Keiner will dir glauben!: Die neue Praxis Dr. Norden 31 – Arztserie
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»Bist du sicher, dass wir ins Café gehen sollten?«, fragte Konstantin, als Jana ihre Einladung wiederholte, mit ihm in ihr Lieblingscafé an der Isar zu gehen. »Ich habe heute Geburtstag, ich möchte nicht den ganzen Tag zu Hause sitzen«, entgegnete Jana und nahm das gelbe Kleid mit dem zartblauen Blümchenmuster aus dem Schrank im Schlafzimmer. »Das heißt, du fürchtest dich jetzt nicht mehr vor einem Anfall in der Öffentlichkeit?«, fragte der junge Mann, mit dem Jana seit zwei Jahren zusammenlebte. »Ich hoffe, dass es gut geht.« »In Ordnung, dann versuchen wir es.« »In einer Viertelstunde können wir los«, sagte Jana und huschte ins Badezimmer. Sie hängte das Kleid an den Haken an der Innenseite der Tür, stützte sich mit den Händen auf dem rechteckigen Waschbecken ab und schaute in den Spiegel. Heute war ihr dreißigster Geburtstag, und sie hätte diesen Tag gern mit ihren Freunden gefeiert, aber inzwischen hatte sie so gut wie keine Freunde mehr. So wie ihr Leben gerade verlief, hatte sie es sich nicht vorgestellt. Diese Krankheit, an der sie seit gut einem Jahr litt, hatte ihre Träume von der Zukunft zunichtegemacht. Die Schluckbeschwerden, die sie immer häufiger quälten und für die die Ärzte bisher keine körperliche Ursache ausmachen konnten, hatten dazu geführt, dass sie ihre Karriere als Radiomoderatorin beenden musste. Es lief ihr noch immer eiskalt den Rücken herunter, als sie an ihren ersten Anfall dachte, der sich ausgerechnet während einer Livesendung bemerkbar gemacht hatte. Sie glaubte damals, zu ersticken, als sie von dem Kirschkuchen abbiss, den ihr die Bloggerin, die sie zum Interview über das Thema »Backen lernen im Netz« eingeladen hatte, zum Probieren überreichte. Der Anfall war so heftig gewesen, dass sie die Sendung hatte abbrechen müssen. Der Arzt, den sie noch am selben Tag aufsuchte, konnte keine körperliche Ursache für diesen Anfall feststellen, was sie zunächst beruhigte, eine Beruhigung, die nicht lange anhielt, da der Anfall sich bereits am nächsten Tag wiederholte.
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Buchvorschau
Keiner will dir glauben! - Carmen von Lindenau
Die neue Praxis Dr. Norden
– 31 –
Keiner will dir glauben!
Jana ist mit den Nerven am Ende
Carmen von Lindenau
»Bist du sicher, dass wir ins Café gehen sollten?«, fragte Konstantin, als Jana ihre Einladung wiederholte, mit ihm in ihr Lieblingscafé an der Isar zu gehen.
»Ich habe heute Geburtstag, ich möchte nicht den ganzen Tag zu Hause sitzen«, entgegnete Jana und nahm das gelbe Kleid mit dem zartblauen Blümchenmuster aus dem Schrank im Schlafzimmer.
»Das heißt, du fürchtest dich jetzt nicht mehr vor einem Anfall in der Öffentlichkeit?«, fragte der junge Mann, mit dem Jana seit zwei Jahren zusammenlebte.
»Ich hoffe, dass es gut geht.«
»In Ordnung, dann versuchen wir es.«
»In einer Viertelstunde können wir los«, sagte Jana und huschte ins Badezimmer. Sie hängte das Kleid an den Haken an der Innenseite der Tür, stützte sich mit den Händen auf dem rechteckigen Waschbecken ab und schaute in den Spiegel.
Heute war ihr dreißigster Geburtstag, und sie hätte diesen Tag gern mit ihren Freunden gefeiert, aber inzwischen hatte sie so gut wie keine Freunde mehr. So wie ihr Leben gerade verlief, hatte sie es sich nicht vorgestellt. Diese Krankheit, an der sie seit gut einem Jahr litt, hatte ihre Träume von der Zukunft zunichtegemacht. Die Schluckbeschwerden, die sie immer häufiger quälten und für die die Ärzte bisher keine körperliche Ursache ausmachen konnten, hatten dazu geführt, dass sie ihre Karriere als Radiomoderatorin beenden musste. Es lief ihr noch immer eiskalt den Rücken herunter, als sie an ihren ersten Anfall dachte, der sich ausgerechnet während einer Livesendung bemerkbar gemacht hatte. Sie glaubte damals, zu ersticken, als sie von dem Kirschkuchen abbiss, den ihr die Bloggerin, die sie zum Interview über das Thema »Backen lernen im Netz« eingeladen hatte, zum Probieren überreichte. Der Anfall war so heftig gewesen, dass sie die Sendung hatte abbrechen müssen. Der Arzt, den sie noch am selben Tag aufsuchte, konnte keine körperliche Ursache für diesen Anfall feststellen, was sie zunächst beruhigte, eine Beruhigung, die nicht lange anhielt, da der Anfall sich bereits am nächsten Tag wiederholte.
Bald musste sie sich jeden Tag mehrmals mit diesen Schluckbeschwerden und Hustenanfällen auseinandersetzen. Sie wagte es kaum noch, etwas in der Öffentlichkeit zu essen, weil sie dann oft das Gefühl hatte, dass sie ersticken würde, während sie versuchte, etwas zu schlucken. Wieder suchte sie Hilfe bei ihrem Arzt, der sie mehrfach zum Röntgen ins Krankenhaus schickte, stets ohne Befund.
Der Sender legte ihr nahe, ihren Job als Moderatorin aufzugeben und bot ihr eine Stelle als Redakteurin an. Sie ging sofort darauf ein, weil sie sich in ihrer Verfassung ohnehin nicht für fähig hielt, eine Livesendung zu leiten. Sie sorgte nun im Hintergrund dafür, dass die ihr zugewiesenen Sendungen, gut vorbereitet und ohne Zwischenfälle ausgestrahlt wurden.
Inzwischen hatte sie sich auch damit abgefunden, dass ihr Freundeskreis und ihre Kollegen ihre Anfälle für eine Art Psychotick hielten. Gut gemeinte Ratschläge, dass sie sich einem Psychologen anvertrauen sollte, hatte sie bisher ignoriert. Sie war nach wie vor davon überzeugt, dass es eine körperliche Ursache für diese Anfälle gab.
Aber so kann es nicht weitergehen, dachte sie, während sie ihr Spiegelbild betrachtete. Umso länger sie es anschaute, umso älter erschien ihr dieses Gesicht, das sie mit seinen traurigen Augen anschaute. Vor ihrer Krankheit hatte sie oft gehört, dass sie strahlend blaue Augen hatte, Augen, die zeigten, dass sie voller Lebensfreude war. Diese Lebensfreude war längst einer tiefen Resignation gewichen.
Wegen ihrer ständigen Anfälle war sie in den letzten Monaten kaum noch ausgegangen und hatte nur selten Freunde eingeladen. Mittlerweile war es so, dass Konstantin sich meistens allein mit ihren gemeinsamen Freunden traf und sie zu Hause blieb. Manchmal fuhr sie für ein paar Tage zu ihren Eltern, die ein Hotel am Bodensee besaßen. Die Fürsorge der Eltern und die langen Spaziergänge am See taten ihr gut, aber diese Anfälle verschwanden auch dort nicht.
»Alles in Ordnung?«, wollte Konstantin wissen, der kurz zur Tür hereinschaute.
»Alles gut, ich bin gleich bei dir«, versicherte sie ihm. Bevor sie ihr T-Shirt und ihre Jeans gegen das lindgrüne Sommerkleid tauschte, tuschte sie ihre Wimpern, zog die Augenbrauen nach, trug einen hellroten Lippenstift auf und kämmte ihre schulterlangen dunklen Locken. Es war schön, dass Konstantin, der als freier Fotograf arbeitete, sich an diesem Tag freigenommen hatte, um bei ihr sein zu können. So musste sie ihren Geburtstag wenigstens nicht allein verbringen.
Eine Viertelstunde später verließen Jana und Konstantin die Wohnung im obersten Stockwerk des Dreifamilienhauses an der Isar und liefen über die Wiese, die das Haus vom Ufer des Flusses trennte. Jana hatte zunächst gezögert, zu Konstantin zu ziehen. Er hatte diese Eigentumswohnung vor fünf Jahren gekauft, und sie wollte nicht das Gefühl haben, auf seine Kosten zu wohnen. Sie hatten dann vereinbart, dass sie sich wenigstens die Nebenkosten teilten.
»Im nächsten Jahr werde ich meinen Geburtstag wieder richtig groß feiern. Der 31. Geburtstag ist ohnehin wichtiger als der 30.«, sagte Jana und hakte sich bei Konstantin unter.
»Ich dachte bisher, die runden Geburtstage sind die besonderen«, entgegnete Konstantin.
»Der Runde ist der Abschluss eines Jahrzehntes. Das erste Jahr des neuen Jahrzehntes zu feiern, hat doch auch etwas Besonderes«, erklärte sie ihm lächelnd. Sie musste zu ihm hochschauen, wenn sie dem großen sportlichen Mann mit den stufig geschnittenen hellbraunen Haaren, der einen halben Kopf größer als sie war, in die Augen sehen wollte.
»Dann sollten wir hoffen, dass dieses erste Jahr in deinem neuen Jahrzehnt auch die entscheidende Wende mit sich bringt.«
»Ich nehme an, du sprichst von meinem Gesundheitszustand.«
»Ja, schon, da muss sich wirklich ganz schnell etwas ändern. Diese Marotte darf nicht dazu führen, dass du derart herunterkommst. Du hast schon wieder abgenommen«, stellte Konstantin fest, während er sie von der Seite betrachtete.
»Ein bisschen«, gab sie zu, weil ihr klar war, dass er nicht übersehen konnte, wie viele Falten dieses Kleid, das ihr im letzten Sommer noch wie angegossen gepasst hatte, inzwischen warf. »Aber lass uns heute nicht weiter darüber sprechen. Ich möchte einfach nur den Tag mit dir genießen.«
»An mir soll es nicht liegen«, versicherte ihr Konstantin.
»Danke, dass du dir heute Zeit für mich genommen hast.«
»Du hast Geburtstag, du solltest diesen Tag nicht allein verbringen«, entgegnete er und legte seinen Arm um Janas Schultern.
Es war eine Geste der Zärtlichkeit, aber seine Berührung fühlte sich nicht mehr wirklich zärtlich an. Seitdem sie unter diesen Anfällen litt, schien er sich immer weiter von ihr zu entfernen. Er versicherte ihr zwar stets, dass zwischen ihnen alles in Ordnung sei, aber so ganz nahm sie ihm das nicht mehr ab. Sollte es ihr nicht bald besser gehen, würde sie ihn vielleicht ganz verlieren.
*
Das hübsche kleine Café an der Isar hatte