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Mausetot: Kriminalroman von der Mittelmosel
Mausetot: Kriminalroman von der Mittelmosel
Mausetot: Kriminalroman von der Mittelmosel
eBook252 Seiten3 Stunden

Mausetot: Kriminalroman von der Mittelmosel

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Über dieses E-Book

Winter an der Mittelmosel. Wenig los im kleinen Weindorf. Niemand auf den Straßen, nur in der einzigen Gastwirtschaft herrscht rege Betriebsamkeit.

Augen und Ohren offenhalten, mehr nicht. Seltsamer Auftrag der Staatsanwältin an Kommissar Joseph Wolf. Ihm ist das egal. Hauptsache er kommt wieder in den Polizeidienst. Jeder Job ist ihm recht, selbst wenn der den Sinn des verdeckten Einsatzes nicht versteht.

Mit dit der Beschaulichkeit ist es aber schnell vorbei. Ein anonymer Anrufer meldet den Fund eines Toten. Die Umstände sind schauerlich, ein seltsamer Ort um zu sterben. Selbstmord ist auszuschließen. Mindestens eine weitere Person muss vor Ort gewesen sein. Mehr hat Kommissar Wolf nicht. Es scheint nahezu ausgeschlossen diesen mysteriösen Fall aufzuklären. Nicht einmal der Name des Opfers ist bekannt.

Die Ermittlungen kommen nur schleppend voran. Doch Kommissar Wolf will es wissen. Er lässt nicht locker.

Kriminalroman aus der beschaulichen Moselregion
SpracheDeutsch
Herausgeberneobooks
Erscheinungsdatum28. Jan. 2020
ISBN9783750222861
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    Buchvorschau

    Mausetot - Hermann Schunder

    Kapitel 1

    Joseph Wolf führte ein unauffälliges Leben. Sein Alter sah ihm keiner auf den ersten Blick an. Zugegeben, so durchtrainiert wie früher, fühlte sich der schlanke Mittfünfzigers nicht mehr. Aber bei einer Körpergröße von 1 Meter 78 fiel das leichte Übergewicht nicht sonderlich auf. In seinem Bekanntenkreis galt er als geselliger Typ, einer zum Pferde stehlen.

    Die braunen nach hinten gekämmten Haare lichteten sich allmählich. Dieses Manko glich Joseph durch sein geschickt eingesetztes schüchternes Lächeln spielend aus. Er galt als eingefleischter Junggeselle, weniger aus Überzeugung, mehr aus Mangel an Gelegenheit. Als eifriger Kneipengänger bestand sein Freundeskreis in erster Linie aus Männern. Fußballbegeisterte Biertrinker blieben meist unter sich.

    Die Frauen, ja, das war ein besonderes Kapitel in seinem. Die er wollte, mit Blicken förmlich auszog, das waren die um die Vierzig, die suchten nicht unbedingt einen Alten. Und die sich auf der Pirsch der Liebe tummelten, die 60 Plus-Generation, für die fühlte er sich noch zu jung. Ab und zu verirrte sich sogar die eine oder andere holde Weiblichkeit in seine Stammkneipe. Füllig und willig genügte ihm aber nicht. So blieb es meist bei verstohlenen Blicken und unerfüllten Träumen.

    In beruflicher Hinsicht galt Joseph Wolf bei seinen Vorgesetzten nicht gerade als Überflieger. Zuverlässig und korrekt. Aber sonst? Kein Superbulle, der die kniffligsten Fälle im Alleingang aufklärte und sich auf seine übersinnlichen Fähigkeiten stets verlassen konnte. Weit gefehlt. Wolf agierte im Hintergrund, lieferte Erkenntnisse aus dem Umfeld von Verdächtigen. Kein Karrieretyp, wie sich aus seinen Dienstjahren und dem erreichten Rang eines Kommissars leicht ableiten ließ. Sein Glück oder vielleicht doch sein Pech bestand darin, dass er bei einer Routinekontrolle zur falschen Zeit und am falschen Ort aufkreuzte und mit knapper Not mit seinem Leben davon kam. Bleibende Erinnerung dieses Vorfalls waren ein Hagel an Geschossen von denen er einige mit seinem Bein abgefangen hatte. Das machte ihm zu schaffen, nicht zu Reden vom sprichwörtlichen Wetterumschwung. Nein, das wäre zu platt als Ausrede für seine pessimistische Gefühlslage. Seit Monaten hockte er in einem Einzimmerappartement in Wittlich und hoffte darauf wieder seinen Dienst aufnehmen zu können. Ungern würde er in sein angestammtes Kommissariat in Ludwigshafen zurückkehren. Aber egal, alles besser als die Frühpensionierung.

    Er musste sich in Geduld üben, etwas anderes konnte er nicht mit seiner freien Zeit bewerkstelligen. Wie ein eingesperrtes Tier fühlte sich Joseph Wolf in seinem Appartement. Hoffnung keimte auf, wenn er kurz nach zehn Uhr nachsehen ging, ob der Postbote etwas für ihn in den Briefkasten geworfen hatte. Nach seinem schweren Dienstunfall in jener verhängnisvollen Nacht in Ludwigshafen kurierte er sich in Wittlich, abseits seiner gewohnten Pfade aus. Ob er jemals wieder als Polizist arbeiten konnte, dass schien nach dem Fitnesscheck beim Amtsarzt vom vergangenen Mittwoch fraglich. Sein weiteres Schicksal hing davon ab.

    Dieser morgendliche Weg zum Briefkasten glich einem feststehendem Ritual. Mit geringen Erwartungen trat er seinen Gang an und mit noch weniger Hoffnung schlurfte er die Treppenstufen zurück zu seiner Wohnung. Vielleicht morgen oder spätestens übermorgen, so sprach er sich selbst Mut zu. In seinem Innersten wurde mit jedem Tag, der auf diese Weise verstrich, das erwartete Ereignis immer unwahrscheinlicher.

    Der heutige Montag unterschied sich von den anderen Tagen. Normalerweise gab es zu Wochenbeginn selten Post, allerhöchstens einen Brief, der vom Samstag übrig geblieben war. Aus alter Gewohnheit, kurz nach zehn Uhr, machte sich Joseph auf den Weg. Auf der Treppe von der zweiten runter zur ersten Etage begegnete ihm seine Nachbarin. Susanne logierte drei Türen weiter Richtung Fenster des Mittelganges des Appartementhauses. Er mochte das junge flippige Ding. Susanne war die einzige Bekanntschaft in diesem Mietblock für ihn.

    „Hey, Josephus, was macht die Kunst? Alles klar oder bestens?" Die junge Frau hielt einen aufgerissenen Briefumschlag in der Hand und wedelte mit einem Blatt Papier wild herum. So aufgekratzt ließ sie sich in ihrem Wortschwall kaum bremsen.

    „Ich hab meine Prüfung für das Vordiplom bestanden! Juhu. Hier steht es schwarz auf weiß.

    Darauf müssen wir unbedingt mit einer Flasche Sekt anstoßen. Das hab ich mir verdient, sonst gönne ich mir ja kaum Alkohol, na ja selten. Susanne lachte herzerfrischend über ihren Scherz."

    Joseph versprach am frühen Abend kurz vorbei zu schauen.

    Er setzte seinen Weg zur Haustür mit den vielen Briefkästen bedächtig fort.

    Aus seinem Mäppchen fummelte er den Schlüssel für den Briefkasten heraus. Wie jeden Morgen schienen sich die Schlüssel gegen ihn verschworen zu haben. Wie war es nur möglich, dass sich die drei Teile so ineinander verhaken konnten? Ein weißes Kuvert flatterte auf den Boden.

    Endlich der erwartete Brief? Joseph, beileibe nicht abergläubig, dachte, als er sich nach dem Briefumschlag bückte, ein gutes Omen scheint es ja nicht zu sein, wenn er sich vor seinem Schicksal tief verbeugen musste.

    Die Würfel über seine weitere Zukunft waren gefallen. Das amtliche Schreiben der Polizeibehörde wollte er nicht gleich öffnen. Etwas hielt ihn zurück. Trotz einer sich bei jeder Treppenstufe stärker zusammenballenden Neugierde zwang er sich zur Ruhe. In seinem gewohnten Trott stapfte er unbeirrt in die Treppe hoch.

    Erst beim zweiten Durchlesen des Schreibens von der Polizeidirektion Trier traute er sich tief Luft zu holen. Damit hatte er schon nicht mehr gerechnet. Wort für Wort laut lesend wurde ihm der Inhalt des Briefes allmählich bewusst. Nein, kein Irrtum. Da stand in reinstem Behördendeutsch:

    Sehr geehrter Herr Wolf,

    freuen wir uns Ihnen mitteilen zu können, dass auf Grund der erfolgten Untersuchungen beim für Sie zuständigen Amtsarzt in Trier eine dreimonatige Rehabilitationsmaßnahme zur Wiedererlangung der Diensttauglichkeit genehmigt werden kann.

    Wir bitten Sie, sich am

    Mittwoch, den 12, Februar 2014

    bei der Polizeiinspektion

    Schlossstraße 28, Wittlich

    zu melden. Die näheren Einzelheiten der Rehabilitationsmaßnahme stimmen Sie bitte direkt mit der aufnehmenden Dienststelle ab.

    Es folgte Datum und Unterschrift.

    Wow, welche Überraschung. Von einem Moment auf den anderen veränderte sich sein Umfeld. Voller Tatendrang stürmte Joseph Wolf die wenigen Schritte zur Küche. Mit neuem Elan griff Joseph im Kühlfach nach einer Flasche Prosecco. Er liebte dieses Getränk. Zwei Gläser und die Flasche in der Hand, zog er die Eingangstür seines Appartements hinter sich zu. Susanne hatte ihn schließlich eingeladen.

    Das Klingeln musste forsch geklungen haben, denn schon wenige Augenblicke danach sah Joseph Wolf in das verdutzte Gesicht seiner Mitbewohnerin. Ein Badehandtuch verhüllte den nassen Körper von Susanne. Als sie die Sektflasche in der Hand ihres Nachbarn entdeckte, brauchte sie nicht nach dem Grund des unerwarteten Besuchs zu fragen.

    „Du hast es aber ganz schön eilig mit dem Feiern."

    Nach diesem ersten Satz trat sie einen Schritt zur Seite und gab den Eingang frei. „Komm rein, setze dich schon mal, ich zieh mir nur schnell was an. Joseph antwortete keck „wegen mir brauchst zu dich nicht extra schick zu machen, so wie du bist genügt vollkommen. Verblüfft schaute Susanne zu Joseph hin, dessen aufgekratztes Benehmen sie zunächst nicht zu deuten vermochte. So hatte sie ihren Nachbarn noch nicht erlebt. Irgendetwas schien anders als sonst zu sein.

    Joseph setzte sich in den roten massigen Ohrensessel und ließ den Blick schweifen. Kurz darauf erhascht Joseph aus den Augenwinkeln einen Schatten. Nur den Bruchteil einer Sekunde dauert diese Bewegung, aber als geübter Beobachter ist dem Kommissar keineswegs entgangen, das seine Nachbarin, ganz ohne, von einem Zimmer ins andere huschte. Auf ihrem Kopf ein Handtuch zu einem Turban gewickelt. Ein eher am Rande interessantes Detail.

    Joseph Wolf schmunzelte und griff nach der vor ihm auf dem niedrigen Tisch stehenden Flasche. Ungeschickt versuchte er die grüne Banderole der Proseccoflasche auf zu fummeln. Ein schwieriges Unterfangen. Darauf bedacht den Korken ja nicht knallen zu lassen bemüht er sich den Verschluss sachte aus dem Flaschenhals zu winden.

    Kapitel 2

    Seit einer Woche wieder im Dienst. Zugegeben seine Tätigkeit, zeitlich auf sechs Stunden pro Tag begrenzt, ist nicht besonders anspruchsvoll. Aber immerhin, mehr konnte er nach seiner langen Krankheit nicht erwarten. Ihm ist das erst einmal egal. Hauptsache nicht ausgemustert und vorzeitig in den Ruhestand abgeschoben. Eine neue Chance, ein neues Glück. Okay, etwas schal ist dieser Spruch schon, zu oft im falschen Ton als Trost in allen Lebenslagen gebraucht.

    Die Polizeiinspektion Wittlich gehört nicht zu den Hotspots des internationalen Verbrechens. Hier in der Provinz geht es ruhiger zu, was die großen Dinger angeht. Genug gibt es für die Kollegen aber trotzdem zu tun. Das ganze Spektrum eines Polizeireviers halt. Die Kollegen vom Streifendienst konnten einiges erzählen aber damit hat Joseph Wolf nichts zu tun. Er ist ja ein Kriminaler, einer der nicht in Uniform auftritt.

    Nach der lockeren Vorstellungsrunde auf dem Revier verfrachtete ihn der stellvertretende Dienststellenleiter in ein kleines Kämmerchen im hintersten Winkel der Einsatzzentrale. Hier soll er nun die nächsten Wochen verbringen.

    Hauptkommissar Franz Bartel, ein drahtiger Typ, schätzungsweise Anfang vierzig, ist der Mann, der den Laden am laufen hält. Als stellvertretender Leiter des Reviers fängt er gleich an Joseph Wolf zu instruieren:

    „Wie der Hase so läuft, hast Du schnell raus. Übrigens noch etwas, bei uns auf der Dienststelle beträgt der Frauenanteil mehr als fünfzig Prozent. Auf unsere Mädels lassen wir nichts kommen. Wenn einer meint, er könnte unsere Girls dumm anlabern, gibt’s was auf die Mütze?"

    Bartel lachte nach dieser kurzen Amtseinführung, Seine erste Aufgabe hörte sich ziemlich langweilig an.. Er wurde dafür ausersehen, liegengebliebenen Papierkram aufzuarbeiten. Jobs, die keiner gerne machte. Aber jetzt gab es ja einen Knecht, dem sie dies alles aufhalsen konnten.

    Die Faktenlage stellte sich so dar. Kurz vor Weihnachten ereignete sich ein schwerer Verkehrsunfall zwischen Osann-Monzel und Platten. Überhöhte Geschwindigkeit bei Dunkelheit und stellenweisem Nebel. Joseph sollte eine lupenreine Dokumentation des Ablaufs erstellen.

    Mit den Worten „Sieh zu, dass du uns die Sache vom Hals schaffst. Wenn du Hilfe brauchst, kannst du jederzeit bei mir vorbeikommen. Alles klar?" ließ Bartel seinen neuen Mitarbeiter stehen.

    „Jawohl, Herr Hauptkommissar"

    Die schneidige Antwort sollte ein kleiner Scherz sein, doch Joseph Wolf hatte das Gefühl, seinem Vorgesetzten gefiel die Demutshaltung seines Untergebenen.

    „Noch eine Frage. Gibt es Unterlagen und Akten zum Vorgang?"

    Wie verfiel er nur auf so eine ungeschickte Frage? Logisch das es Berichte und Aktenvermerke geben müsse, sonst könnte er diese ja nicht ordnen und aufarbeiten. Einen Rüffel erwartend blickte Joseph Wolf seinen Vorgesetzten demütig in die Augen.

    Wie aus der Pistole geschossen die knappe Antwort von Franz Bartel. „Asservatenkammer, Keller, zweite Tür links, Schlüssel im Sekretariat bei Maria, äh Frau Meister."

    Eine Asservatenkammer ist üblicherweise ein besonderer Ort. Dort werden Beweisstücke zu abgeschlossenen Fällen verwahrt. Normalerweise halt. Hier an seiner neuen Wirkungsstätte eigentlich auch, dachte sich Joseph Wolf, als er sich den Schlüssel von Frau Meister besorgte.

    Hinabgestiegen in das Reich der nicht mehr benötigten Dinge. Die zweite Tür links von der Treppe, das dürfte nicht schwer zu finden sein. Aber nachdem er die schwere Eisentür aufgesperrt hatte, ein einziges Durcheinander. Regale vollgestopft mit alten Akten füllten eine ganze Wand, längsseits von der Eingangstür. An der Querseite des Raumes die besagten Beweisstücke abgeschlossener Ermittlungsverfahren. Den Großteil des Raumes füllten unzählige alte Möbelstücke aus. Eine Art Sperrmüllzwischenlager. Hier stapelten sich defekte Stühle, zu abenteuerlichen wackligen Gebilden aufgetürmt. Uralte Bildschirme, aus den Anfangszeiten der elektronischen Datenverarbeitung, komplettierten die Unordnung.. Alles wild durcheinander, ohne erkennbares System.

    Es gab noch einen Nebenraum. Die wuchtigen vom Boden bis zur Decke reichenden Metallschränke, die mittels einem ausgeklügelten mechanischen Drehmodus zu öffnenden Fächer, bildeten einen eigenartigen Gegensatz zu der Rumpelkammer. Hier wurden die brisanten Akten und Beweismittel aufbewahrt. Nicht frei zugänglich für Jedermann.

    „Na kommen sie zurecht Herr Wolf?" Das war die hell klingende Stimme von Frau Meister. Joseph freute sich, dass die Sekretärin nach ihm sah. Allein hier in diesen Katakomben etwas zu finden, dass schien unmöglich. Also gab es nur den Weg Frau Meister für sich und sein Anliegen zu erobern. Mit einem gewinnenden Lächeln strahlte er die leicht mollige Blondine an und signalisierte damit Hilfe könnte er gut gebrauchen. Joseph Wolf kannte sich da aus. Frauen mochten das, wenn er ihnen gegenüber den ahnungslosen Trottel spielte. Zudem war er ja der Neue.

    „Was suchen sie denn, um welchen Vorgang handelt es sich?" gab sich Maria Meister von ihrer besten Seite.

    „Hauptkommissar Bartel meinte, es betrifft diesen Totalcrash kurz vor Weihnachten."

    „Da kann es sich nur um den Vorgang Steinmann handeln! Das haben wir gleich. Die Unfallprotokolle sind nebenan bei den unerledigten Fällen."

    Maria Meister strahlte über ihre Sachkenntnis. Joseph Wolf konnte nur anerkennend nicken, als er nach kurzem Suchen einen schmalen Schnellhefter in die Hand gedrückt bekam. Auf dem hellbraunen Aktenordner stand der Name Sebastian Steinmann mit dickem schwarzem Filzstift in Druckbuchstaben, fein säuberlich geschrieben.

    „Vielen Dank Frau Meister, allein hätte ich diese Akte wohl nie gefunden!"

    „Seien sie doch nicht so förmlich. Hier duzen wir uns alle unter den Kollegen. Bis auf die Goldsternchen."

    Joseph machte ein fragendes Gesicht. Offensichtlich schien er ziemlich bescheuert aus der Wäsche zu gucken. Die Sekretärin musste laut lachen.

    „Die Goldsternchen, das sind unsere Vorgesetzten. Hier auf dem Revier gibt es zwei davon. Eine gewisse Distanz scheint gewünscht um die Truppe nach den neusten Methoden der Personalführung in Schach zu halten." Wieder lachte Frau Meister. Joseph gefiel diese offene erfrischende Art.

    „Maria"

    „Äh, Joseph"

    Nach einem kurzen Händeschütteln und einem leichten Klaps auf die Schulter rauschte Maria Meister davon. Sie befand sich schon auf der Treppe, als Joseph ihr nachrief.

    „Wie wäre es später mit einem Kaffee als kleines Dankeschön für ihre, Verzeihung, deine Hilfe?"

    Auf halber Treppe drehte sich Maria um, „gerne, aber nur wenn du nicht mehr Sie sagst. Um halb Drei bei mir im Sekretariat."

    Zurück an seinem Schreibtisch begann Joseph mit seiner Recherche. Lange würde er nicht brauchen, um die Unterlagen zu ordnen. Ein fein sortiertes Dossier als ersten Arbeitsnachweis wollte er seinem Vorgesetzten präsentieren.

    Klare Sache. Überhöhte Geschwindigkeit bei nasser Fahrbahn. Totalschaden und ein schwerverletzter Fahrer. Keine Anzeichen auf Fremdverschulden. Alles paletti. Dem Hinweis auf Gegenstände, die im Fahrzeug sichergestellt wurden, wollte er noch nachgehen. Viel erwartete sich Wolf von seinem erneuten Gang in den Keller nicht. Auf einem gelben post-it Zettel vermerkte er den in der Akte angegebenen Lagerort der Fundobjekte.

    Das er an dieser Aufgabe scheitern würde, war schon im Ansatz vorprogrammiert. Hilflos stocherte er sprichwörtlich im Nebel, irrte von einem Regal zum nächsten, konnte das Gesuchte aber nicht finden. Kleinlaut stand er nach einigen Minuten vor Maria Meister und bat die Sekretärin um Hilfe. Ein leichtes Hochziehen einer Augenbraue von Maria verbesserte seine Erfolgschancen nicht wesentlich.

    „Hier, ist doch ganz einfach! Regal 4 obere Reihe links!" Ein schmales Kuvert kam zum Vorschein. Joseph konnte seine Verlegenheit nicht recht verbergen. Hatte er doch genau vor dem vermerkten Lagerort des gesuchten Objekts wie der Ochs vorm Berg gestanden. Blamabel, als die Sekretärin noch einen drauf setzte:

    „Zählen kannst du aber schon. Ist doch nicht so schwer, da reicht eine Hand!"

    Joseph wusste nicht, ob die leichte Verärgerung in Maria`s Gesicht ein Zeichen echter Missbilligung andeutete oder ob sie das alles nur spielte. Er entschied sich für Letzteres.

    Wie erwartet der dünne Aktenordner gab nicht viel her. Der Vermerk Komapatient weckte sein Interesse. Also fragte er bei einem seiner Kollegen nach. Er wollte sich im in Krankenhaus nach Sebastian Steinmann erkundigen. Mit der Antwort konnte er zuerst nichts anfangen.

    „Hauptfriedhof, Stadtmitte, genaue Adresse hab ich vergessen."

    Ein Lachen unterdrückte er im letzten Moment, als er den verdutzten Gesichtsausdruck des „Neuen auf dem Revier" wahrnahm. Der eingehende Notruf rettete den Kollegen aus der misslichen Lage.

    Dann wurde er stutzig. Aufmerksam betrachtete er die sichergestellten Gegenstände aus dem Unfallauto. Ein Handy und ein Bündel Zehn-Euro-Scheine mit Banderole.

    Nichts Ungewöhnliches bis auf die Geldscheine. Warum hatte Steinmann die bei sich? Könnte sich um ein Geschenk handeln, Weihnachten stand schließlich vor der Tür. Von solchen Liebesgaben unter dem Christbaum hatte er schon gehört.

    Der Schnellhefter füllte sich mit den recherchierten Ergebnissen zum Vorgang Steinmann. Joseph Wolf arbeitete planmäßig. Tatorte von Gewaltverbrechen entbehrten einer gewissen Romantik. Aber der ausgedruckte Presseartikel über den Unfall im Wald mit dem demolierten BMW, das war schon ein makabrer Anblick. Ein schwarz-weiß Foto zeigte das ganze Ausmaß des Totalschadens.

    Dem Betrachter suggerierte die Aufnahme die ungeheure Wucht des Aufpralls des Mittelklassewagens auf den Anhänger eines abgestellten Holzlasters. Unwirklich, diese Lichtreflexe, es schien, als sei die Szenerie fachmännisch ausgeleuchtet worden. Der Fotograf verstand sein Handwerk, hatte offensichtlich einen Sinn für das Wesentliche.

    Moment, Joseph Wolf blätterte zurück zum Unfallbericht. Der Notruf erreichte die Zentrale am Samstag exakt um 6 Uhr 10. Von einem Bäcker auf Verkaufstour stammte die Meldung. Soweit alles klar. Nur warum wurde über

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