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Die Zentrale der Rache
Die Zentrale der Rache
Die Zentrale der Rache
eBook256 Seiten2 Stunden

Die Zentrale der Rache

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Über dieses E-Book

Die Entdeckung einer bizarr dekorierten Leiche sorgt für Unruhe auf der thailändischen Insel Koh Chang.
Inspektor Chaichet findet bald heraus, dass der ermordete Ausländer von großen Hotels als Zeremonienmeister für Traumhochzeiten gebucht wurde. Eine heiße Spur führt nach Kambodscha. Dort existiert eine Agentur, bei der man Auftragskiller buchen kann. Wurde der Mord an dem Hochzeitsredner von Phnom Penh aus organisiert? Da die kambodschanischen Kollegen ihn nicht unterstützen wollen, reist Chaichet auf eigene Faust ins Nachbarland.
SpracheDeutsch
Herausgeberepubli
Erscheinungsdatum14. Okt. 2017
ISBN9783745030723
Die Zentrale der Rache
Autor

Klaus Sebastian

Klaus Sebastian ist ein deutscher Schriftsteller und Kunstkritiker. Seine Krimis und Romane basieren stets auf realen Beobachtungen, die der Autor auf Reisen durch Südostasien, die Philippinen oder Mexiko machte. Sebastian lebt in Düsseldorf und Thailand.

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    Buchvorschau

    Die Zentrale der Rache - Klaus Sebastian

    Die Zentrale der Rache

    Titel Seite

    Titel

    Polizeistation Klong Prao.

    Kambodscha, Battambang, National Highway 57.

    Koh Chang, Coffee Shop.

    Pattaya.

    Pattaya, im Massage-Palast.

    Pattaya. - 1

    Salakpet, am Tatort.

    Pattaya. - 2

    Koh Chang.

    Pattaya. - 3

    Koh Chang. - 1

    Pattaya. - 4

    Phnom Penh.

    On the road.

    Phnom Penh. - 1

    In Richtung Pailin.

    Au Cabaret Vert.

    Battambang, am Krokodilbecken.

    Zirkus, Battambang.

    Zehn Minuten vorher, Battambang, Road 2,5.

    Thailand, Trat, Polizeipräsidium.

    Klong Prao, vor der Polizeistation.

    Salakok, im Süden der Insel Koh Chang.

    Zweites Verhör in Salakpet.

    Koh Koot.

    Klaus Sebastian

    D I E     Z E N T R A L E     D E R   R A C H E

    Ein Thailand-Kriminalroman

    Heiraten ist eine wunderbare Sache,

    solange es nicht zur Gewohnheit wird.

    William Somerset Maugham

    Übersetzung von Thai-Wörtern, die in diesem Roman vorkommen:

    aroi lecker

    baakwaan wörtlich: Süßmund. Schmeichler

    chai ja

    mai chai nein

    farang (westlicher) Ausländer

    jai jenn kühles Herz (Ruhe bewahren)

    jing gewiss, ja wirklich

    käp dang duai kap zahlen bitte!

    kii Nok Vogelscheiße

    kop khun krap danke

    krap pomm Ausdruck der Zustimmung. Sehr wohl oder jawohl

    khun Anrede (Herr)

    mae Mutter

    mai pen rai macht nichts, keine Ursache

    nok Vogel

    pujing Mädchen

    raan ahan Restaurant, Gasthof

    sanuck Freude, Spaß

    sawadii krap guten Tag (Gruß)

    suai mak mak wunderschön

    ting tong verrückt, blöd

    tirak Liebling

    wai traditionelle Begrüßungsgeste

    wat buddhistisches Tempelgelände

    Prolog

    Wat Klong Prao, Buddhistischer Tempel in Koh Chang, neun Uhr morgens.

    Die Braut trug ein weißes Kleid, das sie sich in einem Schneiderladen ausgeliehen hatte. Der nervöse Bräutigam war in einem traditionellen thailändischen Anzug erschienen, dessen Hosenbeine nur bis zu den Knien reichten. Die kräftigen Waden wurden von weißen Strümpfen bedeckt. Zum Outfit gehörte auch ein Paar schwarzer Lackschuhe, das er aber vor der Holzschwelle des buddhistischen Wats ausgezogen hatte.

    Der ehrwürdige Abt des Tempels thronte vor ihnen auf einem niedrigen Podest. An seiner senffarbenen Mönchskutte steckte ein kleines Namensschild mit der Aufschrift Somdet. Der kahl geschorene Mann trug eine Sonnenbrille mit knallgelben Bügeln und er spulte die Zeremonie routiniert, fast lässig und ohne übertriebenes Pathos ab.

    Nachdem Somdet endlich mit der monotonen Litanei der Palisprache fertig war, besprenkelte er das Farang-Paar mit gesegnetem Wasser und band ihnen weiße Wollfäden um die Handgelenke. Der Abt ging davon aus, dass die beiden nicht viel über den Buddhismus wussten und dass die Begegnung mit dem Mönch nur Teil eines Hochzeitspakets darstellte, das sie pauschal im Internet gebucht hatten. Dazu gehörte auch eine Trauung am Strand, die vermutlich am Nachmittag stattfinden würde. Nach der Rückkehr in ihr Farang-Land (Somdet hatte vergessen, woher sie kamen. Deutschland? England?) würden sie ihren Freunden und Familienmitgliedern die schönen Fotos und Videos von der Traum-Hochzeit präsentieren. Und dann würde so ein komisches Detail wie die knallgelbe Brille des Abts ganz gewiss für Erheiterung sorgen.

    Nachdem er die weißen Bänder verknotet hatte, entließ er das Paar mit einem freundlichen Lächeln und beobachtete, wie es von einem Fotografen begleitet zu dem Kunststoff-Skelett hinüberging. Neben der Gruselpuppe standen zwei Särge und eine Spendenbox. Die Braut warf ein paar Münzen in den Schlitz, worauf das Skelett sich mechanisch verbeugte. Das Spendengeld war für Familienangehörige von Verstorbenen bestimmt, die so arm waren, dass sie sich keinen Sarg leisten konnten. Auch für den Tempel hatte das Farang-Brautpaar eine hübsche Summe gespendet. Und deshalb quälte sich Somdet auch nicht mit Gewissensbissen herum, weil er an dieser Show-Veranstaltung teilgenommen hatte. Es war schließlich für alle Akteure eine Win-win-Situation. Das Paar freute sich über ein exotisches Erlebnis und exquisite Fotos, und der Tempel konnte von den Einnahmen aus solchen Veranstaltungen renoviert werden.

    Womöglich wurde der eine oder andere Besucher bei so einem spirituellen Event sogar zum Buddhismus bekehrt, dachte Somdet. Doch als er sich jetzt aus dem Lotossitz erhob und seinen Blick über das ärmliche Ambiente schweifen ließ, glaubte er nicht mehr so recht an diese kühne Vermutung. Räudige Hunde dösten in der Morgensonne, Hühner pickten mit ihren Küken im verdorrten Gras herum. In einer Ecke des Geländes stapelten sich Plastikflaschen, die zum Recycling-Hof transportiert werden mussten.

    Hier sieht es aus wie auf einem herunter gekommenen Bauernhof, dachte der Mönch. Man müsste endlich mal anfangen, für Ordnung zu sorgen.

    Na ja, morgen ist auch noch ein Tag, murmelte er.

    Er klopfte eine Zigarette aus der Packung und gab sich selbst Feuer. Das Leben war schön.

    Er hatte daran mitgewirkt, zwei Menschen einen glücklichen Augenblick zu bescheren. Das war doch schon mal ein achtbarer Anfang für den Tag.

    Phnom Penh, Kambodscha.

    An der von Stuckornamenten gesäumten Hallendecke rotierten sechs große Ventilatoren so zuverlässig wie Flugzeugpropeller. Doch es half alles nichts.

    In der Zentrale der Rache kochte die Luft. Die defekte Klimaanlage in dem Fabrikgebäude würde erst morgen durch ein neues Gerät ersetzt werden. Mister Pepe spielte mit dem Gedanken, einfach nach draußen zu gehen, hinunter zum Tonle-Sap-Fluss, wo er sich in seinem Lieblingscafé einen kühlen Zitronensaft mit viel Eis bestellen konnte. Er verwarf die Idee gleich wieder, denn es gab heute noch einiges zu tun.

    Er zog sein graues T-Shirt aus und betrachtete sich für einen Moment in dem großen Spiegel, der an der unverputzten Wand lehnte. Sein Waschbrettbauch war im Laufe der Zeit, als Effekt von zu viel Whisky, Rotwein und gutem Essen, unter einer Speckschicht verloren gegangen. Und dennoch konnte er sich mit seinen 55 Jahren durchaus noch sehen lassen.

    Da er nicht mehr im Außendienst tätig war, trainierte er seine Muskeln regelmäßig im Fitness-Studio des Sofitel-Hotels. Die Trainer in diesem Gym hielten ihn für einen Hochschullehrer und sie wären nie auf die Idee gekommen, dass der Typ mit der runden Brille und den kurz geschnittenen Haaren zu den mächtigsten Gangstern in Phnom Penh gehörte.

    Pepe lief mit entblößtem Oberkörper zu seinem antiken Schreibtisch und ließ sich auf dem Bürostuhl nieder.

    Er saß hier in einem überhitzten Büro, das an der Haustür mit einem ordentlichen Firmenschild gekennzeichnet war. Auch wenn der Name der Company frei erfunden war - dies alles gehörte noch zur realen Welt. Doch hinter der von einem kambodschanischen Sicherheitsmann bewachten Tür lag die Zentrale - ein Ort, der für die offizielle Wahrnehmung nicht existierte. Sein Arbeitsplatz befand sich tatsächlich in einer Parallelwelt, die er mit den neusten technischen Errungenschaften abschirmte. Winzige, fast unsichtbare Kameras überwachten jeden Winkel der geheimen Zentrale.

    Pepe konnte sich immer noch nicht konzentrieren. Er verspürte Lust auf ein Eis. Beinahe wollüstig stellte er sich vor, wie die hübsche Eisverkäuferin an der Promenade mit dem Stahllöffel in die dampfende Masse aus Vanilleeis stieß und eine perfekte weiße Kugel herausschälte. Sogar die kreisrunde Vertiefung in der gefrorenen Oberfläche der Masse erschien jetzt vor seinen Augen, die wie ein kleiner Krater im Eis aussah. Und genau so musste seine Zentrale beschaffen sein: Ein Loch, ein Nichts in einer stinknormalen Realität.

    Trotz der unerträglichen Raumtemperatur konnte Pepe das Grinsen nicht unterdrücken, welches sich bei dem schrägen Vergleich einstellte. Offenbar hatte die sehr reale Hitze sein Hirn bereits mürbe gemacht. Er las noch einmal die Nachricht, die 118 ihm gestern gemailt hatte. Das Meeting in Koh Chang würde planmäßig heute Nacht stattfinden. Der Agent war schon an Ort und Stelle. In knappen Worten kündigte er seinen Besuch in der Zentrale an. Morgen würde er die Beweisfotos mitbringen und das vereinbarte Honorar kassieren.

    Pepe konnte sich glücklich schätzen, dass dieser Mann für ihn arbeitete. Ein Naturtalent wie 118 war in der Zeit der Mittelmäßigkeit, in der sie seit einigen Jahren leben mussten, äußerst rar geworden.

    Nun ja, dachte Pepe. Man kann sich die Zeit, in die man zufällig oder schicksalhaft hineingeboren wird, nicht aussuchen. Aber stimmte es etwa nicht? Alles war doch mittelmäßig geworden: Die Politiker, die Musik, die Journalisten sowieso, das Fernsehprogramm - und natürlich auch die Kriminellen. Man musste doch nur aus dem Fenster schauen: All diese angeberischen Lackaffen mit ihren dicken Goldketten, den nuttigen Weibern und den im Studio antrainierten Bizepsen. Keiner von denen hatte echtes Mark in den Knochen - das war nämlich das Entscheidende. Außer Muskelmasse hatten diese Schönlinge nicht viel zu bieten: Kein Hirn, keinen Biss, keinen echten Hass.

    Aus diesem Grund war 118 so wichtig. Er war wie ein weißer Elefant, den man hüten, gut füttern und bei Laune halten musste.

    Die Bezeichnung 118 war natürlich pure Ironie. Sie hatten bei der Suche nach einem Codenamen an James Bond 007 gedacht und dann spielerisch jeweils eine Ziffer addiert. Diese Vorgehensweise war hinterher auf alle Bereiche der Scheinfirma übertragen worden. Es gab weitere Auftragskiller mit den Nummern 119 und 120, doch die gehörten für Pepe eher in jenen Bereich der Mittelmäßigkeit. Er setzte sie nur im äußersten Notfall ein.

    Ein Mord wurde als Meeting bezeichnet. Eine Beschattung war ein Sonnenschirm, ein Attentat ein Knallfrosch. Wenn eine Leiche entsorgt werden musste, sprach man von Yellow Submarine. Und er selbst, Pepe, war der Schattenkrieger. Der Mann in der Dunkelheit, der hinter den Kulissen Regie führte und der offiziell überhaupt nicht existierte. Das PP leitete sich natürlich vom Ort der Zentrale ab, Phnom Penh. Kein Mitarbeiter der Firma kannte seinen richtigen Namen.

    Der besonnene Agent mit der Nummer 118 wäre auch nie auf die Idee gekommen, ihn nach seinem Namen zu fragen. Er war nicht nur diskret, er war ein echtes Juwel. Anfangs machte er sich als Spezialist für Meetings einen Namen, die nicht nach Mord aussehen durften. Im Laufe der Zeit entwickelte er eine ganze Palette von Techniken und Tricks, mit deren Hilfe er seine Opfer so präparierte, dass die meisten Ärzte Herzversagen oder Hirnschlag als Todesursache in den Totenschein schrieben.

    Pepe erinnerte sich noch an das geniale Meisterstück von 118: In einem Nachtbus von Siem Reap nach Phnom Penh hatte er seine Zielperson völlig unbemerkt und lautlos mit einem kleinen Störsender getötet. Der Sender war so konstruiert, dass er den Herzschrittmacher des Opfers mit einem Funksignal außer Betrieb setzen konnte. Kurz nach der Tat hatte der Killer den Bus verlassen. Und das Ableben des scheinbar schlafenden Passagiers war erst an der Endstation bemerkt worden. Diagnose: Tod durch Herzstillstand. Perfekt!

    Bei dem Meeting in Koh Chang musste 118 sich freilich ein wenig umstellen. Denn der Mord sollte nicht verheimlicht, sondern post mortem regelrecht zelebriert werden.

    Pepe schloss das E-Mail-Postfach und fuhr den Rechner herunter. Sein erfahrener Agent würde diesen Auftrag mit links erledigen. Er wischte sich die Schweißperlen von der Stirn und beeilte sich, aus dieser Hölle von Büro herauszukommen. Vor der Tür wartete eine Limousine mit Chauffeur und funktionierender Klimaanlage auf ihn. In zehn Minuten konnte der Fahrer ihn an der Promenade absetzen. Er freute sich auf einen eiskalten Wodka-Tonic, den er in der besten Bar der Stadt genießen würde.

    Tag 1

    Salakpet, ein verschlafenes Fischernest im Süden der Insel Koh Chang.

    Kuddel bockte seine schwarze Honda Rebel in dem kleinen Vorgarten auf. Er sah zum Himmel hinauf und stellte fest, dass die Sonne vor wenigen Minuten untergegangen war. Bis auf einige ausgefranste, violett glühende Federwolken war das Licht verblasst.

    Die Tage vergehen so schnell, dachte er. Dann schloss er die Tür des schlichten Steinhauses auf und betrat den großen Wohnraum. Viel mehr hatte dieses Haus im Grunde auch nicht zu bieten: Ein großes Wohnzimmer, das mit einem Kunstledersofa, einem Beistelltisch, Kühlschrank, einem Fernsehgerät und einem riesigen Bett möbliert war. Durch eine Verbindungstür aus Kunststoff gelangte man ins Bad, in dem auf engstem Raum das Klo, ein Waschbecken und eine Handbrause installiert waren. Kurt, oder Kuddel, wie ihn die wenigen Bekannten hier auf der Insel nannten, hatte das Haus gemietet und für seine Bedürfnisse reichte es vollkommen aus. Er brauchte nur einen Platz zum Schlafen, einen Rückzugsort, an dem er sich erholen, seine nächsten Streifzüge planen und in Ruhe nachdenken konnte.

    Er legte den Integralhelm auf dem Kühlschrank ab, zog sein T-Shirt aus und ging ins Bad. Dort öffnete er den Wasserhahn, sammelte das lauwarme Wasser in beiden Händen und warf es sich ins Gesicht. Kurz darauf - er saß mittlerweile auf der Kloschüssel - wurde er von einem ungewöhnlichen Laut beim Pinkeln gestört. Das Geräusch kam ohne Frage aus dem Zimmer, welches er gerade eben verlassen hatte. Hier am Ende der Insel Koh Chang war es so ruhig, dass auch geringfügige Störungen der Stille nicht unbemerkt blieben. Es gab eine ganze Palette von Naturgeräuschen: Streitende Affen, schreiende Katzen, das Gebell der verwilderten Hunde und das Zirpen von Grillen und Zikaden. Das Kratzgeräusch hatte sich aber so angehört, als wäre im Wohnzimmer jemand gegen den Tisch gestoßen, worauf dieser mit einem Quietschen über den Boden geschabt war.

    Kuddel überlegte fieberhaft, ob er die Haustür von innen verriegelt hatte. Hier im Dorf schloss kaum jemand seine Tür ab. Besucher verirrten sich nur tagsüber in die schläfrige, vor sich hin modernde Ansammlung von Häusern und Holzhütten. Die meisten Familien wohnten schon seit Jahrzehnten in Salakpet und für sie gab es keinen Grund, ihre Häuser abzuschließen.

    Doch Kurt war ein Fremder in diesem Ort. Und für ihn gab es sehr wohl einige Gründe, auf der Hut zu sein. Er zog die Cargo-Hose mit den praktischen großen Seitentaschen wieder hoch, dann öffnete er die Kunststofftür nur so weit, dass er einen vorsichtigen Blick in den Wohnraum werfen konnte. Womöglich war ihm eine Katze gefolgt. Er hatte das Tier nicht bemerkt, und jetzt sorgte es für Unruhe in seinem Heim.

    Obwohl der Raum hell erleuchtet war, konnte Kuddel nichts Verdächtiges erkennen. Doch - da lag etwas in der Ecke. Eine Plastiktüte. Wie sonderbar. Er konnte sich nämlich nicht daran erinnern, dort etwas abgelegt zu haben. Ob der Hausbesitzer das Zimmer in seiner Abwesenheit betreten hatte? Das kam tatsächlich hin und wieder vor - zum Beispiel wenn das Klo verstopft oder die Klimaanlage kaputt war.

    Doch die Klimaanlage war intakt. Sie summte monoton und atmete eiskalte Luft aus. Wie auf einer Fotografie sah alles still und eingefroren aus.

    Während Kurt noch darüber nachdachte, ob er sich vielleicht geirrt hatte, bemerkte er, dass die federleichte Badezimmertür ein wenig vibrierte. Von einem Luftzug konnte diese Bewegung nicht ausgehen, denn alle Fenster und die Haustür waren geschlossen. Es gab überhaupt keinen Zweifel: Hinter dieser Tür stand jemand. Doch wer konnte das sein? Ein Einbrecher?

    Kuddels Herz schlug ihm mittlerweile bis zum Hals. Wie war der Kerl ins Haus gekommen? Und wo hatte er sich bis vor wenigen Minuten versteckt? Unter dem Bett vielleicht. Eine andere Möglichkeit gab es nicht. Und warum hatte er hier auf ihn gewartet, anstatt das zu klauen, was ihm wertvoll erschien und danach einfach abzuhauen? Eine furchtbare Ahnung tröpfelte in Kurts Bewusstsein, sie perlte in sein Gehirn wie Luftblasen, die vom dunklen Grund des Meeres aufsteigen. Der Eindringling musste es auf ihn selbst abgesehen haben, denn sonst wäre er wohl schon längst in der Dunkelheit verschwunden.

    Kurt war nicht sicher, ob es tatsächlich Atemzüge waren, die er jetzt von der anderen Seite der Tür wahrnahm. Wenn das zutraf, dann betrug der Abstand zwischen ihm und dem Unbekannten nur zwei oder drei Zentimeter. Das entsprach der Stärke dieser hellblauen Kunststofftür. Und Kurt ahnte, dass er in der Falle saß. Er war nicht bewaffnet.

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