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Helfer: Die Geschichte eines Mantikers
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eBook253 Seiten3 Stunden

Helfer: Die Geschichte eines Mantikers

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Über dieses E-Book

,Der Autor, Reinhard Ost, beschreibt das Leben des Althistorikers Traugott Helfer auf eine ganz besondere Weise.
Helfers Alltag und seine Beschäftigung mit der Geschichte der Mantiker verändern sein Seelenleben und auch sein Vernunftverständnis.
Möglicherweise könnte der Roman auch wie eine moderne Offenbarung gelesen werden oder wie ein Handbuch des Hellsehens bzw. des Schwarzmalens.
Aber am Ende ist es nur eine phantastisch-enzyklopädische Reise in eine andere Welt.
Helfers Welt ist die Suche nach Zuversicht und Zukunft.
Es ist der Alltag eines modernen Privatgelehrten, der nicht mehr so genau weiß, was er noch alles wissenschaftlich hinterfragen und begründen soll.
SpracheDeutsch
Herausgeberepubli
Erscheinungsdatum20. Jan. 2016
ISBN9783737576482
Helfer: Die Geschichte eines Mantikers

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    Buchvorschau

    Helfer - Reinhard Ost

    Reinhard Ost

    Helfer

    Die Geschichte eines Mantikers

    Roman

    Impressum

    Copyright: @ 2015 Reinhard Ost

    Published by: epubli GmbH, Berlin

    www.epubli.com

    ISBN 978-3-7375-7648-2

    Inhalt

    Impressum

    Namen und Titel

    Erde

    Wasser

    Luft

    Mond und Sterne

    Feuer

    Hände

    Tiere und Pflanzen

    Lage des Kindes

    Beschwörung der Toten

    Siegermentalität

    Schatzmeisterei

    Wissenschaftliche Prognosen

    Weissagungen

    Hellsehen, Schwarzmalen und der Weltuntergang

    Das Andalusische Orakel

    Das Israelische Orakel

    Über den Autor

    Namen und Titel

    Traugott Helfer ist sehr wahrscheinlich der einzige Mensch auf der Erde, der in seinen Bewerbungsschreiben, mit denen er sich bei Arbeitgebern vorstellt, nicht nur sein Geburtsdatum angibt, sondern auch seinen Todestag. Eine erste vorläufige Begründung für das merkwürdige Verhalten liegt auf der Hand. Da er bislang nie ernsthaft krank gewesen, sondern bis heute, Gott sei Dank, kerngesund ist, kann man davon ausgehen, dass er lediglich seine potenziellen Vorgesetzten nicht im Unklaren über sein Schicksal lassen möchte. Denn gewissermaßen hängt auch deren Schicksal von dem seinen ab. Warum er aber seinen Tod so frühzeitig freigibt, veröffentlicht und sozusagen zur Kalkulation stellt, ist nicht ganz einfach zu erklären. Beginnen wir also von vorn.

    Er ärgerte sich als Kind maßlos über seine beiden Namen, über seinen Vornamen in Verbindung mit seinem Nachnamen. Zusammengenommen klingt er wie ein gläubiger Gutmensch. Traugott und dann auch noch Helfer. Wie konnte das passieren? Wie konnten seine Eltern ihm das antun? Seine Mutter war katholisch und sein Vater jüdischer Abstammung. Das prägte wahrscheinlich auch ihn bzw. seinen Namen. Sein Vater war Kaufmann. Dadurch wurde die ganze Familie Helfer einigermaßen wohlhabend. Im Krankenhaus, direkt nach der Entbindung, machte seine Mutter Helene kurzen Prozess. Die beiden Namen würden melodisch sehr gut klingen und bestens zueinander passen, sagte sie lapidar zu ihrem Gatten und schrieb Traugott in ein Formular. Und schon war‘s passiert. Er ist als kleiner Mensch geboren und muss als Traugott weiterleben. Namen seien Schall und Rauch, sagte sein Vater zwar immer wieder zu ihm, insbesondere wenn Traugott sich über seine Mitschüler in der katholischen Jungenanstalt beschwerte, denn diese hänselten und gretelten ihn. Sein Vater war, als tüchtiger Geschäftsmann, oft auf Reisen. Seine Mutter blieb lebenslang Hausfrau, ihr ganzes kurzes Leben lang. Sie verstarb ganz plötzlich an einem Tumor in der Gebärmutter, als er noch nicht einmal elf Jahre alt war. Irgendwie meinte Traugott, er sei an dem großen Tumor irgendwie beteiligt gewesen. Denn elf Jahre alt war nicht nur er, sondern auch seine große und schier übermächtige Phantasie. Sie war es auch, die dem handballgroßen Ding im Bauch seiner Mutter einen originellen Namen gab, noch bevor die Ärzte sich vergeblich an ihm zu schaffen machten. Er nannte das Ding einen Muttermond. Es war wahrscheinlich auch sein Reichtum an Phantasie, der seine Mutter, seinen Vater und ihn so furchtbar leiden ließ. Dabei litt sein Vater sonst weniger stark. Er beschäftigte sich beruflich, sein endlos wirkendes Berufsleben lang, mit Medizintechnik, also mit Pumpen, Sonden, Röhren, Filtern, Herzkathedern, Prothesen. Aber diese Geräte halfen eben seiner Mutter leider gar nicht. Seinem Vater kam beruflich ihr gemeinsamer Nachname Helfer gerade recht, könnte doch dadurch ein potenzieller Kunde annehmen, sein Geschäft hätte wirklich etwas mit Helfen und Berufung zu tun. Die Medizintechnik war also für Traugott ein ebenso einprägsamer Begriff, ein Wort, wie sein Name als mutter- und vaterbezogener Gemütszustand. Sein Leben lang sollten ihn die Namen prägenden Begrifflichkeiten eindringlich beschäftigten. Seine Eltern wünschten sich seinerzeit lieber eine kleine Tochter, die wahrscheinlich nicht größer oder anders werden durfte, als sie sich eben ein kleines Mädchen in ihrer Imagination vorstellten. Und nun ist er gekommen. Traugott vermutet sogar noch heute, dass seine Eltern ihn, wenn er tatsächlich ein Mädchen geworden wäre, wahrscheinlich Engelchen genannt hätten.

    Warum konnte er denn nicht Alexander oder Rudolf geworden sein? Rudolf hätte man auf Rudi reduzieren und verniedlichen können. Alexander hätte man mit Alex etwas spitzer machen können. Aber Gotti als Form der Verniedlichung? Das klingt viel zu frech und auch zu androgyn. So aber stand nun er, der Traugott, da und alle glaubten, er würde sich ernsthaft zutrauen, an Gott zu glauben und ihm zu vertrauen. Ihm selbst blieb also gar nichts anderes übrig, als sich darauf einzulassen. Gott könnte ihm vielleicht sogar manchmal dabei behilflich sein, ernsthaft das Glauben zu versuchen und seinen Namen als einen Auftrag zu verstehen. Schon als Jugendlicher war Traugott der festen Überzeugung, dass der Name des Menschen und das Schicksal seines Trägers auf geheimnisvolle Weise miteinander verknüpft seien. „Nomen est omen, heißt es doch so einfach und verkürzt im lateinischen Volksmund. Quacksalberei und Aberglaube nannte sein Vater solcherart Andeutungen. Sein Vater ging üblicherweise allein, ohne seine Mutter, in die Synagoge. Er war nicht gläubig im engeren Sinn, sondern er war eben nur ganz schlicht von jüdischer Herkunft. Sein Vater, wenn er den Gottesdienst absolviert hatte, erwähnte danach recht häufig, dass jeder Mensch doch seines Glückes Schmied sei, aber alle Menschen unbedingt einen festen Glauben und eine gute Medizintechnik benötigen würden. Sein Vater war beileibe kein einfältiger Mensch, das auf keinen Fall, vielleicht etwas streng privatwirtschaftlich, utilitaristisch, also nützlichkeitsorientiert. Aber er war im Grunde ein sehr hilfsbereiter Mensch. „Auge um Auge, Zahn um Zahn verstand sein Vater wie eine Art von Hilfsmittel, wie ein Instrument, wie eine Medizintechnik gewissermaßen, wie eben schon der Nachname Helfer signalisiert.

    Traugott war ein exzellenter und auch ein sozialer Schüler. Zeit seines Lebens sollte er das bleiben dürfen. Er selbst nimmt an, dass dieser Umstand eventuell mit seiner kurios philosophischen Orientierung im Hinblick auf die Namensgebungen zu tun haben könnte. Alles konnte er sich sehr gut merken. Er konnte es gut wiedergeben und sich später bestens daran erinnern, weil er allen Dingen, Menschen und Ereignissen einen einprägsamen Titel, einen Namen, geben konnte: Wolf, Eselsbrücke, Schafspelz, Spielplatz, Kirche, Obama, Jesus, Stalin, Hitler, Ai Weiwei. Wenn man einen einprägsamen Namen hat oder trägt, dann kleidet man ihn gewissermaßen aus. So entstünde ein Titelträger, dachte er damals.

    Seine Klassenlehrerin in der Grundschule hatte an einem seiner vielen beliebigen Schultage, vor allen seinen Mitschülern, zu ihm gesagt, er sei ein bescheidener Grübler. Das brachte ihm noch mehr äußere und auch innere Widerstände ein, als er sie ohnehin schon spürte. Auch diese beiden Titel wurde er nie wieder los. Bescheidenheit ist eben auch so ein imprägnierendes Wort, welches in Verbindung mit den Namen Traugott und Helfer zu weitreichenden Missverständnissen führen kann. Sein Vater sagte nur: „Bescheidenheit ist eine Zier, doch besser geht es ohne ihr."

    So hängen an allen großartigsten Worten immer auch schon die Verballhornungen und die Missverständnisse mit dran. Er hätte seinen Vater umbringen können, wenn dieser das oben zitierte wirklich mehr als einmal formuliert hätte. Schon für die Wahrscheinlichkeiten tadelte er seinen Vater, den Medizinverkäufer, recht häufig.

    Noch mit 16 Jahren war Traugott ein körperlich recht kleiner, aber wendiger und sehr hübscher Junge. Später dann schoss er plötzlich in die Höhe und wurde über 1,90 Meter groß, denn sein Vater war auch so lang und darüber hinaus wirkte er noch sehr stattlich. Eine gewisse Eleganz in Traugotts Bewegungen aber blieb, trotz seiner Länge. Er musste sich wachstumsdynamisch eben anpassen, vermutete er. Seine Größe konnte er ausgleichen, indem er gertenschlank blieb, um nicht auch noch so stattlich zu wirken wie sein Vater „Helmut Kohl". Zwei Helfer, groß und stattlich, so fand er, seien des Guten zu viel und würde möglicherweise zu überhöhten Ansprüchen führen.

    Später, im Studium, Traugott studierte Geschichte an einer weltberühmten Universität, fühlte er sich wenigstens kognitiv wieder etwas kleiner und geschrumpfter. Ein Traugott Helfer aber blieb er auch dort. Schließlich rutschte er immer tiefer in die akademischen Fächer der Alten und Spätmittelalterlichen Geschichte hinein. Die Antike und das europäische Mittelalter mochte er sehr gern, weil man sich dort an sehr vielen berühmten Namen abarbeiten kann. Er erschrak also nicht sonderlich, als er das Wissen, die Hintergründe und die Bedeutung der Namenmantik im Studium erlernte. Das Orakelwesen, welches sich speziell an Namen festmacht, begann ihn auch als allgemeines Phänomen in der Geschichtsschreibung zu interessieren. Was für einen Historiker früher einmal gewesen, gibt es stets auch noch heute, in allen möglichen Gestalten und Formen. Dieses feinsinnige Gespür erlernte er speziell von seinem Doktorvater, der immer neue Umschreibungen des Alten mit Hilfe aktueller Vokabeln und Bezüge fand.

    So schloss Traugott dann sein Studium direkt mit dem schier unangreifbaren und universell deutschen Medizinaltitel ab, wie er häufiger sagt, insbesondere wenn er als Statussymbol missverstanden wird. Er wurde natürlich kein Dr. med., sondern ein Dr. phil. . Seine Doktorarbeit verfasste er über das Heidelberger Schicksalsbuch, über die Namenmantik und das Kreisschema: Tafel von Pythagoras - Aufbewahrung - Standort/Fundort - Universitätsbibliothek Heidelberg - Bedeutung - Überlieferung - Form und Inhalt - Material und Technik - Pergament und Federzeichnung. Die Künstler hießen seinerzeit Thomas Schilt und Johannes Hartlieb. Keinen Menschen, außerhalb der Uni, schien das wirklich zu interessieren, nur seinen Doktorvater, so hoffte er jedenfalls. Nach dem Ende des Studiums war er nun ein ausgewachsener „Summa cum laude", eine Visitenkarte: Dr. Traugott Helfer, Historiker.

    Es war an einem kalten Novembertag, als sein Vater kurz nach dem Übergang in den Ruhestand verstarb. Er führte ein langes Arbeitsleben in jüdischem Glauben, hieß es in der Predigt, und mit dem Ruhestand sei dann sogleich leider der Tod gekommen. Die Tatsache des Ablebens selbst oder gar solche Predigten machten ihm weniger zu schaffen, sondern vor allem der Umstand, dass sein Vater mit Vornamen Siegfried hieß.

    Traugotts Studium der alten und neueren Geschichte war ein überaus modernes Studium. Es war elektronisch, computergesteuert und bestens organisiert bzw. durchgerechnet. So lernte er im Laufe der Zeit exzellent in prosopographischen Namens-, Geburts- und Sterbedatenregistern zu lesen und zu recherchieren. Er lernte vernünftig zu mutmaßen und spezielle Erkenntnisse zu gewinnen, zum Beispiel, wie alt welcher spezielle Menschentyp mit einem speziellen Namen und Lebenslauf wird. Die Siegfrieds in der neueren und neuesten Geschichte, so konnte er sauber errechneten, erreichten durchschnittlich das 66zigste Lebensjahr. Man muss selbstverständlich in angemessener Form den kulturellen Zeitfaktor berücksichtigten. Bei seinem Vater stimmte das errechnete Sterbedatum haargenau. Natürlich wusste Traugott, dass es auch nur ein Zufall gewesen sein könnte, denn Durchschnitte setzen sich aus den Abweichungen der verschiedenen Lebensgeschichten zusammen. Aber ein merkwürdiges Datumsgeschehen war das schon, als sein Vater an einem Sonntag des Jahres 2010 verstarb. Er überprüfte viele biografische Daten von Personen, die Siegfried hießen. Und siehe da, alles bewegte sich ziemlich genau um den Durchschnittswert herum. Die Abweichungen waren marginal, im Leben und beim Sterben, wenn man die Kriege und die sonstigen unnatürlichen Todesfälle sauber ein- bzw. rausrechnete. Das Schicksal eines Menschen schien sich also wirklich an den Namen festzumachen. Für sich selbst und für alle anderen Traugotts der Neuzeit konnte er ein kulturelles Lebensalter von 81 Jahren errechnen. Selbstverständlich berücksichtigte er als Historiker noch viele weitere Einflussfaktoren. Nur der Name war eben auch zu wenig. So entwickelte sich sein tiefes Verständnis von Lebenszeitaltern und Alterskulturen. Der Vor- und Nachname, die man rechnerisch miteinander kombinieren muss, sind für ihn allerdings nur eine äußere Hülle des ansonsten inneren, zivilisatorisch-biologischen Geschehens. Es müssen viele innere Variable berücksichtigt werden, um ein korrektes Lebensalter zu bestimmen. Solche Variablen sind zum Beispiel: komplexe Namensverstrickungen, anonymisiertes Leben, Erde, Wasser, Luft, Feuer, Hände, Tiere, Mond, Sterne, Lage des Kindes, die Beschwörung der Toten, Sieger- oder Verlierermentalität, Schatzmeisterei und einige weitere unterschiedliche Prinzipien der innerpersönlichen Weissagungsfähigkeit. Alle Faktoren, zusammen genommen, sind für Traugott der allgemeine Prinzipienbaum des Lebens, der Kultur, des Glaubens und der Wissenschaft. Manchmal, so glaubt er, scheint ihm die ganze Sache schon aus dem Ruder zu laufen. Alles wird schließlich immer komplexer, wenn man sich damit beschäftigt.

    Man kann erahnen, dass Traugott Helfer in die Gemeinschaft der Mystiker und Spirituellen abzutauchen drohte. Esoterisch ist er aber nicht geworden. Er ist schlichtweg nur prosopographisch orientiert, ein Künstler der aggregierten Biografik sozusagen. Schon sein Studienfreund Ewald und seine damalige Freundin Hanna, die nach seiner Promotion übrigens nicht mehr seine Freundin, sondern nur noch Frau Doktor sein wollte, hatten ihm schon viele Dinge prophezeit. Hannas Prophezeiungen wirkten aber immer eher wie Drohungen für ihn. Heute weiß er es besser. Es sind kleine Offenbarungen gewesen. Sie wollte ihn vor etwas Unbestimmtem warnen, vermutet er. Je wissenschaftlicher und präziser er mit der Zeit zu argumentieren lernte, desto magischer wurden für ihn weltliche Fakten, Zahlen und Ereignisse - im Grunde eine atemraubende Entwicklung. Die Weissagungstechniken im Speziellen sind für Traugott eine bestimmte Fähigkeit, nämlich wenn man gut und auch genügend verständlich abstrahieren kann.

    Wenn er intensiver darüber nachdenkt, dann ist es wohl ein Seminar von Professor von Altmannsberger, dem weltberühmten Spätmittelalterprofessor an seiner Alma Mater, gewesen, welches ihn seinerzeit im Studienleben am stärksten beeinflusste. Altmannsberger, heißt vor und nach seinem Tod, mit Vornamen Emanuel, also wie der große Philosoph Kant. Altmannsberger von Emanuel interpretierte Traugott Helfer den komplexen Namen. Es ging im Seminar damals um Johannes Hartlieb, also um „Johannes und „Hartlieb. Johannes Hartlieb, geboren um 1400, gestorben am 18. Mai 1468 in München, war Arzt, Hofdichter und Übersetzer. Das Leben von J. H. ist erst ab dem Jahre 1440 kontinuierlich in Urkunden nachweisbar. Davor gibt es gewisse Unstimmigkeiten mit der Zuordnung seines Namens. Hartlieb wurde in der Gegend von Ludwigsburg in Württemberg geboren. Erstmals namentlich erwähnt wird er in einem seiner eigenen Werke, in „Kunst der Gedächtnüß, welches im Jahr 1432 fertiggestellt und im Auftrag von Herzog Ludwig VII., Bärtiger von Bayern-Ingolstadt, auf Schloss Neuburg an der Donau geschrieben wurde. 1437 war Hartlieb geistlicher Vorstand der Pfarrkirche St. Moritz in Ingolstadt gewesen. Noch im selben Jahr wurde er von Ludwig VII. seines Amtes enthoben, da er angeblich seine Pflichten vernachlässigte. Im Jahr 1439 wurde Johannes Hartlieb ausgerechnet im italienischen Padua promoviert, ehe er dann im Jahr 1440 in die Dienste des Herzogs Albrechts VI. von Österreich eintrat. Für den Herzog übersetzte er den „Tractatus de amore von Andreas Capellanus ins Deutsche. Man arbeitete eben schon damals für seinen Geldgeber, sogar in Liebesangelegenheiten, denkt Traugott.

    Im Herbst des Jahres 1440 wurde Hartlieb der Leibarzt, Ratgeber und Übersetzer Herzog Albrechts des Dritten von Bayern-München. Er blieb bis zu seinem Tod, im Jahr 1468, in Diensten dieser Familie. 1456 schrieb er „Das puch aller verpoten kunst, ungelaubens und der zaubrey", welches die erste bekannte Aufzeichnung eines Hexensalbenrezepts enthält. In seinem Buch der verbotenen Kunst distanzierte sich Hartlieb von den damals so genannten verbotenen Künsten, obwohl er sich in seinen früheren Werken durchaus der Magie zugewandt zeigte. Dieser Wandel lässt sich allerdings nicht nur auf seinen Namen zurückführen, sondern möglicherweise auf die Begegnung mit Kardinal Nikolaus von Kues zwischen den Jahren 1451 und 1454. Es ist eine glückliche Namensverbindung gewissermaßen gewesen. Nikolaus von Kues habe, so heißt es, Johannes Hartlieb von der Sündhaftigkeit der Magie und des Aberglaubens überzeugt. Er habe ihn zu einer religiösen Haltung bekehrt. Hartlieb war mit Sibilla Newfarer verheiratet, eine Tochter Herzog Albrechts. Sie hatten zusammen drei Kinder.

    Nun, was ist das Besondere an diesem alten Johannes Hartlieb? Warum kann man Traugott Helfer und Johannes Hartlieb in einer engen geistigen Verbindung sehen? Es ist auf keinen Fall das Schwarzsehen, was die beiden verbindet, sondern das Hellsehen.

    Es ist nicht Johannes Hartliebs berühmtes Kräuterbuch, seine überragende medizinische Schrift, welche zwischen den Jahren 1435 und 1450 entstand, die für Traugott Helfer entscheidend gewesen ist. Es sind auch nicht die vielen verschiedenen Tiere und Pflanzen oder deren medizinischer Wertnutzen in Hartliebs Buch, die so selbsterklärend zu sein scheinen. Es ist ein ganz anderes Buch. Es ist  Hartliebs „Buch aller verbotenen Kunst", welches Professor Altmannsberger damals als originelles Seminarthema in den Mittelpunkt der Aufmerksamkeit seiner Studierenden rückte. Es waren acht Männer und drei Frauen.

    Das ominöse Buch ist im Jahr 1456 als Auftragswerk für Johann von Brandenburg-Kulmbach entstanden und gliedert sich in zwei Teile, wobei der erste Teil überwiegend der Intention des Autors Johannes Hartlieb gewidmet ist, nämlich die Verurteilung der Zauberei und des Aberglaubens. Im zweiten Teil beschreibt Hartlieb die sieben sogenannten verbotenen Künste genauer: Nigromantia, Geomantia, Hydromantia, Aeromantia, Pyromantia, Chiromantia, Spatulamantia. Es handelt sich wahrscheinlich um das früheste deutschsprachige Zeugnis, welches sich mit dem Aberglauben des Mittelalters gewissermaßen enzyklopädisch beschäftigte. Es sind diese zu damaliger Zeit „verbotenen Künste", die sich in Traugotts Gedächtnis eingenistet haben. Wie kleine Vögel haben sie in seiner Erinnerung ihre Nester gebaut, nicht etwa weil sie verboten oder gar magisch sind, sondern weil er in ihnen alle wichtigen Lebensweltprinzipien gut erkennen kann. Seiner Meinung nach beeinflussen sie den Lauf der Weltgeschichte. Orakelfragen sind für Traugott heute nicht etwa historisch überholt, sondern sie sind überaus aktuell und allgegenwärtig, auch in der allermodernsten Moderne. Man gibt den Dingen jeweils ganz andere Namen. Man verwissenschaftlicht und politisiert sie. Das magische Orakel aber bleibt das gleiche. Traugott kann also das europäische Mittelalter ohne große Umschweife in Prinzipien der Neuzeit verwandeln, weil er die Wege der Umwandlung in neue Namen und Worte kennt.

    Die Namensmantik ist für Traugott ein kleiner, aber dennoch sehr wichtiger Teil aller anderen Mantiken. Es geht im

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