Das Opfer und sein Mörder: Gefährliche Experimente im Urnerland
Von Urs Wittwer
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Über dieses E-Book
«Ich kann mich an nichts erinnern. Habe ich jemandem ein Leid zugeführt? Habe ich jemanden getötet?», fragte er sich immer wieder.
Zusammen mit seinem neuen Mitarbeiter kommt Pius einer verbrecherischen Bande auf die Spur, die ein Medikament für alles andere als zum Wohle der Menschheit einsetzt.
Wiederum wird Altdorf zum Schauplatz einer spannenden, humorvollen Kriminalgeschichte.
Urs Wittwer
Urs Wittwer erblickte 1953 in der Nordwestschweiz das strahlende Licht der Welt und 1978 als Diplomierter Elektroingenieur die Welt der Industrie. Ab 1995 arbeitete er als Fachjournalist. Heute lebt er in Altdorf, einem von Mythen und Geschichten begleiteten Dorf.
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Buchvorschau
Das Opfer und sein Mörder - Urs Wittwer
Pius und Gaby wohnen immer noch in ihrer Wohnung über ihrer Autogarage zwischen Altdorf und Flüelen. Die Garage mit der Wohnung haben sie vom Erbe von Alice von Mentlen gekauft. Ihr vierjähriger Patrick geht in den Kindergarten, die 18-jährige Nella und der 15-jährige Walterli besuchen das Gymnasium, das ‘Kollegi’ in Altdorf.
Die Oldtimergarage ‘Pius Portmann, Fahrzeugrestaurationen aller Marken’ ist mittlerweile über die Kantonsgrenze hinaus bestens bekannt, und der Kundenkreis hat sich mit den Jahren stetig erweitert.
Das Café ‘Vis à Vis’, die ehemalige Tierhandlung gegenüber der Garage, hat Gaby verpachtet. Sie möchte mehr Zeit für ihre Kinder haben, vor allem für Patrick, und mit den Büroarbeiten der Garage ‘Portmann Oldtimer GmbH’ ist sie voll ausgelastet.
Ein glückliches Ehepaar mit drei gesunden, aufgeweckten Kindern – die perfekte Familie und ein erfolgreiches Unternehmen dazu. Was will man mehr im Leben? Was soll da noch schiefgehen?
Inhalt
Boda
Ein 08/15-Täter
Blick aufs Meer
Das Opfer und sein Mörder
Kopf weg, Formel weg!
Der Springbrunnen-Peter
Ein Bad vor Wilhelm Tell
Die Oldtimer-Show
Der brüllende Löwe
Happy Birthday
Alles im grünen Bereich
Streng geheim
Frauen an die Macht
Lügen oder Sterben
Das Kuvert
Ein Fall für Boda
Frühschoppen im Triclinium
Das Ende?
Jenseits von Afrika
Boda
«In diesem Zustand sollten Sie aber nicht mehr Autofahren Herr Portmann», sagte ein junger, schlanker Mann zu Pius, der schwankend versuchte mit seinem Schlüssel die Autotür zu öffnen und dabei immer wieder das Schlüsselloch verfehlte und ständig in den Knien einknickte.
«Mein Handy, ich brauche mein Handy. Es liegt auf dem Beifahrersitz», stammelte Pius.
«Geben Sie mir den Autoschlüssel, ich reiche Ihnen Ihr Handy», sagte der junge Mann, öffnete die Autotür, nahm das Handy vom Beifahrersitz und gab es Pius. «Und danach werde ich Sie mit meinem Wagen nach Hause fahren.»
«Hallo Gaby, mein Schatz, du bist doch Gaby? Ich bin Pius, glaube ich. Bist du zu Hause, wo wohnen wir? Wie geht es unseren Kindern? Wir haben doch Kinder? Wieso weinst du? Stimmt etwas nicht?»
Der junge Mann nahm Pius das Handy aus der Hand:
«Guten Abend Frau Portmann, hier ist Davis. Ich bringe Ihnen Ihren Mann nach Hause. Wir sind in zwanzig Minuten bei Ihnen.»
Herr Davis begleitete Pius, der sich auf dessen Schulter abstützte, immer wieder einknickte und beinahe zu Boden fiel, zu seinem zweisitzigen Sportwagen, setzte ihn auf den Beifahrersitz, schnallte ihm den Gurt an und fuhr los.
«Wohin fahren Sie mich, ich will wieder aussteigen, ich will nicht wieder in diesen Wald. Ich will nach Hause», lallte Pius.
«Wir fahren nach Hause», sagte Davis, verliess die Gotthard-Raststätte Richtung Süd und kurz darauf die Autobahn bei der Ausfahrt Erstfeld und fuhr Richtung Altdorf.
«Woher wissen Sie, wo ich wohne?»
«Wo warst du, was ist passiert?», schluchzte Gaby und umarmte weinend ihren Pius auf dem Vorplatz der Garage an der Flüelerstrasse. «Hattest du einen Unfall? Wurdest du überfallen? So rede doch endlich! Sag etwas!»
«Er hat wahrscheinlich einen Schock. Vielleicht beruhigt er sich wieder, wenn er in seiner gewohnten Umgebung, in seiner Wohnung ist», beruhigte Davis die weinende, verzweifelte Gaby.
«So habe ich meinen Mann noch nie gesehen. Was ist nur mit ihm geschehen?», schluchzte Gaby.
«Wenn er nach Alkohol riechen würde, wüsste ich, was mit ihm los ist, aber er scheint stocknüchtern zu sein», sagte Davis. «Ich helfe Ihnen, Ihren Mann in die Wohnung über der Garage zu bringen, die Treppe ist ja ziemlich steil, das schaffen Sie nie allein.»
«Danke, aber woher wissen Sie, dass die Treppe steil ist?», fragte Gaby verwundert, immer noch mit nassen Augen und weinerlicher Stimme.
«Setzen Sie sich doch bitte!», sagte Gaby, jetzt wieder etwas ruhiger, zu Herrn Davis, nach dem sie es geschafft hatten, Pius in die Wohnung hinaufzustossen und im Wohnzimmer sicher auf einen Stuhl zu setzten.
«Du siehst ja aus, als hättest du zwei Flaschen Wein getrunken», sagte Gaby jetzt zu Pius, als sie sich ebenfalls an den Tisch setzte.
«Nein, habe ich nicht, aber ein grosses Bier könnte ich jetzt vertragen», entgegnete Pius. «Kneif mich in den Arm! Träume ich? Bin ich wach? Bin ich zu Hause? Ich heisse Pius Portmann und besitze eine Garage in Altdorf. Ich habe drei Kinder, und Du bist Gaby, meine Frau. Stimmt das?»
«Soll ich einen Arzt rufen?», fragte Davis besorgt und nahm sein Handy hervor.
«Halt! Nein, keinen Arzt, ich will keine Spritze mehr», wehrte sich Pius. «Mich juckt es überall, an den Armen, den Beinen, am Bauch. Ich bin müde. Ich will schlafen, nur noch schlafen.»
«Darf ich Ihnen etwas zu trinken anbieten», fragte Gaby Herrn Davis, nachdem sie mit seiner Hilfe Pius ins Schlafzimmer gebracht hatte, wo sich Pius gleich aufs Bett fallen liess und sofort einschlief.
«Ja gerne, wenn Sie ein kleines Bierchen hätten.»
Während dem Gaby in der Küche verschwand, um das Bierchen zu holen, schaute sich Davis neugierig das grosse Wohnzimmer an.
Der mächtige Esstisch mit einer dicken Tischplatte aus Eichenholz, an dem Davis sass, bietet zehn Personen Platz und ist wohl das Kommunikationszentrum des geräumigen Wohnzimmers. Ein rotes Sofa für vier Personen und eines für sechs Personen bilden, zusammen mit dem Couchtisch, einem 50 cm hohen Jeep mit einem 120 x 80 cm grossen Dach als Ablagefläche, die komfortable Sitzgruppe.
Im Zentrum des schwarzen Büchergestells, mit wenigen Büchern, aber vielen Dekoartikel, steht ein grosser 65 Zoll-Fernseher. An der Wand hängen Bilder von Brissago und der Schöllenenschlucht sowie eine grosse analoge Uhr mit Oldtimer-Sujet. Eine Tür führt auf einen kleinen Balkon mit Sicht nach Osten, auf die Flüelerstrasse. Das Prunkstück der Wohnung scheint jedoch ein Erbstück, eine wertvolle, antike Kommode mit zwei Türen und vielen Schubladen, zu sein. Darauf stehen ein Micro-HiFi-System, ein Laptop und ein antikes Messing-Mikroskop. Die weissen Vorhänge mit feiner Musterung und viele Pflanzen verleihen dem zum Teil maskulin eingerichteten Wohnzimmer ein gemütliches Ambiente mit weiblichem Touch.
«Da stehen ja immer noch die kleinen Modellautos und das coole Metallgestell mit den fünf Kügelchen, das Newtonsche Pendel, auf dem Büchergestell», sagte Davis mit einem gespannten Lächeln, als Gaby mit dem Bier aus der Küche zurückkam. «Nur der rote Triumph Spitfire fehlt.»
Lange blickte Gaby zu Davis, einem jungen, schlanken Mann mit kupferroten Haaren, begann zu lächeln und wischte sich die letzten Tränen aus ihren Augen.
«Dann bist du der kleine, verkaufstüchtige Junge mit den kupferroten Haaren und der schief aufgesetzten, grünen Baseball-Mütze, der das halbe Tischtuch mit Ketchup verkleckert hatte. Schön, dich wieder zu sehen Boris, wenn auch unter etwas seltsamen Umständen. Wo hast du Pius getroffen?»
«Ich war im Shop der Raststätte Gotthard Süd und danach an der Kaffeebar. Ich gehe oft dorthin, es ist interessant die Touristen zu beobachten», antwortete Boris. «Als ich wieder nach Hause wollte, habe ich gesehen, wie er zu einem Auto torkelte und die Tür öffnen wollte.
Es ist zwar Montag, aber die Garage, bei der ich arbeitete, hat leider ihren Betrieb geschlossen und so habe ich auch werktags ‘frei’. Immer weniger Durchreisende fahren über die Kantonsstrasse. Die Garage wird abgerissen und an deren Stelle ein Wohnblock errichtet.»
«Mein Mann sucht einen Mitarbeiter, vielleicht wäre das etwas für dich», schlug Gaby vor. «Ich hoffe, er ist bis morgen wieder einigermassen ansprechbar, komm doch morgen vorbei. Normalerweise ist er um sieben Uhr bereits in der Garage, aber morgen? Komm doch so gegen neun Uhr!»
«Das ist ja super», bedankte sich Boris. «Ich habe meine Bewerbungsunterlagen im Auto, da ich ja auf Stellensuche bin, ich hole sie gleich, und dann rufe ich einen Freund an. Wir werden zur Raststätte fahren und das Auto von Ihrem Mann holen. Ich stelle es auf den Vorplatz der Garage ab, den Schlüssel werfe ich in den Briefkasten. Also dann bis morgen und grüssen Sie Ihren Mann von mir, es wird ihm morgen sicher besser gehen, ‘See you’.»
Knapp konnte Pius am nächsten Morgen einem Sportwagen ausweichen, der rasant auf den Vorplatz der Garage fuhr und brüsk anhielt.
«Guten Morgen Herr Portmann», begrüsste Boris Davis Pius und stieg aus einem knallroten Triumph Spitfire. «Ich habe Ihnen ja vor langer Zeit gesagt ‘Diesen roten Sportwagen kaufe ich mir, wenn ich gross bin’. Wie geht es Ihnen? Was ist auch gestern mit Ihnen passiert?»
Jetzt erkannte auch Pius in dem jungen Mann den kleinen Jungen mit den kupferroten Haaren und der grünen, schief aufgesetzten Baseball-Mütze wieder, der ihn vor vielen Jahren bei einer ‘giftigen Geschichte’ in Altdorf begleitete.
«Ich habe immer noch einen Brummschädel und schwache Glieder, aber es geht besser. Jedenfalls weiss ich wieder, wer ich bin», lachte Pius.
«Besten Dank nochmals, dass du mich gestern