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TÜREN, TORE & PORTALE: 55 fantastische Kurzgeschichten
TÜREN, TORE & PORTALE: 55 fantastische Kurzgeschichten
TÜREN, TORE & PORTALE: 55 fantastische Kurzgeschichten
eBook273 Seiten3 Stunden

TÜREN, TORE & PORTALE: 55 fantastische Kurzgeschichten

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Über dieses E-Book

Türen schützen, verbinden, verschließen, trennen. Wege enden oder beginnen an einem Tor. Ein Portal kann bewerten oder die Reise in ferne Galaxien ermöglichen. 55 Kurzgeschichten erforschen Geheimnisse hinter verschlossenen Türen, öffnen Portale in fantastische Welten und machen auch vor befestigten Toren nicht Halt. Die Protagonisten – wackere Ritter und Raumfahrer, introvertierte Elfen und abgebrannte Pizzaboten sowie Dämonenbeschwörer, Computernerds und Bibliotheksgründer – treffen dabei auf Aliens, Drachen, Heinzelmännchen, Geister und Wolpertinger. Einige lauern in Mauselöchern, verstecken sich hinter Türspionen, bewachen Tore oder erfinden futuristische Portale. Manche Tür führt in schönere Welten oder Zeiten, eine andere wäre besser für immer verschlossen geblieben. Das Autorenduo Sabine Frambach und Kai Focke hat Schlupflöcher, Miniatürchen, Stadt- und Fußballtore zusammengetragen, die belustigen, erstaunen, berühren – und den Leser ab und an erröten lassen. Der Genremix umfasst Fantasy, Horror, Schmunzelfantastik, Märchenadaptationen, Persiflagen und Science-Fiction.
SpracheDeutsch
Herausgeberp.machinery
Erscheinungsdatum16. Juni 2022
ISBN9783957658142
TÜREN, TORE & PORTALE: 55 fantastische Kurzgeschichten

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    Buchvorschau

    TÜREN, TORE & PORTALE - Sabine Frambach

    Türen, Tore & Portale

    55 fantastische Kurzgeschichten

    AndroSF 154

    Sabine Frambach & Kai Focke

    TÜREN, TORE & PORTALE

    55 fantastische Kurzgeschichten

    AndroSF 154

    Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek

    Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.d-nb.de abrufbar.

    © dieser Ausgabe: Juni 2022

    p.machinery Michael Haitel

    Titelbild: Sean Wareing (Pixabay)

    Layout & Umschlaggestaltung: global:epropaganda

    Lektorat & Korrektorat: Michael Haitel

    Herstellung: global:epropaganda

    Verlag: p.machinery Michael Haitel

    Norderweg 31, 25887 Winnert

    www.pmachinery.de

    für den Science Fiction Club Deutschland e. V., www.sfcd.eu

    ISBN der Printausgabe: 978 3 95765 289 8

    ISBN dieses E-Books: 978 3 95765 814 2

    Das Angebot: statt eines Vorworts

    »Eben ist ein tolles Angebot durch den Briefschlitz geflattert: Zwei Autoren wollen über uns schreiben.«

    »Über uns?« Die Kellertür knarzte; das tat sie immer, wenn sie aufgeregt war.

    »Ja! Über Türen, Tore & Portale – und zwar gleich fünfundfünfzig Mal!«

    Die Tür zum Blauen Salon schwieg; sie war meist verschlossen.

    »Ich glaub, ich dreh durch«, jubelte die Drehtür.

    Die Tresortür tönte blechern: »Wir werden aber am Umsatz beteiligt, oder?«

    Die Haustür betrachtete den Brief, las ihn nochmals durch und nickte. »Ja, werden wir. Aber wir müssen alle zustimmen. Liebe Kellertür, kannst du unten bei den Portalen mal nachfragen, ob sie einverstanden sind?«

    »Wird gemacht«, quietschte die Kellertür.

    Die Nachricht ging von Tür zu Tür, und dank emsiger Helfer wie den Heinzelmännchen wurden auch die Gartenpforte, das Stadttor und die Falltür informiert.

    »Die Autoren Frambach und Focke? Wer soll das sein?«, knarrte die Katzenklappe skeptisch.

    Die Eingangstür grübelte ein wenig. »Keine Ahnung, nie gehört. Vielleicht weiß es die Bibliothekstür?«

    Diese suchte im Archiv. Sie suchte lange, sehr lange, schaute ganz zum Schluss hinter den geheimen Zugang und entdeckte einige Einträge zu Sabine Frambach und Kai Focke. Nicht berühmt, aber zumindest leben die beiden noch. »In Ordnung, vorausgesetzt, wir werden handelseinig!«, verkündete die Bibliothekstür.

    Schließlich, nach zähen Verhandlungen mit der Tresortür, konnten sich die Autoren sämtliche Rechte sichern und fanden einen fantastischen Verlag, der die Geschichten zwischen zwei Buchdeckel packte.

    Viel Vergnügen bei Türen, Tore & Portale!

    Sabine Frambach: Ins Licht

    Sie fragten, wie ich in den Raum gelangen konnte. Wie ich erscheinen konnte. Die Tür, sagten sie, war verschlossen, das Fenster ebenso. Ich weiß nicht, was sie meinen. Ich kann überall hinein und hinaus. Sie selber wechseln die Räume, indem sie die Tür öffnen, hindurchtreten und hinter sich wieder schließen. Es erscheint mir kompliziert.

    Sie könnten alle Türen im Haus offenstehen lassen, um sich leichter von Raum zu Raum zu bewegen, aber sie ziehen es vor, die Türen abzuschließen. Eine von ihnen hat sogar eine Kommode von innen vor die Tür geschoben. Ich weiß nicht, wieso sie das getan hat.

    Am Abend haben sie angefangen, mich anzusprechen. Sie riefen: »Bist du da? Was willst du?«

    Was soll ich wollen: Ich war immer hier, ich streife mit der Nachtluft durch die Gänge, verfange mich in den Gardinen, schlüpfe durch die Wände von Raum zu Raum. Ich benötige keine Tür.

    Sie sagten, dass sie mich austreiben wollten, und die mit der Kommode vor der Tür weinte. Da verstand ich, dass sie Angst hatte.

    Sie wedelten mit Dampf, warfen Kräuter ins Feuer und lasen aus einem eigenartigen Buch. Ich wartete; wohin sollte ich auch verschwinden? Ich war immer hier.

    Am siebten Tag kamen weitere von ihnen. Eine dicke Frau sagte etwas von einer Tür, die ich nicht finden könnte. Sie würde mir diese Tür zeigen. Ich wartete. Obwohl ich sie nicht benötige, kenne ich alle Türen des Hauses. Welche Tür will sie mir zeigen?

    Mitten in der Nacht bildeten sie einen Kreis und sangen. Schließlich deutete die dicke Frau mit aufgerissenen Augen auf eine Ecke im grünen Salon. »Geh ins Licht«, rief sie. »Geh ins Licht!«

    Tatsächlich entstand mitten auf der Wand eine glühende Tür. Das Licht wärmte. Nie zuvor hatte ich solch eine Helligkeit gesehen, so rein, so klar. Langsam schwebte ich darauf zu. Wie warm mir wurde …

    »Das Haus ist gereinigt«, rief die dicke Frau. »Der Geist ist ausgetrieben!«

    Ich bin seitdem leise, damit niemand merkt, dass ich nicht ins Licht gegangen bin. Was soll ich auch dort? Ich bin immer hier gewesen. In meinem Haus.

    Kai Focke: Party-Pizza Champignon für »Schlossberg 11a«

    Mark schnaubte wie ein Stier mit Verdauungsstörungen. Er befand sich vor einem alten Haus, dessen hölzerne Eingangstür der Schriftzug »Schlossberg 11« zierte. Über der daneben angebrachten regenbogenfarbenen Miniaturtür, kaum größer als Marks Handfläche, stand in goldener Schrift »Schlossberg 11a«. Es war nicht das erste Mal, dass Mark, Ausfahrer bei »Pepe’s Italy-Express«, eine Feentür ins Auge fiel. Immer mehr durchgeknallte Fantasyfreaks klebten sich diese Attrappen an die Hauswand und kamen sich dabei ultrakomisch vor. Sollten sie doch! Der Spaß hörte aber auf, wenn jemand eine Party-Pizza Champignon an die Feentür-Adresse bestellte und dann nicht daheim war. Jede Verzögerung der Auslieferung führte zu Verspätungen bei den folgenden Kunden, jede Verspätung verringerte wiederum die Aussicht auf ein Trinkgeld. Vom Stundenlohn eines Pizza-Ausfahrers konnten weder Mark noch seine Kollegen leben – und nachdem er sich am letzten Wochenende massiv beim Backgammon verzockt hatte, brauchte er ohnehin jeden beschissenen Euro. Fluchend zückte er das Smartphone und rief seinen Disponenten an.

    »Bestellung 451 an ›Schlossberg 11‹ kann nicht ausgeliefert werden: niemand da.«

    »Die Lieferadresse von 451 lautet ›Schlossberg 11a‹, du Honk!«

    »Selber Honk: ›11a‹ ist nur ’ne bescheuerte Feentür.«

    »Kein Stress! 451 ist online aufgegeben und mit Kreditkarte vorab bezahlt worden. Eine Telefonnummer wurde nicht angegeben. Pech für den Kunden. Dein Zustellversuch ist im System vermerkt.«

    »Check! Ich fahr’ dann weiter zur Wilhelmstraße.«

    »Moment«, meldete sich der Disponent. »Der Kunde hat im Bestellformular bei ›Information an den Zusteller‹ Folgendes hinterlegt: Sprich ›Pizza‹ und tritt ein. Ist da vielleicht ein elektronisches Eingabefeld an der Haustür?«

    »Nein«, antwortete Mark, nachdem er die Klingelanlage untersucht hatte. »Sprich ›Pizza‹ und tritt ein ist echt die dümmste Tolkien-Verarschung, die ich je gehört habe.«

    Kaum hatte er den Satz beendet, begann sich alles um ihn herum zu drehen. Mark wurde schwarz vor Augen. Er meinte zu fallen, so als wäre er im Freibad mit geschlossenen Augen vom Zehnmeterturm gesprungen.

    Als er wieder zu sich kam, kauerte er vor einer regenbogenfarbenen Haustür. »Schlossberg 11a« prangte darüber in goldenen Lettern.

    Die Feentür, schoss es ihm durch den Kopf. Aber wie ist die auf einmal so groß geworden? Irritiert blickte er sich um – und musste feststellen, dass nicht sie gewachsen, sondern er geschrumpft war. Da öffnete sich die Tür. Im Rahmen stand ein Mann, dessen rote Zipfelmütze und der bis zum Bauchnabel reichende Spitzbart ihn als Gartenzwerg ausgewiesen hätten. Dagegen sprachen allerdings dessen verspiegelte Sonnenbrille, das Hawaiihemd sowie Bermudashorts und Strandsandalen.

    »Hi«, grüßte der Zwerg und machte ein Peace-Zeichen. »Komm rein, Bruder!«

    Wie hypnotisiert marschierte Mark an der seltsamen Gestalt vorbei und befand sich in einem ebenso geräumigen wie verqualmten Apartment. Fünf, lediglich Baströcke und Blumengirlanden tragende, gertenschlanke Mädchen mit blauen Haaren und spitzen Ohren tanzten zu laut wummerndem Psychedelic-Trance durch den Raum. Derweil chillten auf einer Couchgarnitur zwei weitere Hippiezwerge. Sie hatten ein halbes Dutzend Flaschen mit bunten, wahrscheinlich hochprozentigen Flüssigkeiten vor sich aufgebaut und rauchten Wasserpfeife mit äußerst aromatisch riechendem Tabak – zusammen mit einer mannshohen Raupe. Die Szenerie wurde von mehreren Lavalampen und den kreisenden Lichtpunkten einer Discokugel beschienen.

    »Stell die Pizza auf den Küchentisch!«

    Nachdem Mark der Aufforderung gefolgt war, schlug der Zwerg ihm kumpelhaft auf den Rücken. »Willst du mit uns feiern, Bruder?« Er zog die Sonnenbrille tiefer ins Gesicht und zwinkerte ihm über die Gläser zu. »Wir haben Damenüberschuss

    »Danke … ein … ein anderes Mal«, stotterte Mark. »Ich muss … muss noch Pizza ausfahren.«

    »Kein Stress, Bruder!« Der Zwerg nickte verständnisvoll, griff nach Marks Hand und schüttete aus einem Säckchen feinen Sand hinein. »Steck ein, Bruder: is’ alles für dich!«

    Völlig perplex stopfte sich Mark den Sand in die Hosentasche. Danach geleitete ihn der Zwerg vor die Haustür und klatschte dreimal in die Hände. Mark wurde erneut schwarz vor Augen.

    Vor der Feentür kniend, mit dem Smartphone in der Hand, kam Mark langsam zu sich.

    »Okay, dann fahr weiter zur Wilhelmstraße«, bestätigte der Disponent und beendete das Gespräch.

    Mark blinzelte mehrmals. Doch selbst, nachdem er sich kräftig die Augen gerieben hatte, blieb die Party-Pizza Champignon verschwunden. Und die Tatsache, dass Sand aus seiner rechten Hosentasche quoll, machte das Ganze nicht wirklich besser. Er entschied sich spontan, diese surreale Episode – sofort und komplett – aus seinen Erinnerungen zu streichen. Nachdem er mehrmals tief durchgeatmet hatte, schüttelte er den Sand aus der Tasche und beendete die Tour.

    Als Mark am Abend die Arbeitskleidung auszog, fiel der verbliebene Sand aus seiner Hosentasche. Beim genauen Hinsehen begann er plötzlich, zu hyperventilieren. Der Sand hatte sich verwandelt: Bei den Körnchen handelte es sich zweifelsfrei um Gold! Sehr gerne hätte er jetzt zum dritten Mal an diesem Tag das Bewusstsein verloren.

    Sabine Frambach: Am Eingang wartet der Troll

    »Ist der lässigste Club im ganzen Universum. Wirklich, das fetzt. Sie schenken Wirkbier aus, das extrem fescht, Alter! Und die Medusen tanzen vorne auf der Bühne. Ein Traum, Alter, eine Mischung aus der guten alten Milchbar und dem Paradise Jungle auf Delta V.«

    »Wo ist der Haken?«

    Kerjen schlürfte die Brause mit einem Schmatzen aus. »Der Haken ist, dass sie uns nicht reinlassen. Sie sind der lässigste Club mit dem strengsten Türsteher des ganzen Universums. Der Troll lässt nur Stammkunden vorbei und schlägt jeden nieder, der sich vorbeidrücken will.«

    Ich nuckelte an meiner Brause. »Du warst also nie drin?«

    »Nein.«

    »Woher weißt du dann, dass es der lässigste Club ist?«

    Kerjen knallte das Glas so hastig auf den Tresen, dass die Eisgeister darin knisterten.

    »Alter, Benji kennt einen, der einen kennt, der drin war. Ist mit Abstand der lässigste Club, hat der gesagt! Wir müssen an dem Troll vorbei!«

    Ich nickte. »Wir versuchen es«, sagte ich. Mit Trollen kenne ich mich aus.

    Tatsächlich war der Troll selbst für einen Troll riesig. Selten so einen gesehen. Musste von der altmärkischen Linie abstammen, vielleicht mit einem steirischen Einschlag. Ich packte Kerjen und zog ihn aus der Schlange zurück.

    »Vor dem können wir uns nicht verbergen. Seine Augen sind scharf, sein Blickfeld weit. Entweder sind wir schneller durch, als er zuschlagen kann …«

    Im selben Augenblick sahen wir eine Sylphe, die schnell wie ein Komet an der Schlange vorbeiraste. Der Troll stand unbewegt da. Im nächsten Augenblick haute er mit der Faust zu. Die Sylphe kreischte, ehe sie sich in Luft auflöste.

    »Wir sind nicht schneller als er«, korrigierte ich. »In dem Fall müssen wir klüger sein als er.«

    »Das dürfte nicht schwierig sein. Es ist ein Troll.«

    »Aber ein altmärkischer, Kerjen. Die sind nicht zu vergleichen mit den gewöhnlichen Feldbergtrollen. Wir werden es versuchen mit dem Zwergentrick. Der funktioniert bei allen Trollen.«

    Wir drängten uns nahe an ihn heran, so nahe, dass ich die Kieselrunzel auf der Trollhaut sehen konnte.

    Der Troll blickte mit lidlosen Augen auf uns herab.

    »Ihr kommt nicht vorbei«, grollte er.

    »Oh, das ist kein Problem«, antwortete ich. »Wir wollen nicht vorbei.«

    »Nicht?«, grollte der Troll.

    »Nein, beim heiligen Wackerstein, ich schwöre. Was sollen wir auch da drin? Uns liegt nichts an Wirkbier. Das ist Zwergenzeug.«

    »Ja«, grollte der Troll.

    »Wir haben dort vorne einen winzigen Hammer gefunden, eine Kappe und einen abgeschnittenen Bart. Und da dachten wir, wir fragen mal, wem die Sachen gehören. Sieht ja aus, als ob sich ein Zwerg …«

    »Zeig es mir!«, donnerte der Troll.

    »Hier!« Ich holte die Tasche hervor.

    Tief hinab bückte sich der Troll, bis er mich berührte. Erst dann schnupperte er. »Zwerg!«, grollte er. »Hat sich eingeschlichen. Zwergenvolk! Das ist nicht erlaubt!«

    »Das muss so einer mit Mantel gewesen sein«, sagte ich. »Dort hinten. Auf Stelzen und mit riesigem Hut.«

    Da drehte sich der Troll um, brüllte, bis Steine von seinen Schultern rieselten, und trampelte davon. Mit jedem Schritt bebte die Erde, der Kies klackerte, die Steine stoben auf.

    Kerjen und ich rannten los. Wir rannten in die entgegengesetzte Richtung, so schnell wir konnten, rasten auf die Tür zu, rissen sie auf, quetschten uns durch und warfen sie hinter uns zu, lehnten mit dem Rücken dagegen und lachten.

    »Alter, wir haben es geschafft!«, rief Kerjen.

    »Fast«, entgegnete ich.

    Links befand sich eine Garderobe.

    Vor uns war eine weitere Tür.

    Kai Focke: Das Dämonensiegel

    Mit äußerster Verwunderung betrachtete Meister Empetanes die dampfende Teetasse, die ihm der streng dreinblickende Diener kredenzte. Er hatte fest mit edlem Importwein und nicht mit einem Kräuteraufguss gerechnet. Er war schließlich durstig, nicht krank. Ebenso befremdlich erschienen ihm die auf einer Holzplatte akkurat arrangierten Apfel- und Karottenstücke. War obendrein das Zuckerwerk ausgegangen? Es sollte nicht die letzte Überraschung an diesem Nachmittag sein.

    Gerkon Suder, Oberhaupt der einflussreichsten Tuchhändlerfamilie der Stadt, und dessen Ehefrau Faseola hatten Meister Empetanes, den freischaffenden Dämonologen und Alchemisten, in den Kleinen Salon ihres vorstädtischen Anwesens eingeladen. Der Wohlstand der Suders stand eigentlich außer Frage: Bereits der Kleine Salon hätte mehr als ausreichend Platz für dessen Ladenlokal nebst Beschwörungskeller geboten. Umso seltsamer mutete das Fehlen der in diesen Kreisen üblichen Zurschaustellung von Luxus an. Geweißte Wände statt Stofftapeten, Holzdielen statt Marmorböden, schlichtes Mobiliar und der vollständige Verzicht auf Gemälde und Skulpturen.

    »Trotz unseres Wohlstands haben wir uns zu einem Leben in Einfachheit entschieden«, eröffnete Faseola das Gespräch, wobei sie offensichtlich die Gedanken ihres Gastes erraten hatte. »Guru Pe Nun-Ze hat uns dies gelehrt. Er tut viel Gutes mit dem überschüssigen Geld und stärkt damit unser Karma. Nicht wahr, Schatz?«

    Der untersetzte Endfünfziger räusperte sich. »Er …«

    »… ist einfach großartig!«, ergänzte Faseola. Spindeldürr und hochgewachsen stellte sie das perfekte Gegenbild ihres Gatten dar. »Leider ist mein Mann auf dem Pfad der geistigen Erkenntnis noch nicht so weit fortgeschritten wie ich. Die Arbeit vereinnahmt ihn sehr.«

    »Hochinteressant«, stellte Empetanes fest und nippte aus reiner Höflichkeit an seiner Teetasse. »Aber wofür benötigen die Herrschaften meine Dienste?«

    »Das kann Euch mein Mann besser erklären.«

    Gerkon räusperte sich erneut. »Ab und an …«

    »… nimmt sich mein Mann eine Auszeit in seinem Jagdhaus«, vervollständigte Faseola. »Selbstverständlich sehe ich die Jagd kritisch. Der Guru sagt, man soll von Obst, Früchten und Getreide leben: das, was die Natur einem freiwillig schenkt. Selbstverständlich darf es nicht vergoren sein, denn Alkohol ist schlecht für das Karma. Aber ich schweife ab. Mein Mann hat im vergangenen Jahr von einem Magier günstig ein Jagdhaus erworben. Der niedrige Kaufpreis begründete sich in dem Umstand, dass der Keller von der Nutzung ausgeschlossen ist.«

    Empetanes bemerkte, dass schon bei der ersten Erwähnung des Hauses ein Lächeln über Gerkons Gesicht huschte.

    »Nun sag doch auch mal etwas!«, herrschte Faseola ihren Mann an.

    »Nun ja, die Kellertür trägt ein Siegel, mit welchem der zwischenzeitlich unbekannt verzogene Magier einen schrecklichen Dämon gebunden hat. Man dürfe daher keinesfalls die Kellertür öffnen. Was sich in den Räumen dahinter befindet, hat er nicht erklärt. Er meinte lediglich, dass der Aufenthalt im Haus ansonsten völlig ungefährlich sei. Es war wirklich ein preisgünstiges Angebot«, fügte Gerkon fast entschuldigend hinzu.

    »So ein Wahnwitz«, übernahm Faseola wieder die Gesprächsführung. »Ein ohnehin kleines Haus, bei dem der Keller nicht genutzt werden darf! Ich werde zukünftig meinen Mann bei dessen Auszeiten begleiten, weshalb mir ein Ausbau vorschwebt: Zusammen mit einem Bediensteten wird er im Keller Quartier beziehen, ich richte mich im Erdgeschoss ein. Dann können wir gemeinsam meditieren und auf dem Pfad der geistigen Erkenntnis weiter voranschreiten.«

    »Welcher Dämon wurde mithilfe des Siegels gebunden?«, fragte Empetanes.

    »Das weiß ich nicht«, erklärte Gerkon und rutschte dabei unruhig auf seinem Stuhl herum. »Ich hatte bereits Magister Perinox, einen Dämonologen aus der Reichshauptstadt, zurate gezogen. Er meinte, dass der Dämon ausgesprochen mächtig und eine Austreibung viel zu gefährlich sei. Ich solle die Tür keinesfalls öffnen und mich nicht weiter um die Kellerräume kümmern.«

    Empetanes überlegte. Den Namen des Dämonologen hatte er noch nie gehört.

    »Davon ausgehend, dass es sich um einen mächtigen Wächterdämon handelt, möglicherweise einen Raadinug«, dozierte Empetanes, »wäre zeitnahes Handeln erforderlich. In der heutigen Nacht stünden die Sterne für dessen Exvocation günstig. Die nächste Gelegenheit würde sich erst in einem halben Jahr bieten. Ich bräuchte dazu allerdings einige Paraphernalia aus meinem Laden.«

    »Wir sollten nichts übereilen«, warf Gerkon hastig ein. »Zusammen mit Meister Empetanes werde ich in einem halben Jahr allein …«

    »Das ist kein Problem«, schnitt Faseola ihrem Mann das Wort ab. »Der Kutscher kann uns alle sofort zum Jagdhaus bringen und auf dem Weg am Laden haltmachen. Wir wären innerhalb von etwa zwei Wassermaßen dort.«

    Empetanes zupfte mit Daumen und Zeigefinger an seinem gewachsten Spitzbart. »Leider werde ich für diesen Auftrag einen Aufschlag berechnen müssen. Aktuell sind meine Dienste sehr gefragt. Für unser heutiges Treffen musste ich sogar einen Termin verschieben.«

    Tatsächlich sah sich

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