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Der 6. Kreis: Fremde - Buch 2
Der 6. Kreis: Fremde - Buch 2
Der 6. Kreis: Fremde - Buch 2
eBook367 Seiten4 Stunden

Der 6. Kreis: Fremde - Buch 2

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Über dieses E-Book

Buch 2 von 6 der Reihe "Der 6. Kreis"

Während das Betreten der ersten beiden Kreise Quinn bereits alles abverlangt hat, sieht er sich auf seinem weiteren Weg mit Herausforderungen konfrontiert, die seine bisherigen Erfahrungen in den Schatten stellen.
Was hat es mit den seltsamen Vorkommnissen im Tempel der Weisheit auf sich? Wie kann Quinn den Eismagier davon überzeugen, ihn in der Magie des vierten Kreises zu unterrichten? Und wie soll er das geheime Wasservolk in den Vergessenen Grotten vor der Dunkelheit bewahren? Fragen, auf die es Antworten zu finden gilt.
Doch schon bald zeigt sich, dass Antworten zu finden nicht Quinns größte Aufgabe sein wird. Bevor er Ghorka vom Bannzauber befreien kann, wartet eine Prüfung auf ihn, die ihn an den Rand seiner Menschlichkeit bringt.
SpracheDeutsch
HerausgeberBooks on Demand
Erscheinungsdatum10. Juni 2022
ISBN9783756262908
Der 6. Kreis: Fremde - Buch 2
Autor

Robert Deiss

Robert Deiss wurde 1990 in Tübingen geboren. Auch wenn er niemals gedacht hätte, dass er später einmal Bücher schreiben würde, entstand sein erstes Werk "Die trei Muskltire" bereits im Alter von fünf Jahren. Seine Pläne, Insolvenzverwalter zu werden, die ihn dazu veranlassten, Wirtschafts- und Insolvenzrecht (LL.M.) zu studieren, warf er nach verschiedenen Kanzleierfahrungen über Bord und widmete sich zusammen mit seiner Frau der dem Sprechen und Schreiben. Im Juli 2019 erschien sein Debütroman "Der 6. Kreis - Fremde", der erste Teil einer Trilogie. Deiss lebt heute gemeinsam mit seiner Frau, seinem Sohn und seinen Lieblingsmitbewohner/-innen in der Villa Kunterbunt in Rottenburg am Neckar.

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    Buchvorschau

    Der 6. Kreis - Robert Deiss

    Zu diesem Buch

    Während das Betreten der ersten beiden Kreise Quinn bereits alles abverlangt hat, sieht er sich auf seinem weiteren Weg mit Herausforderungen konfrontiert, die seine bisherigen Erfahrungen in den Schatten stellen.

    Was hat es mit den seltsamen Vorkommnissen im Tempel der Weisheit auf sich? Wie kann Quinn den Eismagier bloß davon überzeugen, ihn in der Magie des vierten Kreises zu unterrichten? Und wie soll er das geheime Wasservolk in den Vergessenen Grotten vor der Dunkelheit bewahren? Fragen, auf die es Antworten zu finden gilt. Doch schon bald zeigt sich, dass Antworten zu finden nicht Quinns größte Aufgabe sein wird. Bevor er Ghorka vom Bannzauber befreien kann, wartet eine Prüfung auf ihn, die ihn an den Rand seiner Menschlichkeit bringt.

    Für Kera, die mir die Magie brachte

    Inhaltsverzeichnis

    Kapitel 1

    Kapitel 2

    Kapitel 3

    Kapitel 4

    Kapitel 5

    Kapitel 6

    Kapitel 7

    Kapitel 8

    Kapitel 9

    Kapitel 10

    Kapitel 11

    Kapitel 12

    Kapitel 13

    Kapitel 14

    Kapitel 15

    Kapitel 16

    Kapitel 17

    Kapitel 18

    Kapitel 19

    Kapitel 20

    Kapitel 21

    Kapitel 22

    Kapitel 23

    Kapitel 24

    Kapitel 25

    Kapitel 26

    Kapitel 27

    Kapitel 28

    Kapitel 29

    Kapitel 30

    Kapitel 31

    Kapitel 1

    Quinns Schritte hallten durch die Dunkelheit. Es fiel ihm schwer, sich an das sonnengelbe Gewand zu gewöhnen, das er von nun an als Novize des Lichts tragen musste. Obwohl es schweißnass an seiner Haut klebte, fröstelte er.

    Im Verlauf der Nacht war der Wind zunehmend stärker geworden. Zu Beginn hatte Quinn noch die Stufen gezählt, doch bei 976 wurde er von seinen Gedanken aus dem Rhythmus gerissen. Die 976 war schon unzählige Schritte her.

    Seitdem trieben ihn die verweinten Augen Makis um, der Abschied von seinen Freunden, aber vor allem die Worte Martens: >Ganz gleich, was geschieht, du musst weitermachen. Seltsame Dinge gehen im Tempel vor sich. Etwas Dunkles stört das Gleichgewicht. Die heiligen Quellen sind versiegt. Halte deinen Geist frei! Nur der freie Geist kann die heilige Magie des Lichts in sich aufnehmen...<

    Wie ein Sturm wirbelten seine bisherigen Erfahrungen, nagende Ängste und drohende Ereignisse durch seinen Verstand, dass er irgendwann nicht mehr zwischen Wirklichkeit und Traum unterscheiden konnte. Während ihn die Müdigkeit in ihren Sog zu ziehen versuchte, schleppte er sich auf bleiernen Beinen Stufe um Stufe hinauf.

    Als die warme Röte des Morgens die tiefe Dunkelheit der Nacht vom Himmel verbannte, setzte Quinn seinen Fuß auf die letzte Stufe. Die Hände auf die Knie gestützt, beugte er sich schwer keuchend nach vorn. Während mit jedem Atemzug Kraft in seinen Körper zurückkehrte, wurde ihm überhaupt erst bewusst, dass er aufgehört hatte, zu gehen.

    Quinn richtete sich auf. Überrascht stellte er fest, dass er am Ziel angekommen war. Weniger überrascht war er hingegen, dass er von einem kleinen kahlköpfigen Mann in gelbem Gewand und mit breitem Grinsen in Empfang genommen wurde.

    Quinn verdrehte die Augen. Müde, hungrig und erschöpft, wie er war, konnte er gut auf einen weiteren grinsenden Stummfisch verzichten. »Lass es uns kurz machen: Ich weiß du kannst nicht reden, aber kannst du mir wenigstens zeigen, wo ich hingehen muss?«, fragte Quinn ungeduldig.

    »Aber gern doch.«

    Quinn folgte ihm peinlich berührt über einen weitläufigen steinernen Platz, von wo aus er eine kleine gebogene Holzbrücke über dem ausgetrockneten Wasserbett der heiligen Quelle ausmachen konnte. Eine weitere steinerne Treppe führte vom Platz zu einem großen Tempel hinauf, der sich beeindruckend vor ihnen aufbaute.

    In das dunkle Holz der vielen Säulen waren Figuren, Symbole und Runen geschnitzt. Das geschwungene Dach endete in einer goldenen Sonne. Neben dem Tor in der Mitte des Bauwerks standen zwei mächtige Tempelgongs. Das Fehlen jeglichen Lebens – keine Tiere, keine Pflanzen, nicht einmal Menschen schien es hier zu geben – verlieh dem Ort etwas Trostloses.

    Sie näherten sich dem Tempeltor. Nur noch wenige Schritte vom Eingang entfernt, öffnete es sich wie von Geisterhand. Im Tempelinneren befand sich ein Innenhof, umgeben von einer Empore. Doch selbst hier gab es keinerlei Pflanzen oder Tiere, nur noch mehr Stein. Alles sah gleich aus.

    »Wir haben dich erwartet, Quinn.«

    Erschrocken drehte Quinn sich um. Über ihm auf der Empore stand ein kleiner grinsender, kahlköpfiger Mann in gelbem Gewand. Wie viele es wohl von ihnen gab, schoss es Quinn durch den Kopf. Er blickte sich suchend um. Der andere Mann war verschwunden.

    »Mein Name ist Wang. Ich werde dich auf deinem Weg begleiten«, fügte er lächelnd hinzu.

    »Ahm ... ich ... danke?« Das alles hier, der Tempel, die Umstände, Wang, verwirrten ihn schrecklich. »Ich ... ähm... nun ja, ich habe die ganze Nacht gebraucht ... also f-für die Treppe und jetzt ... jetzt bin ich ziemlich hungrig. Könnte ich ... ähm ... könnte ich denn vielleicht eine Kleinigkeit zu essen bekommen? Also nur, wenn es in Ordnung ist ... natürlich ...«

    »Bist du denn zum Essen hierhergekommen?«, fragte Wang freundlich.

    »Nein! Aber ...«

    »Warum bist du dann gekommen?«

    »Weil ich die Magie des Lichts erlernen möchte ...«

    Wang nickte lächelnd. »Auf der linken Seite des Hofs wirst du eine Treppe auf die Empore finden.«

    Quinn blieb der Mund offenstehen. Was sollte das denn? Sein knurrender Magen hätte der schnarchenden Maki alle Ehre gemacht. Missmutig folgte er Wangs Anweisungen. Jede Stufe schmerzte ihn in den Beinen.

    Wang zeigte ihm seine Kammer. »Warte hier!«

    Die einzige Lichtquelle in der Kammer war ein winziges Fenster in der gegenüberliegenden Wand. Bis auf einen einfachen Teppich und eine kleine Waschschüssel war es vollkommen leer. Weil er nicht wusste, was er sonst tun sollte, setzte Quinn sich auf den Teppich und wartete.

    Die Sonne erreichte ihren höchsten Punkt und noch immer wartete er. Mittlerweile hatte Quinn selbst den kleinsten Riss in den Wänden genauestens untersucht. So langsam kam er sich dumm vor. Wie viele Stunden brauchte Wang wohl, um ihm etwas zu essen zu bringen?

    Wut stieg in ihm auf. Wenn Wang ihn so lange warten ließ, dann würde er eben schlafen. Quinn legte sich zornig hin, musste jedoch schon recht bald feststellen, dass er viel zu aufgebracht und hungrig war, um Ruhe zu finden. Unruhig wälzte er sich hin und her, nur um sich wieder aufzusetzen und die Risse in den Wänden weiter anzustieren.

    Nachdem die Sonne den Bergspitzen im Westen gefährlich nahekam, wurde es ihm endgültig zu bunt. Er stand auf und verließ die Kammer. Draußen rief er nach Wang. Doch niemand antwortete ihm. Dann würde er ihn eben selbst finden müssen, entschied Quinn.

    Verärgert klopfte er an eine der unzähligen Türen, die sich auf der Empore aneinanderreihten wie Perlen auf einer Schnur. Nichts. Er ging zur nächsten. Wieder nichts. Auch nicht bei der dritten und vierten. Nachdem Quinn an sämtliche Türen geklopft hatte, raste er vor Wut. Man wollte ihn hier doch zum Narren halten!

    Er stapfte die Treppe nach unten und sah sich einer weiteren Tür gegenüber. Noch bevor er klopfen konnte, schwang sie wie von selbst auf. An den Wänden des Raumes stapelten sich Bücher um Bücher in deckenhohen Regalen. Hinter einem Tisch saß Wang und schrieb mit einer Feder in ein schweres Buch. Er machte sich nicht die Mühe zu ihm aufzusehen.

    »WAS – VERDAMMT – NOCHMAL – GEHT – HIER – VOR? ICH DACHTE, DU WOLLTEST MICH ABHOLEN, MIR ETWAS ZU ESSEN BRINGEN! MIR REICHT ES MIT DIESEM GANZE ORKMIST!«, brüllte Quinn.

    Wang hob seinen Blick. »Du willst essen? Dann komm!«

    Lächelnd ging er an Quinn vorbei und führte ihn in ein Zimmer, in dem auf einem einzelnen Tisch eine Schale mit Wasser und ein weißer Topf standen. Wang hob den Deckel. Dampf stieg von dem Reis auf. Er bedeute Quinn mit einer Geste, sich zu bedienen, und verließ den Raum.

    Quinn war zu sauer, um sich zu bedanken, schaufelte stattdessen Reis in seinen Mund. Angewidert verzog er das Gesicht. Der Reis war nicht mal gewürzt – kein Salz, kein gar nichts. Einfach nur fader Reis. Quinn versuchte, sich gegen seine Wut zu wehren, aber langsam wurde ihm wirklich alles zu viel.

    Als er seinen Hunger einigermaßen gestillt hatte, stürzte er die Treppen hinauf und legte sich hin. Quinn fluchte. Was sollte das alles? Er wollte lernen und seine Zeit nicht mit Rumsitzen verschwenden. Erst das enttäuschende Treffen mit den anderen, dann diese elendige Treppe und jetzt auch noch das hier. Er wollte einfach nur weg. Nicht Mal ein verdammtes Kissen hatten sie ihm gegeben.

    In unbändigem Zorn schlug Quinn auf den Teppich ein, bis seine Knöchel bluteten. Dann brach er schluchzend in sich zusammen. Das Leben war einfach nicht gerecht.

    Ohne es zu merken, glitt er am Ende seiner Kräfte in einen traumlosen Schlaf.

    ***

    Mit einem elenden Gefühl erwachte Quinn im frühen Morgengrauen. Jeder Knochen tat ihm weh, seine Muskeln ächzten selbst unter der kleinsten Bewegung und seine Knöchel brannten. Im ersten Augenblick wusste er nicht mal mehr, wo er war. Dann fiel ihm alles wieder ein. Erschrocken richtete er sich auf.

    Wie bei den Göttern hatte er sich nur so danebenbenehmen können? Wie sollte er Wang nun wieder begegnen? Quinn schämte sich zutiefst für sein kindisches Verhalten. Jetzt, da er ausgeschlafen und von den gestrigen Anstrengungen zumindest ein wenig erholt war, wirkte sein Betragen völlig unangemessen und eines Magiers ganz sicher nicht würdig.

    Langsam schlürfte Quinn zur Tür und trat ins Freie. Die Sonne schien in den Innenhof. Eigentlich doch ein ganz netter Anblick, wenn man es genau betrachtete.

    Es kostete ihn all seinen Mut, ein freundliches Lächeln aufzusetzen und zu Wang zu gehen. Wie gestern ging die Tür von allein auf, bevor er überhaupt klopfen konnte. Wie gestern saß Wang an dem Tisch und schrieb etwas in ein Buch. Wie gestern blickte er nicht zu ihm auf.

    Quinn räusperte sich. »Wang ... es tut –«

    »Dein Essen steht bereit. Du brauchst nicht zu fragen.«

    Verwirrt blieb Quinn in der Tür stehen. Er schloss die Augen. Nein, heute würde er sich nicht aus der Ruhe bringen lassen. Freundlich lächelnd bedankte er sich und verließ den Raum.

    Auch heute Morgen warteten ein Schälchen Wasser und der weiße Topf auf ihn, der bis zum Rand mit fadem Reis gefüllt war. Quinn versuchte, sich zusammenzureißen. Was auch immer sie damit beabsichtigten, er, Magier des ersten und zweiten Kreises, würde sich davon doch nicht aus der Ruhe bringen lassen. Achselzuckend aß er den Reis, als hätte er nie etwas Besseres gegessen. Seinen aufkeimenden Unmut ignorierte er.

    Nach dem Essen ging er erneut zu Wang. Dieses Mal hatte Quinn sich vorgenommen, nichts zu sagen, sondern zu warten, bis Wang das Wort ergriff. Doch der schrieb seelenruhig weiter, als wäre Quinn gar nicht da. Angespannt wippte Quinn auf den Fußballen vor und zurück.

    »Wang...« Der Lichtmeister hörte auf zu schreiben und schaute ihn fragend an. »Wann fangen wir denn an?«

    »Mit was sollen wir anfangen?« Wang lächelte sein übliches freundliches Lächeln und Quinn wollte sich davon nicht aus der Ruhe bringen lassen. Aber was bei den Göttern sollte das?!

    »Mit dem Unterricht der heiligen Magie des Lichts?«, fragte Quinn verunsichert.

    »Ich verstehe deine Frage nicht.«

    Hitze stieg in Quinns Gesicht auf. Ganz ruhig, ermahnte er sich, bleib einfach ganz ruhig. »Ich möchte gern von dir die heilige Magie des Lichts erlernen und den dritten Kreis betreten. Ich bitte dich darum, den Unterricht zu beginnen und mich zu lehren.«

    »Gewiss. Geh bitte in deine Kammer und warte, bis ich dich hole! «, sagte Wang heiter.

    Quinns mühsam aufrechterhaltene Fröhlichkeit drohte, in sich zusammenzusacken. »Ich soll oben warten!?« Quinn wollte ganz sichergehen, dass er Wang richtig verstanden hatte.

    »Möchtest du denn die Magie des heiligen Lichts erlernen und in dir tragen?«

    Quinn biss die Zähne zusammen, atmete tief durch und antwortete gepresst: »Ja, das möchte ich, Wang!«

    »Schön. Dann warte in deiner Kammer, bis ich dich hole.«

    Um zu verhindern, dass er irgendetwas sagen könnte, was er später bereuen würde, machte Quinn auf dem Absatz kehrt und stürmte in seine Kammer. Was für ein Albtraum! Was stimmte nicht mit diesem Wang? Der hatte doch echt nicht mehr alle Kräuter im Kessel! Quinn schnaubte. Was sollte er von so einem Verrückten denn bitte lernen? Verzweifelt ließ er sich auf seinen Teppich fallen und starrte an die Mauer.

    Was Marten wohl machte? Hoffentlich ging es ihm gut. Thorwald und Maki würden wahrscheinlich gerade in irgendeiner Taverne Bier trinken und Geschichten erzählen, während er diese vermaledeite Wand angaffte. Wie lange ihn Wang dieses Mal warten lassen würde? Das war doch krank. Wenn es so weiterging, würde er hier schneller seinen Verstand verlieren, als er >Obrigkeit< sagen konnte.

    Quinns Gedanken schweiften umher. Er dachte über die Zeit in Voltar nach. Über das, was er dort erlebt hatte. Hoffentlich ging es Aiana gut. Er vermisste die Nahimani, die Traumfische, einfach alles im Wald der Träume. Hätten sie ihn nicht wenigstens vor einen Traumfisch setzen können statt vor eine Wand?

    Wie schön doch der Garten der Götter war. So grün und bunt. Und die weißen Nashörner. Die waren so weiß ... wie seine Wand. Tayta kam ihm in den Sinn. Er musste lachen. Was für ein verrückter Hund. Mit einem Schaudern erinnerte Quinn sich an die Schmerzen, die Tayta gelindert hatte, an die Reißwunde, die ihm der Warg zugefügt hatte. Und wo es Wargs gab, war die Dunkelheit für gewöhnlich nicht fern.

    Ungeduld überkam ihn. Jeden Augenblick, den er hier vertrödelte, würden die Orks womöglich weitere Bereiche Ghorkas einnehmen und die dunkle Magie möglicherweise Überhand gewinnen. Er musste etwas tun! Warum bei den Göttern sollte er einfach nur blöd herumsitzen? WA-ANG!? Unruhig hippelte Quinn mit den Füßen.

    Sein Blick wanderte zur Decke. Zum Fenster. Es wurde Mittag. Immer noch kein Wang. Sein Blick wanderte zur Wand. Zurück zur Decke. Nachmittag. Schon? Erst! Sein Magen meldete sich. Essen? Reis? Nein, danke! Sein Blick wanderte zum Fenster. Dieses Mal würde er Wang nicht die Genugtuung geben. Er blieb sitzen. Früher Abend. Wand, nicht Wang.

    Quinn versuchte, sich an die verschiedenen Trankzutaten zu erinnern. Er hatte Lunarillis im Licht des Vollmondes geerntet. Und nun saß er hier, zitternd vor Wut. Decke. Das gibt es doch nicht! Wo bleibt dieser Narr nur? Fenster.

    Er konnte nicht mehr sitzen. Alles tat ihm weh. Quinn rutschte hin und her. Decke – Fenster – Wand! Abend! Ihm reichte es endgültig. Er hatte Hunger und diesen Golemdreck machte er nicht mehr länger mit. Er war ein Magier des ersten und des zweiten Kreises. Wenn er wollte, könnte er hier alles in magischen Flammen aufgehen lassen. Wo – war – Wang!?

    Wie von der Harpyie gejagt, sprang Quinn auf und trat mit voller Wucht gegen die Wand. Sein Fuß knackte leise.

    »VERDAMMTE SCHEISSE!« Von Schmerz erfüllt humpelte er durch seine Kammer. In glühender Raserei schlug er auf die Wand ein, diese verfluchte Wand mit ihren widerwärtigen Rissen, die für seine Schmerzen verantwortlich war. Er schlug und schlug, bis seine Knöchel wieder zu bluten begannen.

    »MIR REICHTS!« Quinn stürmte aus seiner Kammer.

    Wer brauchte schon den dritten Kreis? Vielleicht waren die Magier in der Eiswüste ja fähiger als dieses Pack hier. Er warf die Tür mit einem so lauten Schlag zu, dass es durch den ganzen Tempel hallte. Ohne sich von Wang zu verabschieden, was ihm ein Gefühl der Genugtuung verschaffte, rannte Quinn aus dem Tempel hinaus.

    Vor dem Tor traf er auf einen kleinen kahlköpfigen Mann in gelbem Gewand, der ihn freundlich anlächelte.

    »HAHAHA!«, brüllte Quinn ihn mit zornfunkelnden Augen an, rempelte ihn zur Seite und hastete über den Platz, am Flussbett vorbei zur Treppe.

    Wenn er die Leopardenpfote beschwor, könnte er vielleicht sogar noch Thorwald und die anderen einholen.

    >Zauber nicht Spiel! Du nutzen, wenn wichtig! Sonst Zauber mit Vergnügen ohne Denken. Du Verantwortung!< , hallte die Stimme Aleshanees in seinem Kopf.

    Stumm äffte Quinn sie nach. Diese verfluchten Magier dachten doch wirklich, sie wüssten alles. Denen würde er es noch zeigen.

    Kapitel 2

    Die Sterne hatten bereits das tiefe Schwarz des Himmels durchbrochen. Völlig kraftlos schleppte sich Quinn die Stufen hinunter. Die erste Hälfte hatte er bereits hinter sich gebracht. Wie lange er schon unterwegs war, wusste er nicht. Er wusste nur, je länger er unterwegs war, desto stärker nagten Zweifel an ihm.

    Marten hatte ihm mehrfach eingeschärft, wie wichtig es war, nein, wie unumgänglich es war, die Magie des Lichts zu erlernen. Aber wie sollte er denn bitte von einem Narren lernen? Quinn hielt inne, schaute in die schier endlose Weite. War womöglich er selbst der Narr? Er weigerte sich, diesen Gedanken weiterzudenken.

    Es wäre doch töricht, tagelang eine Wand anzustarren, bis der alte Sack sich endlich einmal dazu herabließ, von seinem hohen Ross zu steigen und Quinn aus seiner Kammer zu holen. In der Zwischenzeit wäre Ghorka vermutlich bereits dem Untergang geweiht. Nein, nicht mit ihm! Dann musste er eben einen anderen Weg finden. Und dieser Weg führte ihn jetzt erstmal die verdammte Treppe nach unten.

    Seine Schritte hallten durch die Nacht. Ob er sich vielleicht unverhältnismäßig benahm? Wahrend Marten im Osten sein Leben aufs Spiel setzte, war Quinn zu ungeduldig, um in seiner Kammer auf Wang zu warten und die Magie des Lichts zu lernen. Wenn Wang ihn auch so lange sitzen lassen musste, dachte Quinn mürrisch.

    Aber wie sollte er das Marten erklären? Würde er Quinn überhaupt glauben? Das klang doch alles völlig verrückt! Marten hatte Quinn schon oft gesagt, wie sehr seine Ungeduld ihm im Wege stand. Würde Marten ihm je verzeihen, wenn er jetzt einfach aufgab? Könnte er sich denn selbst je verzeihen, wenn er jetzt einfach aufgab?

    Verzweifelt schlug Quinn seine Hände über dem Kopf zusammen. Er blickte zum Himmel hoch, als erhoffte er sich eine Antwort von den Göttern. Doch er kannte die Antwort auf seine Frage bereits. Er stieß einen tiefen Seufzer aus. Es hatte keinen Sinn, er musste zurück. Völlig aufgelöst drehte er sich um und stieg die Treppe wieder hinauf.

    As im Osten das erste Licht der Sonne über die Berge schwappte, erreichte Quinn schnaufend, durstig und hungrig den Tempelhof. Mehr humpelnd als gehend, wandte er sich auf direktem Wege in Richtung Speisezimmer. Alles war unberührt.

    Er machte sich gierig über den Reis her und trank das Schälchen in einem Zug leer. Jetzt wartete der schwere Teil auf ihn. Wie sollte er sich bei Wang entschuldigen? Er hatte in der letzten Nacht lange Zeit gehabt, sich Gedanken darüber zu machen und doch war er zu keiner Lösung gekommen.

    Schweren Herzens stand er eine gefühlte Ewigkeit vor Wangs Tür. Immer wieder hob er die Hand zum Klopfen und ließ sie wieder sinken. Dann endlich fasste er den Mut. Doch noch bevor er klopfen konnte, sprang die Tür auf. Wie gewohnt saß Wang vor dem Buch und schrieb. Quinn räusperte sich. Wang schrieb unberührt weiter. Er räusperte sich lauter. Wang antwortete nicht.

    »Wang ... es tut mir –« »Quinn! Schön, dass du zurück bist«, begrüßte ihn Wang freundlich, ohne aufzublicken. Quinn wusste nicht, was er sagen sollte. Kein Zorn, kein Tadel, kein Nichts. Und jetzt?

    »Wang, ich ... ich würde gern nochmal versuchen, von dir zu lernen.«

    Zum ersten Mal blickte er lächelnd zu Quinn auf.»Gut! Warte in deiner Kammer, bis ich dich hole.« Dann widmete er sich wieder seinem Buch.

    Quinn schüttelte verständnislos den Kopf. Was hatte er auch anderes erwartet?

    * * *

    Tag um Tag saß Quinn in seiner Kammer, wartete und wartete, wurde ungeduldig und rastete aus. Mit jedem Tag hatte er das Gefühl, dem Wahnsinn ein Stück näherzukommen. Irgendwann meinte er gar, Landkarten und Runen in den Rissen der Wände zu erkennen.

    Er fing an, die Wände mit der Magie des Waldes zu untersuchen. Er spielte mit dem magischen Feuer – bis er in einem erzürnten Moment seinen Teppich in Brand setzte. Danach saß und schlief er auf dem Boden. Wang schien es nicht für nötig zu halten, ihm einen neuen zu geben.

    Quinn wusste gar nicht mehr, was er noch tun sollte. Selbst zum Ausrasten war er zu erschöpft. Teilnahmslos lag er auf dem kalten Boden. Was hatte er nur verbrochen, um so gequält zu werden? Er saß in Ghorka fest, eingesperrt mit Verbrechern, Mördern und sonstigem Abschaum, für eine lachhafte Belanglosigkeit, für die andere Jungen sonst einen ermahnenden Klaps auf die Finger bekamen.

    Das Leben war einfach nicht gerecht. Sein Leben war einfach nicht gerecht. Wollte das denn nie aufhören? Er hätte im Wald der Träume bleiben sollen, wo man gut zu ihm war, wo er Freunde hatte, die ihm halfen. Stattdessen war er hier – völlig allein, völlig auf sich gestellt.

    Quinns Frust ging über in Schmerz, sein Schmerz ging über in Trauer, seine Trauer endete in einem schweren Heulkrampf. Am Ende seiner Tränen war er selbst zum Weinen zu schwach. Er zitterte am ganzen Körper, bis nichts mehr von ihm da zu sein schien. Er lag einfach nur noch da, eins mit der Kälte des Bodens.

    Sein Gesicht fühlte sich pelzig an, sein Geist auf seltsame Art auch irgendwie. Quinn stierte durch die Wand hindurch. Ein Gefühl von Leichtigkeit und Freiheit breitete sich in ihm aus. Er war ... frei. Die Welt um ihn herum verschwamm in gleißend hellem Licht.

    Das Knarren der Tür riss ihn aus dem Licht heraus. Er blinzelte, bis seine Augen sich langsam wieder an den Raum gewöhnt hatten. Mit voller Wucht dröhnten die Gedanken zurück in seinen Kopf. Er hatte nicht bemerkt, dass sie weggewesen waren. Sein Geist war vollkommen ruhig gewesen, die Zeit stehengeblieben.

    Langsam richtete Quinn seine geröteten Augen zur Tür. Wang.

    »Was ... was war das?«, stotterte Quinn.

    »Was war was?«, fragte Wang geduldig.

    Quinn unterdrückte einen Seufzer. »Die Zeit ... sie ist stehengeblieben. Alles war weiß. Ich habe mich«, Quinn überlegte,»so leicht gefühlt.«

    Wang lächelte ihn an.»Du hast deine Frage selbst beantwortet.«

    Er deutete mit der Hand in Richtung Tür. Quinn folgte ihm schweigend. Er hatte sich die Frage selbst beantwortet? Wie das denn?

    Wang ging in den Tempelhof voraus und deutete auf einen kleinen Stein. »Offne deinen Geist! Ist dein Geist rein, wird der Stein in deiner Hand liegen. Der weiße Blick wird es dich lehren.« Mit diesen Worten ließ er Quinn stehen.

    Was? Wie? Das war alles? Was sollte er damit nun wieder anfangen? Was für ein Unsinn! Wie sollte er einen Stein bewegen – ganz ohne Rune, ohne Zauber, nur mit seinem Geist?

    »WANG!?«, rief Quinn ihm nach.

    Er blieb stehen. Ohne sich umzudrehen, fragte er:»Hast du es geschafft?«

    »Nein, aber –«

    »Alles, was du brauchst, liegt in dir.« Mit diesen Worten verschwand Wang im Tempelinneren.

    Quinn starrte ihm mit offenem Mund hinterher. War das denn zu glauben? Er war es wirklich langsam leid. Er brauchte nicht schon wieder das nächste Rätsel! Warum konnte Wang ihm nicht einfach die Rune tätowieren, wie es jeder vernünftige Meister tat? Warum musste er ihm alles so unnötig schwer machen?

    Quinns umherschweifender Blick blieb an dem Stein hängen. Klein und garstig lag er auf dem Tempelhof, als würde er Quinn herausfordern wollen. Quinn schnaubte verächtlich.

    Erst einmal brauchte er einen klaren Kopf. Weg mit dieser verdammten Wut. Er schloss die Augen und versuchte, sich zu beruhigen. Er atmete tief ein und aus, ein und aus.

    Was hatte Wang gesagt? Quinn hatte alles in sich, was er brauchte, um den Stein zu bewegen. Er müsste nur seinen Geist öffnen und der Stein würde von allein kommen. Der weiße Blick würde es ihn lehren. Einen freien Geist hatte er bisher bei jedem Zauber benötigt. Das war also nicht wirklich neu. Nur hatte er sonst eben jedes Mal eine Rune und einen Zauberspruch gehabt.

    Verbittert lachte Quinn auf. Was war dieses Mal anders? Hm,... der weiße Blick. Aber was hatte es mit dem weißen Blick auf sich? Noch nie hatte er etwas darüber gelesen. Der weiße Blick ... Noch nie hatte er davon gehört. Weder Marten noch Aleshanee hatten ihn jemals erwähnt. Aber sie waren ja auch keine Magier des dritten Kreises. So ein Wargmist!

    Der weiße Blick ... Der w-e-i-ß-e Blick ... Ein Blick, ganz in weiß ... weiß wie seine Wand ... aber auch weiß wie Licht. Ob der weiße Blick wohl etwas mit dem Zustand zu tun haben könnte, den er vorhin in seiner Kammer erlebt hatte, kurz bevor Wang in seiner Tür aufgetaucht war? Aber selbst, wenn ... Quinn hatte ja gar keine Ahnung, wie er das angestellt hatte. Und überhaupt: Hatte er vorhin in seiner Kammer einen Stein bewegt? NEIN! Er gähnte.

    Für heute wollte er es gut sein lassen. Vielleicht musste er auch einfach eine Nacht darüber schlafen. Sein Magen knurrte laut und mit leerem Magen ließ es sich nicht gut denken. Dann also fader Reis. Quinn musste den Freudensprung förmlich unterdrücken ...

    Aber eigentlich kümmerte es ihn kaum noch. Er hatte sich mit dem Essen abgefunden. Warum sollte er sich noch weiter darüber aufregen? Es half ohnehin nichts. Wenn er doch nur in allen Bereichen so gelassen bleiben könnte.

    ***

    An das Schlafen auf dem Boden hatte er sich längst noch nicht gewöhnt. Sein Körper war so verkrampft, dass er am nächsten Morgen kaum aufstehen konnte. In Sachen Stein hatte ihm der Schlaf auch nicht wirklich viel gebracht, dennoch wollte er es erneut versuchen.

    Weil ihm nichts Besseres einfiel, setzte Quinn sich auf den Tempelhof und starrte statt seiner Kammerwand den kleinen Stein an, der gütiger Weise auf ihn gewartet hatte. Trotz des Brennens in den Augen

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