Kulturelle Integration von Migranten und Flüchtlingen im Berufskontext: Ein praktischer Leitfaden für Unterstützer und Helfer aus psychologischer Sicht
Von Alexander Thomas
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Über dieses E-Book
Alexander Thomas
Dr. phil. Dr. h.c. Alexander Thomas ist emeritierter Professor der Universität Regensburg, wo er bis 2005 an der Abteilung Sozialpsychologie und Organisationspsychologie tätig war. Er ist Gründungsmitglied des Regensburger »Instituts für Kooperationsmanagement« (IKO).
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Buchvorschau
Kulturelle Integration von Migranten und Flüchtlingen im Berufskontext - Alexander Thomas
© Springer Fachmedien Wiesbaden GmbH, ein Teil von Springer Nature 2018
Alexander ThomasKulturelle Integration von Migranten und Flüchtlingen im Berufskontextessentialshttps://doi.org/10.1007/978-3-658-22654-1_1
1. Einleitung
Alexander Thomas¹
(1)
Köln, Deutschland
Alexander Thomas
Email: alexander.thomas@psychologie.uni-regensburg.de
Im Verlauf der massenhaften Zuwanderung von Flüchtlingen und Migranten nach Deutschland gewann der Begriff „Integration immer mehr an Bedeutung. Vielen erscheint kulturelle Integration als der Königsweg zur Bewältigung der Herausforderungen, die mit Flucht, Vertreibung und Zuwanderung für die Immigranten einerseits und für die Mitglieder der aufnehmenden Gesellschaft andererseits verbunden sind. Selten wird die Frage gestellt, was denn kulturelle Integration eigentlich ist, was sie konkret bedeutet und wie sie erreicht werden kann. Falls dies doch einmal geschieht, dann kommt als Antwort: „Na klar! Die müssen Deutsch lernen!
Für viele ist damit das Erlernen und Beherrschen der deutschen Sprache zur zentralen Herausforderung für Integration geworden, ohne mit zu bedenken, welche Anforderungen mit dem Erlernen der deutschen Sprache in Wort und Schrift für die Personen verbunden sind. Personen, die zum Beispiel mit der arabischen Sprache, mit Farsi, Urdu u. a. als Muttersprache aufgewachsen sind. Selten wird bedacht, in welcher Zeit, mit welchem Aufwand sowie mit welchen Anstrengungen das Erlernen der deutschen Sprache in Wort und Schrift auf ein für das Alltagsleben und den Beruf ausreichendes Sprachniveau verbunden ist. Kulturelle Integration ist zudem nicht allein vom Gelingen eines ausreichenden Niveaus der deutschen Sprache abhängig, sondern von vielen weiteren Faktoren, die im Folgenden benannt, näher analysiert und auf ihre Wirksamkeit hin geprüft werden.
Gerade für die ehrenamtlichen und hauptamtlichen mit der Integrationsthematik befassten deutschen und ausländischen Fachkräfte sind diese Kenntnisse von zentraler Bedeutung, um erfolgreiche Hilfen und entsprechende Unterstützungen bei der zu erbringenden Integrationsarbeit leisten zu können.
© Springer Fachmedien Wiesbaden GmbH, ein Teil von Springer Nature 2018
Alexander ThomasKulturelle Integration von Migranten und Flüchtlingen im Berufskontextessentialshttps://doi.org/10.1007/978-3-658-22654-1_2
2. Herausforderungen
Alexander Thomas¹
(1)
Köln, Deutschland
Alexander Thomas
Email: alexander.thomas@psychologie.uni-regensburg.de
Mit der Integration von Flüchtlingen und Migranten hat die deutsche Bevölkerung langjährige Erfahrung. Die Integration von vielen Millionen Flüchtlingen nach dem Zweiten Weltkrieg aus den östlichen und südöstlichen ehemaligen Reichsgebieten war nicht einfach, ist aber gelungen. Die Integration angeworbener Gastarbeiter, meist aus europäischen Ländern, ist teilweise gelungen, teilweise aber auch nicht, denn manche wollten oder konnten sich nicht integrieren und manche wollen sich immer noch nicht oder können sich nicht integrieren.
Demgegenüber ist beispielsweise die Integration iranischer Flüchtlinge nach dem Regierungswechsel im Iran nahezu reibungslos gelungen.
Vielleicht ist sogar die Integration von Menschen, die wegen Flucht und Vertreibung und aus ökonomischen Gründen ihre Heimat verließen und ihre Zukunft in Deutschland suchten, häufiger gelungen, als es den Anschein hat. Denn gelungene Integration vollzieht sich meist unauffällig, führt meist nicht zu spektakulären Ergebnissen, fällt nicht besonders auf, wird nur selten publik gemacht und weniger häufig öffentlich diskutiert als misslungene Integration.
Gerade misslungene Integration wird oft als Ursachenerklärung von Kriminalität, Schul- und Bildungsversagen sowie der Entstehung von Parallelgesellschaften herangezogen und dann laut und deutlich thematisiert.
Die Vielzahl und Vielfalt an Integrationsleistungen, die im Verlauf der vergangenen Jahrzehnte in unserer Gesellschaft stattgefunden haben, musste ohne „explizite interkulturelle Kompetenz seitens der einheimischen deutschen Bevölkerung auskommen, denn interkulturelle Kompetenz und ihre Bedeutung zur Bewältigung der mit Globalisierung und Internationalisierung unserer Gesellschaft entstandenen Herausforderungen ist ein relativ neues Thema. Dabei hat es Formen „implizierter
, also nicht sogenannter und als solcher erkannter, interkultureller Kompetenz im beruflichen und privaten Alltag schon immer gegeben. In den kommunalen Einrichtungen, in den Behörden und Schulen, in den beruflichen Ausbildungseinrichtungen, den Sozialdiensten und in den Wohlfahrtsverbänden gab es immer Fach- und Führungskräfte, die sich in der beruflichen Arbeit mit Flüchtlingen und Migranten eine praxisnahe interkulturelle Kompetenz aufgebaut haben, um eine erfolgreiche Integration zu fördern. Sie haben diese Praxiserfahrungen aber in der Regel nicht als eine spezifische Schlüsselqualifikation „Interkultureller Handlungskompetenz" wahrgenommen, thematisiert und als solche bezeichnet.
Die mit der Flüchtlingswelle aus Kriegs- und Krisengebieten arabischer, afrikanischer sowie vorderasiatischer Ländern auf Deutschland und seine Bevölkerung zukommenden Herausforderungen sind mit den bisherigen Erfahrungen im Umgang mit Migranten, Gastarbeitern und Flüchtlingen nicht mehr zu bewältigen. Jetzt wird von den entsprechenden Zielgruppen, also den deutschen Fach- und Führungskräften, die mit Integration befasst sind, ein hohes und ein spezifisches Maß an interkultureller Kompetenz verlangt, wenn sie eine nachhaltige Integration bewirken wollen und bewirken müssen. Aber was bedeutet das konkret?
Es gibt je nach Autoren einschlägiger Publikationen und fachspezifischer Herkunft der Autoren unterschiedliche Definitionen der Begriffe Kultur und interkulturelle Kompetenz.
Die UNESCO versteht unter Kultur: „Kultur ist die Gesamtheit der Formen menschlichen Zusammenlebens." Forscher aus dem Bereich der Kulturvergleichenden Psychologie definieren Kultur etwas differenzierter: „Kultur ist der vom Menschen gemachte Teil der Umwelt. Kultur ist ein Handlungsfeld, dessen Inhalte von den