Die Seepferdchen-Siedlung: Das Leben weht aus allen Richtungen
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Buchvorschau
Die Seepferdchen-Siedlung - Georg von Rotthausen
Imprint
Die Seepferdchen-Siedlung
oder
Das Leben weht aus allen Richtungen
Published by neobooks, Neopubli GmbH Berlin
Copyright: ©2020 by Georg von Rotthausen
Georg von Rotthausen
Die Seepferdchen-Siedlung
oder
Das Leben weht aus allen Richtungen
Chronik einer Nachbarschaft im Norden, Teil 2
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The characters, locations and events portrayed in this book are entirely fictitious save for historical individuals and events. Any other similarity to real persons, living or dead, is entirely coincidental and not intended in any way whatsoever by the author. Sole exception: Historical individuals, living or dead.
Kontakt zum Autor:
georg.v.rotthausen@gmx.net
Sonntag, der 30. Juni 2019
Arjan wacht als erster auf. Er reckt und streckt sich im Bett, ehe er zu Frerk hinüberschaut, der, ruhig atmend, immer noch fest schläft.
Ein paar Augenblicke sieht er seinem Freund zu, ehe er aufsteht und ihn schmunzelnd zudeckt, denn Frerk liegt mit blankem Hintern auf der Matratze.
Hat wohl wieder wild geträumt und sich dabei abgestrampelt.
Arjan geht ins Bad, duscht und richtet sich sorgfältig. Als er zurückkommt, hat Frerk sich auf den Rücken gedreht, dabei wieder abgedeckt, und kratzt sich gerade …
Bist Du schon wach?
, murmelt er. Es ist doch Sonntag und noch Nacht …
Guten Morgen, Schlafmütze
, grüßt Arjan ihn mit normaler Stimmstärke, geht zum Fenster und zieht die Vorhänge auf, was augenblicklich die volle Morgensonne ins Zimmer läßt.
Willst Du mich umbringen?
, beschwert sich Frerk mit verzogenem Gesicht, tastet nach seinem Zudeck, zieht es sich über den Kopf und dreht sich wieder auf den Bauch.
Nö, aber ‘was zum Frühstück holen, damit Du mir nicht vom Fleisch fällst, Alter. Es ist gerade kurz nach acht, und ich will nicht beim Bäcker vor einer leeren Brötchenkiste stehen, denn die Urlauber haben auch Hunger und sind in der Überzahl. Sieh zu, daß Du in die Gänge kommst. In etwa 30 Minuten frühstücken wir
, zieht er ihm lachend das Oberbett weg, quasi Bettstriptease, und verläßt das Zimmer, während hinter ihm Frerk protestiert.
Und Du willst mein Freund sein? Gib mir mein Zudeck wieder!
Aber es nützt nichts, Arjan eilt bereits die Treppe hinunter und amüsiert sich. Es ist mit Frerk fast jeden Sonntag dasselbe.
*
Ehlin ist immer noch enttäuscht vom Ausgang der Frauen-Fußball-WM-Begegnung Deutschland − Schweden tags zuvor.
Im Aufwachen ziehen einige Szenen des Spiels an ihrem geistigen Auge vorbei, aber letztlich ist es nicht zu ändern. Deutschland ist ausgeschieden, und sie hat keine Lust, sich deshalb die gute Laune und den Sonntag vermiesen zu lassen. Es ist letztlich doch nur ein Spiel.
Beke war nach dem gemeinsamen Abendessen samt Aufräumen der Küche und einer Stunde gemeinsamen Musikhörens nach Hause gegangen, um einen Fantasyroman zu Ende zu lesen.
Sie selbst hatte sich noch einen Film im Fernsehen ’reingezogen
und war relativ früh zu Bett gegangen.
Eske nutzte die Abwesenheit der Eltern − sie waren zu einem Konzert gefahren − zu einem Abend mit Björn aus, war aber gegen 22 Uhr nach Hause gekommen, wohin ihr junger Verehrer sie sicher begleitet hatte; er selbst hat strenge Eltern, die ein spätes Herumtreiben
noch nicht dulden und ab spätestens 23 Uhr Ruhe im Haus haben wollen, zumal es ihre Pensionsgäste stören könnte.
Nach einem wohligen Strecken und süßen Gähnen schwingt Ehlin sich aus dem Bett, zieht die Vorhänge auf und blinzelt in die Morgensonne.
Oh, das wird ein schöner Tag
, freut sie sich. Da konnte ich mit Beke auch nach Nakedunien gehen. Kann ich mich mal wieder ganz ohne sonnen. Diese blöden weißen Streifen. Und wollte sie nicht ihre neue Strandbekanntschaft mitnehmen? Na, meinetwegen.
Damit zieht sie ihr Schlaf-T-Shirt über den Kopf und ihren Nachtslip herunter, läßt beides fallen, wo sie steht, wuschelt in ihren Haaren und geht zum Bad, nur um dort gegen eine verschlossene Tür zu laufen.
Eske? Bist Du da drin?
, klopft sie leicht genervt.
Besetzt!
ist die kurze Antwort.
Mach schon auf! Ich muß Pipi!
Pinkel doch in den Eimer
, bekommt sie zur Antwort.
Spinnst Du? Jetzt mach schon auf!
, hämmert Ehlin gegen die Tür.
Unten ist auch noch ein Bad − vergessen?
Jetzt hör’ schon auf, stundenlang Dein bißchen Muschipelz zu bürsten! Das sieht ja sowieso keiner, Du Plattfisch!
Woher willst Du das denn wissen? Und wer will denn solche Euter haben, wie Du?
Ein letztes, vergebliches Schlagen mit der flachen Hand gegen die Tür und Ehlin reicht es, zumal die Blase drückt.
Nackt, wie sie ist, stürmt sie ins Erdgeschoß, nur um auch dort vor eine verschlossene Badezimmertür zu rennen.
Manno! Was ist denn heute los hier?
, schimpft sie und klopft. Wenn ich nicht gleich aufs Klo kann, dann gehe ich nackt in den Garten und gieße die Blumen!
, kündigt sie entschlossen einen kleinen Dorfskandal an.
Im nächsten Moment wird der Schlüssel gedreht, die Tür öffnet sich und ihre Mutter kommt heraus. Ehlin trippelt schon von einem Fuß auf den anderen.
Oh, Mama, endlich!
, drückt Ehlin sich vorbei und knallt die Tür zu.
Guten Morgen, mein Kind! Hast Du gut geschlafen, mein Kind? … Guten Morgen, Mama! Danke, sehr gut, und Du?
, formuliert ihre Mutter den eigentlich zu erwartenden kurzen Begrüßungsdialog am Morgen in beiden Rollen und geht mit leichtem Kopfschütteln in die Küche. Dort schreibt sie einen Zettel, schiebt ihn unter der Badezimmertür durch und wartet einen Augenblick.
Oh, Manno! Warum denn immer ich!
, tönt es von drinnen.
Aaltje Fehnmoor schmunzelt und kehrt an ihre morgendliche Arbeit zurück.
*
Moin
, grüßt Arjan Leontine Dröhn freundlich in der Warteschlange vor dem Bäckerladen.
Moin
, grüßt sie zurück. "Na, mien Jung, Du bist ja am Sonntag bannig freuh op de Been, betrachtet sie ihn, als müßte sie ihre optische Erinnerung an ihn auffrischen.
Hast es wohl arg eilig gehabt fürs Familienfrühstück einzuholen, nich‘? War wohl keine Zeit mehr zum Rasieren, hm?", mustert sie ihn kritisch.
Nee, Frau Dröhn, das trägt man diesen Sommer am Wochenende so. Nennt man Drei-Tage-Bart
, grient Arjan kess. Doch morgen kommt er wieder ’runter, sonst bin ich zugewachsen und meine Mutter gibt mir kein Frühstück, weil sie mich nicht mehr erkennt, und man muß ja auch die Rasierklingenindustrie unterstützen, nicht wahr?
, neckt er sie. "Aber nächstes Wochenende habe ich ihn wieder. Damit du alte Dorftratsche wat to zaustern hest."
So, so
, kommentiert sie die Auskunft etwas spitz. Trägt Frerk das jetzt auch? Wo ist er denn? Ihr steckt doch immer zusammen
, sieht sie sich suchend um.
Och, Frerk ist zu Hause, und da er noch ganz nackt ist, konnte er schlecht zum Einkaufen mitkommen. Das gibt ja sonst Gerede im Dorf
, teilt Arjan ihr mit todernst-wichtigem Gesicht mit, doch innerlich platzt er fast vor Lachen.
Leontine Dröhns Mimik Ich hab’s doch gewußt
bemerkt er nicht mehr, denn beim Vorrücken der Warteschlange fällt sein Blick auf Mareile Pööschen, die am ersten Tisch im Innenraum sitzt und ihr erstes Urlaubsfrühstück einnimmt. Sie setzt gerade ihre Kaffeetasse an, als sie Arjan bemerkt und prompt etwas des Inhaltes verschüttet.
Arjan lächelt sie an, während sie sich Mund und Kinn abtupft und etwas verlegen zurücklächelt.
Das ist ja mal ’ne Hübsche. Hoffentlich ist sie nicht nur Wochenendgast und bleibt ’ne Weile. Die würde ich gern am Strand treffen. Scheint ohne Typ hier zu sein.
Mareile anzusprechen traut er sich noch nicht, aber im Weitergehen schaut er sich einmal nach ihr um und riskiert ein bis zwei Blicke zu ihr hin, als er am Tresen durch die gewundene Warteschlange ihr nicht mehr den Rücken zuwendet, sondern in ihre Richtung sehen kann.
Das ist ja ein hübscher Bursche, und wie er mit mir flirtet! Aber er wird aus dem Dorf sein und kein Urlauber, so braun, wie er jetzt schon ist. Süß sieht er aus. Diese leuchtenden Augen, und sein knackiger Hintern ist nicht ohne. Auf jeden Fall bin ich nächsten Sonntag um diese Zeit wieder hier.
Mareile beißt in ihr gebuttertes Hörnchen und sieht ihm weiter zu.
Moin, Arjan!
, spricht ihn eine der vier Verkäuferinnen an. Was möchtest Du heute?
Moin, Heike
, grüßt er zurück. Acht Normale, bitte.
Arjan heißt er. Was für ein schöner Name. Paßt zu ihm. Und die Bedienung kennt ihn, also ist er von hier.
Arjan nimmt die gefüllte Papiertüte, legt einen Zehn-€uro-Schein auf den Tresen, streicht das Wechselgeld ein, wünscht einen schönen Tag und wendet sich zum Gehen, während hinter ihm weiter bestellt wird.
Tschüß, Frau Dröhn
, dreht er sich um.
Tschüß, tschüß
, macht sie es kurz, mit kritischem Betrachten Arjans‘ Erscheinung nich‘ mal ordentlich angezogen … was muß ein junger Bursche am hellichten Tag seinen Bauchbabel zeigen … ts!
, ohne Lächeln, und sagt an, was sie haben möchte.
Noch einmal treffen sich Arjans und Mareiles Blicke … und dann zeigt er lächelnd auf seinen Mundwinkel.
Mareile versteht nicht sofort …
Er tritt kurz an ihren Tisch, nimmt eine Serviette und wischt, ohne viel zu fragen, ein Kleckschen Butter bei ihr ab.
Schönen Urlaub
, wünscht er ihr und geht mit einem neuerlichen Lächeln und verstohlenen Winken hinaus.
Ganz schön frech, aber was für einen sexy Bauchnabel er hat … und dieses schöne Lächeln
, sieht Mareile ihm nach. Ehe Arjan aus ihrem Blickfeld verschwindet, dreht er sich noch einmal nach ihr um − und bemerkt ihr Schmunzeln samt Winkerfinken.
*
Pastor Michaelsen ist, wie üblich, auch am Sonntag früh aufgestanden und hat sein Frühstück allein eingenommen. Nun