Herr Präsident, und Sie werden dies alles so sehen, wie ich es sehe.«
Nicht nur die Verbannten büßten für ihren schlechten Willen, sondern auch ihre Verwandten und Freunde. Der König hatte Freude an der Briefzensur. Um sich von seinen Vergnügungen zu erholen, ließ er sich von seiner Mätresse alles vorlesen, was in den einlaufenden Postsachen an Merkwürdigem zu finden war. Wohl verstanden, unter dem Vorwand, seine eigne Geheimpolizei zu sein, belustigte er sich über die tausend Intrigen, die ihm so unter die Augen kamen; aber wer es irgendwie, unmittelbar oder mittelbar, mit den gegnerischen Parteihäuptern hielt, war fast immer verloren. Wie man weiß, hatte Ludwig XV. neben allen möglichen Schwächen nur eine einzige Stärke: die, unerbittlich zu sein. Als er eines Abends am Feuer saß, die Füße auf dem Kaminmantel, wie gewöhnlich in melancholischer Stimmung, durchflog die Marquise einen Stoß Briefe und zuckte lachend die Achseln. Der König fragte, was es gäbe.
»Ich finde da einen Brief«, antwortete sie, »der unsinnig ist; aber er hat etwas Rührendes und Mitleiderregendes.« »Was steht darunter?« sagte der König.
»Kein Name; es ist ein Liebesbrief.«
»Und was steht darüber?«
»Das ist das Spaßige. Er ist nämlich an Fräulein von Annebault adressiert, die Nichte meiner guten Freundin Frau von Estrades. Anscheinend, damit ich ihn lesen soll, hat man ihn unter diese Papiere gestopft.«
»Und was steht darin?« fragte der König wieder.
»Ich sagte Ihnen ja, es ist eine Liebesgeschichte. Es ist auch die Rede von Vauvert und Neauflette. Gibt es in dieser Gegend Adel? Kennt Euer Majestät sie?«
Der König bildete sich etwas darauf ein, Frankreich genau zu kennen, das heißt den französischen Adel. Die Etikette seines Hofes, die er mit Erfolg studiert hatte, war ihm nicht vertrauter als die Wappen seines Königreichs: eine ziemlich beschränkte Kenntnis, da alles übrige nicht zählte. Aber er setzte seine Eitelkeit darein, und die Adelshierarchie war in seinen Augen gleich der Marmortreppe seines Palastes; er wollte über sie als Herr hinwegschreiten. Nachdem er einige Augenblicke nachgedacht hatte, runzelte er die Stirn, wie von einer häßlichen Erinnerung betroffen; bedeutete dann der Marquise zu lesen, lehnte sich in seinem Sessel zurück und sagte lächelnd:
»Nur zu, das Mädchen ist hübsch.«
Frau von Pompadour begann in leicht spöttischem Ton einen langen Brief vorzulesen, der voller verliebter Redensarten war.
»›Sehen Sie nur‹«, hieß es da, »›wie das Schicksal mich verfolgt! Alles schien bereit zu sein, meine Wünsche zu erfüllen, und hatten Sie selbst, meine teure Freundin, mich nicht das Glück erhoffen lassen? Dennoch muß ich darauf verzichten, und das wegen eines Vergehens, das ich nicht begangen habe. Ist es nicht ein Übermaß von Grausamkeit, mir erlaubt zu haben, den Himmel halb offen zu sehen, um mich nachher in den Abgrund zu stürzen? Wenn ein Unglücklicher dem Tode geweiht ist, macht man sich dann ein barbarisches Vergnügen daraus,