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Exzellente Managemententscheidungen: Methoden, Handlungsempfehlungen, Best Practices
Exzellente Managemententscheidungen: Methoden, Handlungsempfehlungen, Best Practices
Exzellente Managemententscheidungen: Methoden, Handlungsempfehlungen, Best Practices
eBook788 Seiten6 Stunden

Exzellente Managemententscheidungen: Methoden, Handlungsempfehlungen, Best Practices

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Über dieses E-Book

Champions von morgen werden nicht über Nacht geboren. Sie wachsen, verändern sich, erleben gute und schwierige Zeiten. Was zeichnet erfolgreiche Manager und Unternehmer aus? Wie entwickeln sich Unternehmen und was sind die Erfolgsfaktoren für Wachstum?

Zusammen mit weiteren renommierten Experten vermitteln Peter Niermann und Andre Schmutte konkrete Handlungsempfehlungen für das Management. Transparent, klar und verständlich beschreiben sie Methoden, Tools und Taktiken, die zum Rüstzeug erfolgreicher Unternehmensführung gehören. Entscheider aus Großunternehmen und dem Mittelstand (Audi, Telekom, Kathrein, Konen, etc.) erläutern in Interviews und Fallstudien ihre Erfahrungen und Vorgehensweisen. Umfangreiche Illustrationen und Reifegrad-Checklisten helfen den Lesern, den Status der eigenen Organisation zu bestimmen und notwendige Handlungsfelder zu entdecken: quasi ein „Stresstest“ für ihr Unternehmen. 

SpracheDeutsch
HerausgeberSpringer Gabler
Erscheinungsdatum16. Okt. 2013
ISBN9783658022464
Exzellente Managemententscheidungen: Methoden, Handlungsempfehlungen, Best Practices

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    Buchvorschau

    Exzellente Managemententscheidungen - Peter F.-J. Niermann

    Teil 1

    Grundlagen

    Peter F.-J. Niermann und Andre M. Schmutte (Hrsg.)Exzellente Managemententscheidungen2014Methoden, Handlungsempfehlungen, Best Practices10.1007/978-3-658-02246-4_1

    © Springer Fachmedien Wiesbaden 2014

    1. Was ist Management?

    Peter F.-J. Niermann¹  

    (1)

    str8labs Beratung & virtuelle Trainingswelten, Am Koglerberg 1, 82031 Grünwald, Deutschland

    Peter F.-J. Niermann

    Email: info@niermann-consulting.com

    1.1 Der große Crash

    1.2 Der Übergang zum Management

    1.3 Entwicklungen im Management

    1.4 Die nächste Stufe

    1.5 Entscheidungen und Komplexität im Management

    1.6 Die Kopplung mit der globalen Umwelt

    1.7 Mythos Management

    1.8 Der Zweck der Unternehmen

    1.9 Vom Sein zum Werden

    1.10 Der kreative Manager

    1.11 Führung und Management

    1.12 Warum motivieren?

    1.13 Fazit: Was ist Management?

    Literatur

    Zusammenfassung

    Modernes Management ist sinnstiftend. Es ist dann sinnvoll, wenn es den Unternehmen und zugleich der Gesellschaft nützt. So verstanden ist Management kein rationales, zweckgesteuertes Produkt, das nur plant, organisiert, koordiniert oder kontrolliert. Es ist auch weitaus mehr als ein Bündel von analytischen Werkzeugen zur Maximierung des Shareholder Value. Denn reine Methodenkompetenz beschert noch keinen Unternehmenserfolg. Management versteht sich als Kunst des Verfestigens und Verflüssigens. Zum richtigen Zeitpunkt Prozesse und Strukturen festzulegen, um dann wieder Raum für neues Wachstum zu geben. Management heißt, die Zeichen der Zeit bzw. den Trend neuer technologischer Entwicklungen zu erkennen und die richtigen Entscheidungen in dynamischen und global vernetzten Märkten zu treffen.

    Für einen gestandenen Manager oder Wissenschaftler klingt die Frage ‚Was ist Management?‘ geradezu lächerlich einfach. Es scheint kaum der Mühe wert, sie mit mehr als einem Satz zu beantworten. Doch bei genauer Betrachtung müssen sich auch der gewandte Manager und der erfahrene Wissenschaftler eingestehen, dass Management vielleicht doch nicht ganz so trivial ist, wie es zunächst scheint.

    Zur Ehrenrettung der Wissenschaft können wir zunächst vertrauensvoll auf Henry Mintzberg verweisen, für den Management keine exakte Wissenschaft ist. Denn das Wissenschaftsverständnis setzt wissenschaftliche Erkenntnis mit unumstößlicher Wahrheit gleich. Ohne an dieser Stelle eine philosophische Diskussion vom Zaun brechen zu wollen, liegen Wahrheit und Wirklichkeit im Management nicht selten weit auseinander. So manches Mal ist nicht die Wahrheit heilig, sondern mehr die Suche nach der ‚eigenen‘ Wahrheit (vgl. Yalom 1996, S. 104).

    Doch wenn es keine endgültigen Wahrheiten gibt, sondern nur unvollständige Konstruktionen der Wirklichkeit, und wenn Management keine Wissenschaft ist – was ist es dann? Geht es nach Peter Drucker, dann ist Management eine Kunst, weil sie Praxis und Anwendung zugleich ist (vgl. Drucker 1989, S. 273 f.) und weil sich Management besser durch Erfahrung als durch eine theoretische Ausbildung erlernen lässt (vgl. Khurana/Nohria 2009).

    Management als eine Kunst, zu leben, zu gestalten, zu beherrschen? Oder einfach nur, um Spuren im Universum hinterlassen, frei nach Steve Jobs: „We’re here to put a dent in the universe. Otherwise why else even be here?"

    1.1 Der große Crash

    Dass Management in komplexen, vernetzten Wirtschaftssystemen mit Millionen von Geschäftsmodellen und Abermillionen von Geschäftsprozessen schicksalhaft sein kann, weiß man nicht erst seit dem Zusammenbruch der US-amerikanischen Investmentbank Lehman Brothers Inc. in New York. Die Auswirkung auf die reale Weltwirtschaft war katastrophal. Das weltweite Finanzsystem drohte zu kollabieren. Glaubwürdigkeit und Vertrauen in das System waren zutiefst erschüttert.

    „Gestehen wir uns ein, dass dies ein Ereignis ist, wie es nur einmal in 50 Jahren vorkommt, wahrscheinlich sogar nur einmal in einem Jahrhundert." (Alan Greenspan, der frühere Vorsitzende der US-Notenbank, in einem Interview im US-Fernsehsender ABC am 14. September 2008)

    Dies war umso fataler, weil die weltweiten Wirtschafts- und Finanzsysteme auf Vertrauen basieren. Einem personifizierten Vertrauen in Manager¹, Banker und Politiker. Diese Legitimität ging verloren. Das empfindliche, weltumspannende System der Ökonomie und seine handelnden Akteure wurden vor eine Zerreißprobe gestellt. Soll das Vertrauen der Gesellschaft wieder hergestellt werden, sind die Spieler auf dem Parkett gefordert, zu beweisen, dass zu ihren Aufgaben auch ein gesellschaftliches und persönliches Engagement als Hüter einer Institution gehört (vgl. Khurana/Nohria 2009).

    Wenn der Crash zu Beginn des 21. Jahrhunderts nicht die Folge eines zyklisch auftretenden Phänomens war oder auf rein betriebswirtschaftliches Versagen der Manager zurückzuführen ist, welche Umstände haben dann zu dieser verheerenden Wirkung geführt? War es menschliches Fehlverhalten oder doch nur die Verkettung unglücklicher Umstände, die irrationale Reaktion eines hypersensiblen Finanzsystems? Trotz aller Anstrengungen sind sowohl die Wirtschaft als auch die Wissenschaft eine Antwort auf diese Frage schuldig geblieben. Nach jeder Krise stellt sich erneut die Frage, insbesondere an das Management: Soll man weitermachen wie bisher oder Änderungen zulassen und dabei erkennen, dass in einem System² nichts beeinflusst werden kann, ohne alles andere ebenso zu beeinflussen?

    Systeme sind integrierte Gesamtheiten, deren Eigenschaften sich nicht auf die kleineren Einheiten reduzieren lassen. Statt auf Grundbausteine oder Grundsubstanzen konzentriert sich die Systemlehre auf grundlegende Organisationsprinzipien. […] Systeme sind jedoch nicht auf individuelle Organismen und ihre Teile beschränkt. Auch gesellschaftliche Systeme weisen dieselben Ganzheitsaspekte auf. Schließlich gilt das auch für Ökosysteme, die sich aus einer Vielzahl von in Wechselwirkung stehenden Organismen und unbelebter Materie zusammensetzen (Capra 2004, S. 294).

    Krisen sind der hässliche, schmerzhafte, aber dennoch unerlässliche Teil evolutionärer Entwicklungen. Kapitalistische Wirtschaftssysteme leben von der Revolution, von der schöpferischen Zerstörung³ alter Strukturen und dem anschließenden unaufhörlichen Wiederaufbau.

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    „Der Kapitalismus ist also von Natur aus eine Form oder Methode der ökonomischen Veränderung und ist nicht nur nie stationär, sondern kann es auch nie sein. Dieser evolutionäre Charakter des kapitalistischen Prozesses ist nicht einfach der Tatsache zuzuschreiben, dass das Wirtschaftsleben in einem gesellschaftlichen und natürlichen Milieu vor sich geht, das sich verändert und durch seine Veränderung die Daten der wirtschaftlichen Tätigkeit ändert; diese Tatsache ist zwar wichtig und diese Veränderungen [Kriege, Revolutionen usw.] bedingen auch oft auch eine Veränderung der Industrie; sie sind aber nicht ihre primäre Triebkraft." (Schumpeter 1993, S. 136 f.)

    Diese provokante These geht zurück auf den Nationalökonom Joseph Alois Schumpeter (1883–1950), der in seinem bedeutsamen Werk ‚Theorie der wirtschaftlichen Entwicklung‘ das wirtschaftliche Wachstum untrennbar mit der schöpferischen Zerstörung in Form eines ständigen Strukturwandels verbindet.(vgl. Schumpeter 1911)

    Was für große, komplexe Wirtschaftssysteme gilt, lässt sich ebenfalls auf die nicht weniger komplexen einzelnen Elemente des Systems, die Unternehmen, übertragen. Schumpeters These von der schöpferischen Zerstörung und Erneuerung komplexer Wirtschaftssysteme stellt somit das Management dynamisch wachsender Unternehmen vor vergleichbare Probleme. Manager stehen vor der fast unlösbaren Aufgabe, das Wachstumsgeflecht in komplexen Systemen zu durchschauen, zu steuern, zu führen oder gar zu kontrollieren.

    Dies ist auch dem Umstand geschuldet, dass Wachstum von Unternehmen [Organisationen] nicht linear ist. Motivierende, erfolgreiche, problemlose Zeiten einer evolutionären Unternehmensentwicklung werden schleichend oder abrupt, doch auf jeden Fall unausweichlich durch turbulente Krisenzeiten und Revolutionen unterbrochen (vgl. Greiner 1972).

    „Überhaupt ist Evolution kein linearer Prozess und erst recht kein Prozess, der ein gutes Ende, einen überlegenen Zustand in Aussicht stellt. Auch der Niedergang von Organisationen erfolgt in der Form der Evolution." (Luhmann 2000, S. 347)

    Der Vorteil: Krisen zwingen zum Nach- und Neudenken. Sie stellen Sinn und Zweck althergebrachter Modelle, kurzfristiger Gewinne, zermürbender Machtkämpfe, millionenschwerer Boni, schneller Karrieren, unverantwortlicher Investments oder unkontrolliertes Wachstum in Frage. Sie zeigen auch undurchsichtige Interessen und unterschiedliche Ziele auf, ebenso wie gänzlich fehlende oder zu starre Strukturen, die Konfrontation verschiedenartiger Gesellschaftssysteme und fremdländischer Kulturen. In Krisenzeiten wird die unauflösliche Wechselbeziehung zwischen den Systemen und ihrer Umwelt besonders deutlich.

    1.2 Der Übergang zum Management

    Um nicht einen falschen Eindruck zu erwecken: Management beginnt nicht erst in Krisenzeiten. Welches also sind die Aufgaben und Ziele im Management, fernab von Zerstörung und Wiederaufbau? Vereinfacht beschrieben ist es die vordringlichste Aufgabe, das Überleben des Unternehmens zu sichern. Mit anderen Worten: Manager sollten mehr Geld einnehmen, als sie ausgeben, für Wachstum sorgen und das Spiel beherrschen, zum richtigen Zeitpunkt Strukturen zu verfestigen und wieder zu verflüssigen.⁴ Dass Management aus einem fragilen Gerüst voller Interaktionen, Abhängigkeiten und Entscheidungen besteht, werden wir im weiteren Verlauf des Buches beschreiben.

    Von der Verantwortung des Managements

    Peter Drucker (1909–2005), einer der großen Managementvordenker des 20. Jahrhunderts, sieht die oberste Pflicht und damit Verantwortung des Managements in dem Streben nach den bestmöglichen wirtschaftlichen Ergebnissen, die mit Hilfe der eingesetzten oder potenziellen Ressourcen erzielt werden können (vgl. Drucker 2000, S. 103). Gewinne und Rentabilität sind demnach bedeutsam für die Unternehmen. Liest man Druckers Worte aufmerksam weiter, dann beschränkt sich die Verantwortung des Managements bei weitem nicht nur auf den wirtschaftlichen Erfolg des eigenen Unternehmens. Für Drucker ist jedes Unternehmen ein Teil einer großen Gemeinschaft (vgl. Drucker 2007, S. 31). Als gesellschaftliches Organ erwirtschaftet jedes Unternehmen Gewinne auch im Interesse und zum Wohle der Gesellschaft.

    Drucker versteht Management als ein Organ einer Organisation.

    Manager erwirtschaften Geld für die Unternehmen und die Gesellschaft. In dieser Funktion üben sie eine soziale Wirkung auf die Gesellschaft aus. Mit den erzielten Gewinnen ist das Unternehmen in der Lage, Beiträge zum gesellschaftlichen Wohlergehen zu leisten und somit eine (Mit-)Verantwortung für eine Gesellschaft zu übernehmen (vgl. Drucker 2007, S. 33 ff.). Michael Porter und Mark Kramer schließen sich dieser Argumentation an. Sie gehen sogar noch einen Schritt weiter. Da Unternehmen nicht isoliert von der Gesellschaft [Umwelt] operieren, können sie über soziales Engagement ihr Wettbewerbsumfeld verbessern. Um jedoch den größtmöglichen beiderseitigen Nutzen zu erzielen, empfehlen Porter und Kramer ein strategisch geplantes gesellschaftliches Engagement. Spenden sollten nicht willkürlich nach dem Gießkannenprinzip verteilt werden, sondern im Einklang mit der Unternehmensstrategie stehen. Unter diesen Voraussetzungen sind soziale und wirtschaftliche Ziele nicht inhärent gegensätzlich, sondern untrennbar verbunden (vgl. Porter/Kramer 2002).

    Nach Milton Friedman (1912–2006) dagegen besteht die gesellschaftliche Verantwortung von Unternehmen und deren Managern nur darin, Gewinne zu maximieren. „The social responsibility of business is to increase its profits" (Friedman 1970). Friedman argumentiert mit dem Widerspruch sozialer und wirtschaftlicher Ziele. Seine Beweisführung stützt sich auf zwei Annahmen. Zum einen reduzieren die Ausgaben für soziales Engagement den Gewinn der Unternehmen, zum anderen schaffen private Spender einen größeren Nutzen in der Gesellschaft.

    Die Gier und der Kampf ums Überleben

    In beiden auf den ersten Blick gegensätzlichen Positionen steckt gleichermaßen die Gefahr einer grenzenlosen oder gar hemmungslosen Gewinnmaximierung. Zählt nur das Diktat der Gewinnmaximierung, kann menschliches Fehlverhalten, die dunkle Seite des Managements, zum Vorschein kommen. Manager sind auch nur Menschen. Gerade in Finanz- und Wirtschaftskrisen wird die menschliche, unstillbare Gier in einem Atemzug mit der Verantwortung oder Verantwortungslosigkeit des Managements genannt. Auch wenn für den römischen Philosophen Seneca ‚die Gier die Wurzel aller Laster‘ darstellte, lässt sich heute doch darüber streiten, ob sie tatsächlich der einzige Grund allen Übels ist. Es wäre ein wenig zu einfach, in einem wachstumsorientierten System voller Abhängigkeiten nur der Gier die Alleinschuld für Krisen zugeben. Ganz im Gegenteil, es stellt sich die berechtigte Frage, inwieweit eine Marktwirtschaft, ohne immer mehr zu wollen – will heißen: ohne Gier –, überhaupt funktionieren kann. Ist Wachstum ohne ein Mehr, ohne gierig oder hungrig zu sein, überhaupt möglich?

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    Im globalen Wettstreit um Wachstum, Marktanteile und Wettbewerbsvorteile zählt nicht nur die dunkle Seite der Macht. Dennoch mussten Manager lernen, in einem System voller Konkurrenzkampf und Imponiergehabe zu überleben. Sie erkannten die Tücken und Fallstricke im System und verstehen sich nun auf den Kampf ums Dasein. Nur wer im Sinne des Sozialdarwinismus⁵ gerissen genug ist, schafft es, das Spiel für sich zu entscheiden. Und wer es geschafft hat, muss gerissen genug sein, sich oben zu halten (vgl. Neuberger 1997, S. 139). In diesem Verständnis gehört der eingebaute Opportunismus – Gelegenheiten nutzen und auf den eigenen Vorteil achten – zu den systemimmanenten⁶ Eigenschaften marktwirtschaftlichen Handelns (vgl. Neuberger 1997, S. 144).

    Ebenso wie Manager nur Menschen sind, bestehen auch unsere Wirtschaftssysteme nur aus Menschen.⁷ Manager arbeiten in dem sozialen System⁸ ‚Unternehmen‘, das nur über die Fortsetzung von Handlungen, Entscheidungen, Erwartungen von Menschen existiert (vgl. Neuberger 1994, S. 10 f.).

    Für Friedberg ist ein Unternehmen [Organisation] das, was die Akteure daraus gemacht haben und damit machen (vgl. Friedberg 1995, S. 229).

    Bei allem Überlebenskampf, dem Streben nach Gewinnen oder persönlicher Anerkennung, ist der Manageralltag bei weiten nicht so bunt, spektakulär, spannend oder sexy wie vielfach angenommen. Er ist in der Regel lang – 12 bis 14 Stunden sind keine Seltenheit –, vielfach nicht planbar, zerstückelt durch ständige Unterbrechungen, dauernde Telefonate, Gespräche und ungeplante Meetings und zu guter Letzt noch mit einer Fülle von Problemen beladen. Fragt man hingegen einen Manager, was er tut, so wird er mit großer Wahrscheinlichkeit sagen, dass er plant, organisiert, koordiniert und kontrolliert (vgl. Mintzberg 1971).

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    Das Idealbild beherrschbarer Wirtschaftssysteme beschreibt einen Manager, der umfassend analysiert, zielbewusst plant, konsequent umsetzt und umsichtig kontrolliert. Er handelt dabei rational, durchdringt komplexe Situationen und entscheidet am Ende allwissend, risikoneutral und reaktionsschnell. In diesem Selbstverständnis entspricht das Idealbild des Managers einer wissenschaftlichen Fiktion, dem Homo oeconomicus⁹.

    „Models of decision-making cannot afford to ignore emotion as a vital and dynamic component of our decisions and choices in the real world." (Sanfey et al. 2003)

    Fern jeglicher Realität verlangt die Wissenschaft vom idealen Manager schlicht Unmögliches. Es werden Wunderdinge erwartet, die bei genauer Betrachtung ein Scheitern vorbestimmen.

    Im Gegensatz zur fiktiven Welt des Homo oeconomicus verlangt modernes Management mehr als nur eine Sammlung von Techniken oder ein Bündel von analytischen Werkzeugen zur Maximierung des Shareholder Value¹⁰. Reine Methodenkompetenz beschert noch keinen Unternehmenserfolg. Der Erfolg hängt nicht so sehr von der Wahl der ‚richtigen‘ Methode ab, sondern vielmehr von der Ausgestaltung der späteren Umsetzung im Unternehmen. Management will bewegen, nicht festhalten.¹¹

    1.3 Entwicklungen im Management

    Management beginnt nicht mit Google oder Facebook. Das Wort ‚managen‘ hat seinen Ursprung nicht, wie vielfach fälschlich angenommen, im Angelsächsischen, sondern in der lateinischen Sprache¹². Demnach bewegen Manager etwas mit der Hand – ‚maneggiare‘, haben alles im Griff, ähnlich dem Zirkusdompteur in der Manege, dem ‚maneggio‘, der die Pferde am Zügel laufen lässt (vgl. Neuberger 1997, S. 152).

    Lange bevor es Mails, Posts und Blogs gab, in der Vor-Twitter-, Vor-Google- und Vor-Skype-Ära, erkannten die Unternehmensleiter der frühen industriellen Phase die Bedeutung von Wachstum und die damit verbundene Notwendigkeit, die Herstellkosten im betrieblichen Leistungsprozess zu senken. Die Steigerung der Produktivität und die damit einhergehende Senkung der Stückkosten wurden zu obersten Maximen der Unternehmensführung erhoben. Traditionelle Produktionsprozesse wurden durch die Mechanisierung der Arbeitsabläufe und durch die Nutzung fossiler Energieressourcen verändert (vgl. Maußner/Klump 1996, S. 15). Mit der ersten praxistauglichen Dampfmaschine von Thomas Newcomen im Jahre 1712 begann in England die schrittweise Verdrängung des Produktionsfaktors Mensch und zugleich das Zeitalter der Arbeitsteilung und Spezialisierung. Auch Adam Smith (1723–1790) sah in der Arbeitsteilung die Triebkraft des ökonomischen Wachstums. In seinem Standardwerk ‚Wohlstand der Nationen‘ beschreibt der Vater der klassischen Ökonomie die Ursachen wirtschaftlichen Wachstums. Seine Preis- und Verteilungstheorie und seine Thesen über die Effizienz der Arbeitsteilung und Spezialisierung revolutionierten die Epoche der ökonomischen Klassik.

    Bei ‚normaler‘ oder – genauer gesagt – bei durchschnittlicher Entlohnung der Produktionsfaktoren Arbeit, Boden und Kapital deckt der natürliche Preis gerade die Herstellkosten, einschließlich des Gewinns. Dagegen wird der Marktpreis durch Angebot und Nachfrage beeinflusst. Allerdings sorgt der Wettbewerb dafür, dass der Marktpreis immer zum natürlichen Preis tendiert. Aufgrund dieses automatischen Ausgleichsmechanismus werden sich Angebot und Nachfrage anpassen und die bestmögliche Nutzung der Ressourcen gewährleisten (Söller 2003, S. 29 f.).

    Ein weiterer Hauptgedanke von Adam Smith ist das Wachstum als überragendes gesellschaftliches Ziel. Dauerhaftes Wachstum ist nicht nur erstrebenswert, es ist auch grundsätzlich möglich. Damit Wachstum dauerhaft möglich ist, empfiehlt Adam Smith die Steigerung der Arbeitsproduktivität als Mittel zur Förderung des Wirtschaftswachstums. Ein Gedanke, der gut 100 Jahre später erneut von Frederick W. Taylor aufgenommen wurde.

    Das industrielle Zeitalter war zugleich die radikale Abkehr von der Tauschwirtschaft. Selbstversorgung und der Tausch der überschüssigen Produkte wurden in der aufkommenden Marktwirtschaft durch produzierende Unternehmen und konsumierende Haushalte ersetzt. Die Haushalte liefern die Arbeitsleistung, das Humankapital, mit dem die Unternehmen spezialisierte Güter produzieren. Die Trennung von Produktion und Konsum war der Einstieg in eine hoch spezialisierte, arbeitsteilige Gesellschaft (vgl. Binswanger 2009).

    Mit dem Wachstum und der arbeitsteiligen Gesellschaft änderten sich auch die Strukturen in den Unternehmen. Der Unternehmensleiter wurde Manager, jedoch ohne Anteile an dem Unternehmen zu besitzen (vgl. Kocka 2000). Er verstand sich als Verwalter des Kapitals, weniger als Gestalter seiner Umwelt. Sein Ziel und seine Aufgabe waren es, die Interessen der herrschenden Klasse durchzusetzen. Manager mussten Mitarbeiter dazu bringen, Routinearbeiten schnell und sorgfältig zu erledigen, so dass Waren in großen Mengen hergestellt werden konnten. Es war die Geburtsstunde der rationalen Kontrolle und der wissenschaftlichen Betriebsführung.

    Als Vertreter dieser Zeit prägten sowohl Frederick W. Taylor (1856–1916) als auch Henri Fayol (1841–1925) den Zeitgeist des Managements. Exakte wissenschaftliche Messungen der Arbeitsprozesse, verbunden mit einem leistungsbezogenen Entlohnungssystem, und ein wohlstrukturierter Planungs-, Organisations-, Leitungs-, Koordinations- und Kontrollprozess (vgl. Fayol 1949) sollten die rasant steigende Nachfrage nach immer mehr und neuen Gütern decken.

    Der Umstand, dass bis heute die Prinzipien der frühen Industrialisierung den Sprachgebrauch im Management dominieren, bewegte später Mintzberg zu der Frage, was denn heutige Manager den lieben langen Tag so tun.

    Neben Arbeitsteilung, der Trennung von Hand- und Kopfarbeit und rationaler Kontrolle verlangte das Management nach einem geregelten Rahmen. Gefragt war eine Organisation mit festen Strukturen und klaren Verfahrensanweisungen. Mit seinem bürokratischen Ansatz bot Max Weber (1864–1920) dem Management den passenden Handlungsrahmen (vgl. Weber 1922).

    Die Bürokratie ist für Weber¹³ die ideale Form der Herrschaftsausübung und zugleich Inbegriff der Effizienz in einem kapitalistischen Unternehmen mit seinem Macht- und Herrschaftsdenken. Die Stärke und Durchsetzungskraft der Bürokratie beruhten auf der Akzeptanz der geschaffenen Regeln. Somit wurde die Organisation zu einer beherrschbaren Einheit (Tab. 1.1).

    Tab. 1.1

    Max Weber: Macht, Herrschaft, Disziplin. (Quelle: Weber 1984, S. 89)

    Alle drei Modelle der frühen Industrialisierung verbindet ein bis heute gebräuchliches und aktuelles Management-Ziel: die Senkung der Stückkosten durch die Steigerung der Arbeitsproduktivität aller am betrieblichen Leistungsprozess Beteiligten. Über die unbestrittenen Erkenntnisse und Verdienste von Henri Fayol und Max Weber hinaus war es Frederick W. Taylor, der mit seinem 1911 erschienenen Werk ‚The Principles of Scientific Management‘ die industriellen Fertigungsprozesse sowie nachfolgende Managementgenerationen maßgeblich prägte (Tab. 1.2).

    Tab. 1.2

    Management-Klassiker

    Auch wenn Taylor immer wieder mit dem rein mechanistischen Verständnis der Arbeitskraft oder mit den Arbeitskräften als bloßen Objekten des Managements in Verbindung gebracht wird, so plädiert er in Wirklichkeit mit großem Nachdruck für eine intensive Zusammenarbeit zwischen Management und Arbeitskräften (vgl. Gaugler/Taylor 1996, S. 45 f.). Taylor setzte sich zudem für ein leistungsgerechtes Entlohnungssystem ein.

    „The principal object of management should be to secure the maximum prosperity for the employer, coupled with the maximum prosperity for each employee." (Taylor 1991, S. 9)

    1.4 Die nächste Stufe

    Der Glaube an die Kontrolle, an die Beherrschbarkeit von Mensch und Maschine, diktierte das Managementdenken in der mechanistischen Arbeitswelt des Taylorismus. Das Management in der neoklassischen Ökonomie war gefangen in dem Paradigma¹⁴ rational kontrollierbarer Prozesse. Dagegen sind wir heute gefordert, in vernetzten Strukturen und Systemen zu denken – ob wir das wollen oder nicht. Wir leben in einem Zeitverständnis von Millisekunden, in welchem der Bruchteil einer Sekunde über den Abschluss eines Börsengeschäfts entscheidet. Lineares Denken im Management gehört in die Mottenkiste der Vergangenheit.

    Wirtschaftssysteme und ihre Unternehmen sind ständig in Bewegung. In ihnen herrscht ein zirkulärer Prozess von Ordnung und Chaos. Der unaufhörliche, schöpferische Vorgang von Wachstum und Krisen oder Evolution und Revolution bestimmt Funktionen und Entscheidungen im Management.

    Der Arbeitsalltag eines Managers im mechanistischen¹⁵ Weltbild glich einer ‚trivialen Maschine‘¹⁶. Feste Transformationsregeln zwischen Ursache und Wirkung beherrschten die Vorstellungen im Management. Alle Ergebnisse waren planbar und voraussagbar. In diesem kausalen Prinzip konnte jedes Ergebnis auf eine Ursache – eine Entscheidung in der Vergangenheit – zurückgeführt werden. Umgekehrt hatte jede Entscheidung eine genau bestimmte Wirkung in der Zukunft (vgl. Seifritz 1987, S. 85).

    Das heutige Wissen über die Unberechenbarkeit oder Unvorhersehbarkeit von gesellschaftlichen, politischen oder wirtschaftlichen Entwicklungen belehrt uns eines Besseren. Anfänglich winzige¹⁷ Störungen können sich in einem System zu unkontrollierbaren und damit chaotischen Auswirkungen¹⁸ entfalten (Abb. 1.1).

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    Abb. 1.1

    Triviale Maschine, nicht-triviale Maschine, operativ geschlossen. (Quelle: in Anlehnung an Foerster 1993, 1997, 2003)

    Im Gegensatz zur kalkulierbaren ‚trivialen Maschine‘ gleicht die reale Welt des Managements jedoch mehr einer ‚nicht-trivialen Maschine‘ (Abb. 1.1). Sie verfügt über keine starre, lineare Kopplung zwischen Ursache und Wirkung. Vielmehr folgt die Wirkung einem inneren Verhalten. Das Ergebnis, die Wirkung, ist nun von einem inneren Zustand abhängig. Mit anderen Worten: Heute bestimmen die internen Abläufe, Verfahren und Kräfte die wahre Dynamik des Managements und das Verhalten gegenüber seiner relevanten Umwelt. Auf Basis dieses inneren Mechanismus der operativen Geschlossenheit kann und wird sich das Management eines solchen Systems selektiv gegenüber seiner Umwelt öffnen und dann sehr wohl einen gegenseitigen Austausch zulassen (vgl. Willke 1999, S. 31).

    Übertragen wir dieses Wirkungsprinzip auf Unternehmen im 21. Jahrhundert, dann beruhen oder beziehen sich getroffene Entscheidungen des Managements auf vorausgegangene Erfahrungen. Sie folgen einem inneren kognitiven Lernprozess¹⁹.

    „Jeder normale Entscheidungsvorgang in einem Unternehmen ist in Wirklichkeit ein Lernprozess, da die Beteiligten im wechselseitigen Austausch ihre eigenen Vorstellungen verändern und eine neue, gemeinsame Vorstellung entwickeln." (Geus 1989)

    Dieser Lernprozess findet jedoch nicht isoliert statt. Da die Unternehmen Teil eines globalen Wirtschaftssystems voller wechselseitiger wirtschaftlicher und politischer Beziehungen und Abhängigkeiten sind, spürt das Management die Wirkung seiner Handlungen und Entscheidungen am eigenen Leib. Keine noch so unbedeutende Entscheidung bleibt ohne Wirkung. Eine weitere, ganz wesentliche Eigenart dieser nicht-trivialen geschlossenen Systeme: Sie lassen sich von ‚außen‘ nicht so einfach verändern, umpolen oder umstrukturieren (vgl. Willke 1999, S. 34). Das System kann sich nur selbst ändern.

    In der letzten Evolutionsstufe einer ‚nicht-trivialen Maschine‘ wird mit der Rückführung der Wirkung vom Ausgang auf den Eingang die operative Schließung der Systeme deutlich und zugleich für das Management spürbar.²⁰

    „Manager kommen deswegen in Schwierigkeiten, weil sie vergessen, in Kreisen zu denken." (Weick 1995, S. 126)

    Komplexe Wirtschaftssysteme folgen nicht den vereinfachten Regeln einer trivialen Maschine. Im Unterschied zur klassischen Wirtschaftstheorie, der zufolge der Homo oeconomicus in einer Entscheidungssituation alle Handlungsalternativen mit ihren jeweiligen Folgen erfassen und bewerten kann, haben globale Wirtschaftssysteme eine eigene Dynamik und eigene Erstarrungsprozesse. Diese dynamischen und zum Teil chaotischen Systeme stellen das Management vor Probleme, die nicht mit den Maßstäben der Rationalität zu lösen sind. Es bleibt eine Illusion der klassischen Wissenschaften, ein komplexes System auf eine einfache Gleichung reduzieren zu können.

    1.5 Entscheidungen und Komplexität im Management

    Im Übergang vom Homo oeconomicus zum Meister komplexer, chaotischer Systeme verändern sich nicht nur Denkweisen, Strukturen oder Beziehungen, sondern ganz wesentlich die Entscheidungssituationen im Management-Alltag. „Als Individuum vermeiden wir Ungewißheit; als Manager bemühen wir uns um ihre Reduzierung. Die zweite Voraussetzung besteht darin, daß eine zunehmend komplexe Welt eine Zunahme der Ungewißheit beinhaltet" (Davidson 1982).

    Das Verständnis in der klassischen Ökonomie war bestimmt vom Gleichgewicht der Systeme und der Rationalität seiner handelnden Akteure. Gegenwärtig, in der Zeit der Globalisierung²¹, sind die Entscheidungssituationen für den Manager größtenteils unübersichtlich, verzweigt, mehrdeutig, vielschichtig oder schlichtweg schwer zu fassen. Die Globalisierung der Gesellschaft bedeutet, dass bei Kontakten in allen Bereichen der Gesellschaft, von der Wirtschaft bis zur Wissenschaft, ein Welthorizont des Möglichen mitschwingt, der nicht mehr zugunsten der Beharrung auf nationalen Grenzen und Schutzräumen ausgeblendet werden kann (vgl. Baecker 2006).

    Manager treffen Entscheidungen auf Basis unvollständiger Informationen. Die Unmöglichkeit rationaler Entscheidungen und Handlungen führt zu der Erkenntnis, dass Dilemmata und Paradoxa²² im Managementprozess unausweichlich sind. Was heißt das nun?

    Ein Dilemma konfrontiert den Manager mit der Qual der Wahl und der Notwendigkeit einer Entscheidung. Er muss eine Entscheidung zwischen zwei gegebenen, gleichwertigen und gegensätzlichen Alternativen treffen. Dies führt unweigerlich zu der Behauptung, dass es ohne die Alternative keine Entscheidung gäbe; nur die Alternative macht die Entscheidung zur Entscheidung. Anders bei einem Paradoxon: Hier gilt es nicht, sich zu entscheiden, sondern die Entscheidung ist bereits getroffen, und der Manager wird mit in sich widersprüchlichen Konsequenzen konfrontiert (vgl. Neuberger 2002, S. 354 ff.).

    Die Richtigkeit oder der Sinn einer Entscheidung lassen sich jedoch erst in der Retrospektive, d. h. im Verlauf nachfolgender Entscheidungen, erkennen. Foerster formuliert sein Verständnis von Entscheidungen in einer für ihn typischen, provokanten Grundhaltung des radikalen Konstruktivismus: „Nur die Fragen, die im Prinzip unentscheidbar sind, können wir entscheiden." Und seine Begründung lautet: „Wenn es perfekte Begründungsbrücken über die Kluft der Kontingenz²³ und Unsicherheit gäbe, hätten wir es nicht mit Entscheidungen, die diesen Namen verdienen, zu tun, sondern mit Rechenaufgaben" (Foerster 1992).

    In komplexen Wirtschaftssystemen passiert das Richtige und Gewollte nicht von sich aus. Vor allem, da die Kategorisierung in Richtig oder Falsch nur ein Beobachtungsschema unter vielen anderen ist, aber damit noch keineswegs ein Sonderzugang zur Realität (vgl. Luhmann 1997, S. 76). Situationen sind im Management vielfach unklar, Ziele können mehrdeutig, vielfältig oder in sich widersprüchlich sein. Folglich gehören Probleme, Konflikte, Gegensätze, Dilemmata und Paradoxa zum Management wie die Luft zum Atmen. Das Wunschbild der vollkommenen Kontrolle im Management bleibt eine Illusion (Abb. 1.2).

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    Abb. 1.2

    Management-Entscheidungen

    Manager leben von dieser Mehrdeutigkeit, Intransparenz, Widersprüchlichkeit. Die Intransparenz der Entscheidungssituationen ist einer der wichtigsten Gründe dafür, dass es überhaupt Manager gibt. Manager werden zu Lückenbüßern in der Organisation (Tab. 1.3)

    Gerade weil Unternehmen und ihre Organisationen nicht wie eine ‚triviale Maschine‘ funktionieren, werden Manager mit Gespür, Wissen und Erfahrung im Umgang mit Komplexität und Veränderung gesucht. Das auf rein betriebswirtschaftliche Kennziffern fixierte Management unterschätzt das Wesen komplexer Systeme.(

    Tab. 1.3

    Ausschnitte aus unterschiedlichen Definitionen der Organisation

    Komplexe Systeme bilden die Grundlage der globalen Marktwirtschaft. Sie sind keine Fiktion und ebenso kein Kunstbegriff, mit dem wir heute unvorhersehbare oder unkalkulierbare wirtschaftliche Zusammenhänge und Verflechtungen beschreiben. Komplexe Systeme sind das Spiegelbild einer dynamischen, turbulenten Welt voller Abhängigkeiten, Vernetzungen und wechselseitiger Beziehungen (Tab. 1.4).

    Tab. 1.4

    Das mechanistische und das komplexe Weltbild. (Quelle: vgl. Niermann 2005)

    Jenseits rationalen Verstehens stehen nun Manager vor der Aufgabe, mit Komplexität umzugehen. Umgehen heißt in diesem Fall: beherrschen, beseitigen, vermeiden, kaschieren, reduzieren oder einfach zulassen. Doch wie zeigt sich Komplexität im Manageralltag, und was ist Komplexität?

    Ulrich und Probst beschreiben Komplexität als Fähigkeit eines Systems, in einer gegebenen Zeitspanne eine große Zahl von verschiedenen Zuständen annehmen zu können. Vielfach wird Komplexität mit Kompliziertheit gleichgesetzt oder gar verwechselt (Ulrich/Probst 1988, S. 58) (Abb. 1.3 und Tab. 1.5).

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    Abb. 1.3

    Komplexität nach Ulrich/Probst. (Quelle: in Anlehnung an Ulrich/Probst 1988)

    Tab. 1.5

    Was ist Komplexität? (Quelle: vgl. Ulrich/Probst 1988)

    Aus einer systemtheoretischen²⁴ Perspektive heraus beschreibt Luhmann die Komplexität so, dass bei Zunahme der Zahl der Elemente, die in einem System zusammengehalten werden müssen, man sehr rasch an die Schwelle stößt, von der ab es nicht mehr möglich ist, jedes Element zu jedem anderen in Beziehung zu setzen (vgl. Luhmann 1987, S. 46).

    „Management ist der Inbegriff der Unmöglichkeit, anzunehmen, dass alles in Ordnung ist." (Baecker 2006)

    Zusammenfassend können wir festhalten, dass komplexe Wirtschaftssysteme [inkl. der Unternehmen] einem eingebauten Mechanismus folgen. Mit jeder Erfahrung und jedem Erlebnis wird der Erfahrende [der Manager] ein anderer, als er vorher war. Manager spüren die Auswirkungen ihrer Handlungen und Entscheidungen unmittelbar durch die Reaktionen der Geschäftsumwelt der Unternehmen.

    1.6 Die Kopplung mit der globalen Umwelt

    Manager sind nicht allein auf dieser Welt. Sie gestalten Prozesse, entwickeln Ideen, entwerfen Strategien, überwachen und verändern Organisationen. Sie nehmen Einfluss auf das Unternehmen und folglich auf die Umwelt. Jede Handlung des Managements ruft zugleich eine Reaktion in der Geschäftsumwelt des Unternehmens hervor. Diese unauflösliche Kopplung und Wechselwirkung der Systeme gehört zum Wesen der komplexen Marktwirtschaft (Abb. 1.4).

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    Abb. 1.4

    Globale Umwelt. (Quelle: in Anlehnung an Steinmann/Schreyögg 2005, S. 178, Grant/Nippa 2006, S. 99, Müller-Stewens/Lechner 2005, S. 205)

    Betrachten wir die Umwelt aus einer betriebswirtschaftlichen Perspektive, dann sehen wir nicht nur Wirtschaftssubjekte (Lieferanten, Kunden, Wettbewerber), sondern weitere Bereiche oder Einflussgrößen aus Soziokultur, Technologie, Politik und Recht sowie globaler Ökonomie. Umwelt versteht sich nicht nur als natürlicher oder ökologischer Aspekt.

    Quelle: vgl. Steinmann/Schreyögg 2005, S. 176 ff.

    Die globale [umfassende] Umwelt²⁵ spannt einen weiten Bogen über alle Bereiche des wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Lebens. Sie bildet eine Klammer um alle relevanten Handlungsfelder des Managements. Auf dieser Metaebene sind alle Elemente über ein virtuelles Band miteinander verbunden und zugleich aufeinander bezogen.

    Da Umwelt und Management wie zwei Seiten einer Medaille miteinander verbunden sind, bleibt es den Managern nicht erspart, die relevante Umwelt genauer zu untersuchen und sie mit dem eigenen Unternehmen in Beziehung zu setzen. In den 1960er Jahren haben vornehmlich amerikanische Business Schools begonnen, die Bedeutung externer und interner Faktoren der Unternehmensentwicklung in den strategischen Planungsprozess aufzunehmen. Sie gingen davon aus, dass eine gute Strategie das Zusammenspiel oder den Fit zwischen der externen Situation (Gefahren und Möglichkeiten) und den internen Qualitäten und Eigenschaften (Stärken und Schwächen) sicherstellen muss. Mit der SWOT-Analyse (Abb. 1.5) bekamen die Manager ein Instrument an die Hand, das ihnen eine formale und zugleich abstrakte Gegenüberstellung von Umwelt und Unternehmen erlaubte. Die Ergebnisse sind rein deskriptiv (beschreibend) und geben dem Management keine Empfehlungen. Angesichts der Tatsache, dass Mintzberg die SWOT-Analyse als ein formalistisches Instrument im strategischen Entscheidungsprozess kritisiert, ist es umso überraschender, dass die SWOT-Analyse bis heute im strategischen Managementprozess überlebt hat (vgl. Hill/Westbrook 1997).

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    Abb. 1.5

    SWOT-Analyse. (Quelle: in Anlehnung an Kotler et al. 2010, S. 32)

    Ungeachtet der Kritik an einer zu statischen Umwelt- und Unternehmensanalyse bemängelt Mintzberg außerdem die unzureichende Unterscheidung von Planung und strategischem Denken im Management. Vornehmlich richtet sich sein warnender Hinweis an Manager, deren Verständnis für die Strategie zu sehr einem formalen Planungsprozess gleicht. Nur mit Planung können keine Strategien entstehen. Aber angesichts tragfähiger Strategien kann Planung in der Strukturierung und Umsetzung helfen.

    „Die Vorstellung, daß Strategien Prozesse sind, die von oben nach unten verlaufen und weit entfernt von den Details der Führung eines Unternehmens im Alltag sind, ist einer der größten Irrtümer des konventionellen Managements." (Mintzberg 1991, S. 45)

    Managers don’t always need to program their strategies formally. Sometimes they must leave their strategies flexible, as broad visions, to adapt to a changing environment (Mintzberg 1994).

    Immer wieder ist in der Managementliteratur von der Dominanz der Umwelt gegenüber den Unternehmen zu lesen. Von ihrer Vorherrschaft, von der prägenden Kraft und von der beeinflussenden Größe im Wechselspiel der Wirtschaftssysteme. Dem gegenüber steht eine Argumentation, die der Gestaltungskraft der Unternehmen, genauer formuliert: den Handlungen und Entscheidungen im Management, die tonangebende Rolle zuweist. Nicht die bedrohliche Umwelt konfrontiert das Management mit der Turbulenz der Märkte, sondern die eigenen Handlungen gestalten und formen die Märkte [Umwelt].

    „Schließlich schaffen sich Organisationen ihre eigene Umwelt, indem sie eine verwirrende Welt [eigene Anmerkung: komplexe Welt] interpretieren und in ihr agieren. Es ist eben nicht nur so, dass die Umwelt unvollständig oder verzerrt wahrgenommen wird, sondern es ist auch so, dass Handlungen, die als Folge einer bestimmten Vorstellung über die Umwelt realisiert werden, die Umwelt formen." (March 1990, S. 197 f.)

    Die globale Umwelt verliert in dieser Sichtweise ihren bestimmenden Einfluss auf die Unternehmen. Es sind die gegenseitigen Abhängigkeiten, die dem Management die Wechselwirkung zwischen Unternehmen und Umwelt unmissverständlich vor Augen führen.

    Für Luhmann sind [Unternehmen] Organisationen offenbar nichtkalkulierbare, unberechenbare, historische Systeme, die jeweils von der Gegenwart ausgehen, die sie selbst erzeugt haben (vgl. Luhmann 2000, S. 9).

    Neben der Kopplung der Systeme, der Konsequenz der eigenen Handlungen und dem Streben nach den bestmöglichen wirtschaftlichen Ergebnissen werden Manager mit einer Reihe von Erwartungen der unterschiedlichsten gesellschaftlichen Anspruchsgruppen konfrontiert. All diese Anspruchsgruppen – konkret: Stakeholder – haben ein spezifisches eigenes Interesse an dem Unternehmen und seinem Management.

    Quelle: vgl. Müller-Stewens/Lechner 2005, S. 181

    Damit wird Management, ganz im Sinne von Drucker und Porter, zu einer gesellschaftlichen Aufgabe. Manager arbeiten nicht länger isoliert von der Umwelt oder den Stakeholdern der Unternehmen. Auch die bereits erwähnte Fiktion des allein und rational entscheidenden Homo oeconomicus passt nicht länger in das Bild des Managements komplexer Wirtschaftssysteme. Nach Rakesh Khurana und Nitin Nohria sollten Manager einem übergeordneten Zweck dienen: Die Gesellschaft ist ihr eigentlicher Kunde (vgl. Khurana/Nohria 2009).

    1.7 Mythos Management

    Wenn Management nicht länger ein rationales, zweckgesteuertes, heldenhaftes Kunstprodukt ist, das sich einzig und allein dem Primat der Gewinnmaximierung unterordnet – was ist Management dann heute tatsächlich? Ist Management einfach nur ein Mythos²⁶, der Dichtung und Wahrheit verschmelzen lässt, oder ein Puzzlespiel, das versucht, die verschiedensten wissenschaftlichen Disziplinen zusammenzuführen? In seinem gleichnamigen Aufsatz spürt Henry Mintzberg (1981) dem ‚Mythos Management‘ nach und kommt zu der Erkenntnis, dass der Managerjob kompliziert, schwierig, mit Verpflichtungen überbelastet, fragmentiert und voller Erwartungen steckt. Mintzberg entzaubert das Managerbild und zeigt die nackten Tatsachen im Manageralltag. Er entmystifiziert das glorifizierende Bild vom alles überblickenden Manager (Tab. 1.6).

    Tab. 1.6

    Dichtung und Wahrheit im Management. (Quelle: vgl. Mintzberg 1981)

    Gut zwanzig Jahre nach Mintzberg taucht im Harvard Business Manager wiederum die Frage auf: Was tun Manager wirklich (vgl. Krämer et al. 2012)? Um es kurz zu machen: In den letzten zwanzig Jahren seit Mintzbergs Untersuchung hat sich der Manageralltag nicht grundlegend verändert. Noch immer sitzen Manager einen Großteil ihrer Arbeitszeit in Meetings, gönnen sich kaum Zeit für eine Mittagspause und stehen im regen Austausch mit Geschäftspartnern und Geschäftskontakten.²⁷ Im Großen und Ganzen ist alles wie vor zwanzig Jahren, nur mit dem Unterschied, dass Manager heute bis zu drei Stunden täglich E-Mails bearbeiten und dass mehr als drei Viertel von ihnen täglich Sport treibt. Trotz Routinearbeiten ist und bleibt der Mythos ‚Management‘ für viele junge Menschen ein erstrebenswertes Ziel auf der Karriereleiter. Ein Arbeitsalltag voller Meetings, E-Mails und dem ständigen Druck, fit und dynamisch zu sein, ist offenbar nicht abschreckend genug; der Reiz, zu gestalten, zu bewegen, ein Unternehmen und seinen Zweck zu beeinflussen, ist einfach stärker.

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    In einem fünfjährigen Forschungsprojekt haben Collin/Porras (2005) ebenfalls die Mythen und die Wirklichkeit im Management untersucht. Nach zwölf widerlegten Mythen kamen sie schlussendlich zu der Überzeugung, dass vier Leitkonzepte die Richtschnur im Management-Denken und -Handeln bilden sollten:

    Quelle: vgl. Collin/Porras 2005

    Obwohl sich auch Collins/Porras vom Mythos Management, von der übermenschlich begnadeten, charismatischen Führungspersönlichkeit verabschieden wollen, hat der Mythos Management bis heute nichts von seiner magischen Anziehungskraft eingebüßt. In der Gestalt des Apple-Chefs Steve Jobs lebte der Mythos des charismatischen Gurus, Helden, Genies oder ‚Messias‘ – wie ihn seine Jünger huldigend nannten – wieder auf. ²⁸

    Jobs’ legendäre Auftritte auf der Macworld Conference stilisierten den Studienabbrecher zum Mythos, zum Tycoon der Technologiebranche. Apple’s Mission Statement wurde zum Benchmark technologiebasierter Unternehmen:

    Apple designs Macs, the best personal computers in the world […] Apple leads the digital music revolution […] Apple has reinvented the mobile phone […] and is defining the future of mobile media and computing devices […].

    In einem Punkt jedoch stimmen Collin/Porras mit den Mythen bildenden Managerträumen überein: Nicht der einsame Visionär prägt das Managerbild, sondern die motivierende, mitreißende, engagierte und glaubwürdige Leitfigur.

    Erst wenn Management und Belegschaft die Vision, den generischen Code des Unternehmens verinnerlichen und mit Leben füllen, kann ein zukunftsorientiertes und dauerhaft überlebensfähiges Unternehmen entstehen (vgl. Collins 1992) (Abb. 1.6).

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    Abb. 1.6

    Konzept einer Vision

    In einem späteren Beitrag erweiterten Collin/Porras ihre Forschungsarbeit um folgende Botschaft: Die grundlegende Besonderheit dauerhaft erfolgreicher Unternehmen ist nach ihrer Erkenntnis, vereinfacht ausgedrückt, das Konzept einer Vision (vgl. Collins/Porras 2005, S. 279 ff.). Eine Vision, die den Kern bewahrt und Weiterentwicklung fördert.

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