Die Seepferdchen-Siedlung: Das Leben weht aus allen Richtungen
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Buchvorschau
Die Seepferdchen-Siedlung - Georg von Rotthausen
Imprint
Die Seepferdchen-Siedlung
oder
Das Leben weht aus allen Richtungen
Published by neobooks, Neopubli GmbH Berlin
Copyright: ©2020 by Georg von Rotthausen
Georg von Rotthausen
Die Seepferdchen-Siedlung
oder
Das Leben weht aus allen Richtungen
Chronik einer Nachbarschaft im Norden, Teil 1
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The characters, locations and events portrayed in this book are entirely fictitious save for historical individuals and events. Any other similarity to real persons, living or dead, is entirely coincidental and not intended in any way whatsoever by the author.
Kontakt zum Autor:
georg.v.rotthausen@gmx.net
Einleitung
Die Seepferdchen-Siedlung. Ein schönes Fleckchen Erde, idyllisch, ruhig an der holsteinischen Ostseeküste gelegen.
Der Seepferdchen Weg hat ihr den Namen gegeben, und der hat seinen Namen von einem alten Kapitänshaus, das heute die Nummer 3 trägt und als Zier seiner wunderschön geschnitzten Eingangstür ein großes Seepferdchen zeigt, und es wohnt seit vielen Jahre wieder ein Kapitän in ihm − aber sie besteht nicht nur aus diesem einen Weg.
Auch Zum Seestern
, Möwe
, Dünenreihe
, der Großseglerweg
und die Admiralsreihe
kamen im Lauf der Jahre dazu.
Verwaltungstechnisch gehört die Siedlung zu einem alten Dorf, das das große Hochwasser von 1872 glimpflich überstanden hat und heute sehr gut vom Tourismus lebt. Die älteren Einheimischen nennen das immer noch Fremdenverkehr, bei den jüngeren heißt das inzwischen prosaisch Tourismus, da man laut Vorgabe der Verwaltung Besucher von auswärts nicht mehr als Fremde vor den Kopf stoßen will.
Man freut sich, wenn die Gäste kommen und viel Geld im Ort ausgeben, aber man freut sich fast noch mehr, wenn sie wieder gehen und die gewohnte Ruhe zurückkehrt. Doch auch das ändert sich langsam, denn die streßgeplagten Binnenländer, auf Platt Stadtminschen genannt, haben die Gegend auch für Winterurlaube entdeckt und es sich partout in den Kopf gesetzt, auch in der kalten Jahreszeit dort ihr Geld loswerden zu wollen. Da sie dabei aber keineswegs immer den Mund halten, außer wenn sie mit Essen beschäftigt sind, und selbst das geht bei manchen geräuschvoll vor sich, ist es mit der gewünschten Ruhe nicht immer und überall weit her.
Manche der Alteingesessenen fügen sich mit einem achselzuckenden Wat schast da maken? in die Gegebenheiten, manche sagen gar nichts mehr, manche denken sich ihren Teil und lesen zum seelischen Ausgleich mindestens einmal täglich ihre Kontoauszüge und wieder andere pflegen den Grundsatz De Gast is Keunig, behalten sich aber vor, hin und wieder auch eine Entthronisierung vorzunehmen und Ferienwahnungswien von der Gästeliste zu streichen.
Einwohner und Gäste haben das große Glück, daß sich bei ihnen neben einem Friseur, liebevoll Verschönerungsrat genannt, eine Bäckerei und ein Metzger halten können, was wiederum den Urlaubern zu verdanken ist, die nun einmal, vor allem morgens, nicht weit laufen mögen, um sich frische Brötchen zu holen oder zu einem dort angebotenen Frühstück niederzulassen. Beim Metzger kann man noch frische Wurst und so weiter erstehen − wenn auch etwas teurer als im Supermarkt − ohne gleich jede Menge Plastikverpackung vor dem Verzehr entfernen zu müssen, und man kann für den nächsten Tag eine Wahl unter drei Mittagessen treffen, was nicht nur dem leiblichen Wohl sondern auch der heißgeliebten Urlaubsfaulheit zuträglich ist − und dem Umsatz des Metzgers. Man muß ja die volle Nutzung einer Ferienwohnung mit Küchenzeile nicht übertreiben, auch wenn sie, inzwischen standardmäßig, sogar eine Spülmaschine einschließt.
Beim Verschönerungsrat, im einzigen Haus, das in leuchtendem Gelb angestrichen ist, lassen sich selbst hektische Stadtfräcke Zeit, und dort tratscht es sich besonders gemütlich.
Am Rand des alten Dorfes hat sich, durchaus zum Vorteil der weiteren Umgebung, aber auch ein Einkaufszentrum niedergelassen, das einem kleineren, alteingesessenen Geschäft in der Ortsmitte allerdings wirtschaftlich das Genick gebrochen hat; der alte Besitzer war gestorben und jüngere Nachfolger konnten es nicht halten. Das hübsche alte Haus wurde abgerissen und gegen einen optisch nichtssagenden Appartementneubau ersetzt − ohne neues Ladenlokal.
Immerhin, der neue Konsum, wie die Älteren ihn nennen, ist zur vierten Nachrichtenbörse geworden − was man beim Bäcker, Metzger, Friseur oder in der fünften, der Postagentur mit Lottoannahme, nicht erfährt − nur eine gemütliche Kneipe gibt es nicht −, hört man dort, wenn der Sluderkraam über Hecke, Gartenzaun oder an’n Strann es noch nicht hergegeben hatte.
Hören wir da doch mal kurz ’rein. Es ist Samstag, der 29. Juni 2019 …
"Sagen Sie mal, Frau Dröhn, haben Sie schon mitgekriegt, daß die Andersons in der Dünenreihe ihr hinteres Grundstück für bannig viel Geld an irgend so einen Stadtfrack aus Lübeck verkauft haben?"
"Nee, wat Se nich seggen, Fru Harmsen! Ist denn das die Möglichkeit? Wo doch die jungen Leute in’t Dörp so dringend Baugrund suchen! Is’ ja hundsgemein so ’was! Gerade Harm Thomsen und seine junge Frau − die Arme is’ ja nun schon wieder schwanger, und das, nachdem doch erst letztes Jahr der lütte Hans zur Welt gekommen is’ und sie nur die kleine Einliegerwohnung bei seinen Eltern haben!"
Ja, ja, haben ja auch noch nix von Verhütung gehört! Aber wenn man auch so beengt aufeinander wohnt.
Das sagen Sie mal, meine Liebe! Wollen alle so erwachsen und aufgeklärt sein! Wenn ich da an meine Jugend denke! Da hat einen der Mann nur einmal verliebt angeguckt − und bums! hatte man ’nen dicken Bauch!
"Da sagen Sie ’was, meine Liebe! So hab’ ich meine fünf auch zusammenbekommen! Gott, waren das schöne Zeiten! Heute sitzt mein Oller jümmers vorm Fernseher und unsereiner kriegt seine Erotik man nur noch aus der Goldenen Marianne
!
"Ach, zum Illustriertenlesen komme ich gerade mal im November, wenn die Stadtminschen weg sind, und ehe ich die Erotik wieder spüre, sind die Weihnachtsgäste da!"
"Da sagen Sie ’was, meine Liebe! … Aber haben die