Erfolgreich verkaufen im B2B: Kunden analysieren, Anfragen bewerten, Geschäftspotenziale erarbeiten
Von Hartmut Sieck und Andreas Goldmann
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Buchvorschau
Erfolgreich verkaufen im B2B - Hartmut Sieck
Hartmut Sieck und Andreas GoldmannErfolgreich verkaufen im B2B2., überarb. Aufl. 2014Kunden analysieren, Anfragen bewerten, Geschäftspotenziale erarbeiten10.1007/978-3-658-03951-6_1
© Springer Fachmedien Wiesbaden 2014
1. Erfolgsfaktoren im B2B-Verkauf
Hartmut Sieck¹ und Andreas Goldmann²
(1)
Marbach, Deutschland
(2)
Dreieich, Deutschland
Hartmut Sieck
Email: h.sieck@sieck-consulting.de
1.1 Der B2B-Verkauf im Wandel
1.1.1 Der Einkauf im Wandel
1.1.2 Märkte im Wandel
1.1.3 Neue Verkaufstechniken
1.1.4 Was heißt das jetzt für den B2B-Verkauf?
1.2 Effektivität und Effizienz im B2B-Vertrieb
1.3 Fallen im B2B-Verkäuferalltag – ein Feedback aus dem Vertriebscoaching
1.4 Win/Loss Analysis
Zusammenfassung
Der Verkauf im B2B Umfeld unterliegt einem ständigen Wandel. Der Einkauf auf der Kundenseite wird wesentlich professioneller, Märkte verändern sich schneller und auch neue Verkaufstechniken verändern unsere Möglichkeiten im Vertrieb. Welche Veränderungen gibt es und wo steht der Vertrieb heute? Darauf gibt es in diesem Kapitel Antworten.
1.1 Der B2B-Verkauf im Wandel
Bestimmt kennen Sie den Spruch: „Nichts ist so beständig wie der Wandel." Gerade im Verkauf ist diese Aussage schon Programm. Kunden und ihre Anforderungen ändern sich, Märkte drehen sich schneller, als einem manchmal lieb ist, der Einkauf wird zunehmend strategischer, dafür Produkte und Dienstleistungen eher austauschbarer.
Lassen Sie uns im Folgenden drei Aspekte etwas näher betrachten.
1.1.1 Der Einkauf im Wandel
War der Einkauf vor 15 bis 20 Jahren häufig noch ein notwendiges Übel, um eine Beauftragung offiziell zu verschicken oder vielleicht noch etwas am Preis nachzuverhandeln, so hat sich der Stellenwert heute erheblich verändert. „Im Einkauf liegt der Gewinn", wird häufig ausgerufen. Entsprechend hat sich der Einkauf in den letzten Jahren maßgeblich weiterentwickelt. Hier einige Trends im Überblick:
1.
Weniger Lieferanten
Die Anzahl der Lieferanten wird bereits seit Jahren signifikant reduziert. Beispiel: ZF reduzierte die Anzahl von 3500 auf 2000 im Jahr 2012.¹
2.
Einkaufsentscheidungen werden global getätigt
Lieferanten müssen heute mehr denn je in der Lage sein, Kunden weltweit zu bedienen.
3.
Einkaufsentscheidungen werden in internationalen Teams getroffen
Insbesondere Konzerne nutzen heute international besetzte Gremien, um Investitionsentscheidungen zu treffen.
4.
Lead-Buyer-Konzepte
Wo Lead-Buyer-Konzepte umgesetzt werden, kann es dazu führen, dass auch bei deutschen Unternehmen die Entscheidung für einen Auftrag nicht in Deutschland getroffen wird, sondern irgendwo auf der Welt.
5.
Supply Chain Management
Heute wird vom Anbieter und damit verbunden auch vom Verkäufer klar erwartet, dass er die Lieferantenkette bis zum Rohmaterial kennt. Schlechte Arbeitsbedingungen bei einem Zulieferer in Indien können somit auch für ein deutsches Qualitätsunternehmen zur Stolperfalle werden.
6.
Spieltheorien
Insbesondere große Konzerne bauen heute ihre Beschaffungsprozesse auf Spieltheorien auf. Damit wird der Wettbewerb zwischen den Lieferanten noch einmal maßgeblich verschärft.
1.1.2 Märkte im Wandel
Auch die Märkte wandeln sich ständig. Hier drei Aspekte, die großen Einfluss auf den Verkauf im B2B-Bereich haben.
1.
Schnellerer Wandel
Gerade die letzte Finanz- und Wirtschaftskrise hat gezeigt, dass Zyklen immer kürzer werden. Lange Vorausplanungen im Einkauf wie auch im Verkauf werden immer schwieriger bzw. unzuverlässig.
2.
Unternehmen gehen und kommen schneller
Hätten wir vor einigen Jahren noch Unternehmen wie Blackberry, Nokia, Schlecker & Co. als grundsolide Unternehmen betrachtet, die es auch in hundert Jahren noch geben wird, so wurde manch einer sehr schnell aus seinem Traum gerissen. Können Sie davon ausgehen, dass Ihre Kunden von heute auch morgen noch da sein werden?
3.
Zunehmende Transparenz
Die Bildung von Einkaufsgesellschaften oder auch die Anzahl der Firmenzusammenschlüsse sind in den letzten Jahren dramatisch angestiegen. Die Folge ist eine zunehmende Transparenz der Märkte im Hinblick auf Leistungen und Preise.
1.1.3 Neue Verkaufstechniken
Aber auch im Verkauf gibt es viele Veränderungen, die den Alltag im B2B-Umfeld bewegen.
1.
Einzug von iPad und Co.
Haben wir vor ein paar Jahren den Kunden noch voller Stolz mit Notebook, Beamer und bunten Powerpoint-Folien zu beeindrucken versucht, so überholen heute innovative Unternehmen ihre Wettbewerber alleine dadurch, dass sie die Kundeninteraktion schneller ins 21. Jahrhundert bringen. Apps erlauben es uns, im B2B-Verkauf ganz andere Beratungen anzubieten und Kunden zu begeistern.
2.
Kundentermine werden virtuell mit WebEx & Co.
„Und plötzlich wird das Kundengespräch virtuell! So könnte ein Buch über die nächste Generation von Kundengesprächen lauten. Immer mehr Unternehmen – insbesondere aus dem HiTech-Bereich – setzen auf WebEx-Lösungen, um über Internetplattformen mit dem Kunden auf internationaler Ebene Verkaufsgespräche zu führen. Was die Videokonferenz vor Jahren nicht geschafft hat, wird jetzt plötzlich „hip
.
3.
Social Media halten Einzug
Facebook, youTube, XING, LinkedIn und andere Netzwerke werden plötzlich zum Differenzierungsfaktor. Die nächsten Entscheider kommen aus der sogenannten Generation Y (geboren zwischen 1980 und 1990). Diese Generation informiert sich anders und kommuniziert anders. Einige Verkäufer nutzen heute soziale Netzwerke bereits sehr aktiv, um sich einen Informationsvorsprung zu verschaffen, während andere Verkäufer diese Netze meiden wie der Teufel das Weihwasser.
1.1.4 Was heißt das jetzt für den B2B-Verkauf?
Die Veränderungen auf der Markt-, Kunden- und Einkaufsseite werden den Vertrieb und den Verkauf im B2B maßgeblich verändern. Viele Kunden gleich gut zu bedienen wird nicht mehr gehen. Haben wir in der Vergangenheit Kunden noch nach Key Accounts oder klassisch nach A-B-C klassifiziert, so wird zukünftig das typische B-Kundensegment verschwinden. Es wird Kunden geben, die so klein sind, dass eine intensive Betreuung durch den Außendienst gar nicht mehr wirtschaftlich ist. Als Ergebnis werden wir ganz andere Konzepte erleben, um diese Kunden wesentlich besser über E-Business oder Backoffice-Strukturen zu bedienen. Andere Kunden werden eher so komplex, überregional, vielleicht sogar international aufgestellt sein, dass wir diese wesentlich intensiver bearbeiten müssen. Da die Kundenanforderungen wie auch die Entscheidungsstrukturen immer komplexer werden, wird das Wissen über den Kunden immer mehr zum Überlebens- und Differenzierungsfaktor gegenüber dem Wettbewerber. Wer seine Werkzeuge nicht auf dem aktuellen Stand hält, wird überholt. Eine stärkere Konzentration auf die richtigen Kunden und die richtigen Geschäftsgelegenheiten wird darüber hinaus zum Schlüssel zum Erfolg.
1.2 Effektivität und Effizienz im B2B-Vertrieb
Uns im B2B-Verkauf trifft es genauso hart wie viele andere Unternehmensbereiche. Der Verkäufer sieht sich mit immer mehr Aufgaben bei gleichzeitig steigender Komplexität der Produkte, Dienstleistungen und Lösungen sowie komplexeren Kundenstrukturen konfrontiert. Die Folge: Viele Verkäufer sind fleißig wie die berühmten Bienen, doch nicht alle sind gleich erfolgreich. Woran liegt das? Im Laufe dieses Buches werden wir auf eine Reihe von Erfolgsfaktoren zu sprechen kommen. Einer der Faktoren ist aus unserer Sicht jedoch klar: Top-Verkäufer, aber auch Top-Vertriebsorganisationen weisen in Summe einen höheren Grad an Effektivität und Effizienz auf.
Effektivität:
Effektivität (von lateinisch effectivus „bewirkend") ist ein Maß für Wirksamkeit, das das Verhältnis von erreichtem Ziel zu definiertem Ziel beschreibt. Es gibt Aufschluss darüber, wie nahe ein erzieltes Ergebnis dem angestrebten Ergebnis gekommen ist. Diese Betrachtung erfolgt im Unterschied zur Effizienz (als Maß für Wirtschaftlichkeit) unabhängig vom Aufwand; einzig das Ausmaß und die Qualität, in dem die beabsichtigte Wirkungen des Ziels erreicht werden, stellen die Kriterien für das Vorhandensein von Effektivität dar.²
Lassen Sie uns diese Definition noch etwas schärfen und mehr auf den Punkt bringen:
Effektivität = Tue ich gerade die richtigen Dinge?
Effizienz = Tue ich die Dinge richtig?
Hier ein Beispiel, um die Begriffe Effektivität und Effizienz stärker in den Vertriebskontext zu stellen.
Nehmen wir an, Sie erhalten eine Anfrage von einem Interessenten (also von einem Unternehmen, das heute noch nicht Ihr Kunde ist). Sie bieten Aufzüge inklusive der Wartungsaufträge an, und bei dem Interessenten handelt es sich um eine Wohnungsbaugesellschaft. Effektives Handeln bedeutet jetzt: Bereits im ersten Telefonat mit dem Interessenten versuchen Sie, diese Anfrage zu hinterfragen und zu bewerten. Durch diese Bewertung kommen Sie zu folgenden alternativen Ergebnissen:
a.
Es handelt sich um eine öffentliche Ausschreibung. Aus der Erfahrung wissen Sie, dass bei öffentlichen Ausschreibungen nur der Preis zählt. Da Sie aber nicht bereit sind, den Marktpreis immer weiter kaputt zu machen, sind Ihre Erfolgschancen bei dieser Ausschreibung sehr, sehr gering.
Ihre Konsequenz: Sie verfassen eine höfliche Absage und bieten nicht an!
b.
Aus dem Telefonat hören Sie heraus, dass der Kunde diese Anfrage bereits sehr früh stellt, um ein Budget für das Folgegeschäftsjahr einzustellen. Das bedeutet, dass der Kunde im Moment lediglich eine Budgetabschätzung benötigt.
Ihre Konsequenz: Aufgrund Ihrer Erfahrung und den Informationen aus der Anfrage sind Sie in der Lage, eine Budgetabschätzung (über den Daumen) abzugeben und teilen diese dem Kunden kurz und knackig per E-Mail mit. Um am Ende die Kundenanforderungen bereits frühzeitig in Ihrem Sinne beeinflussen zu können, vereinbaren Sie einen Termin vor Ort, den Sie aber so legen, dass er auf dem Rückweg von einem anderen Termin liegt.
c.
Die Wohnungsbaugesellschaft ist heute noch stark mit dem Wettbewerb verbunden. Da die Anfrage aber über ein Planungsbüro hereinkam, das Sie sehr schätzen, müssen und wollen Sie hier Flagge zeigen.
Ihre Konsequenz: Sie erstellen ein attraktives Angebot und übersenden dieses ganz normal per E-Mail oder Post.
d.
Da die Wohnungsbaugesellschaft zu einer überregionalen Gesellschaft gehört, mit der Ihr Unternehmen bereits heute intensive Geschäftsbeziehungen unterhält, sehen Sie gute Chancen, diesen Auftrag zu gewinnen. Ihre Konsequenz: Sie erstellen ein top ausgearbeitetes Angebot mit einer individuellen Zusammenfassung. Darüber hinaus übergeben Sie das Angebot persönlich und präsentieren dem Kunden das Angebot.
Kurzum: Effektivität bedeutet, sich bewusst dafür zu entscheiden, etwas zu tun oder eben nicht zu tun und damit nicht alle Kunden und Anfragen gleich intensiv zu bearbeiten. Top-Verkäufer fokussieren ihre limitierte Arbeitszeit auf die vielversprechenden Projekte und Kunden. Was wäre jetzt in diesem Fall aber Effizienz? Hier einige Beispiele:
a.
Sie schicken einen kurzen standardisierten Fragebogen an den Interessenten. Durch den Fragebogen erfragen Sie alle Eckpunkte, die Sie benötigen, um ein aussagekräftiges Angebot zu erstellen. Durch diese Vorgehensweise vermeiden Sie unnötige Rückfragen und Doppelarbeiten.
b.
Das Angebot basiert auf vorgefertigten Textbausteinen, die Sie anschließend kundenindividuell anpassen. Durch diese Textbausteine bzw. Vorlagen sparen Sie jede Menge Zeit in der Ausarbeitung des Angebots.
c.
Idealerweise sind Ihre IT-Systeme miteinander stark verbunden. Die Anfrage kommt z. B. per E-Mail, und Sie können diese Anfrage leicht in einen „Lead" Ihres CRM-Systems überführen. Aus dem CRM-System heraus können Sie das Angebots-Tool starten, und anschließend erfragt das System gleich noch ein Datum zur Angebotsnachverfolgung.
Effektivität und Effizienz bringen uns am Ende weg von der Denkweise „Viel hilft auch viel hin zu „Mache wenig, aber das richtig, um viel zu erreichen!
Gestatten Sie uns, dieses wichtige Thema anhand eines Beispiels aus dem Berateralltag noch einmal zu untermauern.
Ein Unternehmen war in wirtschaftliche Schwierigkeiten gekommen. Der Vorstand beauftrage eine Beratungsfirma mit einer eingehenden Analyse. Nach mehreren Wochen kam die Firma mit einer umgehenden Bestandsaufnahme und einer Beschreibung der Defizite, die ihrer Ansicht nach zur Krise geführt hatten, zurück.
Mit dem klassischen Beraterwerkzeug der Portfolio- oder auch neudeutsch 2by2-Matrix erläuterten die Berater, dass die schwache Situation sowohl auf fehlende Effektivität als auch auf schwache Effizienz zurückzuführen sei. Wenn dieser Umstand sich nicht ändern würde, wäre ein langsamer, aber sicherer Tod des Unternehmens die Folge.
Doch wie kommt man jetzt vom Quadranten (− / −) mit niedriger Effektivität und niedriger Effizienz zum Quadranten (+ / +) mit hoher Effektivität und hoher Effizienz (vgl. Abb. 1.1)? Sollte man zunächst die Effizienz