Historisch-Genetische Theorie
Von Gerda Bohmann und Heinz-Jürgen Niedenzu
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Buchvorschau
Historisch-Genetische Theorie - Gerda Bohmann
© Der/die Herausgeber bzw. der/die Autor(en), exklusiv lizenziert durch Springer Fachmedien Wiesbaden GmbH, ein Teil von Springer Nature 2020
G. Bohmann, H.-J. NiedenzuHistorisch-Genetische Theorieessentialshttps://doi.org/10.1007/978-3-658-31495-8_1
1. Warum „historisch-genetische Theorie"?
Gerda Bohmann¹ und Heinz-Jürgen Niedenzu²
(1)
Institut für Soziologie und Empirische Sozialforschung, Wirtschaftsuniversität Wien, Wien, Österreich
(2)
Institut für Soziologie, Universität Innsbruck, Innsbruck, Österreich
Gerda Bohmann (Korrespondenzautor)
Email: Gerda.Bohmann@wu.ac.at
Heinz-Jürgen Niedenzu
Email: Heinz-Juergen.Niedenzu@uibk.ac.at
Die vorangestellte Frage verlangt nach einer doppelten Antwort: die eine ist die nach dem Begriff als solchem, dessen Begründung und den epistemologischen Grundlagen der Theorie, um die es hier geht. Sie wird unter Abschn. 1.1 beantwortet. Die andere ist jene darauf, warum Soziologinnen und Soziologen, aber generell auch Sozialwissenschaftler/innen sich mit ihr beschäftigen sollten. Sie soll an den Beginn gestellt werden.
Günter Dux hat bereits in seiner Habilitationsschrift, die 1976 als „Strukturwandel der Legitimation (GS 7) publiziert worden ist, die ersten Grundlagen für sie gelegt, indem er sich auf die Suche nach den Begründungsstrukturen philosophischer und soziologischer Theorien des Rechts begeben hatte. 1982 ist dann sein wegweisendes Buch zur „Logik der Weltbilder
(GS 3) erschienen, in dem in nuce bereits (fast) Alles enthalten ist, was die weitere Theorieentwicklung bestimmen sollte. In der Folge hat er diese in einer Vielzahl an Büchern und Aufsätzen ausgearbeitet und auf grundlegende Kategorien soziologischer Theoriebildung angewendet, wobei auch die historisch-genetische Theorie weiterentwickelt, vertieft, verfeinert sowie da und dort auch modifiziert worden ist. Im Vergleich zu anderen gesellschaftstheoretischen Konzeptionen mit universalistischem Anspruch ist sie dessen ungeachtet nicht in der gebotenen Gründlichkeit vom soziologisch-sozialwissenschaftlichen Fachpublikum rezipiert worden.
Dieses kleine Büchlein soll hier Abhilfe schaffen. Indem wir Günter Dux’ prozessualer Logik in der Rekonstruktion der Anfänge gesellschaftlicher Organisation folgen, soll ein tieferes Verständnis dafür gewonnen werden, wie man den Fallstricken metaphysischer Begründungen „gesellschaftlicher Tatsachen" und gesellschaftlicher Entwicklungsprozesse entkommen kann. Dabei erfährt auch das in neueren Gesellschaftstheorien viel bemühte Phänomen der Emergenz gesellschaftlicher Entwicklungen eine angemessenere Interpretation. Es ist ein Denken in nicht-deterministischen Termini systemischer Zusammenhänge, ohne dabei die handelnden Akteure aus dem Blick zu verlieren. Die Auseinandersetzung mit der historisch-genetischen Theorie erlaubt es, den Konstruktcharakter sozialer, kultureller und kognitiver Phänomene zu verstehen, ohne dabei die Hartnäckigkeit und Widerständigkeit der gesellschaftlichen Strukturen zu übersehen. Sachlich geht es mithin um das Erkenntnisprojekt der Soziologie schlechthin, wobei der Zugang von Günter Dux dezidiert erkenntniskritisch ist.
1.1 Begriff, Begründung und epistemologische Grundlagen
Bereits im Begriff „historisch-genetisch sind die zentralen Grundlagen des Theorieprojekts bereits enthalten. Historisch angelegt ist die Theorie, weil eine auf das Ganze der gesellschaftlichen Entwicklungen abzielende Gesellschaftstheorie notwendigerweise eine Theorie sozialen Wandels inkludiert. Diese kann aber, sofern sie eben soziologisch konzipiert ist, nicht historiographisch angelegt sein, sondern muss in striktem Sinne rekonstruktiv ansetzen. Dies verweist methodologisch auf eine historische Rekonstruktion aus den Anfängen der gesellschaftlichen Entwicklung heraus. Deren Bedingungen sind zuallererst auszuloten, und zwar auf dem rezenten Stand der natur- wie kulturwissenschaftlichen Erkenntnisse und Befunde. Das betrifft die genetische Dimension, d. h. die anfänglichen Bedingungen und die sich aus diesen in einer sequenziellen Entwicklung aufbauenden Strukturen. Im Vordergrund stehen für Dux dabei die Strukturen der kognitiven Entwicklungen – anders gesagt: des Wissens –, die von jedem Einzelnen erst ausgebildet werden müssen, um in einer für diesen „immer schon
vorgefundenen (natürlichen wie sozialen) Umwelt leben und etwas über diese erfahren zu können. Insofern gibt es für die historisch-genetische Theorie einen methodologischen Primat der ontogenetischen (d. h. Individual-) Entwicklung. Es ist diese, die den rekonstruktiven Zugang erst ermöglicht. Diese Dimension der Theorie verweist zugleich auf die genetische Epistemologie Jean Piagets, die von großer Bedeutung für das Duxsche Theorieprojekt ist, wenngleich er diese seinerseits der Erkenntniskritik unterwirft.
Historisch-genetisch steht also für eine systematische Rekonstruktion sozialer wie kognitiver Strukturen aus deren anfänglichen Bedingungen, die ihrerseits aber keinerlei Determinismen in sich bergen; sie entwickeln sich wohl sequenziell, bringen aber auch neue Strukturen hervor. Es ist dies, was Dux unter „prozessualer Logik versteht: „Wir denken aus der Geschichte heraus vor die Geschichte zurück, um aus den Bedingungen, unter denen sich die soziokulturellen Lebensformen haben bilden können, die pristine Organisation allererst entstehen zu lassen. Hernach setzen wir die Rekonstruktion über die Bedingungen fort, bis wir uns selbst einholen
(Dux 1998, S. 56).
In „Die Logik der Weltbilder (GS 3) wie auch andernorts verwendet Günter Dux häufig den Begriff „konstruktiver Realismus
bzw. mitunter auch „realistischer Konstruktivismus, um seine Erkenntnisstrategie zu bezeichnen. Konstruktiver Realismus bezeichnet zum einen den Formprozess der Kognition aus der anthropologischen Ausgangslage heraus, zum anderen handelt es sich um eine erkenntnistheoretische Strategie: die Rekonstruktion des Erkenntnisvermögens aus den Bedingungen des Konstruktionsprozesses selber. In diesem Sinne sind kognitive Schemata, die von jedem einzelnen nachwachsenden Gattungs- bzw. Gesellschaftsmitglied ausgebildet werden müssen, „realistisch
, insofern sie über elementare senso-motorische Erfahrungen sachangemessen aufgebaut werden, und sie sind „konstruktiv, da sie nicht a priori verfügbar sind und in ihrem Aufbauprozess „die Welt
im naturalen, sozialen und personalen Sinne erst strukturieren.
Die Bedingungen der Möglichkeit des Verstehens sind auf Basis dieser Erkenntnisperspektive, die von einigen anthropologischen Universalien in der ontogenetischen Kognitionsentwicklung ausgeht und