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Freuds Dreirad: Satiren
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eBook97 Seiten1 Stunde

Freuds Dreirad: Satiren

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Über dieses E-Book

Was macht ein Familienvater mit dreijährigem Kind auf dem Spielplatz? Wer ist der "Mann mit dem Bobo"? Gibt es den "Otto-Doktor"? Was sind "Hihihis"? Freuds Dreirad geht diesen Fragen auf urkomische Weise nach. Ja, die Wege des Menschen sind unergründlich und führen immer zum Spielplatz zurück. Hier hat alles angefangen. "All the world's a playground", würde Shakespeare sagen. Der Spielplatz besteht aus einer Sammlung von Rollen-Menschen, die einen Familienvater mit dreijährigem Sohn in Rollen-Bildchen zwängen wollen. Chancenlos. Doch Hilfe naht: Was sagte wohl der Psychoanalytiker Sigmund Freud zu unseren alles verurteilenden Erziehungsidealen mit Supermommys und Ultradaddys? Die Antwort finden Sie in diesem Buch. Aber Achtung: Freud und Leid liegen oft nahe beieinander.
SpracheDeutsch
Herausgeberepubli
Erscheinungsdatum17. Mai 2018
ISBN9783746724706
Freuds Dreirad: Satiren

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    Buchvorschau

    Freuds Dreirad - Jan Schneider

    Freuds Analphase

    «Bis zum Hals in der Scheiße», schmunzelt der füllige Mann mit Laptop, «verzeihen Sie, Ho, ho, hoo!»

    Der Nikolaus sitzt im Frühling also auf dem Spielplatz. Ein passender Ort für Charakterstudien. Ich linse auf seinen Bildschirm. Aha! Die Millionen Weihnachtswünsche werden mittlerweile per Tabellenkalkulation verwaltet.

    «Viel Arbeit?», frage ich.

    «Ja, ja», sagt er, «immer zu dieser Zeit. Qualitätscheck der Osterproduktion.»

    «Interessant», lüge ich, «was produzieren Sie?»

    «Ich bin im Spielwarensegment tätig.»

    Selbst der Nikolaus spricht in wirtschaftlichen Standardfloskeln.

    «Und ich habe gedacht, die Elfen hätten nach Weihnachten frei.»

    «Ho ho hoo!», lacht der Mann bebend, sodass der Laptop seekrank wird, «schön wär’s. Die wollen mittlerweile auch Lohn.»

    Vielleicht bin ich im falschen Film, wenn ich mir den Weihnachtsmann als Hasen verkleidet vorstelle, der seine Eier in Nestern deponiert? Ich frage nach seinem Ostersortiment.

    Er zeigt mir auf dem Bildschirm die Produktverpackung eines singenden batteriebetriebenen Osterhasen mit der Aufschrift «3+». Ich habe genug gesehen, bedanke mich und eile zu Söhnchen hinüber, den ein Kletternetz gefangen hat. Drei zu Null für den Spielplatz.

    «Drei plus», murmle ich und denke nicht an ein Vitamingetränk, sondern an die Erziehungsbibel: Ein Dreijähriger muss Dreiwortsätze kennen und merken, wenn ein Gegenstand kaputt ist. Bei meinem Smartphone kann ich das mit beinahe vierzig nicht. Außerdem muss das Kind schön stubenrein sein. Wir vergleichen: Wer spricht schon, rülpst nicht mehr am Tisch und kackt nicht mehr in die Hose.

    Ich befreie Sebi aus dem bösen, bösen Netz. Die kleinen Beine rennen im Leerlauf, bevor sie den Boden berühren.

    Als ich zur Sitzbank zurückkehre, zeigt Nikolaus als Hase im Pinguinkostüm auf meinen Sohn. «Ho ho hoo!», schreit er, «der gefällte Baum wird wachsen!»

    Eine kurze Drehung, dann ist alles klar: Sebi pisst freudig an einen Stützpfeiler der Rutschbahn. Zwei Meter daneben eine kopfschüttelnde Frau.

    Typisch: Kann ein kleines Kind endlich selber seinen biologischen Abfall loswerden, lässt es doch in aller Öffentlichkeit stolz die Hose herunter und unterstützt einen altersschwachen Baum mit etwas Flüssigdünger.

    Sebi halt den Spielturm.

    Ich gehe erstmal zur Schadenstelle und lächle das kopfschüttelnde Opfer an, dem der Spielplatz gehören muss. Das Opfer kann nicht schweigen, so sehr es sich auch bemüht: «Stellen Sie sich vor, wenn irgendein Pädophiler aus dem Busch käme oder der da oben mit dem Laptop ohne Kind. Der ist mir suspekt…»

    Ich zeige nach oben. Der prophezeite Regen würde den Urin wegwaschen.

    Dem Blick des Opfers nach ein überflüssiges Unterfangen. Wie Sebis Urin.

    Ich bedanke mich freundlich und kopfschüttelnd mit zusammengepressten Lippen. Es würde die Nachricht verstehen.

    Also wirklich! Wir Menschen müssen doch einem gesellschaftlichen Ideal gerecht werden. Der Denkapparat muss selbst beim Urinieren rattern. Wir unterscheiden uns doch vom Tier!

    Dabei klettern die Racker wie Affen auf die Türme, um den Himmel zu erreichen, lassen sich herunter fallen und nehmen gerne Früchte zur Belohnung, Schokobonbons, Kekse, notfalls auch Bananen. Also klassische Konditionierung von Affen. Die Schimpansen werden irgendwann überwunden. Dann vergessen wir unsere Evolution, sind weise, erfahren.

    Und manche sind niemals Kinder gewesen: «Also ich habe das nie gemacht!»

    Meistens zeigen gerade deren Kinder das Animalische im Menschen am besten.

    Die Frau neben mir stolz: «Meine Livia war schon mit neun Monaten auf dem Töpfchen.» Ich betrachte das Gesicht der blumig gekleideten Frau: leicht zitternde übernächtige Augenringe und unsichtbare Schweißperlen. Verdächtig.

    «Schön», entgegne ich, «Gratulation.»

    Ich stelle mir klein Livia vor, die von Mutti festgehalten wird, stundenlang unter Weinkrämpfen, bis fast «von selbst» eine stinkende orientierungslose Kellerschnecke herauskriecht. «Bravo! Bravoo!»

    Worte reichen jetzt noch als Belohnung, später Bananen, dann Spielzeug, dann Geld: «Habe gekackt Alter. Die Sau steht oben in meinem Zimmer. Für die Belohnung!»

    «Meinst du mit der Sau mich?» Vertraute Gespräche zwischen kapitalistischem Zwölfjährigen und kompatiblem Vati.

    Am liebsten hätte die Frau auf dem Spielplatz Fanfaren ertönen lassen: «Tärää. Unsere Livia, so groß, stellen Sie sich vor, sie hat schon mit neun Monaten... und Ihr Kind pisst den Spielplatz voll. Pfuuuiii.»

    Ich muss die Dame darauf hinweisen, dass Livias Windeln aus dem Hosenbund hervorgucken.

    «Nur auswärts Windeln», flüstert sie, «man kann nie wissen.»

    Töpfchen-Geschichten hinter verschlossenen Türen im Backstage Bereich. Zukünftig um fünf Uhr nachmittags erst raus, dann ist man auf der sicheren Seite. Das Kind nicht wirklich sozialisiert, aber zumindest das peinliche Stuhlgangproblem halbwegs im Griff.

    Die Dame mit dem blumigen Kleid und dem unendlichen Vorrat an Feuchttüchlein im Kinderwagen glotzt mich entsetzt an. Natürlich könne eine Seuche ausbrechen, weil all die unkontrollierbaren Stühle das Ziel verfehlt haben: «Ein kleinster Käfer reicht aus, um mit Hilfe eines schmutzigen WC-Rings eine ganze Fußballmannschaft schlagbar zu machen.»

    «Wie Rahm», entgegne ich beiläufig und stelle mir den Wahnsinnigen vor, der mit einem WC-Ring den Kindern nachrennt, um diese zu infizieren. Interessante Idee für einen Krimi. Aufschreiben.

    Sie wartet auf eine Reaktion.

    Also: «Die Wahrscheinlichkeit für eine Infektion mit WC-Ring ist in etwa so groß, wie ein chilenisches Flugzeug auf dem Weg in die Arktis direkt über dem Solothurner Spielplatz abstürzen würde.»

    Die Frau versucht zu lachen. Es gelingt ihr nicht. Vielleicht ist sie frustriert, weil die Gesundheits-Missionierung wieder nicht funktioniert hat oder weil sie mich als potenziellen Psychopathen abstempelt wie den Nikolaus im Pinguinkostüm.

    Was würden wohl die ersten Worte der windeltragenden Livia an Mutti sein? «Lass mich!» oder «Hör auf, mich zu pampern…»

    Ein Spielplatz aus Übervorsichtigen. Sie strecken vor der ein Meter hohen Hängebrücke pausenlos die Hände in die Höhe, damit ihr Kind ja nicht herunterfallen kann, obwohl mittlerweile sämtliche Spielplätze mit Gummimatten und Geländern ausgestattet sind. Quasi eine geschlossene Anstalt in einer Welt von Supermamas und Ultravätern.

    Auf Spielplätzen entwickelt Sebi in geschützter Umgebung die Selbstkompetenz. Steht nie in den Ratgebern. Nur, wann ein Kind nicht mehr in die

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