Lysistratos oder Der Traum von Freiheit
Von T.F. Carter
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Über dieses E-Book
Bienen gelten als Inbegriff der Effizienz und der Selbstlosigkeit, doch ordnen sie wirklich ihr ganzes Tun einzig ihrem Volk unter? Mitnichten. Lysistratos, ein kleiner Bienerich, bereitet den Weg für die Emanzipation einer ganzen Drohnengeneration. Dies hat weitreichende Folgen für das Sozialgefüge der Bienen. Eine repressive Bienische Ethik entwickelt sich, Mythen und Legenden entstehen, Eroberungsfeldzüge und blutige Kriege werden geführt. Rasch bewegt sich das Bienenvolk in den Grenzbereich zwischen Wachsamkeit und paranoidem Kontrollwahnsinn. Gegenmaßnahmen schlagen in das andere Extrem um, Effizienz und Quoten dominieren nun den Staat, regelmäßige Mitbienen-Meetings und das Bienen-Sozialprodukt persiflieren den Grundgedanken einer ökonomischen Bienen-Wirtschaft.
Immer wieder sind es einzelne Bienen, die unwillig sind, den erreichten Zustand als gegeben hinzunehmen. Nach Lysistratos verweigert auch die angehende Bienenkönigin Lysistrata den Lehren ihres Volkes den nötigen Respekt. Die jungen Prinzessinnen Valkyrie, Klatschmohnrot und Silberflügel nutzen in einem paranoiden Sicherheitssystem, mit kindlicher Naivität und einer reichlichen Portion Raffinesse, dessen Schwachstellen gründlich aus. Vesta, eine unter der Bürde der Quotenerfüllung leidende Arbeiterin, erkennt den wahren Wert der Freiheit.
Sind also Bienen effizienter, selbstloser als Menschen? Dieses Buch zeigt überraschende Parallelen zwischen der Bienen- und der Menschheitsgeschichte auf. Lachen und weinen, schmunzeln und leiden Sie mit den kleinen Helden. Bienen sind wohl auch nur Menschen.
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Rezensionen für Lysistratos oder Der Traum von Freiheit
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Buchvorschau
Lysistratos oder Der Traum von Freiheit - T.F. Carter
Vorwort
Vorhang auf! Plötzlich betritt ein kleiner unscheinbarer Drohn die Bühne, der sich an uns wendet und der es im Stile einer modernen Fabel versteht, den Menschen anzusprechen, ihn zu entführen in die Geheimnisse eines Bienenvolkes. Parallelen zum Menschsein und Ähnlichkeiten mit der Spezies Mensch, in all ihren Facetten, sind überall zu finden, und es mag sein, dass Sie beim Lesen der vier Episoden sogar Parallelen zu historischen Entwicklungen der Menschheit entdecken.
Ist das Absicht? Vielleicht, vielleicht auch nicht. Es ist allerdings bemerkenswert, wie ähnlich sich doch Mensch und Biene zu sein scheinen, wiewohl die Immen überaus stolz auf ihr, wie sie glauben, einmaliges bienisches Wesen sind.
Wie in allen Zyklen, denen unsere heutige Gesellschaft unterliegt, entwickeln sich auch bei den Bienen Eigendynamik, Überhöhungen, Mystifizierungen, Legenden, Kriege, Versuche alternativer Lebensmodelle. Nicht alles ist geprägt von Erfolg. Und doch ist stets der Weg das Ziel. Bringt einen weiter in der Entwicklung, wenn man bereit ist zu Aufbruch und Reise und sich stets den Traum von Freiheit, in ihrem reinen Sinne, bewahrt.
Lernen Sie, lieber Leser, Lysistratos und Xenia, Lysistrata und Immergrün, Renza und Valkyrie, Vesta und Thinktank näher kennen. Die Hauptakteure in den vorliegenden Geschichten sind Bienen, nette und weniger nette, kluge und dumme, große und kleine, alte und junge, mächtige und machtlose. Manche haben ein großes Herz, andere wiederum sind grausam. Einige sind mutig, andere ängstlich. Es gibt aufsässige Bienen, und wieder andere verstehen es bestens, sich den gerade herrschenden Gegebenheiten des bienischen Sozialwesens perfekt anzupassen.
Nehmen Sie Einblick in die gesellschaftliche Weiterentwicklung eines bienischen Soziallebens, und erleben Sie, was der Traum von Freiheit für die Bienen bedeutet. Lassen Sie sich überraschen, ob die kleinen Insekten dieses Vorhaben geschickter gestalten als wir Menschen.
T. F. Carter
Inhaltsverzeichnis
Emanzipation
Götterdämmerung
Paranoia
Effizienz
Stufen
Wie jede Blüte welkt und jede Jugend
Dem Alter weicht, blüht jede Lebensstufe,
Blüht jede Weisheit auch und jede Tugend
Zu ihrer Zeit und darf nicht ewig dauern.
Es muß das Herz bei jedem Lebensrufe
Bereit zum Abschied sein und Neubeginne,
Um sich in Tapferkeit und ohne Trauern
In andre, neue Bindungen zu geben.
Und jedem Anfang wohnt ein Zauber inne,
Der uns beschützt und der uns hilft, zu leben.
Wir sollen heiter Raum um Raum durchschreiten,
An keinem wie an einer Heimat hängen,
Der Weltgeist will nicht fesseln uns und engen,
Er will uns Stuf' um Stufe heben, weiten.
Kaum sind wir heimisch einem Lebenskreise
Und traulich eingewohnt, so droht Erschlaffen,
Nur wer bereit zu Aufbruch ist und Reise,
Mag lähmender Gewöhnung sich entraffen.
Es wird vielleicht auch noch die Todesstunde
Uns neuen Räumen jung entgegensenden,
Des Lebens Ruf an uns wird niemals enden...
Wohlan denn, Herz, nimm Abschied und gesunde!
Hermann Hesse
Emanzipation
Es war einmal eine Biene, die hieß Lysistratos. Eigentlich hieß sie gar nicht Lysistratos, denn sie war eine Drohne, eine männliche Biene, und männliche Bienen hatten keine Namen. Einen Namen zu tragen, war eine Ehre, und er kam nur denjenigen Bienen zuteil, die Besonderes und Erinnerungswertes für das Volk bewirkt hatten. Und keine Drohne hatte je wirklich Besonderes bewirkt. Sie wurden geboren, aufgezogen, und dann verschwanden sie regelmäßig. Lysistratos hatte in seinem kurzen Leben schon viele Drohnen gesehen, aber anders als die Arbeiterinnen, die regelmäßig von ihren Verrichtungen, vollgepackt mit Nektar, zurückkehrten, schienen die älteren Drohnen fortzubleiben. Und es kümmerte niemanden.
„Ich bin schon ganz aufgeregt", sagte Lysistratos‘ bester Freund, eine dicke und kraftvolle Drohne neben ihm, während beiden von einer jungen Arbeiterin Essen zugeschoben wurde.
„Worauf?"
„In mir juckt und kribbelt es, antwortete der Freund und wedelte mit den Flügeln. „Ich will endlich fliegen!
„Das kannst du ja bald, nickte Lysistratos. „Morgen dürfen wir wohl ausfliegen.
„Wie das wohl sein wird? Wenn man die Arbeiterinnen belauscht, dann muss das wundervoll sein. Schon ein Blick aus dem Flugloch heraus ist begeisternd. Hast du die Farben gesehen?"
„Farben? Du meinst, die Wiese mit den Blüten?"
„Ja, weiß, blau, rot, gelb. Alles ist vertreten!" Erneut schwirrte der Freund mit den Flügeln und bekam einen Hieb von der Arbeiterin, die ihn fütterte.
„Drohne, halt still. Ich habe keine Lust, mehr Zeit auf dich fettes Wesen zu verschwenden." Wütend klapperte die Arbeiterin mit ihren kräftigen Beißwerkzeugen, und ihr Stachel zuckte bedrohlich.
„Natürlich, natürlich, wisperte Lysistratos‘ Freund eingeschüchtert. „Ich wollte ja nur…
„Es ist mir vollkommen egal, was du wolltest. Ich will einfach nur, dass du still bist und frisst."
Schweigend kaute Lysistratos sein Mahl, und seine Gedanken schweiften in weite Ferne. Ihm gefiel nicht, wie die Arbeiterinnen mit ihnen umgingen. Sie waren unfreundlich zu den Drohnen. Lysistratos und seine Kameraden wurden zwar von ihnen gefüttert, und sie hatten viel Freizeit, mussten keine Arbeit verrichten, doch ständig wurden sie von den Arbeiterinnen herumgeschubst, weil sie ewig im Weg zu stehen schienen.
Wir sind ganz unten in der Hierarchie, dachte er, während er neidisch auf einen Trupp Arbeiterinnen spähte, die, bepackt mit Nektar, in den Stock zurückkehrten. Erfreut wurden sie von ihren Freundinnen begrüßt.
„Wir sind einer Hornisse begegnet", keuchte eine der Ankömmlinge atemlos.
„Hat es einen Kampf gegeben?" fragte die Torwache, eine große, starke Arbeiterin.
„Nein, nicht wirklich. Wir waren nur zu viert, und die Hornisse war sehr groß."
„Hat sie angegriffen?"
„Nein, aber es gab hier seit Ewigkeiten keine Hornissen. Nur weiter unten, am Fluss."
„Vielleicht übersiedelt ein neues Volk?"
„Wir sollten das Königin Rubinrot melden…"
Lysistratos blickte den vier eingetroffenen Arbeiterinnen nach, die sich auf den Weg zu ihrer Königin machten, während die Nachricht über die Hornisse von Arbeiterin zu Arbeiterin weitergegeben wurde. Die Drohnen wurden hierbei übersehen.
Wir sind nicht wert, derartige Informationen zu erhalten, dachte Lysistratos. Warum eigentlich nicht? Aber wen konnte er fragen? Die jungen Arbeiterinnen hielten sich an die Königin oder an ältere Arbeiterinnen, die schon viel Erfahrung hatten. Einige der Arbeiterinnen wie zum Beispiel Chalice, Walburga oder Rosenduft hatten sogar noch die Große Kälte erlebt, die viele Arbeiterinnengenerationen zurücklag. Königin Rubinrot, so wurde gemunkelt, hatte bereits vier oder fünf dieser Großen Kälten überstanden. Diese Bienen konnten den jungen Arbeiterinnen viel erzählen. Sie hatten Erfahrung.
Aber es gab keine alte Drohne im Stock. Keine einzige. Die ältesten waren nur unwesentlich älter als Lysistratos, und ihr einziges Gesprächsthema war, wenn es nicht gerade um Essen ging, das Große Fliegen. Andere Themen interessierten die Drohnen nicht.
Ich bin anders, dachte Lysistratos. Ich möchte wissen, warum Dinge so sind, wie sie sind. Vielleicht habe ich deshalb auch einen Namen? Lysistratos… Er wusste selbst nicht, warum er sich so nannte. Der Name war ihm in den Sinn gekommen, einfach so. Und er hatte ihn noch niemandem gesagt. Eine Drohne mit einem Namen? Undenkbar.
---------
Lysistratos wich zurück, als er Königin Rubinrot auf dem Gang zum Flugloch entdeckte. Junge Arbeiterinnen umwimmelten sie, reinigten sie, reichten ihr kleine Leckereien zu. Hinter Rubinrot folgten Dutzende ihrer Großen Töchter, und jede Arbeiterin, die gerade nichts zu tun hatte, und insbesondere jede Drohne wich respektvoll aus.
„Das ist die Abteilung der Großen Töchter von heute!" wisperte Lysistratos‘ Freund.
„Was macht eine Große Tochter eigentlich genau aus? fragte Lysistratos. „Was unterscheidet sie von den Arbeiterinnen? Ich habe das immer noch nicht wirklich verstanden.
„Keine Ahnung, was die unterscheidet, zuckte der Freund mit seinen Fühlern. „Die Großen Töchter sind größer, und sie treten zum Großen Fliegen an. Aber ist doch unwichtig.
Seine Stimme zitterte vor Erregung, und er stieß Lysistratos mit seinem linken Mittelbein in die Seite. „Sag mal, hast du dir mal Amalthea näher angeschaut? Ist sie nicht ein echter Hingucker?"
Hinter Rubinrot lief eine fast ebenso große Biene. Selbst die Drohne Lysistratos hatte mitbekommen, dass Amalthea eine Lieblingstochter von Rubinrot war, und das hatte etwas zu bedeuten. Schließlich hatte sie viele, viele Dutzend Großer Töchter, und über lange Zeit waren täglich neue hinzugekommen. Ganz zu schweigen von den unzähligen Arbeiterinnen.
„Dieser glänzende Pelz, diese Beine, diese Augen, diese Flügel! schwärmte der Freund. „Sie ist so schön!
Lysistratos ließ seinen Blick über Amalthea laufen und musste seinem Freund Recht geben. Die junge Große Tochter war eine wirkliche Schönheit. Tief in seinen Eingeweiden vibrierte etwas, und er spürte, dass etwas, was die Drohnen anstelle des Stachels hatten, ohne dass er es kontrollieren konnte, ein- und ausklappte. Er hatte dies schon vor zwei Dunkelheiten beobachtet, als ein anderer Schwarm Großer Töchter mitsamt vieler Drohnen den Stock verlassen hatte. Eine weitere Lieblingstochter Rubinrots, Wiesengrün, hatte ihn hierbei versehentlich kurz gestreift, und sein Körper hatte Reaktionen gezeigt, die er nicht verstand. Wiesengrün war dann ausgeflogen, verfolgt von bestimmt einem Dutzend aufgeregter Drohnen, und Lysistratos hatte einige Zeit gebraucht, um sich wieder unter Kontrolle zu bekommen.
„Ich darf mit Amalthea ausfliegen", jauchzte Lysistratos‘ Freund.
„Halt den Mund, Drohne!" Rubinrots Augen waren auf ihn gerichtet, und der Freund kauerte sich demütig zusammen, bis die Königin sich ihren Großen Töchtern zuwandte.
„Sie ist schön, so schön…" seufzte der Drohn auf Lysistratos‘ anderer Seite.
„Ich habe gehört, es sollen auch andere Große Töchter unterwegs sein", flüsterte eine weitere Drohne.
„Und das bedeutet?"
„Ich weiß es nicht. Ich weiß nur, dass ich mich kaum noch beherrschen kann, wenn ich Tardena sehe. Ich werde ihr folgen bis an mein Lebensende… Aber ich werde auch nach anderen Großen Töchtern schauen, wenn wir fliegen."
„Was passiert beim Großen Flug?" fragte eine kleine Drohne, die erst heute geschlüpft war und sich unter die großen Drohnen gemischt hatte.
„Das weiß ich auch nicht, gab Lysistratos zurück. „Man weiß das wohl, wenn man abfliegt.
„Okay", antwortete die kleine Drohne und krabbelte zurück, um sich von einer Arbeiterin einen Happen Essen abzuholen.
Okay? dachte Lysistratos. Das ist okay für Dich? Für mich ist das nicht okay. Die Königin erklärt ihren Großen Töchtern alles genau, erzählt ihnen, dass sie einen neuen Hofstaat zu gründen haben, wie sie das machen sollen, worauf sie achten sollen, wo Gefahren lauern. Und die Drohnen, die mitfliegen? Was genau haben wir zu tun? Wir können nicht arbeiten, nicht kämpfen… Wozu brauchen uns die Großen Töchter? Warum sagt uns das niemand?
„Aus dem Weg!" Walburga, die alte Arbeiterin, bahnte sich eine Gasse durch die Drohnen hindurch zu ihrer Königin. Sie mochte nicht mehr so beweglich sein und flog auch nicht mehr aus, aber ihr Biss war immer noch schmerzhaft.
Lysistratos sprang zur Seite, gerade noch rechtzeitig, ein „Entschuldigung" murmelnd.
„Ist mir egal, Drohne. Du bist unwichtig. Ich habe Wichtiges zu tun." Ohne einen weiteren Blick auf ihn krabbelte Walburga voran.
„Hahaha! lachte ihre beste Freundin Rosenduft. „Aber lass doch den Drohn. Er kann doch nichts dafür, dass er ein Drohn ist.
Beinahe mitleidig beäugte sie den jungen Lysistratos.
„Unwichtig, Rosenduft. Unwichtig!"
Rosenduft klapperte belustigt mit ihren Beißwerkzeugen. Auch sie war schon sehr alt und konnte sich kaum noch bewegen, aber sie gab ihre Erfahrungen an die jungen Arbeiterinnen weiter. „Mach dir nichts draus, Drohne. Walburga ist halt so."
Es lief Lysistratos heiß den Rücken hinunter. Eine Arbeiterin hatte ihn angesprochen. Und das ohne Befehlston. Ohne Häme. Er wollte sich bei Rosenduft bedanken, doch sie war schon, leicht ächzend, ihrer Freundin gefolgt. Nachdenklich beobachtete Lysistratos die alte Arbeiterin, während er dem Gespräch folgte, das nun Königin Rubinrot mit ihren Großen Töchtern führte.
„Ihr habt es von Walburga gehört, meine Töchter, vermeldete die Königin. „Weitere Hornissen wurden auf der Kleewiese beobachtet. Wir werden uns zeitnah darum kümmern müssen. Damit meine ich uns, mein Volk hier. Eure Aufgabe ist es nicht, in einen Krieg mit Hornissen zu ziehen. Eure Aufgabe ist es, euer eigenes Volk zu gründen. Und dazu müsst ihr klug sein, tapfer und flexibel. Weicht den Risiken aus. Ihr habt nur euch. Aber ihr seid gut vorbereitet. Ihr seid gesund und stark, meine geliebten Töchter.
Sie haben nur sich? grübelte Lysistratos. Wo bleiben die Drohnen? Oder sind wir noch unwichtiger als unwichtig?
„Und nun, geliebte Töchter, ist es an der Zeit, Abschied zu nehmen. Jede einzelne von euch bekommt meinen Segen. Längst nicht jede von euch wird ein Volk gründen können, aber mögen es so viele sein wie möglich."
Liebevoll tauschte Rubinrot Zeichen der Zuneigung mit jeder einzelnen ihrer Töchter aus, und nach und nach flog eine jede aus dem Stock. Unruhe machte sich unter den Drohnen breit. Einige drängten zum Ausgang, wurden auch nicht aufgehalten. Tardena flog ab, und sofort folgte ihr der Drohn, der sie so bewundert hatte.
„Worauf wartet ihr eigentlich?" raunzte eine Arbeiterin die Drohnen an.
„Echt?" jauchzte eine dicke Drohne, sprang in die Höhe und flog den Großen Töchtern nach.
„Na klar, habt euren Spaß!" lachte eine andere Arbeiterin. Weitere Arbeiterinnen fielen in das Gelächter ein.
Während die meisten Drohnen sich das nicht zweimal sagen ließen und zum Ausgang drängten, krampfte sich Lysistratos‘ Magen zusammen. Spaß? Sie lachten zwar, doch das Lachen war irgendwie merkwürdig. Wartete dort wirklich Spaß auf sie? Oder was sonst?
„Amalthea fliegt, stöhnte Lysistratos‘ Freund. „Ich kann nicht mehr!
„Was kannst du nicht mehr?"
„Ich weiß nicht, ich will zu ihr hin, zu ihr fliegen. Sie riecht so gut…"
Lysistratos beobachtete, wie Königin Rubinrot sich von Amalthea verabschiedete, und auch er konnte sich des Zaubers, der von dieser Großen Tochter ausging, nicht erwehren.
„Komm mit! freute sich der Freund. „Wir beide…
Ehe Lysistratos es sich überlegen konnte, wurde er mitgerissen, von seinem Freund, von ein paar anderen Drohnen. Er hörte noch, wie hinter ihm Rubinrot rief: „Amalthea, sei vorsichtig. Sei eine starke Königin!" Und er hörte, wie die Arbeiterinnen hinter ihnen jubelten, während sie sich in die Lüfte schraubten.
Das Licht der Großen Gelben Scheibe am Himmel war hell, viel greller, als er vermutet hatte. Es war heiß, doch ein kühler Wind wirbelte die jungen Bienen in die Lüfte. Er sah Amalthea vor sich, zahlreiche Drohnen um sie herum, er sah andere Große Töchter, umschwirrt von ihren Begleitern. Und er bemerkte ihm fremde Bienen, fremde Große Töchter. Einige seiner Drohnenfreunde ließen von den Großen Töchtern ihres Volkes ab und flogen zu den unbekannten Großen Töchtern, so wie sich auch Drohnen aus anderen Völkern nun zu ihnen gesellten.
Nur aus den Augenwinkeln nahm er die Umgebung wahr, die Wiese, die Blumen, den Wald, all das, was er bisher nur aus dem Flugloch hatte erspähen können. Das Fliegen war schön, die Luft war schön, die Große Gelbe Scheibe war schön… Amalthea war schön.
Die Große Tochter war nun zum Waldrand geflogen, schwirrte in der Höhe, umschwärmt von vielleicht einem Dutzend bekannter und unbekannter Drohnen. Lysistratos roch Amalthea, ihm wurde schwindlig, ein Teil seines Körpers klappte ein und aus, ohne dass er es kontrollieren konnte. Er musste zu Amalthea…
Eine Drohne klammerte sich im Flug an Amalthea, und er sah, dass sein Kamerad das Teil, das ein Eigenleben zu führen schien, in irgendeiner Weise in die Große Tochter schob, entrückt jubelnd.
„Ich will auch!" schrie Lysistratos‘ Freund.
Eine andere Drohne rempelte Lysistratos fort, und als er sich wieder gefangen hatte, war der Drohn auf Amalthea verschwunden, und nun hatte sein Freund die Große Tochter bestiegen, drängte sich in sie.
„Amalthea! seufzte der Freund glücklich. „Ach, ist das wunderbar!
Und nun? dachte Lysistratos. Sein Körper fühlte sich an, als ob er platzen müsste. Ich glaube, ich werde wissen, was zu tun ist.
In diesem Augenblick wurde Lysistratos‘ Freund starr, seine Flügel hörten auf zu schlagen, und er glitt von Amalthea, stürzte, ohne sich abzufangen, zu Boden.
„Pass auf!" schrie Lysistratos, während weitere Drohnen sich auf die Große Tochter stürzten. Ein unangenehmes Gefühl breitete sich in ihm aus, überdeckte seine Hochstimmung. Er glitt nach unten zur Erde, fand seinen Freund und gleich daneben zwei weitere Drohnen. Keiner der drei rührte sich.
„He!" rief Lysistratos, landete zwischen ihnen, stieß sie an…
Sie waren tot!
Entsetzt blickte er nach oben, sah dort Amalthea fliegen umschwärmt von einem halben Dutzend weiterer Drohnen. Wütend stieß er sich vom Boden ab, sah zwei weitere Kameraden von der Großen Tochter stürzen, dann einen dritten, einen vierten, bis nur noch er übrig war.
„Mörderin! brüllte er. „Ihr seid eine Mörderin!
Erstaunt wandte sich Amalthea um, kam auf ihn zu. „Mörderin? Warum? Ihre Beißwerkzeuge klappten aufgeregt auf und zu. Ihre Stimme war merkwürdig entrückt. „Möchtest du dich nicht mit mir vereinen, Drohne?
Natürlich will ich! kommandierte Lysistratos‘ Körper. „Ihr tötet sie!"
„Wen, Drohne? Die anderen Drohnen? Amalthea seufzte laut auf. „Das ist eure Bestimmung. Ihr gebt mir euren Samen, und ich gründe damit einen neuen Bienenstaat. Ich bin nun nicht mehr die Große Tochter Amalthea. Ich bin Königin Amalthea. Gib mir auch deinen Samen, Drohne, damit du zu irgendetwas nütze bist.
„Nein! schrie Lysistratos, „das ist unbienisch!
„Unbienisch? Verwundert flog Amalthea an ihn heran. „Unbienisch ist, sich dem Kollektiv zu widersetzen. Sich seiner Bestimmung zu widersetzen. Du bist eine Drohne. Ein Nichts. Du hast ausschließlich mich zu befruchten. Sonst nichts. Tue es jetzt, oder suche dir eine andere Große Tochter. Minderwertigen Samen von wenig entschlusskräftigen Drohnen kann ich nicht gebrauchen. Aber sterben musst du so oder so.
„Ich will aber nicht sterben!" verzweifelt blickte Lysistratos nach unten, wo einige tote Drohnen zu erkennen waren. Amaltheas Geruch war betörend, aber die Angst vor dem Tod war stärker.
„Mach‘ was du willst, Drohne. Spöttisch wedelte Amalthea mit den Fühlern. „Ich meinenteils habe einen Staat zu gründen.
Sie drehte sich schon fast fort, bevor sie sich noch einmal Lysistratos zuwandte: „Immerhin, eine Drohne, die was zu sagen hat… Interessant, sehr interessant. Meine Mutter hat mir nicht gesagt, dass es so etwas gibt. Ich muss darüber