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Sex, Erotik, Liebe. Der Umgang der Männer mit Frauen durch die Jahrtausende, ermittelt aus Sprachen und Texten
Sex, Erotik, Liebe. Der Umgang der Männer mit Frauen durch die Jahrtausende, ermittelt aus Sprachen und Texten
Sex, Erotik, Liebe. Der Umgang der Männer mit Frauen durch die Jahrtausende, ermittelt aus Sprachen und Texten
eBook880 Seiten10 Stunden

Sex, Erotik, Liebe. Der Umgang der Männer mit Frauen durch die Jahrtausende, ermittelt aus Sprachen und Texten

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Über dieses E-Book

Dieses dreibändige Werk zeigt auf faszinierende Weise, wie sich in Schriftdokumenten der Umgang der Menschen mit Sexualität niederschlägt. Adalbert Podlechs akribische Recherchen weisen nach, dass es durch die Jahrtausende Männer waren, die bestimmten, wie Sex, Liebe und Erotik ausgelebt wurden. Podlech veranschaulicht anhand detaillierter etymologischer Erklärungen, wie sich der Umgang mit der Lust, die Beziehung der Geschlechter zueinander, vom 1. Jahrtausend v. Chr. bis zum Mittelalter in Indien, in den Ländern um das Mittelmeer und in Mitteleuropa veränderte. Er beschreibt, wie gesellschaftliche, gesetzliche und religiöse Entwicklungen sich auf den Umgang zwischen Mann und Frau auswirkten. In diesem grundlegenden Werk wird eines ganz deutlich - die Lebensformen haben gewechselt, die Gesellschaftsstrukturen haben sich durch die Jahrtausende geändert, aber das eine blieb bis ins vorige Jahrhundert gleich: Der Mann sieht sich als Herr über den Körper der Frau. Doch auch unter diesen Bedingungen konnte immer wieder das aufblühen, was wir heute Liebe nennen.
SpracheDeutsch
HerausgeberAllitera Verlag
Erscheinungsdatum14. Sept. 2012
ISBN9783869064420
Sex, Erotik, Liebe. Der Umgang der Männer mit Frauen durch die Jahrtausende, ermittelt aus Sprachen und Texten

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    Buchvorschau

    Sex, Erotik, Liebe. Der Umgang der Männer mit Frauen durch die Jahrtausende, ermittelt aus Sprachen und Texten - Adalbert Podlech

    Sex, Liebe und Lustschmerz im Sanskrit

    Das erste Schüsselwort: Lust – pramada

    Sex – Erotik – Liebe, die Bedeutungen entsprechender Ausdrücke sind im Sanskrit weit gespannt, das Bedeutungsfeld ist reich und die sexuelle Lust, in allen Spielarten und gesucht in immer neuen Spielen, war für die Angehörigen der oberen Stände und Kasten, Männer und Frauen, selbstverständlicher Lebensinhalt. Zuerst eine Wortsippe, die das Bedeutungsfeld benennt: pramada heißt die Lust; pramadā, das Mädchen, die Frau; pramadana, die Liebeslust; pramud, Freude, Lust, Wollust. Diese Wortsippe formuliert archaisch vom Mann her erlebt den Ursprung aller Erotik: Mädchen, Lust, Frau, Wollust. Im Rġ-Veda¹ heißt es:

    Die schöne Gattin ist dir Lust im Hause.

    Die Wortsippe ist gebildet aus máda, ein Wort, das bereits ein weites Bedeutungsfeld besitzt: Begeisterung, Freude, Lust, Rausch, Brunst,² und der Vorsilbe pra, füllend, sättigend, und als Substativ die Erfüllung.

    Lustvoll ist auch das vedische Opfer,³ der Genuß des Rauschtranks Soma. »Feier aus Stierlust« nennt der Sāma-Veda das Opfer. Schon die Herstellung des Soma wird im Bild sexueller Lust gesehen. Das Soma muß gereinigt werden, mit Wasser durchströmt, und so besingt der Dichter im Rġ-Veda den Vorgang, das Soma als Mann, die Wasserströme als Frau deutend:

    Zur Wasserfülle geht voll Lust

    als seiner Frau der Somasaft

    und mischt sich ihr als Ehemann.

    Noch ekstatischer formuliert es der Sāma-Veda:

    Gleichwie auf Mädchen Jünglinge,

    so stürzet sich auf tausendfachem Weg

    der Soma in den Kelch.

    Der vedische Opferdienst war lustvoll für Götter und Menschen, denn Götter und Menschen brauchten einander und das Opfer verband beide. Das Opfer gibt den Göttern Kraft oder gar Existenz. So wird der Feuergott Agni beim Opfer durch den Priester erzeugt, der die Reibhölzer auf einander reibt, eines männlich, das harte und obere, das schnell hin und her bewegt wird, und eines weiblich, das untere, aus dem das Feuer gezeugt wird. Das männliche Reibholz ist der Himmel und das weibliche die Erde und so sind Himmel und Erde die Eltern Agnis. Und der Brahmane singt:

    Hier ist das männliche Reibholz, pramantha,⁴ es ist zur Zeugung bereit,

    bringt diese Frau, pramada [das untere Reibholz], herbei!

    Wir wollen Agni durch Reiben zeugen wie seit alters her.

    Zu der zur Liebeslust, pramadana, Hingestreckten [dem weiblichen Reibholz]

    bringe jenen [das männliche Reibholz] her wohldurchdacht.

    Sogleich geschwängert, hat sie den Stier [Agni] geboren.

    Der rotgekrönte – glänzend ist sein Schimmer – der Sohn der Andacht

    wurde bei dem kunstreichen Werk [des Reibens] geboren.

    Die Sterblichen erzeugten den Unsterblichen, der nimmer fehlgeht.

    In einem anderen Hymnus wird das weibliche Reibholz als Agnis Tochter aufgefaßt – Feuer zeugt Feuer aus Feuer:

    Der sich Hin-und-her-Bewegende, manthāna,⁴ der Tochter Frucht erstrebend,

    er machte fern vom Mutterschoß sein Lager.

    Wenn ihn, den Fährmann, seine Eltern [die Reibhölzer] erzeugen,

    ist von den beiden schön wirkenden der eine [das männliche Reibholz] der Zeugende,

    die andere [das weibliche Reibholz] die Fördernde.

    Sexuelle Lust verbindet Götter und Menschen und sie drückt das aus, was den Menschen vom Tier unterscheidet, denn die sexuelle Lust des Menschen ist nicht auf die Zeit der Läufigkeit des Weibchens beschränkt. Lust hat kein Ziel außer sich selbst, sie durchzieht das ganze menschliche Leben. Schmerz ist das in sich selbst Gemiedene, Lust das in sich selbst Bejahte. Die Lehre des Kirchenvaters Augustinus,⁵ die Lust sei eine Folge der Erbsünde – post peccatum quippe orta est haec libido – und im Paradies hätte der Mann lustlos gezeugt und die Frau lustlos empfangen – prolem gignerent et pudendam libidinem non haberent ⁶ –, ist mir nicht nur immer absurd vorgekommen, sondern die Übernahme dieser Lehre durch die lateinische Kirche ist die Perversion, die das Christentum unter den Menschen angerichtet hat. Es gibt kaum einen unmenschlicheren Satz als den des Papstes Gregor des Großen, nach dem jede Lust Sünde ist: voluptas ipsa esse sine culpa nullatenus potest.⁷ Das Menschen und Götter einigende Fest des Anfangs aber war lustvoll.

    Zurück zu diesem Anfang. Irgend jemand hat den Unterschied zwischen Weibchen und Frauen so formuliert: Ein Weibchen (in einer Tierhorde) macht manchmal (wenn es läufig ist) alle Männchen der Horde verrückt, eine Menschenfrau macht einen Mann der Horde immer verrückt. Das ist zwar monogam und damit nicht sehr ursprünglich gedacht, gibt aber die Struktur wieder. Erst dieser biologische Wandel in der Evolution machte Erotik möglich. Und auch der Orgasmus, surata, die große Freude, ist nur Menschen möglich.

    Die ursprüngliche Erfahrung der Frau durch den Mann war mythisch, um das Wort religiös zu vermeiden. In der ältesten der Upanishaden steht:

    Die Frau ist das Opferfeuer,

    die Lippen ihrer yóni ⁹ sind das Brennholz,

    die Haare rundum der Rauch,

    und die yóni selbst ist die Flamme.

    Die Vereinigung ist der Blitz,

    die Lustgefühle sind die Funken.

    In diesem Feuer opfern die Götter Samensaat,

    und daraus wird der Mensch geboren.

    In einem anderen Text heißt es, die Vereinigung von Mann und Frau als Vorbild des Soma-Opfers deutend:

    Der Schoß, upástha, einer Frau ist das Opferbett, védi,

    ihre Schamhaare sind der Opferstreu, barhi,

    die Lippen ihrer yóni sind die Somapresse

    und ihr yóni selbst ist das Feuer in der Mitte.¹⁰

    Und in einem Hymnus an Agni, den Feuergott, singen die Priester:

    Hier ist der Schoß, den wir dir zubereitet,

    wie ihrem Mann die willig schöne Gattin.

    Auch im alten Indien wurde die Heilige Hochzeit gefeiert, indem sie ein Brahmane mit einer Inkarnation einer Göttin symbolisch vollzog.¹¹ Von Sītā, als Ackerfurche, sītā, die Göttin der Erde, heißt es:

    O Göttin, du bist beim Opfer die Mitte des Altars,

    des Priesters Lohn ¹² bist du.

    für die, die den Pflug führen, bist du Sītā, die Ackerfurche,

    und für aller lebenden Wesen bist du die Erde, Pŗthiví.

    Und in einem Rġ-Veda-Hymnus an die Marúts, die Sturmgötter, heißt es:

    Bei ihrem Gange streckte sich die Erde,

    sie legten Kraft in sie wie Samen in die Frau ein Mann.

    Lust spielt eine große Rolle in der Sanskritliteratur. Zuerst soll daher hier die ganze Wortsippe von pramada stehen. Das Präfix prá benennt die Steigerung: vor, voran. Als Adjektiv heißt es sehr, höchst. máda ist die Begeisterung, die Freude, die Lust, der Rausch, die Brunst. madana ist die geschlechtliche Liebe. madanāśaya, der Geschlechtstrieb. madanakalaha die geschlechtliche Vereinigung, der Beischlaf, und madapraseka der Brunstsaft, der Lustschleim.

    madanakalaha – madana ist die körperliche Liebe, kalaha der Streit, der Zank, hier wohl der körperliche Kampf, das körperliche Ringen, das Sich-Verschlingen der Leiber von Mann und Frau in der Vereinigung. Über 25 Ausdrücke kennt das Sanskrit für das, was wir einfach den Beischlaf oder mit einem Fremdwort – das Ergebnis der christlich verarmten Sexualsprache der Europäer – Koitus nennen. An madana|kalaha sieht man, wie diese Ausdrücke ganz bestimmte Aspekte dieses gleichzeitig als heilig und irdisch-lusvoll – für frühe Völker natürlich kein Gegensatz – erfahrenen Urvorgangs zwischen Menschen ausdrücken. ŗtu heißt die Jahreszeit, der Zeitabschnitt, die Ordnung, die Menstruation, und so bezeichnet ŗtu|gamana den Beischlaf zur richtigen Zeit. Und noch ein Beispiel: dāra heißt die Spalte, der Schlitz, die weibliche Scheide, das Weib, die Frau. grahaņa bedeutet Ergreifen, Erlangen, Gebrauchen. Und so heißt dāra|grahaņa das Sich-Bemächtigen der weiblichen Scheide, ihren Gebrauch durch den Mann, der Geschlechtsverkehr. Das, was der Mann dabei tut, ist dārān kŗ, sich die Öffnung der weiblichen Scheide vornehmen, oder gar dāra|kriyā, die Tat, die Arbeit, die Ausführung, kriyā, in der weiblichen Scheide, dāra, kurz, die männliche Tat. Die Sexualsprache des Sanskrit ist sehr präzise.

    Bezeichnet dārakriyā das, was der Mann tut, so bandhá, die Fessel, die Gefangenschaft, die Lage beim Geschlechtsverkehr, das wie er es tut. bandhá kommt von bandh, binden, fesseln, festhalten, schlagen, und der, der eben dies mit einer Frau tut, ist ein bandhak, ein Mann. madanakalaha, der körperliche Kampf der Geschlechter, ist eben für die Frau nicht immer nur pramada, Lust, pramadana, Liebeslust, oder gar pramud, Wollust, sondern auch nyakkāra, Erniedrigung bringend, gebändigt und gefesselt einfach benützt zu werden.

    Aus dem Stamm máda und der Steigerungssilbe prá werden nun weitere Ausdrücke gebildet: prámad und pramád, Freude, Lust. Davon das Adjektiv pramada, ausgelassen, lustig, und das schon erwähnte gleichlautende Substantiv pramada, die Freude, die Lust, und pramadā, das Mädchen, die Frau. Wird die Betonung geändert, so heißt pramāda der Rausch, die Tollheit und pramúd die Freude, die Lust, die Wollust. Interessant ist, daß pramada weiblich und pramúd männlich ist. Ob auch pramodá, das ebenfalls Freude und Lust heißt, mit dieser Wortsippe verwandt ist, konnte ich nicht feststellen. Ein pramadana ist eine Stätte der Liebeslust und eine pramadavana ist ein Lusthain. Ein (!) pramadājana ist eine Frau aus der vornehmen Damenwelt, und solche Damen wünschen in ihrer pramadāvana, ihrem Lusthain für Damen, allein zu sein, um ihren Liebhaber zu empfangen. Meist wird es sich bei dieser vornehmen Dame wohl um eine Hetäre gehandelt haben.¹³

    Zu prámad, der Lust, ein Gedicht des Dichters der Upanishaden-Zeit Bhartŗihari, der auch dem Weisen die Lust mit schönen Frauen nicht vorenthält:¹⁴

    In dieser Welt, wertlos und vergänglich wie eine Welle,

    gibt es zwei Wege für den Weisen:

    Eine gewisse Zeit soll er damit verbringen,

    den Geist einzutauchen in das reine Wasser des wahren Wissens,

    sonst soll er sich jungen Frauen widmen,

    deren Brüste und Hüften schön gerundet sind,¹⁵

    und das genießen, was in ihrem breiten Schoß verborgen

    durch das Streicheln der Hände hervorgelockt wird.

    Im Schoß der Frau wohnt verborgen die Lust, die Hände des Mannes lassen sie erblühen und der Weise genießt sie.

    Wie eng Religion und Erotik zusammenhängen, zeigt ein anderes Gedicht desselben Dichters:

    Laß an des Ganges sündenzerstörenden Fluten ¹⁶

    dich nieder mit heiliger Lust,

    oder an der deine Sinne betörenden

    perlenumschimmernten Mädchenbrust.

    Und auch das Eindringen lust- und begierdeverneinder religiöser Ansichten in die Weltsicht der Inder verhindert die Einsicht des Kalyāņamalla nicht: »In der wertlosen, einem Truggebilde gleichen Welt kennt man als das Beste, der hohen Wonne des höchsten Ātman vergleichbar, einzig und allein das Glück des Genusses der Gazellenäugigen.«

    Dann das männliche Organ der Lust: liṅga,¹⁷ der Phallus, aber auch das Merkmal, das Götterbild. śiśnṣ, der Penis, der Schwanz. Davon: śiśnatha, die Durchbohrung,¹⁸ śiśnadeva, die phallische Gottheit.¹⁹ śépa und śepha, der Penis. ańga, der Körper, das Glied, der Penis. avasthá, der Penis. méḍhra, der Penis. avastha, der Penis. káprth und kaprthá, der Penis. prajánana, die Zeugung, die Zeugungskraft, der Penis. pramehana, der Penis. maņi, das Juwel, der Edelstein, die Perle, die Eichel des Penis. romaś« (Adj.): stark behaart, (Subst.): der Penis. Davon: romaharsa, das Sich-Sträuben der Haare, die Erregung. arká, die Sonne, der Sonnengott, der erigierte Phallus. apadravya, der künstliche Penis.

    Nun eine Wortsippe, die den Bereich des Weiblichen beschreibt:²⁰ jan, zeugen, gebären. Davon: jáni, die Frau, die Gattin, die Geburt. jánas, das Geschlecht. janitvá, der Ehestand der Frau. janīy, sich eine Frau wünschen. janús, die Geburt, der Ursprung, die Schöpfung, jánman, die Geburt, die Natur.²¹

    Ist der liṅga Ausdruck männlicher Gottheit, ist der oder die ²² yóni der Ausdruck für das Weibliche: der Schoß, der Mutterleib, die Scheide, aber auch Quelle, Geschlecht und Kaste.

    Mit dem Verb kan ist ebenfalls eine sexuelle Wortsippe gebildet: sich freuen, zufrieden sein, glänzen. kandarpa, die Liebe, der Liebesgott. kandarpageha, das von außen sichtbare weibliche Geschlecht, die Vulva.²³ kandarpayuddha, die geschlechtliche Vereinigung, die Beiwohnung. kandarpejada, der Lustsaft. dhārakā, die weibliche Scheide.

    Mit dem Adjektiv pra, füllend, sättigend, ist eine wichtige, Männliches und Weibliches umfassende Wortsippe gebildet: praja, gebärend. prajana, die Zeugung, der Erzeuger. prajánana, die Zeugung, die Zeugungskraft, der Penis, die Fortpflanzung, die Geburt. prajanú, die weibliche Scheide. prajā, die Zeugung, die Geburt, die Nachkommenschaft, pl. die Untertanen. prajānātha, der Herrscher, der König.²⁴

    Und noch einige Ausdrücke für die weibliche Scheide: bhagá, die Schönheit, die Liebe, die Sonne, die Scheide.²⁵ vivará, die Öffnung, das Loch, die Scheide, die Unterwelt. manmathāyatana, die weibliche Scham, die Vulva. sambādhá, die Enge, die Not, die Scheide. dhārakā, die Scheide.

    Das Kāma Sūtra schreibt zur Einleitung [2]:

    Einige Anhänger des dhárma ²⁶ und des ártha ²⁷ meinen,

    das kāma ²⁸ dürfe nicht beachtet werden.

    Das ist völliger Unsinn, denn sinnliche Liebe

    ist für den Körper so wichtig wie Essen und Trinken

    und sollte mit gleicher Unschuld genossen werden.

    Vātsyāyana ²⁹ sagt, kāma sei die Blüte

    und die Frucht von dhárma und ártha.

    Die Angst vor der körperlichen Vereinigung sollte uns nicht daran hindern,

    sie zu leben; schließlich hört niemand auf, Essen zu kochen,

    weil ein Bettler an die Tür kommen könnte,

    oder Gerste zu säen,

    weil Rehe sie auf den Feldern abäsen könnten.

    Die Angst der Menschen, vielleicht auch nur die der Männer, vor der körperlichen Liebesvereinigung ist archaisch. Die Lust der Sinne ist unbegreiflich.

    Wertlos, geschmacklos mögen die Sinnesreize sein,

    ekelhaft und dem Ort des Bösen zugehörig,

    und doch steht auch der starke Mann, dessen Geist

    der Wahrheit ergeben ist, sprachlos davor;

    welche Macht drückt sie ins Herz ihm ein?

    Und nie ist die Lust zu stillen:

    O König, niemand findet in der Welt die Menge des Wassers,

    die seinen Durst nach Sinnesgenuß stillt.

    Und selbst die Götter erliegen der Liebeslust:

    Verehrung Kāma, dem Gott der Liebeslust,

    dessen Banner das Krokodil ist,

    der die Götter Śivá, Brahmā und Viṣņu

    beständig zu Sklaven macht, indem er sie einsperrt

    in dem Krug einer gazellenäugigen Schönen,

    dessen segensreiches Wirken alle Worte übertrifft.

    Die sexuellen Riten, die das Kāma Sūtra beschreibt, sind ein Versuch der zivilisatorischen Hegung dieser Urangst.³⁰ Der Hinduismus, gleichzeitig auch der Ursprung von Askese und Mönchtum, hat die Hegung dieser Angst versucht, Christentum und Islam haben diese Angst zu unterdrücken versucht und damit Menschsein pervertiert. Gelöst hat das Problem bis heute noch keine Kultur und schon gar keine Religion. Aber im Hinduismus wurde es wenigstens klar formuliert und die Liebeslehre ist, wie das Kāma Sūtra schreibt, ein Versuch der Aufhebung dieser Angst:

    kāma kann schrecklich sein für jene,

    die tiefverwurzelte Ängste

    oder Hemmungen haben.

    Durch die Liebeslehren lernen Männer und Frauen

    die Gefühle der Anderen ohne Angst anzunehmen.

    Ist das nicht die Aufgabe, die noch vor uns liegt, die Gefühle der Anderen ohne Angst anzunehmen?

    Das zweite Schlüsselwort: Schmerz – tapa

    ³¹

    Der Schmerz spielt in der indischen Philosophie eine große Rolle und der Schmerz spielt eine große Rolle im Liebesspiel. Die Geliebte ist schmerzensreich, taptá. Es mag immer und überall Männer gegeben haben, die der Frau zur eigenen, das heißt zur männlichen Lustgewinnung, Schmerz zufügten. Aber darüber sprach man nicht. Erst seit im vorigen, im 20. Jahrhundert die Strafandrohungen gegen die Publikation von S / M-Texten und -Bildern weitgehend aufgehoben worden sind, zeigt sich – jedenfalls in unserer Kultur – die Verbreitung dieser männlichen Lust an der sexuell-erotischen Schmerzzufügung. Natürlich gibt es alle Kombinationen – Männer, die Frauen schlagen, Frauen, die von Männern geschlagen werden wollen, Frauen, die Männer schlagen, und Männer, die geschlagen werden wollen. Das Offenbarwerden all dessen ist kulturgeschichtlich neu. Nur die alten Sanskrittexte geben wieder, daß die Schmerzzufügung ein wichtiger Bestandteil des Liebesspieles war. Systematisch und kunstvoll wurde die Geliebte geschlagen ³², gebissen ³³, genagelt ³⁴, gekitzelt.³⁵ Der erotische Mondkalender, candrakula, der für jeden Tag festlegt, wie der Liebhaber mit dem Körper der Herrin spielt,³⁶ ist eine Verteilung der Körperstellen, in die die Nagelmale eingegraben werden, über den Monat. Die Geliebte war eine schmerzensreiche Frau – eine śokārta, eine zur Liebeslust gequälte Frau.³⁷ Und wenn das Koka Śāstrá die Gründe für die Abneigung, vairāgya, einer Frau gegenüber einem Mann aufzählt, wird nicht einfach seine Grausamkeit, kraurya, im Liebesakt genannt, sondern nur die übermäßige Grausamkeit.

    Das Kāma Sūtra ordnet die schmerzenden Liebespraktiken so [2]:

    Küsse, Nägelmale anbringen

    und Liebesbisse sollten, wie manche sagen,

    dem Eindringen des Mannes in die Frau vorangehen, während die

    Liebesschläge und -Schreie dazu dienen sollten,

    die Wollust deiner Geliebten zu beschleunigen.

    Doch Vātsyāyana sagt, wenn die Leidenschaft einmal

    geweckt ist, gibt es keine von den Regeln vorgeschriebene

    Zeiten. Tu, was dir gefällt, wann immer du magst,

    da Kāma keine Rücksicht auf Konventionen nimmt

    und nicht geregelt werden kann.

    Der Freibrief an den Mann. »Tu, was immer dir und wann immer es dir gefällt. Füge deiner Geliebten Schmerzen zu zu deiner Lust!«

    Der Schmerz ist wichtig. Und so hat das Sanskrit zahlreiche Ausdrücke für Schmerz. Dabei wird meist seelischer und körperlicher Schmerz mit einem Wort ausgedrückt. Die meisten Ausdrücke haben es mit Hitze und Glut zu tun. Das hat vermutlich mit der Qual der ungeschützten Sonne zu tun.

    Die wichtigste Wortsippe ist:

    tápati, glühen, Schmerz empfinden, leiden, peinigen, quälen. Davon: taptá, heiß, gepeinigt. tapayati, quälen, Schmerz zufügen. uatápati, quälen, gequält werden. tapa, die Glut, der Schmerz. tapana, Glühen, Glut, Schmerz. tápas, Glut, Hitze, Schmerz, Qual. tapasy, sich kasteien. tapasvitā, die Askese.

    Von tápati ist noch ein weiteres Dutzend Ausdrücke abgeleitet. Ein ähnliches Bedeutungsfeld deckt eine weitere Wortsippe ab, von der ich nur zwei Ausdrücke anführe: śocí, die Flamme, die Glut. Davon: śóka, die Flamme, die Glut, der Schmerz, der Kummer.

    Dazu dann noch pīḍáyati, pressen, quälen, peinigen. Davon: pīḍita, gequält. pīḍā, der Schmerz, die Qual. ruj, zerbrechen, öffnen, quälen. Davon: rudita, weinend. ruj, rujā, der Schmerz. rujaskara, Schmerz bereitend. ābādhá, der Schmerz, das Leiden. dunóti, brennen, quälen, plagen. Davon: duḥkhatā, der Schmerz. āvi, der Schmerz, pl. die Wehen.

    Eine ganz eigenartige Wortsippe ist die um véda gebildete. Die Veden sind die heiligen Bücher. Daß zu der Wortsippe außer Empfindung – was philosophisch noch zu verstehen ist – auch Schmerz und Heirat gehört, ist mir nicht verständlich geworden. Die Wortsippe: véda, das Wissen, die heilige Lehre, die Empfindung. Davon: vedana, die Kenntnis, das Verkünden, die Heirat, der Schmerz. vedanāvat, über Wissen verfügend, schmerzhaft. vedin, kennen, wissend, verkündend, empfindend, heiratend.

    Daß die oben genannten Liebesspiele Schlagen, Beißen, Nageln und Kitzeln der Geliebten Schmerzen zufügen, ist selbstverständlich und die Texte drücken das auch ganz deutlich aus [2]:

    Deine Geliebte wird natürlich Schmerz empfinden,

    wenn du sie schlägst, aber die Schreie,

    die sie schluchzend ausstößt, werden dir bald verraten

    – falls du sie voneinander unterscheiden kannst –,

    wieweit sie durch den Schmerz erregt wird.

    Der in der Liebeskunst erfahrene Mann muß die Melodien des Schmerzstöhnens und der Schmerzschreie seiner Geliebten gelernt haben wie die rāgas in der Musik. Die Geliebte soll erregt werden, ihr Schmerz soll in Lust übergehen, die Lust in den Schmerz und das Liebesspiel der Schmerzlust soll sich in der tiefen Lust, im Orgasmus der Geliebten – surata, die große Freude, die Wollust, der Orgasmus – lösen:

    Schmerz, der sich mit Lust vermischt.

    Die Abfolge ist zu üben und wechselt

    von Lust zu Schmerz und wieder zu tiefer Lust.

    Oder mit einer anderen Wortsippe ausgedrückt: Er schlägt, beißt und gräbt seine scharfen Nägel in ihr Fleisch, er will sie rodáyati, zum Weinen bringen, und natürlich wird sie rudati, weinen. Aber er wird ihren Körper mit seiner Zunge, seinen Lippen, seinen Händen und Fingern solange schmerzvoll erregen, bis ihr Weinen, rudati in das rudita übergeht, in das kehlige Stöhnen der Frau, die zum Orgasmus kommt.

    Besonders die Schläge auf das Geschlecht sollen ihr Lust bringen. Der Mann dringt in die Geliebte ein, sie spürt die Lust, die Lustwelle rollt in ihr heran, aber sie soll sich noch nicht lösen, erst die Schmerzlust führt zur Vollendung der Lust, und so zieht der Geliebte sich plötzlich aus ihr zurück und schlägt die heiße Fotze:

    Wenn du dich von ihr löst,

    um dann plötzlich auf ihr Geschlecht zu schlagen,

    ist es nirghata, der Stoß.

    Die Texte gehen davon aus, daß es Frauen gibt, die nur durch die schmerzvollen Liebesspiele zur großen Freude, zur Wollust, zum Orgasmus kommen können. Man kann sie die Schmerzlüsternen nennen:

    In anderen Ländern pflegte eine Königin auf dem Schoß

    eines Mannes zu sitzen, während ein anderer

    in sie eindringt und abermals andere ihren Körper

    mit Küssen, Nägelmalen und Liebesbissen traktieren,

    wobei sie einander ablösen, bis sie befriedigt ist.

    In der Sexualgeographie des Koka Śāstrá heißt es:

    Die Frau von Utkala, hat eine maßlos leidenschaftliche Natur,

    sie liebt das Spiel mit Fingernägeln und Zähnen

    und ist besonders entzückt von Schlägen auf ihr Geschlecht.

    Genau so sind die Mädchen von Kalinga.

    Der Kandarpacūḍāmaņi berichtet [4]: »Die Frauen, die aus dem Mālava-Lande stammen, lieben Umarmungen und saugendes Abküssen. Sie sind Verwundungen abhold und durch Schläge zu gewinnen.« Es ist schon eigenartig, wenn betont werden muß, daß Frauen körperliche Verletzungen beim Liebesspiel nicht mögen, aber dieselben Frauen wollen geschlagen sein. Und von den Frauen in Strīrājya heißt es: »Sie üben den Beischlaf aus, indem sie sich außer an Umarmungen und anderen Liebkosungen an harten Schlägen ergötzen.« Nach den Texten sind Schmerzbegehren oder Schmerzhinnahme nach Art der Schmerzen durchaus verschieden. So heißt es von den Frauen von Abhīra, daß sie nach Umarmungen verlangen, den Taten der Nägel und Zähne abgeneigt sind, sich aber an Schlägen freuen und ihre Herzen durch Küsse erobern lassen. Andere Frauen wollen nur zarte Schmerzen. Die Frau von Lāṭa, die unter sanften Schlägen und den Taten der Zähne und Nägel reichlich feucht wird, nach Umarmungen verlangt, feurig ist und sehr zarte Glieder hat, tanzt bei dem Fest der Wollust.

    Nach den Texten gibt es aber Frauen, die um intensive Schmerzen bitten und betteln. So wird von den Frauen aus Kuntala berichtet, daß sie über die mannigfachen Verwundungen mit den Nägeln, die heftigen Schläge mit der Hand und die Ausführungen der Arten des aupariṣṭaka höchste Freude empfinden, daß sie unaufhörliche Liebeskämpfe wünschen und schamlose Leidenschaft besitzen. Und im Kāma Sūtra heißt es [2]:

    Und wenn sie dich schamlos bittet,

    den Pfauenfuß auf ihre Brust zu setzen,

    und du mit fünf Fingernägel

    zuerst die eine, dann die andere Brust mit diesem Mal versiehst,

    ist es der meisterhafte Hasensprung (śaśaplutaka).

    Bei diesem meisterhaften Hasensprung gräbt der Mann fünf seiner scharf zugefeilen Fingernägel um die Brustwarze der Geliebten in ihre Brust. Der Kandarpacūḍāmaņi [4] spricht von den fünf Nägelhieben, pañca nakharāghātāḥ, des Hasensprungs und sicher wird die Geliebte vor Schmerzen aufschreien. Bei einer anderen Liebespraxis sagt der Text dies ausdrücklich. Aber wieder sagt der Text auch, daß die malträtierte Frau entzückt ist [2]:

    Wenn sie mit ihren Schenkeln deine ergreift und in die Klammer nimmt,

    während du sie so fest packst,

    daß sie vor Schmerz aufschreit,

    ist es rátipāśa, die Liebesschlinge ³⁸,

    eine Stellung, die die Frauen entzückt.

    Und eingehend schildert das Kāma Sūtra, die Abfolge des Stöhnens und der Schreie, die die Geliebte unter den sich steigernden Schlägen ausstößt [2]:

    Sitkrita ³⁹ sind die Wollustschreie,

    die deine Schläge ihr entlocken – Äußerungen eines

    Schmerzes, der sich mit Lust vermischt.

    Ihre Abfolge ist zu üben und wechselt

    von Lust zu Schmerz und wieder zu tiefer Lust.

    Zuerst wird sie etwas stöhnen: »Mutter!«,

    »Aufhören!«, »Laß mich los!«, »Genug!«

    »Nein!«, »Oh, ich sterbe!«

    Aber bald wird ihr Atem heftiger, und das Stöhnen

    geht über in wortlose Schreie.

    Ihre ersten scheuen Schreie klingen vielleicht

    wie das Schluchzen der Lerche,

    der durch die Blätter dringende Ruf des Kuckucks,

    das schläfrige Seufzen der Ringeltauben,

    das schrille Kreischen des Papageis in seinem Käfig.

    Aber bald stöhnt deine Geliebte wie die Biene,⁴⁰

    pfeift wie ein aufgeschrecktes Moorhuhn,

    stößt tiefe, harte Schreie aus, wie Wildgänse

    und Wildenten auf ihrem Flug,

    und jammert schließlich schamlos wie eine Wachtel.

    Wenn sie unter dir auf dem Bett liegt, solltest du

    mit dem Handrücken zwischen ihre Beine schlagen –

    zunächst sanft, dann, wenn die Leidenschaft

    euch übermannt, schneller und härter:

    Das ist apahasta.⁴¹

    Geschickt angewandt, entlocken ihr diese Schläge

    einen rāga trommelnder,

    gurrender und schluchzender Schreie.

    Wenn du ihr weh tust, sollte sie dich beschimpfen

    und dir jeden Schlag mit einem gleichen vergelten.⁴²

    Alle Liebeslehren bringen Aufzählungen der Laute, die alle einzeln von den Schönhüftigen ausgestoßen werden, wenn sie von der Liebe erschüttert sind. Im Ratirahasya heißt es [4]: »him-Machen, Donnern, sūt- und dūt-Machen, phūt-Machen,⁴³ Seufzen, Weinen, Worte wie ›laß los!‹, ›drück fester!‹, ›schone mich!‹, ›ach pfui‹, das alles kennt man als das sīt-Machen. Das wird beim Schlagen angewendet,⁴⁴ vermischt mit dem Ausstoßen von Schreien, ähnlich denen des Reihers, der Taube, des indischen Kuckucks. … Das him-Machen wird ausgeführt durch das Herausströmenlassen des Atems aus Kehle und Nase, das Donnern ebenso, wie bei dem Getöse der Gewitterwolke. das dūt-Machen ist wie das Bersten von Rohr, das phūt-Machen, wie wenn eine Brustbeere ins Wasser fällt.«

    Im Liebesspiel ist die Geliebte die schmerzensreiche Frau, śokārta, die schmerzgepeinigte, die im Schmerz in Wollustschreie, sitkrita, ausbricht.

    Allerdings muß zum Schluß darauf hingewiesen werden, daß die Texte gelegentlich auch Frauen erwähnen, die diese Schmerzen ablehnen. So heißt es in der Sexualgeographie des Koka Śāstrá von der Frau von Andhra, daß sie sehr wollüstig sind, beim Beischlaf Außergewöhnliches verlangen, aber keine Schläge und andere Schmerzen mögen. Und im Kāma Sūtra wird berichtet, daß die Bewohnerinnen des Mittellandes beim Liebesgenuß ein lauteres Benehmen haben, aber »Küsse, Nägel- und Zahnmale hassen.« Der Kandarpacūḍāmani berichtet von den Frauen von Mālava: »Sie lieben besonders Umarmungen, Küsse und zarte Berührungen mit Nägeln und Zähnen, verwerfen aber Verwundungen, sind jedoch durch Schläge zu gewinnen.« Und im Ratirahasya heißt es:

    Die im Mittelland geborenen Frauen haben ein feines Benehmen,

    sie hassen Nägel- und Zahnmale und Küsse,⁴⁵

    und ihnen gleichen die aus Avanti und Bālh stammenden.

    Aber die letzteren lieben außerdem absonderliche Liebsgenüsse.⁴⁶

    Die Frau von Abhīra verlangt nach Umarmungen,⁴⁷

    ist den Taten der Nägel und Zähne abgeneigt,⁴⁸

    freut sich jedoch an Schlägen ⁴⁹ und läßt ihre Herz durch Küsse erobern.⁵⁰

    In der Phantasie der altindischen Erotiker war der Wunsch der Frauen nach Schmerzen durchaus verschieden und zwar nicht nur hinsichtlich der Frage »Schmerzen Ja oder Nein« sondern auch hinsichtlich der Frage »diese Schmerzen Ja oder jene Nein«.

    Die sozialen Stände und Kasten – várņa

    Da die grundlegenden sozialen Gruppen in den Erläuterungen öfters genannt werden, hier die Einteilung vorweg. várņa heißt Farbe und Geschlecht. Schon in vedischer Zeit wurde es das Wort, das den sozialen Stand bezeichnet. Später erhielt das Wort die Bedeutung Kaste. Ursprünglich gab es nach der Einwanderung der indo-europäischen Arier, der ārya, in Nordindien, die etwa im 12. Jahrhundert vor unserer Zeitrechnung stattfand, vier soziale Stände: die Brahmanen, brāmaņa, die Könige und Krieger, kṣátrśya, die Bauern, Handwerker und Händler, vaíśya, und die nichtarischen helotenartig Unterdrückten, die śūdrá. Wörtlich heißt vaíśya Abhängigkeit, Unterworfenheit. Daraus ist zu schließen, daß die Angehörigen der beiden oberen Stände, die Priester und Adeligen alle unter ihnen Stehenden verachteten.

    Die Kult- und Religionsstufen in Indien

    Da die indischen Kult- und Religionsstufen im folgenden öfters genannt werden, seien sie hier kurz skizziert. Die Zeit des Vedismus reicht von etwa 1.500 bis 900. Die Sprache der Veden ist das vorklassische Sanskrit. Sie sind etwa um 1.500 verfaßt worden. Einige Veden sind jünger, aber manche Motive und Texte sind auch sicher älter. Aufgabe der Brahmanen war die Überlieferung der Veden und der Vollzug des Soma-Opfers. Soma war in der ältesten Zeit das Getränk, das gleich dem griechischen Nektar, die Götter unsterblich machte. Später wurde Soma selbst ein (Mond-)Gott und das Opfer mit dem berauschenden Getränk, vom dem man heute nicht mehr weiß, aus welchen Pflanzen es hergestellt wurde, die Kernzeremonie der Religion. Sie war ekstatisch und dem griechischen Dionysos-Kult vergleichbar. Im folgenden ist vornehmlich aus dem Rġ-Veda zitiert worden – sprich Rig-Veda – dem ältesten Veda, das die Hymnen zum Soma-Opfer enthält.

    Die Götter wurden uminterpretiert und die Macht der Brahmanen, die die oberste Kaste bildeten, stieg. Die Zeit des Brahmanismus dauerte etwa von 900 bis 400. Während dieser Zeit spaltete sich der Buddhismus – Buddha um 563 geboren – ab. An die brahmanische Zeit schließt die hinduistische Zeit an, die bis in die Gegenwart dauert. Die gelegentlich erwähnte Feudalzeit beginnt etwa mit dem europäischen Mittelalter, also so um 500 unserer Zeitrechnung.

    Beginn der Lexikoneintragungen

    a

    agamyāgamana, der Inzest.

    ⁵¹

    ádhara, die Lippen, die Unterlippe. Davon: adharoṣṭa, die Unterlippe.

    atipravartin, lüstern.

    ⁵²

    aṅga, der Körper, das Glied, der Penis.

    atisneha, die übergroße Liebe.

    ⁵³

    atirāga, das dunkle Rot, die heftige Liebe.

    atītvarī, die Kurtisane.

    ⁵⁴

    átyānanda,⁵⁵ I. der übergroße Sexualtrieb; 2. die übergroße Freude.

    anekabhāryatā, Vielweiberei.

    ⁵⁶

    anekapatidhāraņa, die Vielmännerei.

    ⁵⁷,⁵⁸

    anyá, ein anderer. Davon: ananya, nur auf einen Gegenstand bezogen, keinem anderen zugetan. ananyapūrvā, die Frau ohne Vorgänger.

    ⁵⁹

    apsarā, die Götterfrau, die Nymphe, das himmlische Freudenmädchen.

    ⁶⁰

    ápsas, das Gesicht, die weiblichen Brüste, der Busen.

    apadrvya, der künstliche Penis.

    ⁶¹

    Von der Präposition abhi, über … hin, umwillen, ist gebildet: abhika, verliebt, lüstern. abhidhyā, das Begehren, das Verlangen, abhinanda, die Wollust. abhikhya, die Beiwohnung, der Geschlechtsverkehr. abhigama, die sexuelle Vereinigung. abhilāṣa, die Liebeserregung, das brünstige Verlangen.

    abhimāna, der Hochmut, der Wahn, die Zuneigung, die erotische Phantasie.

    abhisār, der Angriff, der Liebesbesuch. davon: abhisārikā, abhisārinī, die Buhlerin.

    ⁶²

    arká, die Sonne, der steife, aufgerichtete Penis.

    ávati, erquicken, schützen. Davon: upavati, liebkosen. samávati, zusammentreiben.

    avarodha, das Einsperren, der Harem, ⁶³ pl. die Haremsdamen.⁶⁴ avaródhana, das Absteigen, das Einsperren, das Heiligtum, der Harem. avarodhikā, die Haremsdamen.

    avalagna, die Taille.

    avastha, der Penis.

    avīrá, männerlos.

    ávyatī, den Beischlaf nicht wollend.

    ⁶⁵

    avyavadhāna, nackt.

    ⁶⁶

    asūya, murrend. Davon: asūyā, die Eifersucht. anasūya, nicht murrend, nicht eifersüchtig.

    ⁶⁷

    ásura,⁶⁸ Heirat durch Kauf.

    ⁶⁹

    astrī, keine Frau.⁷⁰ Davon: astraiņa, frauenlos. astryupāyin, keiner Frau beiwohnend.

    ā

    ādhī, pfänden. Davon; ādhś, das Pfand.

    ⁷¹

    ābhogá, die Rundung, die Fülle. Davon: ābhogáya, m., ābhogí, f., das Genießen, der Genuß.

    ⁷²

    ārāmá, die Lust, der Lustgarten.

    ⁷³

    āréhaņa, das Lecken, das Küssen.

    ārohhá, der Reiter, das Besteigen, die Hüfte der Frau.

    ārya, ein Arier, ein Angehöriger der drei oberen sozialen Gruppen.

    ⁷⁴

    ārdrā, feucht, sanft, zart. Davon: ārdrabhāva, die Feuchtigkeit, der Orgasmus.

    ⁷⁵

    āling, streicheln, umarmen. Davon: pratiāling, die Umarmung erwidern.⁷⁶ ālingana, die Umarmung.

    ⁷⁷

    āśāvāsas, die Luft, die Nacktheit.

    ⁷⁸

    āṣlesa,⁷⁹ die Umarmung einer Frau,⁸⁰ die Umschlingung, die völlige Vereinigung.

    ⁸¹

    āsyà, der Mund. Davon: āsyamaithunika, Fellatio übend, dem Mann mit dem Mund befriedigend.

    i

    indirā, die Pracht, die Schönheit eines Menschen.

    u

    utkalāpana, das Heimführen eines Mädchens als Gattin.

    utstanī, (von der Frau gesagt): hochbusig.

    ⁸²

    Mit upa, neben nahe bei, unter, werden eine Reihe Ausdrücke gebildet: upagūdha, die Umarmung. upapárcana, die Begattung. upapralobhana, die Verführung. upabhoga, der Genuß, der sexuelle Genuß. upayama, die Heirat, das Feueranlegen, der Untersatz. upayoga, der Genuß, das Gebrauchen einer Frau. upaśleṣa, die enge Berührung, die Umarmung. upasamgraha, die Besitzergreifung einer Frau, das Polster.⁸³ upatisthati, sich zu jemandem begeben, etwas beginnen, sich einem Mann hingeben. upastha, der Schoß, die weibliche Schamgegend. upasprsati, streicheln, liebkosen. upodha, die Nebenfrau.

    upaga, geeignet zu. Davon: upagama, das Gelangen nach, die die sexuelle Hingabe einer Frau.

    upastrīsamjīvana, das Konkubinat.

    Fußnoten

    ¹    Der im folgenden oft zitierte Rġ-Veda ist der älteste Teil der indischen Literatur, aber, wie alle indischen Texte bis ins Mittelalter hinein, nur schwer zu datieren. Als wahrscheinlichste Entstehungszeit gilt für die meisten Hymnen des Rġ-Veda die Zeitspanne zwischen 1200 und 1000 vor der Zeitenwende. Manche Texte sind aber wohl älter, einige auch jünger. Kaum jünger als der Rġ-Veda ist die zweite Sammlung, der Sāma-Veda.

    Ich benütze den Ausdruck Zeitenwende, weil es mir widerspricht, religionsgeschichtliche Zeitfestlegungen anderer Religionen mit einem christlichen Begriff vorzunehmen.

    ²    Dazu unten unter mad, sprudeln, kochen, sich freuen, glücklich sein.

    ³    Assoziiert für uns »opfern« etwas aufgeben, etwas Schmerzliches zum guten Zweck erfahren, dann sollte man das brahmanische Opfer nicht »Opfer« nennen. Der Soma-Kult war ekstatisches Fest der Götter und Menschen. yajñá, der wichtigste Ausdruck, heißt einfach Weihehandlung, Gottesdienst, Andacht.

    ⁴    manth, quirlen, bohren; pramanth, quirlen, aufregen, zerstören. Davon: manthá, die Quirlung, die Tötung, die Vernichtung; manthana, (Adj.): Feuer reibend, bohrend, (Subst.): das Bohren, das Quirlen; manthāna, der Feuerbohrer, der Sich-hin-und-her-Bewegende, Beiname des Śiva.

    ⁵    Die umfangreichste Darstellung findet sich im 14. Buch seiner Schrift »De civitate Dei«.

    ⁶    »Kinder hätten sie gezeugt und geboren und keine schändliche Lust gehabt.« Das Adjektiv »pudendus – dessen man sich schämen muß« scheidet nicht etwa sündhafte von sündenfreier Lust, sondern charakterisiert für Augustinus das innere Wesen jeder Lust.

    ⁷    Dazu im 3. Band beim Mittelalter-Latein unter libido. Ganz anders der arabische Kulturkreis. Ibn H̱aldūn (gest. 1406) schrieb: »Ohne die Lüste wäre der Mensch unvollkommen.«

    ⁸    Es gibt viele Möglichkeiten, den Menschen durch Eigenschaften vom Tier zu scheiden – die Sprache, der aufrechte Gang, die alten Philosophen nannten die Fähigkeit zum Lachen: homo est animal risibilis. Für mich ist die Scheidung immer ein Vorgang in der Geschichte irdischer Lebewesen. Wann trat eine Eigenschaft, die den Menschen vom Tier scheidet, oder eine solche Verhaltensweise im Ablauf der Evolution zum ersten mal auf? Alles, was ist, war einmal zum ersten mal. Ich stelle mir immer auch zwei sexuell definierte Kriterien vor. Das erste: Wann zum ersten mal bot ein paarungsbereites Weibchen dem es begierig bedrängenden Männchen nicht sein aufreizend-aufregendes Hinterteil, sondern legte sich auf den Rücken, empfing das Männchen zwischen seinen gespreizten Schenkeln, umfing es mit seinen Armen und sie küßten sich. Und die Römer heiligten diese Stellung durch eine Göttin, die Venus Observa, die Betrachtete Venus, die Schutzpatronin der Stellung der geschlechtlichen Vereinigung, bei der der Mann in die Augen der Frau sehen kann. Die Einheit von Umarmung, Kuß und Durchdringung machte aus dem Weibchen und dem Männchen der Tierhorde die ersten Menschen, Mann und Frau, Adam und Eva. Dazu unten der Siebte und im 2. Band der Vierte Exkurs im Hebräischen. Das war ein Fortschritt. Aber auch ein Nachteil für die Frau war damit verbunden. Die sich selbst auf dem Rücken liegend dem Mann darbietende oder die vom Mann so hingeworfene Frau verliert die Freiheit, im Liebesspiel so wie die dem Mann ihr Hinterteil bietende Frau aufzuspringen und das Spiel fortzusetzen oder abzubrechen. Flirt setzt die Beweglichkeit der Frau voraus. Man sieht es bei balzenden Vögeln, läufigen Hunden und rolligen Katzen. Legt sich die Frau hin, ist der Flirt beendet, ist die unter dem Mann liegende Frau diesem völlig ausgeliefert. Für den römischen Mann war es die besitzergreifende Lage beim Geschlechtsverkehr. Vergewaltigung gibt es im Reich der Lebendigen erst, seit der Menschenmann eine Frau auf den Rücken werfen und sie so durchdringen kann. Das zweite sexuell definierte Kriterium ist der Orgasmus, die Wollust. Wann empfanden Menschen zum ersten mal diese Lust? Und ich stellte mir vor, zum ersten mal empfanden diese Lust die beiden, die sich beim Liebesakt in die Augen blickten, sich umarmten und sich küßten. Einmal muß es ja zum ersten mal geschehen sein. Alles, was geschieht, geschah einmal zum ersten mal. Vor Jahrmillionen geschah es, als aus Tieren Menschen wurden. Kunst jedenfalls, aktiver Umgang mit Schönheit, für mich ebenfalls ein Charakteristikum der Menschen, ist viel jünger. Der älteste Beleg, rund 70 Tausend Jahre alt, stammt aus der Blombos-Höhle in der Nähe des südafrikanischen Ortes Stillbai unweit des Indischen Ozeans, in Ocker geritzte geometrische Muster.

    P.S. Nein! Im September 2001 lief im ZDF eine Sendereihe über die Primaten: »Unsere haarigen Vettern«. Eine Art der Schimpansen ist der Bonobo, der Zwergschimpanse. Hier dominieren die Weibchen und die Gruppenprobleme werden mit Sex gelöst. Während sonst im Tierreich Sex [nur?] der Fortpflanzung der Art dient, ist er bei den Bonobos ein Gruppenspiel, das dem inneren Zusammenhalt der Gruppe dient. Und dann begatten sich die Bonobos in der Missionarsstellung – für das Sexverhalten von Tieren natürlich ein nicht ganz passender Ausdruck.*) Das Weibchen liegt mit hochgerecktem Kopf auf dem Rücken und spreizt die Beine weit und das Männchen legt sich mit aufgerichtetem Oberkörper zwischen die Beine des Weibchens, beide sehen sich an und die Kinder hopsen um das Paar herum. Nur ein männlicher Bonobo, der als Kind sich paarende Erwachsene gesehen hat, ist später in der Lage, den Geschlechtsakt zu vollziehen. Auch in Gegenwart eines läufigen Weibchens und selbst in Erregung kann er sonst nicht in das Weibchen eindringen. Ob die Bonobos einen Orgasmus erleben, wurde nicht gesagt. Vor einigen Jahren stand in der Wochenschrift »Die Zeit« ein Aufsatz über die Funktion des Orgasmus, in dem es hieß, nur Menschen hätten ihn. Aber warum haben die Bonobos Sex außerhalb der Läufigkeit des Weibchens, wenn er keinen Spaß macht?

    Ja, und auch das stimmt nicht, Vergewaltigung gibt es bereits im Tierreich. Unsere Verwandtschaft mit unseren haarigen Vettern ist enger, als wir uns dies dachten.

    *)    Den Ausdruck hat zuerst, wie Robert J. Piest festgestellt hat, Alfred Charles Kinsey in seinem 1948 erstmals erschienen Kinsey-Report verwendet und ihn fälschlicherweise auf einen Bericht des Anthropologen Bronislaw Malinowski über die Trobriander in der Südsee zurückgeführt. Angesichts der Verbissenheit des Kampfes mittelalterlicher Moraltheologen um die alleinige Erlaubtheit dieser Stellung – dazu im 3. Band im Mittelalterlichen Latein das Zweite Schlüsselwort – ist es ein passender Ausdruck. Da es die iro-schottischen Mönche waren, die die Sündhaftigkeit aller anderen Stellungen durchsetzten, könnte man sie auch die Mönchsstellung nennen, wenn den Mönchen nicht jede Stellung verboten gewesen wäre.

    ⁹    yóni, der klassische Sanskrit-Name für das weibliche Geschlecht, linga der Name für das männliche Glied.

    ¹⁰  Das Opferbett, védi, ist beim öffentlichen brahmanischen Opfer die zur Niederlegung der Opfer bestimmte Opfergrube, die mit Opferstreu, barhi, bedeckt ist. Um die Opfergrube sind kreisförmige Feueraltäre angeordnet. Diese symbolisieren als Sonne und Mond den männlichen Himmel, während die Opfergrube, die einem Frauenkörper nachgebildet ist, die weibliche Erde darstellt. Die Vorschrift zur Herstellung der Opfergrube lautet [a]: »Sie soll gegen Westen sehr breit sein, eingebogen in der Mitte und wiederum breit im Osten. So nämlich lobt man ein Weib: ›Breit um die Hüften, ein wenig schmäler zwischen den Schultern und in der Mitte zu umfassen.‹ Auf diese Weise eben macht er [der Brahmane] sie [die Opferstätte] den Göttern angenehm.« Dazu ein Schema in [a]. Die Götter mögen die Opferstätte wie eine Frau und der östliche Teil des Altares heißt jaghána, ein Wort, das auch den Arsch und die Geschlechtsgegend einer Frau bezeichnet. In einem ägyptischen Liebeslied heißt es [ägyptisch 1]:

    Ich fand den Geliebten an der Wasserstelle,

    seine Füße in den Fluß gestellt.

    Er baute einen Altar, den Tag zu feieren,

    das Bier aufzustellen,

    Dessen Form ist meiner Brust abgeschaut.

    Er ist höher als breit.

    ¹¹  Die vedische Religion der Arier kennt keine kultisch vollzogene Heilige Hochzeit wie die der Sumerer und Akader, bei denen der König mit der obersten Tempelpriesterin die Hochzeit von Himmel und Erde vollzog. Dazu im 2. Band der Achte Exkurs im Hebräischen. Die Heilige Hochzeit der Arier wird im Bild des Soma-Opfers vollzogen und ist sicher aus der drawidischen Ackerkultur in die arische Krieger-Viehzüchter-Kultur eingedrungen und hat dort nur eine beiläufige Bedeutung erhalten.

    ¹²  Lohn, pūrtś, kommt von , füllen, sättigen, befriedigen.

    ¹³  Aber in der vorfeudalen Zeit war auch der Seitensprung einer Frau der beiden oberen Kasten nichts ungewöhnliches. In der alten Zeit war Ehebruch nichts Unmoralisches, sondern ein Verstoß gegen die männerbestimmte gesellschaftliche Ordnung. Die moralische Verurteilung des Ehebruchs durch eine Frau kam erst in der feudalen Zeit auf. Dazu unten der Zwölfte Exkurs.

    ¹⁴  Bhartŗihari hat frühestens im 1. Jahrhundert vor unserer Zeitrechnung gelebt. Inzwischen war in Indien auch das Asketentum entstanden.

    ¹⁵  Zum indischen Schönheitsideal der Frau siehe unten den Zehnten Exkurs.

    ¹⁶  Das rituelle Bad im Ganges bringt Reinigung und Erlösung.

    ¹⁷  Im Sanskrit ist linga sächlich. Da der Ausdruck auch im Deutschen und hier als Maskulinum verwendet wird, wird auch hier der männliche Artikel gebraucht.

    ¹⁸  Die alten Völker waren in ihrer Ausdrucksweise nicht zimperlich. Mit dem śiśna dringt der Mann in die Frau ein, durchbohrt er sie. Und zahlreiche Sanskrit-Texte ermahnen den Mann, dies für die Frau lustvoll zu tun. Dazu unten unter śiśna.

    ¹⁹  Auch diese Wortsippe ist archaisch: Mann, Gott, Durchbohrung der Frau.

    ²⁰  Es ist ganz deutlich, daß die frühen schriftlich überlieferten Sprachen die männliche Sicht der Welt wiedergeben. Das ist verständlich, denn uns sind nur die Ausdrücke überkommen, die in heilige oder poetische Texte aufgenommen worden sind, und solche Texte sind in den frühen Zeiten, aus denen wir Texte haben, von Männern verfaßt und überliefert worden. Das bedeutet nicht, daß es nicht auch Ausdrücke gab, die die weibliche Sicht der Welt zu formulieren gestatteten. Wir wissen aber nicht, wie die Frauen vor und während der frühen Arier-Zeit in Indien und bis zur Zeit der dorischen Einwanderung in Griechenland unter sich sprachen. Ich weiß auch nicht, ob es sprachwissenschaftliche Untersuchungen über solche weiblichen Aspekte in den alten Sprachen gibt. Das Griechische ist vielleicht ergiebiger, denn hier sind die frühen Texte meist dichterische Texte, wenn sie auch kaum von der Liebe zu Frauen oder gar von der Liebe der Frauen handeln, während die frühen Sanskrit-Texte Priestertexte sind. Und aus Sumer und Akkad wissen wir, daß wenigstens die Tempelpriesterinnen und Tempelhuren, šamhātu, hebräisch qdešāh, griechisch Hierodulen genannt, eine eigene Kultsprache besaßen, eme.sal.

    ²¹  Das ist eine Wortsippe der zweiten archaischen Erfahrung der Frau: auf Zeugen folgt Gebären, die Frau ist Ursprung, Mutter, Natur. Die patriarchalische Gesellschaft, die Hochkultur kultiviert den Kult der Frau in der Kultivierung der Lust als religiöses, göttergeschenktes Ereignis und gleichzeitig die Beherrschung der Frau als der Gebährerin. Je männerbeherrschter eine Gesellschaft wird, um so mehr übt der Mann Herrschaft über die Frau aus, weil er sie zum einen als den Besitz betrachtet, der ihm Mittel seiner Lust ist – und das wird um so wichtiger, je mehr die öffentliche Ordnung die Monogamie und das Verbot des Ehebruchs als göttliches Gebot ausgibt – und er zum anderen mit der Frau die Fortpflanzung seiner Sippe kontrollieren will.

    ²²  Es ist interessant, daß das grammatische Geschlecht für diesen weiblichsten aller weiblichen Körperteile sowohl männlich wie weiblich sein kann.

    ²³  kandarpageha ist ein wunderschönes Wort: die Vulva, die Scheide der Frau ist die Wohnung, gehá, der Liebe, kandarpa. Dazu unten unter kandarpa, die Liebe.

    ²⁴  Diese Wortsippe zeigt den archaischen Zusammenhang zwischen den Vorgängen von Zeugung und Geburt und der Herrschaft. Schlüsselwort ist der König. Im Lexikon sind 92 Ausdrücke für den König verzeichnet. Mehrere davon haben eine sexuelle Notation.

    ²⁵  bhagá, ein wundervoller Ausdruck, der alles Beglückende zusammenfaßt: Schönheit, Sonne, Liebe und den Ort der männlichen und weiblichen Lust.

    ²⁶  Gesetz, Recht, Pflicht, Tugend.

    ²⁷  Geld, Sinn, Zweck, Nutzen, der geistige und materielle Reichtum.

    ²⁸  Wunsch, Begehren, Liebe.

    ²⁹  Der Brahmane Vātsyāyana ist der ansonsten fast unbekannte Verfasser des Kāma Sūtra, das wahrscheinlich im 4. Jahrhundert verfaßt wurde. Einige Wissenschaftler datieren es aber bis ins 3. vorchristliche Jahrhundert zurück.

    ³⁰  Wie wenig in einer monotheistische Kultur, in der der Gott die Herrschaft über die Sexualität der Menschen beansprucht und eine männliche Priesterschaft diese Herrschaft exekutiert, solche alten Texte verstanden werden konnten, zeigt der Umstand, daß das Kāma Sūtra bis vor kurzem als pornographisch galt und verboten war. Und die anderen altindischen Liebeslehren sind im Abendland weitgehend unbekannt.

    ³¹  Die vorliegende Darstellung geht von Wörterbüchern und Texten aus. Texte gestatten nicht einfach einen Rückschluß auf Wirklichkeit außer der, die in der Vorstellung der Schreibenden besteht. Einerseits ist es also möglich, daß die Ausführungen in den indischen Liebeslehren nur Phantasie der Erotiker sind, wie die Verfasser in der Literatur oft genannt werden. Andererseits ist die Lehre vom Lustschmerz übereinstimmender Bestandteil der vielen überkommenen Liebeslehren.

    ³²  Dazu unten der Neunzehnte Exkurs.

    ³³  Dazu unten der Elfte Exkurs.

    ³⁴  Dazu unten der Vierte Exkurs.

    ³⁵  Dazu unten der Dritte Exkurs.

    ³⁶  Dazu unten der Neunte Exkurs.

    ³⁷  Lieder gibt es im Deutschen kein von »Schmerz« abgeleitetes Verb, von dem man ein substantiviertes Partizip ableiten kann wie »die Gequälte«. Die Gequälte paßt aber nicht als Übersetzung von śokārta, denn Quälen ist nicht das, was der Mann mit seiner Geliebten macht. Er schmerzt sie körperlich, weil es ihm Lust verschafft und die Geliebte zur Lust führen soll. Und so sage ich »die Schmerzensvolle«, amata dolorosa.

    ³⁸  ráti, die Lust, die Freude, die Wollust, der Liebesakt. pāśa, der Strick, die Fessel, die Schlinge.

    ³⁹  Das Wort selbst ist im Lexikon nicht aufgeführt. Ein Bestandteil ist sicher śīt, der wollüstige Schnalzlaut, den eine Frau ausstößt, wenn der Mann in sie eindringt, beim Koitus, wie das Lexikon sagt. Zum zweiten Bestandteil habe ich nur krīḍ gefunden, das eine sexuelle Wortsippe erzeugt: krīḍ, spielen, flirten. vikrīḍ, eine Frau zu seinem Spielzeug machen. krīḍā, das Spiel, das Liebesspiel. krīḍānārī, das Freudenmädchen. krīḍāmud, die Liebesfreude.

    ⁴⁰  Die Biene kreist mit ihrem Hinterteil, wenn sie Necktar saugt. Und so wird die Geliebte unter dem Bild der Biene gesehen, die unter dem Geliebten im Schmerz ihren Arsch hin und her wirft, wenn er sie schlägt.

    ⁴¹  Das Wort ist an dieser Stelle nur schwer zu deuten. ápa bedeutet fort, weg, und hásta die Hand, der Rüssel, die Hilfe, die Unterstützung. Vermutlich ist apahasta der Anfang des Elefantenrüsselspiels, das das Koka Śāstrá erwähnt. Bei diesem Spiel dringt der Mann mit der ganzen Hand – hásta die Hand, der Rüssel – in die Scheide der Frau ein.

    ⁴²  Nicht etwa wird empfohlen, weniger fest oder gar nicht mehr zu schlagen. Und dem Mann, der auf einer Frau liegend ihre Flanken schlägt, wird es Lust bereiten, wenn die Frau schreiend mit ihren Fäusten auf seinem Rücken trommelt.

    ⁴³  Es handelt sich wohl um lautmalende Bezeichnungen. phut-kŗiti, phūt-Machen heißt Kreischen, Schreien.

    ⁴⁴  Natürlich stößt die sīt-Laute die Frau aus, aber die Liebesschläge des Mannes, die die Laute aus der Frau herauspressen, sind die Ursache. Insofern macht der Mann die Laute: sīt-kŗ, Wollust- oder Schmerzenslaute hervorbringen oder bewirken.

    ⁴⁵  Das Nägelmal-Zahnbiß-Küssen-Hassen ist in einem Wort angegeben: nakha|danta|cumba|dviṣaḥ, Nagel|Zahn|Kuß|hassend.

    ⁴⁶  citra|ratā|nuraktā, wunderbar|Liebesvereinigung|preisen.

    ⁴⁷  āśleṣa|lolā, Umarmung|verlangend.

    ⁴⁸  nakha|danta|kŗtyair, Nägel|Zähne|Taten.

    ⁴⁹  cabhi|ghātaiḥ, wollend|Schläge.

    ⁵⁰  cumbana|hārya|cittā, Küsse|reizend|Herz.

    ⁵¹  Das Wort ist gebildet aus agamya, die nicht zu Begattende. Ein Inzest ist also die Begattung der nicht zu Begattenden. Seit dem Hinduismus besteht ein strenges Inzestverbot. Aber schon im Rġ-Veda heißt es:

    Wie wonnevoll begehrter Samenguß,

    der sich nicht ziemt unter Geschwistern.

    Im Anfang der Menschheit konnte das natürlich nicht so sein. Das erste Menschenpaar war ein Geschwisterpaar, Yamá und Yami. Yami liebt Yamá und will, daß er mit Seele und Körper sich ihr vereint:

    Es ist uns tief verbunden Seel‘ und Seele,

    so dring als Gatte in die Gattin ein!

    Yami entbrennt in Begierde zu ihrem Bruder und sie will ihn in sich spüren, aber dieser bleibt ablehnend und verweist auf das göttliche Inzestverbot – das leider unvollständig überlieferte Gedicht stammt also nicht aus vedischer Zeit. Aber Yami wird immer leidenschaftlicher:

    Mich, Yami, hat zum Yamá Lust ergriffen,

    mit ihm zu ruhen auf demselben Lager,

    als Frau dem Gatten geb‘ ich ganz mich hin

    wir woll‘n uns tummeln wie des Wagens Räder.

    Das Ende des Gedichts ist nicht erhalten. Wir wissen nicht, ob Yami ihr Ziel erreicht hat. Aber da das Menschengeschlecht wuchs, ist es anzunehmen. Interessant ist auch, daß Yami, die Frau, die sexuelle Initiative ergreift.

    ⁵²  In einem Rġ-Veda-Hymnus heißt es:

    Die lüstern sind wie brüderlose Jungfrauen,

    wie böse Frauen, die den Gatten hassen,

    die ungerechten, lügenhaften Frevler,

    sie sind bestimmt für jene tiefe Stelle [der Unterwelt].

    Brüderlos heißt keiner männlichen Kontrolle unterliegend. Dazu auch unten der Zweite Exkurs.

    ⁵³  Von sneha, die Glätte, der Leim, die Neigung, die Liebe, und áti, (Adv.) sehr, überaus, (Präp.) über, über hinaus.

    ⁵⁴  Kurtisanen und Hetären gehörten zum Leben der vornehmen Gesellschaft. Das Kāma Sūtra schreibt [2]:

    Wenn es an dir ist, ein Fest zu geben,

    schmücke dein Haus

    mit Girlanden duftender Blumen,

    stelle überall im Garten Lichter auf

    und lade deine Freunde und Lieblingskurtisanen ein.

    Oder:

    Unterhaltsame Abendgesellschaften für Freunde

    und andere Männer deines Alters und Ranges,

    die deine Interessen teilen,

    können entweder bei dir

    oder im Hause einer angesehenen Kurtisane stattfinden.

    Und auch beim Ausflug ins Grüne dürfen die Kurtisanen nicht fehlen. Die jungen Männer wollten Frauen um sich, aber die Ehefrauen stehen dafür nicht zur Verfügung.

    Reite bei Tagesanbruch los,

    in schönen Gewändern,

    begleitet von Freunden und jungen Kurtisanen

    und gefolgt von Sängerinnen, Musikern

    und Dienern, die Speisen und Wein mit sich tragen

    Verbringe einen angenehmen Tag mit Tanzen, Würfeln,

    Schachspielen und anderem Zeitvertreib;

    laß Widder oder Hähne gegen einander kämpfen

    und auf den Sieger wetten;

    lausche der Musik und den Sängerinnen.

    Geh mit den Frauen schwimmen,

    wenn es warm genug ist, das Wasser sauber

    und keine Krokodile euch gefährden können;

    binde Blumen in dein Haar und kehre heim,

    wenn die Abendröte den Himmel zu färben beginnt.

    Vielleicht muß man sagen, Ehefrauen standen in der Regel für diese Lustspiele nicht zur Verfügung. Reiche Adelige mit vielen Frauen boten diese aber auch ihren Freunden an. In einem Rġ-Veda-Text klagt ein Mann, der Frau und Reichtum verspielt hat:

    Nie reizte mich, noch zürnte mir die Gattin,

    sie beugte sich mir, mir selbst und meinen Freunden.

    In einem Hymnus an den Feuergott Agni wird es im Rġ-Veda deutlich ausgedrückt. Die Frau hat da zu sein, wenn der Mann und für wen der Mann sie will:

    Nicht leicht entzündbar – jedoch wie Kraft beständig,

    wie die Frau zu Hause – bereit für jeden.

    Im Kāma Sūtra heißt es [2]:

    In den meisten zivilisierten Ländern

    sind solche Orgien ein Vorrecht

    von Kurtisanen und Hetären.

    »in den meisten zivilisierten Ländern« deutet an, daß die hohen Herrn zum Gruppensex mit ihren eigenen Frauen – dazu unten der Vierzehnte Exkurs – auch ihre Freunde einluden.

    Zu Hetären auch unten der Sechste Exkurs. Grundsätzlich sind Hetären und Kurtisanen zu unterscheiden. Die Hetäre ist eine Frau der Halbwelt, die vornehmen Männern gegen Bezahlung Lust und Vergnügen in stilvoller Umgebung durch Gespräche, Musik, Tanz und ihren Körper gewährt. Die Kurtisane ist eine Nebenfrau. Aber die Terminologie ist nicht einheitlich.

    ⁵⁵  Von atyanta, höchst, überaus, und nánda, die Freude, die Lust.

    ⁵⁶  Dazu unten der Vierzehnte Exkurs.

    ⁵⁷  Dazu unten der Vierzehnte Exkurs.

    ⁵⁸  Das Kāma Sūtra schreibt [2]:

    Oder vielleicht spielst du die Rolle

    eines Widders oder Hirsches,

    der seine Herde von Konkubinen zusammentreibt.

    Dieses Spiel ist auch für Frauen geeignet,

    die gerne sich mit zwei oder mehreren Liebhabern verlustieren.

    ⁵⁹  an|anya|pūrvā, ohne|einenanderen|vorhergehenden, die Frau, die noch kein (anderer) Mann beschlafen hat, die Jungfrau und die Frau, die ihrem einzigen Mann treu war.

    ⁶⁰  In den Veden ist eine apsarā, auch gnā genannt, eine Göttin oder eine Götterfrau. Sie verleihen das Glück des Würfelspiels und werden deswegen »die Schrecklichen« genannt.

    Dann werden sie die Freudenmädchen Indras und so beschrieben: »Es sind verführerisch schöne, üppige Weiber, die Buhlerinnen in der Residenz des Gottkönigs. … Ihre Lotusaugen, ihr langes, schön gelocktes, mit Blumen geschmücktes Haar, ihre schwellenden Brüste und Hüften werden oft gepriesen. Durch Tanz, Musik und fröhliches Lachen erheitern sie den Götterkönig. Sie besingen preisend seine Heldentaten, sie bedienen und umtanzen ihn und begleiten ihn in hellleuchtenden Wagen, wenn er ausfährt. Sie werden die Mädchen Indras genannt. Sie wohnen in Indras Himmel und halten sich besonders gern im Lusthain Nandana*) auf.«

    Später sind sie nur noch die himmlischen Freudenmädchen, die im Auftrag Indras die Asketen verführen oder die Gespielinnen der Krieger sind, die im Kampf für Indra gefallen sind. Ihre Funktion kommt dann derjenigen der koranischen Huris gleich. Krieger kämpfen tapferer, wenn als Lohn verfügbare Frauen winken. So degenerieren alte religiöse Mythen.

    *)    nandana, (Adj.): erfreuend, (Subst.): der Sohn, der Nachkomme, die Freude, die Wonne, der Götterhain.

    ⁶¹  Der Dildo ist eine Erfindung des Harems. Das Kāma Sūtra berichtet [2]:

    Da Harems gut bewacht werden

    und keinem Mann je gestattet wird, einen zu betreten,

    können nicht alle Königinnen von einem König körperlich befriedigt werden,

    und so suchen sie untereinander die geschlechtlichen Freuden. …

    Aus Mitgefühl für seine Frauen

    legt der König oft selbst einen künstlichen Penis an

    und erfreut mehrere von ihnen in einer Nacht.

    Ohne diese Vorrichtung verlustiert er sich nur mit seinen Favoritinnen

    und denjenigen, die in ihrer ritu-Zeit sind.*)

    *)    Während ihrer Monatsblutung und unmittelbar danach. Diese Tage galten als die für die Empfängnis günstigste Zeit.

    ⁶²  Die abhisārikā ist ein feststehender Typ der Liebeslehren. Rudraṭa schreibt: »Diejenige, welche durch Wein oder Liebesrausch völlig schamlos gemacht, den Geliebten aufsucht, gilt als eine abhisārikā

    ⁶³  Dazu unten der Zwölfte Exkurs.

    ⁶⁴  Von rhoda, das Zurückhalten, das Einschließen.

    ⁶⁵  cohabitationem non volens schreibt das Wörterbuch als Übersetzung. á-vyatī ist das negierte Partizip von vyáyati, umhüllen, decken.

    ⁶⁶  dhāna heißt als Adjektiv enthaltend, fassend, und als Substantiv das Umfassende, der Behälter, die Behausung. Die Kleidung umfaßt, umhüllt den Menschen. avya ist eine verneindende Vorsilbe. So ist eine ávyatī eine Frau, die den Beischlaf ablehnt, und avyabhīkāra die eheliche Treue, wörtlich nicht angsterregend, beständig, unwandelbar. avyavadhāna heißt in einer ersten Bedeutung auch das Nichtdazwischentreten. Nackt sind zwei Menschen, wenn sie sich umarmend durch keine sie hüllende Kleidung getrennt sind.

    ⁶⁷  Die Männer der zwei oberen Kasten trieben es mit vielen Frauen, Ehefrauen, Nebenfrauen, Hetären und Huren. Und so forderten sie als eine der wichtigsten Eigenschaften einer Ehefrau ihre Nichteifersucht, anasūya. Sie wird abgeleitet aus der Forderung, eine patidevatā zu sein, eine Frau, für die der Ehemann ein Gott ist. Und so wird eine mythische Anasūya verehrt. Sie war mit einem aussätzigen, brutalen und geilen Brahmanen verheiratet und pflegte ihn nach der Forderung, ihn wie einen Gott zu verehren, aufopfernd. Und als der Lüstling eines Tages Lust auf eine Hure verspürte, aber zu schwach war, zu Fuß ins Bordell zu gehen, trug sie ihn auf ihrem Rücken ins Freudenhaus: das Vorbild der Ehefrauen im alten Indien – oder jedenfalls eine Frau, wie Männer sie sich wünschten. Tatsächlich war die Neben- oder Mitfrau ein Problem. So kennt schon das Rġ-Veda eine Beschwörungsformel zur Vertreibung der Nebenfrau, die folgendermaßen beginnt:

    Ich grabe diese Pflanze aus,

    dies Kraut, das reich an Kräften ist,

    durch das die Mitfrau man vertreibt,

    durch das den Gatten man gewinnt.

    Breitblättrige, glückselige,

    du gottgesandte, kräftige,

    die Mitfrau blase mir hinweg,

    den Mann laß ganz mein eigen sein!

    Ist die Nebenfrau vertrieben, singt die Hauptfrau ein Triumphlied, in dem es heißt:

    Ich bin das Licht nun, bin das Haupt,

    ich bin die strenge Richterin,

    nach meinem Siegeswillen nur,

    muß jetzt sich richten mein Gemahl.

    Mitfrauen schlug ich, trieb sie fort,

    besiegend, überwindend sie,

    der anderen Ansehn riß ich jetzt

    an mich wie Gut der Wanderer.

    ⁶⁸  Die Àsura sind in der vedischen Zeit Götter mit einer von Opferriten unabhängigen Macht. In der Brahmanen-Zeit werden sie zu Feinden der Götter, eine Gruppe von Dämonen.

    ⁶⁹  Dazu unten unter śulká, der Preis, der Wert, der Brautpreis, die Morgengabe.

    ⁷⁰  Dazu unten strī.

    ⁷¹  Menschen konnten gepfändet werden und sich selbst verpfänden. Für ein gepfändetes Mädchen oder eine gepfändete Frau war die Situation prekär, denn ihre Lage war der einer Sklavin, die der Herr sexuell benutzen konnte, sehr ähnlich. Daher bestimmt das Arthaśāstrá, ein als Staatslehrbuch entstandener Traktat: »Wer bei verpfändeten Frauen Gewalt anwendet, verliert das Pfand; Ammen, Dienerinnen, um den halben Feldertrag arbeitende Frauen, Aufwärterinnen werden in diesen Fällen frei von der Abhängigkeit. … Wer eine Amme oder eine Verpfändete gegen ihren Willen beschläft, den trifft, ist sie unverheiratet, der erste Grad, ist sie verheiratet, der mittlere Grad der Strafe. Wer selbst eine Jungfrau oder eine Verpfändete vergewaltigt oder vergewaltigen läßt, verliert sein Pfand, zahlt der Geschädigten ein Entgelt und die doppelte Summe als Strafe an die Regierung.«

    ⁷²  Die Fülle, die Rundung, der Genuß – eine schöne Bedeutungsgruppe. Ob der arische Mann bei »Genuß« an die Rundungen einer Frau dachte oder beim Anblick einer wohlgerundeten Frau an Genuß? Interessant ist auch, daß »der Genuß«, ābhogáya, m., ābhogí, f., grammatisch weiblich und männlich ist.

    ⁷³  Für den Lustgarten gibt es mehrere Ausdrücke. Vgl. dazu noch unten udyāna, kelīvanī, lilodyāna, tevana.

    ⁷⁴  Die Arier betrachteten die nichtarischen Frauen und die Ortsvorsteher die Frauen der Bauern als Wild, das sie jagen konnten. Sie waren für sie āraņyapśu, ein aus dem Walde kommendes wildes Tier, ein verächtlicher Mensch, eine Frau ohne Stand. Das Kāma Sūtra berichtet [2]:

    Die Frauen und Töchter eines Dorfes

    können ohne Schwierigkeit durch den Dorfvorsteher,

    den örtlichen Steuereintreiber und den Beamten,

    der das Einbringen der Ernte überwacht,

    genommen werden – ein bloßes Wort genügt.

    Die vitas *) nennen diese Frauen charśanis **),

    die unaufhörlich arbeitenden Schöße der arischen

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