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7. Bubenreuther Literaturwettbewerb
7. Bubenreuther Literaturwettbewerb
7. Bubenreuther Literaturwettbewerb
eBook644 Seiten5 Stunden

7. Bubenreuther Literaturwettbewerb

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Über dieses E-Book

Hiermit liegt die Anthologie zum siebten Bubenreuther Literaturwettbewerb vor. Wie bei den vorigen Wettbewerben wurden die besten Texte ausgewählt und mit den drei Siegertexten in einem Band präsentiert. Es ging darum, einen breiten Querschnitt der eingesandten Beiträge zu erstellen, der nicht nur eine Hauptströmung darstellt, sondern die ganze Vielfalt der hier zutage tretenden Aktivitäten widerspiegelt.
SpracheDeutsch
Herausgebertredition
Erscheinungsdatum22. Okt. 2021
ISBN9783347427525
7. Bubenreuther Literaturwettbewerb
Autor

Christoph-Maria Liegener

Christoph-Maria Liegener. Geboren 1954 in Berlin. Lebt heute in Bubenreuth bei Erlangen. Physiker. Viele Jahre Wissenschaftler an verschiedenen Universitäten, promoviert, habilitiert. Zahlreiche Artikel in Fachzeitschriften. Familie, zwei Söhne. Inzwischen lyrische, philosophische und humoristische Texte.

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    Buchvorschau

    7. Bubenreuther Literaturwettbewerb - Christoph-Maria Liegener

    Die Siegertexte

    Erster Platz: Rebecca Netzel

    Die Seele der Bäume

    Wir sind das Grüne Volk,

    das Volk der Stehenden Leute.

    Mit erhobenen Zweigen

    beten wir zur Sonne.

    *

    Wir wiegen uns im Wind

    und flüstern mit der Brise.

    Aufrecht stehen wir,

    beugen uns keinem Sturm.

    *

    Und wenn ein Orkan uns bricht,

    so bricht er nicht unsere Kraft.

    Denn wieder schlagen wir aus,

    nach Unwetter oder Feuer.

    *

    Unser Atem spendet Kraft,

    aus uns Wäldern steigen Wolken.

    Unsere Wurzeln hüten Wasser

    und die Früchte spenden Nahrung.

    *

    Sieh die Pantomime der Äste!

    Höre das Raunen unserer Kronen!

    Lerne von der uralten Weisheit,

    vom Volk der Grünen Leute!

    Kommentar: Die Autorin ist mit ihrer Familie in eine Großfamilie der Kul Wikásha Lakota, eines Stammes der Native Americans, adoptiert worden und hat deren ganzheitlich-ökologische Naturverbundenheit übernommen. In diesem Gedicht spürt sie den Bäumen nach, versucht, ihre Seelen zu erfassen. Spätestens seit der Klimakrise wissen wir, dass die Bäume uns nicht nur guttun, sondern sogar lebensnotwendig für uns sind. Der Text hilft uns, die Bäume besser zu verstehen. Man kann die Bäume förmlich hören.

    Zweiter Platz: Kaia Rose

    BRUCHSTÜCKE

    »Geh nicht«, bat er, aber er sagte es erst, als sie den Fuß schon auf die Schwelle gesetzt hatte und beide wussten, dass es zu spät war. Trotzdem tat es ihr gut, diese Worte aus seinem Mund zu hören: Geh nicht.

    Sie überlegte, was sie ihm antworten sollte, doch jeder Satz, der ihr in den Sinn kam, klang zu pathetisch, um ihn auszusprechen. Ein Teil von mir wird immer bei dir bleiben, wer sagt denn so etwas im echten Leben? Obwohl es die Wahrheit war.

    Für einen Sekundenbruchteil erwog sie, tatsächlich zu bleiben. Aber damit täte sie weder sich noch ihm einen Gefallen. Jetzt, wo sie den Kampf bis zum Ende geführt und ihre Niederlage angenommen hatten. Wo sie den Abschied zelebrierten und sich schon mit wohligem Schauer auf den Schmerz vorbereiteten, der danach kommen würde. Nein, Bleiben war keine Option. Jetzt nicht mehr.

    Sie entschied sich dafür, nichts zu sagen. Aber sie blickte ihm in die Augen, direkt, wie sie es immer getan hatte. Sie ließ die Wärme zu, die immer noch zwischen ihnen wogte. Und lächelte ihn an. Er wirkte überrascht, ein wenig verunsichert, und wagte nicht, ihr Lächeln zu erwidern. Aber sie kannte ihn. Sie wusste, wie gut es ihm tat.

    Mit einem Mal wurde ihr klar, dass sie nicht nach Worten zu ringen brauchte. Alles, was gesagt werden musste, legte sie in ihren Blick. Sie war sicher, dass die nicht in Worte zu fassende Botschaft ihn auf diese Art erreichen und in ihm fortwirken würde. Ihr Lächeln bildete den Grundstein, auf dem sie eines Tages, in ein paar Monaten oder in ferner Zukunft, vielleicht eine neue Brücke würden bauen können. In diesem Moment schwor sie sich, ihm immer mit einem Lächeln zu begegnen – wann und wo sich ihre Wege auch kreuzen sollten. Ihr Lächeln war ihm gewiss.

    Seine Züge entspannten sich. Als hätte er ihre Gedanken gelesen. Jetzt begann auch er zu leuchten. Alles war gut.

    Sie drehte sich um und verließ die Wohnung.

    Kommentar: Analyse eines Augenblicks, der ein Leben verändern kann und doch mit nur einem Lächeln zu einer Weichenstellung führt. Was alles in diesem kurzen Lächeln liegt! Am Ende versteht man es.

    Dritter Platz: Heinz Strehl

    Die Falsche

    Du hast falsche Wimpern.

    Deine Stimme klingt so rau.

    Auf dem Klavier kannst du nur klimpern.

    Du bist die falsche Frau.

    Die Fingernägel schwarz lackiert.

    Ein Piercing ziert die Unterlippe.

    Die Haare wie ein Punk frisiert.

    Die Hand hält lässig eine Kippe.

    Tätowiert an Bauch und Rücken.

    In den Farben rot und blau.

    Das kann mich nicht verzücken.

    Du bist die falsche Frau.

    Was ist an dir, das mir gefällt?

    Was wäre, wenn ich bliebe?

    Was mich an deiner Seite hält?

    Die Antwort lautet: Liebe.

    Kommentar: Humorvolle Lyrik, die auch noch klingt. Ein etwas anderes Liebesgedicht. Die überraschende 180-Grad-Kehrtwende am Schluss ist es, die überzeugt.

    Weitere ausgewählte Werke

    Ralf Hilbert

    Herbst

    Wozu dann noch -

    wenn es nicht weitergeht,

    wenn der Sommer zu Ende -

    ich möchte lieber nicht.

    Du spieltest Cello,

    das herbe Holz,

    des Jahres dunkler Bogenstrich -

    der Corpus blüht.

    Werner Siepler

         Was solls

    Der moderne Mensch geht mit der Zeit,

    hat Dinge von großer Wichtigkeit

    auf einer TO-DO-Liste stehen,

    damit diese nicht untergehen.

    Doch so manches Vorhaben dann floppt.

    Das Schicksal den Plan rigoros stoppt.

    Der Mensch es enttäuschend registriert

    und um einen Wunsch nun ärmer wird.

    Dennoch hat er sich recht schnell gefasst,

    der Situation angepasst.

    Seinen Misserfolg zu guter Letzt,

    einfach auf die WAS-Solls-Liste setzt.

    Kommentar: Geradliniger Humor. Die Reime gefallen, würden aber mit metrischer Unterstützung noch besser wirken.

    Herbert Glaser

    Mein bester Freund

    Ich habe einen Freund.

    Einen guten Freund.

    Einen wahren Freund, um genau zu sein.

    Jemand, der immer für mich da ist.

    Wer kann das schon von sich behaupten.

    Wahre Freunde sind selten.

    Wir lernen in unserem Leben viele Menschen kennen.

    Pflegen freundschaftliche Beziehungen mit ihnen.

    Und halten sie für wahre Freunde.

    Bis etwas passiert, bei dem wir einen solchen Freund bräuchten.

    Dann wird uns bewusst, dass wir uns getäuscht haben.

    Wahre Freunde sind selten.

    Ich habe einen.

    Als Kind war ich ein Außenseiter.

    Bis ich ihn kennen lernte.

    Wir trafen uns häufig.

    Er vermittelte mir das Gefühl von Geborgenheit.

    Von Unbeugsamkeit und Männerfreiheit.

    Ich war fünfzehn.

    Pubertät im Endstadium.

    Viele Bekanntschaften.

    Nichts Ernstes.

    Dann trat Maria in mein Leben.

    Sie mochte ihn nicht besonders.

    Er hätte einen schlechten Einfluss auf mich.

    In ihrer Gegenwart fühlte sich seine Anwesenheit nicht

    richtig an.

    Die Treffen mit ihm wurden seltener.

    Dann wurde Maria schwanger.

    Das entfremdete mich völlig von ihm.

    So trennten sich unsere Wege.

    Meine neue Familie beanspruchte mich voll und ganz.

    Ich war glücklich.

    Bis Probleme auftauchten.

    Erst in Kleinigkeiten.

    Dann grundsätzlicher Art.

    Mein Freund kam mir wieder ins Gedächtnis.

    Könnte er mir in dieser Situation helfen?

    Mir gut zureden und mich beruhigen?

    Meinen Blick auf das Wesentliche richten?

    Oder mich einfach nur für kurze Zeit ablenken?

    Ich widerstand dem Drang, ihn zu kontaktieren.

    Wollte meine Ehe retten.

    Die Familie nicht verlieren.

    Aber es wurde schlimmer.

    Maria verließ mich und nahm die Kinder mit.

    Endgültig.

    Ich verlor den Halt.

    Zeit für einen wahren Freund.

    Wir hatten lange keinen Kontakt.

    Obwohl er immer erreichbar gewesen wäre.

    Heute brauche ich ihn.

    Wie nie zuvor.

    Ich suche ihn auf.

    Ohne den geringsten Vorwurf kommt er mit zu mir.

    Glücklich betrachte ich ihn.

    Er hat sich nicht verändert.

    Bietet mir seine Hilfe an.

    Selbstlos wie immer.

    Die Eiswürfel klimpern.

    Ich schenke ein.

    Proste ihm zu.

    Ein kurzes Zögern.

    Dann führe ich das volle Glas an die Lippen.

    Trinke ihn in einem Zug.

    Und schließe die Augen.

    Er tut mir gut.

    Wie sehr habe ich ihn vermisst.

    Ich bin nicht mehr allein.

    Werde es nie mehr sein.

    Wahre Freunde sind selten.

    Ich habe einen.

    Mona Ullrich

    Juli

    Ich habe einen kleinen Laden in Berlin-Steglitz. Dort ist mein Atelier. Menschen kommen zu mir, um sich in besonderen Situationen aufnehmen zu lassen. Ich mache Bilder von Brautpaaren und Alten und Jungen. Auch Passbilder. Ich glaube, ich habe einen guten Ruf.

    An freien Tagen ziehe ich mit meiner Kamera durch die Stadt und suche Orte und Szenen, die ich festhalten kann. Ich gehe überall hin, aber meistens halte ich mich in Parks und auf Bahnhöfen auf.

    Ich werde den ersten Anblick der kleinen Trinkerin nie vergessen. Ich entdeckte sie letzten Sommer in einer künstlichen Grotte in einem der kleineren Parks.

    Sie saß auf einem aufgerissenen Müllbeutel und ihrer Jacke und hatte Lumpen an, eine Jeans, ein loses und fleckiges blaues Hemd. Sie hielt den Kopf abgewandt und murmelte mit sich selbst. Vor ihr standen eine halbleere Weinflasche und ein Becher für Münzen, um den sie sich nicht zu kümmern schien. Sie sah uns nicht an.

    „Entschuldigen Sie, näherte ich mich, „ich bin Fotografin. Darf ich ein Bild von Ihnen machen?

    Ich wiederholte meine Frage mehrmals, aber sie wandte sich mir nicht zu und antwortete nicht.

    Der Anstand hätte verlangt, dass ich weiterging, aber ich bin Künstlerin. In der Kunst gibt es keinen Anstand.

    Ich wollte diese junge Frau nicht einfach wieder vergessen. Ich hätte gerne gewusst, wie sie in diese Lage geraten war. War sie als Jugendliche von daheim ausgerissen und dann so tief gefallen? Wie sehr war sie vom Alkohol zerstört?

    Ich machte einige Aufnahmen. Ich ging um sie herum. Sie beachtete mich nicht.

    Am nächsten Wochenende kehrte ich dorthin zurück, und sie saß immer noch, schon wieder da. Drei leere Flaschen hatte sie vor sich stehen. Ob sie sich das Geld dafür zusammenbetteln konnte?

    Es war ein heißer Tag. Ich trug eine Schirmmütze. Sie saß barhäuptig in der Sonne. An ihrer Kleidung hatte sich nichts verändert.

    „Guten Tag, kann ich Ihnen irgendwie helfen?" näherte ich mich.

    Keine Antwort. Sie murmelte vor sich hin. Sie war jämmerlich dünn, eigentlich nur ein Häuflein Knochen.

    Ich fotografierte sie und den ganzen Park. Ich war traurig. Daheim betrachtete ich dann meine Bilder. Ich stellte erstaunt fest, dass ich gute Arbeit geleistet hatte. Auf den Bildern waren ihr dünner Arm, ihre Lumpen, die große Nase ihres abgewandten Gesichtes deutlich festgehalten. Und der Schatten in ihrer hohlen Wange.

    Ich tat die Fotografien in eine Mappe und schrieb darauf: Juli 2017. „Juli" war doppeldeutig und konnte auch ein Name sein. Von da an hieß die Kleine für mich Juli.

    Die Mappe tat ich in mein Archiv. Manchmal nehme ich an Wettbewerben teil, denn das ist gut für meinen Ruf. Ich dachte, Juli eigne sich für soziale Themen. Die Bilder klagten unsere Gleichgültigkeit im Umgang miteinander an, die solche Katastrophen nach sich zieht.

    Denn Juli war das Opfer einer Katastrophe. Irgendjemand, irgendetwas hatte sie so zugerichtet.

    Ich verließ die Stadt für einige Ferienwochen in Dänemark und kehrte erst im Herbst in Julis Park zurück. Ich ging stracks auf die Grotte zu. Da war niemand mehr. Da standen nur ein paar Kerzen in roten Behältern mit Stofftieren und einem Foto. Auf dem Foto war Juli zu sehen, ausnahmsweise von vorn und ganz freundlich. Das einzige Bild von ihr? Es war schlecht belichtet. Ich hätte das besser gekonnt.

    Und war es ihr letztes Bild? Sie war aus der Welt gegangen, ohne dass ich es bemerkt hatte. Ich hatte ihr nicht helfen können.

    Wozu machen wir Kunst?

    Wolfgang Rinn

    Sehnsucht

    Ich weiß, du selbst bist niemals dort gewesen,

    und doch hat hingezaubert deine Hand

    in zarten Farben, die aus deinem Wesen

    entsprungen sind, ein lichtes, helles Land.

    Wie mögen dir der Sehnsucht weite Räume

    von licht durchflossenen Gestalten glühn,

    die aus dem Urgrund deiner Kindheitsträume

    nun einem fernen Land entgegen blühn?

    In weit geschwungnem Bogen fließt ins Meer

    ein flacher Strand, gleich einer sanften Welle,

    von weither kommend, um an solcher Stelle

    sich hinzugeben, und das umso mehr,

    als dieser Augenblick die Schwelle kündet,

    wo Sehnsucht ihre wahre Heimat findet.

    Kommentar: Von einem Meister des Sonetts eine kleine Betrachtung über den Ursprung der Sehnsucht.

    Katja Baumgärtner

    Für meine liebe Mutter

    Mama, ich kann ganz schön mies zu dir sein

    aber ich liebe dich so sehr,

    dass Gletscher dahin schmelzen möchten.

    Ich liebe dich so sehr,

    dass für mich gerade die Zeit stehen bleibt,

    weil du so weit fort bist.

    Ich liebe dich so sehr,

    dass ich dich ganz fest drücken möchte.

    Ich liebe dich so sehr,

    dass unser Kirschbaum im Frühjahr keine Knospen

    mehr trägt,

    weil du mir so fehlst.

    Ich liebe dich so sehr,

    dass ich ohne dich nicht schlafen kann und möchte.

    Ich liebe dich so sehr,

    dass ich ohne dich nicht mehr leben möchte.

    Ich brauche dich gerade jetzt sehr.

    Danke, dass du für mich besonders

    in letzter Zeit da bist.

    Lisa Deutschmann

    Das Bett

    Der Lattenrost knarzt vor Freude

    über die Bewegungen.

    Die Matratze genießt die Massage

    und beweist Elastizität.

    Das Leintuch sammelt den Schweiß

    der erhitzten Körper.

    Die Decke beschwert sich lautlos

    über ihren Rauswurf.

    Das Kissen erstickt den Lustschrei

    des Höhepunktes.

    Die Decke kommt zurück ins Bett

    und Ruhe kehrt ein.

    Carsten Stephan

    Der allseitige Abgang im April, 1 Uhr nachts

    Die welken Straßen, die genässten Zysten,

    Das Ächzen in den Beckenrandgebieten,

    Die kalten Töpfe, die verschwemmten Viten,

    Das Fauchen in den grauen Baugerüsten.

    Das Ächzen und das Fauchen und das Rinnen,

    Das schwarze Rinnen in den Regenrinnen.

    Die Wände brechen auf, die Lampen platzen,

    Und etwas frisst die Imbissbude im April,

    Den Damm, den Dom, den Dutt, den Dr. phil.

    Sie alle gehen ab, man hört ein Schmatzen.

    Im Erdgeschoss verfließt ein weicher, fetter,

    Ein aufgelöster Mann vorm Fernsehwetter.

    Die Kräne stürzen um, die Ritzen blitzen,

    Und etwas schnappt nach den Paketzustellern:

    Man hört das Kollern in den feuchten Kellern,

    Das Schreien und das Schlitzen und das Spritzen.

    Man sieht acht Männer an dem Blitzableiter,

    Der Mond wird aufgefressen und so weiter.

    Die Sterne schlagen ein, die Theken knarren,

    Drei Männer ordern tapfer einen Schirm,

    Den Rum, das Reck, die Ruth, den Regenschirm.

    Der Wirt läuft aus, es gluckst wie: Flieht, ihr Narren!

    Man hört das Knuspern, man sieht leere Kragen,

    Und viel mehr ist dazu auch nicht zu sagen.

    Hermann Bauer (München)

    Ein Schritt rückwärts = vorwärts

    Ein chinesischer Reisbauer erklärte mir die Philosophie, die hinter dem Reisanbau steckt:

    Betrachte die Arbeitsweise der Reisfeldarbeiterinnen:

    Sie beginnen im obersten, vordersten Feld in der ersten Reihe,

    dann kommt die zweite Reihe dran, die dritte, vierte …

    Sind sie mit dem Feld fertig,

    wird die darunter liegende Terrasse pikiert.

    Sie arbeiten von oben nach unten, von vorne nach hinten

    und gehen dabei immer einen Schritt rückwärts.

    Das Feld hat man jeder Zeit im Überblick.

    So kommen sie schließlich ans gewünschte Ziel!

    Glück und Erfolg kann man mit hastigem und unüberlegten Vorwärtsrennen nicht erzwingen.

    Man muss auch mal einen Schritt rückwärts gehen!

    Nikolaus Luttenfeldner

    MONDNACHT

    Der Mond

    schickt seine Silberstrahlen

    durch Zweige und Geäst,

    die im Sommerwind

    sich sachte regen,

    als wär’s ein Tanz

    zu einer Melodie,

    die der Nachthimmel singt.

    Wer die Nacht durchstreift,

    Tier oder Mensch,

    kennt dieses Lied,

    wie auch ich,

    der ich umfangen bin

    vom süßen Licht.

    Kommentar: Eine schöne Beschreibung einer Stimmung.

    Merkwürdig: Während die Stimmung beschaulich zu sein scheint, wird durch die Kürze der Zeilen Unruhe erzeugt. Insgesamt jedoch ein positiver Eindruck.

    Irmgard Aschenbrenner

    KIMOLOS

    Flirrendes Wasser

    im dunklen Dunst steht die Sonne,

    beide wie Feuer flammend während

    die schwarze Landzunge

    die Scheibe von ihrem Widerschein trennt.

    So getrennt ist durch die Felseninsel

    der hinausfahrende Kahn

    von der bewegungslosen Gestalt des Fischers,

    zarte Figur am steinigen Wasserrand.

    Auch die Fähre löst sich

    und lässt das ruhende Archipel zurück,

    das Rot ist vorher schon im Grau versunken.

    Helmut Blepp

    Am Strand

    Die Segel sind geflickt

    das Meer liegt ruhig wie damals

    Nun fahr zu

    Und grüß mir die da drüben

    die am Strand die Segel flicken

    zu kommen übers Meer

    Nadine Buch

    Die kleine Libelle

    Der Wind so eisig, trotz eines glühenden Sommers. Die Ironie im Gesang der Vögel. Selbst unsere Worte ohne Stimme blieben. Allein die Blicke die Wahrheit sprachen. Eine Umarmung, so nah einander, wie noch nie. Eine Hand die andere hielt – ganz fest. Doch wissend, dass eine für immer entschwindet.

    Tränen das Meer der Verzweiflung füllten, und Sonnenstrahlen wie Blicke einer fremden Macht entbrannten.

    Alle sich zusammentaten und den Frieden in die Mitte nahmen.

    Die kleine Libelle.

    So schwer ihr Flug des Morgens. Auf dem rauen Asphalt sie lag – sterbend.

    Der Fluss des Lebens um sie herum drängte weiter.

    Nur einer den Kopf senkte.

    Nur einer sie sah.

    Als das letzte Tageslicht – alle Hüllen in Gold getaucht – noch einmal unsere Herzen streifte. Als alle Vögel noch einmal ihre Strophen sangen. Und als alle Kinder ein letztes Mal an diesem Tage einen Blick hinauf zum Himmel warfen, schaute sie auf uns herab.

    Befreit von all den Lasten.

    Endlich leicht sie des Abends.

    Nun fliegt sie woanders. Inmitten einer schönen Welt, die uns verborgen.

    Kommentar: Stimmungsvolle Skizze eines Naturerlebnisses. Nur die vielen Inversionen, die hier schon fast systematisch eingesetzt werden, stören den Lesefluss.

    Gad Kaynar Kissinger

    Deutsch: Liliane Meilinger

    Schweigen

    Zwischen uns stand Schweigen.

    Stand da.

    Wollte sich nicht setzen.

    Nichts trinken.

    Stand da.

    Bis wir uns einander gegenüber

    setzten.

    Ohne uns anzusehen.

    Ohne Hände zu halten.

    Saßen da.

    Schwiegen.

    Christiane Menschwärts

    Bitte – sag Ja

    Kannst du die Sterne kreisen sehen

    wenn du deine Augen schließt

    und

    kannst du dann verstehen

    wieso ich sage

    dass alles gar nicht schlimm ist

    dass alles wunderschön ist

    Und wenn du dich ausstreckst

    in den Weltenraum

    kannst du dann leise

    in die Schwärze fallen

    so sanft wie

    Watte Federbetten

    Kannst du dich

    hin geben

    und dann

    ganz sachte

    lernen zu schweben

    Erinnerst du dich

    wie es sich anfühlt

    Ganz zu sein

    ganz Hier und auch

    ausgedehnt

    in Raum und Zeit

    bis deine Seelenspitzen

    die Unendlichkeit kitzeln

    Weißt du noch

    wie es klingt zu lauschen

    diesem köstlichen Klang

    der Stille

    wie Sternennebel

    Fühlst du

    wie die Galaxien

    umeinander tanzen

    sich einatmen

    ausatmen

    ausdehnen

    Wie all das Sehnen

    im luftleeren Raum

    seine Kreise zieht

    wirbelt und

    neue Träume gebiert

    Wie du

    mit jeder Faser deines Seins

    aufgehst

    dich loslöst

    eine Feder

    an der Ewigkeit Schwingen

    Und wenn du heimkehrst

    in diesen Moment

    wenn du deine Augen jetzt öffnest

    kannst du die Sterne noch

    kreisen sehen

    und kannst du dann verstehen

    wieso ich sage

    dass alles gar nicht schlimm ist

    dass alles wunderschön ist

    und das Leben ein Traum

    in dem du

    erwachst

    ?

    Sag Ja

    Bitte

    sag

       Ja !

    Karin Jessica Krause

    Mondlicht-Schatten

    So still und so hoch erhoben

    leuchtet der Mond vom Himmel zum antrazitschwarzen Boden.

    Er erhellt nun die finstere Nacht,

    offenbart, wovor die stockfinstere Dunkelheit zuvor einst hat bewacht.

    Ein Spiegel von pechschwarzer Schönheit so elegant und doch rein,

    bis das Mondeslicht auf diese traf so strahlend und fein.

    Er brach das dunkle Schweigen

    und brachte den Spiegel dazu, seine wahre Schönheit im Glanz des Lichtes zu zeigen.

    So klar und so still mit dahinfließenden Wellen, als würde der Mond sich wollen auch dazugesellen.

    So reflektiert sein Antlitz in diesem lau grauen Gewässer in deren Mitte

    bis dass die Nacht vorüber zieht mit Mutter Naturs Bitte…

    Jochen Neuffer

    Der Versuch zu wohnen

    Ich zahle Miete - und das nicht wenig. Die Miete wird berechnet pro Wohnfläche. Also versuche ich, die mir zur Verfügung stehende Fläche so effizient wie möglich zu nutzen. Schränke oder Regale hindern mich daran, mir teuer bezahlten Wohnraum sinnvoll zu erschließen. Bücher, Pullover und Geschirr wohnen nicht. Sie verbrauchen nur Platz. Sofa und Bett sind was anderes. Bei ihnen ist die Fläche zugänglich, wenn auch nicht auf dem Boden, sondern ein bisschen darüber.

    Wenn ich in meinen Räumlichkeiten eine zweite Decke einzöge, könnte ich die Mieteffizienz schlagartig verdoppeln. Allerdings könnte ich dann entweder oben oder unten – oder oben und unten – nicht mehr aufrecht stehen. Ich könnte vielleicht eine Galerie oder eine Art Balkon einziehen und dann dort oben auf der Galerie oder dem Balkon meine Bücher, meine Pullover und das Geschirr unterbringen. Ich müsste dort oben nicht aufrecht stehen können, würde mir jedoch im Gegenzug unter der Galerie oder dem Balkon eine zusätzliche Fläche zur freien Nutzung verschaffen, die ich dann bewohnen könnte.

    Die toten Winkel, wie sie zweifellos in jeder Wohnung vorkommen, sind mir ein Ärgernis. Der Platz zwischen Sofa und Wand oder zwischen Schreibtisch und Sessel sind Beispiele dafür. Um diese Stellen einer sinnvollen Nutzung zuzuführen, könnte ich zunächst die Zimmerpflanzen entfernen, die sich an solchen Stellen oft finden. Meine Zimmerpflanzen stehen schon seit Jahren an derselben Stelle. Sie fühlen sich wohl und mich stören sie nicht. Genaugenommen handelt es sich bei Zimmerpflanzen aber um Mietparasiten, die Fläche verbrauchen, ohne eine Gegenleistung dafür zu erbringen. Essbare Früchte tragen Zimmerpflanzen selten. Ihre Blätter sind nicht genießbar und für Salat völlig ungeeignet. Dem Einwand, dass Pflanzen für ein angenehmes Raumklima sorgten, entgegne ich, dass beherztes und regelmäßiges Lüften in meinen Räumen ebenso für ein angenehmes Raumklima sorgt. Das überhaupt angenehmste Raumklima entsteht ohnehin durch gute Musik, duftendes Essen und angenehme Gesellschaft.

    An der Stelle, wo zuvor das Einblatt stand, steht also nun kein Blatt. Stattdessen sitze ich dort jetzt und trinke auf der freigewordenen Fläche meinen Tee. So steigere ich nicht nur die Mieteffizienz, sondern erweitere auch noch meinen Horizont, denn aus dieser Perspektive habe ich meine Wohnung noch nie betrachtet. Während ich so dasitze und der guten Musik zuhöre, fällt auf, dass die Lautsprecherboxen, die ich mir einst vom Konfirmationsgeld gekauft hatte, doch ziemlich groß sind. Fast schon eigenständige Möbelstücke. Wäre es nicht schön, einmal dort zu sitzen, wo jetzt diese Boxen stehen und von dort aus meinen Tee zu trinken? Ich überlege, für die Musikwiedergabe zukünftig auf Kopfhörer umzusteigen. Die Platzersparnis wäre enorm.

    Meine Wohnung wurde eingerichtet, um mir jeglichen Komfort zu bieten, den ich damals glaubte, haben zu müssen. Aber nur wenig davon brauche ich wirklich. Sie muss zurückgebaut werden, denn nicht der zugestellte Wohnraum sorgt für Komfort, sondern die freie Fläche und die Möglichkeiten, die sich dort bieten. Das ist wahrer Reichtum und wahre Freiheit. Wer kann schon von sich behaupten, den Tee in seiner Wohnung an Dutzenden verschiedener Stellen zu sich nehmen zu können – ohne umzuräumen.

    Kommentar: Satirischer Blick auf die gegenwärtige Wohnsituation in den Städten.

    Wolfgang Uster

    Heute und morgen

    Es regnet in Strömen –

    ein strömendes Regen,

    durchweichte Gedanken

    landauf und landab.

    Es können die Flüsse

    die Wasser nicht fassen,

    die Massen stürzen

    die Dämme hinab.

    Zu eng die Betten,

    es donnern die Schäume,

    es splittern die Balken

    vom Dachfirst herab,

    in Schlammlawinen

    auf Muren rutschen –

    verhallt sind die Schreie

    im lehmigen Grab.

    Nun brechen die Inseln

    in wütenden Fluten.

    Es kann doch nicht sein,

    was es gestern nicht gab!

    Es drücken die Wogen

    hinein in die Städte,

    versalzt sind die Wälder,

    schon bricht uns der Stab.

    Da krachen die Brücken,

    es knirschen die Masten,

    verschmort unter Blitzen,

    verschmort sind die Zitzen,

    was sauget und zappelt,

    was ruckelt und rappelt:

    Das Leben, das Leben, das Leben!

    Verseucht liegt die Aue,

    mutiert sind die Weiden,

    es trudeln Kadaver

    den Globus hinab.

    Ronja Schrimpf

    Die siebte Tochter

    Genau sieben waren es. Dorothee hatte sie immer wieder gezählt, obwohl sie ihre Anzahl besser kannte als jeder andere im Land. Sieben Stühle für sieben Zauberer im Land der sieben Monde. Und bald würde sich entscheiden, ob sie als einzige Sonne auf dem Thron mit ihnen herrschen würde.

    Die Sache war nämlich die: Dorothee war als siebte Tochter des Königs geboren worden. Sieben, die magische Zahl. „Hexenkind, nannten die einen sie. „Verflucht, flüsterten die anderen. Denn ein Mädchen, das zaubern konnte? Undenkbar.

    „Doro, flüsterte eine Stimme in ihr Ohr, „Willst du wirklich darauf warten, dass sieben alte Männer über deine Zukunft entscheiden?

    Mit einer ungeduldigen Geste wischte Doro die Worte weg, die in der Luft vor ihr verblassten. Weitere Buchstaben erhoben sich, formten sich vor ihren Augen zu Worten und flüsterten: „Befreie uns!"

    Doro schüttelte den Kopf und starrte auf die sieben leeren Stühle. Nicht mehr lange, und die Zauberer würden sich aus ihrer Beratung zurückziehen und auf ihre Stühle steigen. Dann würden sie Doro einen langen, missbilligenden Blick schenken und schließlich ihre Entscheidung verkünden. Und ihre Entscheidung würde lauten …

    „Doro, flüsterten die Worte erneut, „Du musst uns befreien!

    Dorothee wusste um die Buchstaben und ihre Bedeutung. Die Sache war nämlich die: Als die sieben Zauberer das Land der sieben Monde eroberten und den Kriegerinnen ihre Macht nahmen, stahlen sie auch das Wort. Nur wer über magische Kräfte verfügte, konnte die Buchstaben sehen und sie zu Worten zusammenfügen.

    Eine Frau, die auch noch über magische Kräfte verfügte, auf den Thron der einzigen Sonne zu setzen? Undenkbar. Und doch blieb den Zauberern keine Wahl.

    Doro lächelte zufrieden, denn sie würde als Sonne ihrem Land wieder zu Glanz verhelfen. Dafür musste sie nur die Worte für immer aus ihrem Leben verbannen.

    „Hilf uns", flüsterten da wieder die Buchstaben und die Verzweiflung war deutlich zu hören. Die Verbannung würde ihren Tod bedeuten, sofern Magie überhaupt sterben konnte.

    Die Buchstaben formten sich vor ihren Augen erneut zu Worten: „Sie haben eine Entscheidung getroffen." Doro hätte sie gerne ignoriert, hätte gerne ihrem Bann widerstanden. Dieses letzte Mal jedoch war sie zu neugierig, zu aufgeregt, um sich von ihnen abzuwenden. Doch die Worte, die sie vor ihr knüpften, drückten ihr beinahe die Luft aus der Lunge.

    „Sie wollen einen der ihren auf den Thron setzen?, flüsterte Doro entgeistert; „Sie haben sich tatsächlich gegen mich entschieden, obwohl ich ihnen die Treue geschworen und den Worten abgeschworen habe?

    Langsam richtete sich Dorothee auf, bis sie in ihrer vollen Größe erstrahlte. Dann, mit leiser, aber entschiedener Stimme, sagte sie: „Ich bin Dorothee aus dem Land der sieben Monde und diese Nacht werde ich zur Sonne werden. Ich werde die Worte befreien. Denn mit Worten kann man die Welt beherrschen."

    Dorothea Schug

    Gedankensturm

    Sie hatte den ganzen Tag keine Sekunde für sich gehabt. Sie war von einem Termin zum nächsten gehetzt, war danach zu ihrer Mutter ins Pflegeheim gefahren und dann mit dem Auto in den Supermarkt gerast, nur um festzustellen, dass dieser schon vor einer Stunde zugemacht hatte. Nun lag sie hellwach in ihrem Bett, ihr Magen grummelte und sie starrte die große Wanduhr an. Es war 3:25 Uhr. Vor drei Stunden war sie endlich ins Bett gegangen, aber an Schlaf war seitdem nicht zu denken. Die Gedanken, die sie den ganzen Tag erfolgreich hatte zur Seite drängen können, schwirrten nun in ihrem Kopf umher und machten keine Anstalten, früher oder später zur Ruhe zu kommen. So ging das jetzt schon seit Wochen. Seitdem Ado ausgezogen war. Sie war von der Arbeit nach Hause gekommen und seine Koffer standen gepackt neben der Tür. Er hatte eine andere Frau kennengelernt. Sie hatten sich schon seit mehreren Wochen getroffen und er hatte sich in sie verliebt. Alles Betteln und Drängen hatte nichts genützt, er war gegangen. Er war ihr Ein und Alles gewesen. Wenn sie morgens zur Arbeit gegangen war, hatte sie sich auf den Moment gefreut wieder nach Hause zu kommen. Nach Hause zu ihm. Er war ihr erstes und einziges Zuhause gewesen. Sie hatte sich schon ihr ganzes Leben mit ihm ausgemalt. Haus bauen, heiraten, Kinder bekommen, zusammen alt werden und für immer glücklich sein. All das hatte er ihr innerhalb von wenigen Minuten genommen. Jetzt war sie allein in der großen Wohnung, in die sie erst vor ein paar Monaten eingezogen waren, und lag schlaflos in dem Bett, in dem normalerweise Ado neben ihr liegen müsste. Sie schaute wieder auf die Uhr. 3: 32 Uhr. Würde so nun ihr restliches Leben aussehen? Sie würde ständig auf die Uhr und in ihren Kalender sehen, und darauf warten, dass die Zeit verstreichen würde? Sie konnte sich nicht vorstellen, jemals wieder jemanden wie ihn finden zu können und bei der Vorstellung, sich auf irgendwelchen Dating-Portalen herumtreiben zu müssen, kam ihr die Galle hoch. Ab jetzt war sie die merkwürdige Single-Tante, die bei allen Familienfeiern allein auftauchen würde und über die alle hinter ihrem Rücken mitleidig tuscheln würden. Sie stand auf, ging in die Küche und goss sich ein kaltes Glas Wasser ein. Sie stellte sich vor die große Fensterwand. Es war der Hauptgrund für sie gewesen, die Wohnung zu nehmen. Im Sommer erstrahlte das ganze Wohnzimmer dadurch in hellem Glanz. Sie sah aus dem Fenster auf die leeren Straßen und die schlafende Großstadt aber alles, was sie sehen konnte, war sie selbst. Allein.

    Kommentar: Passt der Titel? Die Gedanken dieser Nacht sind doch weniger stürmisch als depressiv. Dafür spricht auch das offene Ende. Den Leser mit dieser Impression zurückzulassen, wird diesen zwar nicht erfreuen, ist aber legitim.

    Torsten Krippner

    Tanka

    Auf dem Rinnensee

    Mit verschlossenem Schnabel

    Gleitet weiß der Schwan.

    Die Dreiecksfüße strampeln

    In der Schwere des Wassers.

    Kommentar: Die im Oberstollen eröffnete Naturbetrachtung wird im Anschlussstollen zu einer philosophischen Betrachtung erweitert.

    Volker Stahlschmidt

    LOS

    Gehen Und gehen

    Und gehen und gehen

    Und gehen und gehen und gehen

    Bis einen absolut niemand mehr kennt

    Und die Erschöpfung die Erinnerung tötet

    Und der Sternenhimmel seine unendliche Weite in dich trägt

    Und die Dunkelheit dich in sich aufnimmt

    Und das kleine das Große ist

    Und das große das Kleine

    Gehen und gehen

    Gehen und

    Gehen

    Bis deine Dämonen in den nebligen Schwaden eins werden

    und in völliger Klarheit vor dir steht, dass alles Neidische, Wütende, Eitle völlig nichtig ist.

    Kommentar: Ein Kalligramm, das durch die hier notwendige Formatierung etwas gestört wird. Trotzdem setzt sich die Aussage

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