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Von Nacktschnecken und anderen Katastrophen
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eBook251 Seiten3 Stunden

Von Nacktschnecken und anderen Katastrophen

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Über dieses E-Book

Vier schwäbische Frauen mittleren Alters und eine Chemnitzerin verbindet weitaus mehr, als die Tatsache, dass sie allesamt große Fans topmodischer Handtaschen und Schuhe sind, viel mehr zeichnet sich ihre Freundschaft darin aus, dass sie selbst in banalsten Situationen, aber auch zu Zeiten, wenn ordentlich Tränenfließen, immer füreinander da sind, komme da auch welcher Mann da wolle.
SpracheDeutsch
Herausgeberneobooks
Erscheinungsdatum23. Sept. 2014
ISBN9783847608745
Von Nacktschnecken und anderen Katastrophen

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    Buchvorschau

    Von Nacktschnecken und anderen Katastrophen - Lotta Liebich

    Prolog:

    Isabelle, Jezna, Emma und Leni trafen sich seit längerem schon donnerstags und samstags im `Dolce´, einer Bar im Herzen des Schwabenstädtchens Reutlingen.

    Jedoch immer nur paarweise.

    Isabelle und Emma saßen meistens im hinteren Bereich am Zweiertisch auf dem weißen Ledersofa direkt beim Discjockey. Von dort aus hatten sie den besten Blick auf die, an der Theke stehenden Männer. Zunächst zwar nur auf deren Rückansicht, doch selbst diese war häufig ganz und gar nicht zu verachten.

    Hier parkten gut gebaute Kerle neben schlaksigen, weißgliedrigen Exemplaren. Füllige Schöpfe drängten sich in die Reihe derer, mit ohne Haar.

    Sie verhüllten ihre mehr oder minder vorhandenen männlichen Oberkörper mit weißen T-Shirts, mit teuren Kaschmir Pullovern oder coolen schwarzen Lederjacken. Dazwischen fanden sich prollige Hemdenträger, die durch die geöffnete Knopfleiste, einen wenig erbaulichen Brusthaarbewuchs bis hinab zum Rippenbogen preisgaben. Kaum, dass sich eben jene zu Isabelle und Emma herumdrehten, machte sich bei den beiden umgehend ein brachialer Würgereiz am Zäpfchen bemerkbar.

    Dieser Gesamtanblick ließ immerhin ein erstes Aussortieren zu

    und die Freundinnen wussten recht schnell, wen es weiter zu beobachten galt und wer in den mentalen Schredder gestoßen werden musste.

    Jezna und Leni bevorzugten es im vorderen Bereich der Bar zu sitzen, um von dort aus die neuen Gäste intensiv zu observieren. Bislang also waren sich die vier Frauen nicht bewusst über den Weg gelaufen, bestenfalls unbeachtet aneinander vorüber gegangen.

    An einem Spätsommerabend jedoch trafen sie zusammen. Bereits mit den ersten Worten war allen klar, dass sie sich finden sollten.

    Sie wussten nicht, wie sich derjenige nannte, der ihr Aufeinandertreffen eingefädelt hatte. Ob es nun das Schicksal war, Gott und sein unerschütterlicher Wille oder gar der Geist von `Coco Chanel´ persönlich. Das war ihnen auch völlig egal. Sicher war nur, dass es der Fügung einer höheren Macht zuzuschreiben sein musste.

    Von diesem Tag an gehörten sie zusammen, seit damals, als sie sich gefunden hatten, bei einem Glas `Hugo´, inmitten von Lenis und Emmas ausgestoßenem Zigarettenqualm, draußen am Stehtisch vor dem Dolce.

    Dieses lebenseinschneidende Ereignis wollten sie fortan alljährlich begehen, das versprachen sie sich feierlich. Zumindest solange es ihnen in späteren Jahren ein Rollator noch erlauben wollte, sich in die Lieblingsbar zu schleppen. Einzig, um gemeinsam Spaß zu haben, leckeren Fusel zu trinken und in Ermangelung eigener Zähne sich wenig verständlich über die anwesenden Männer zu ergehen.

    Hier standen sie nun also zusammen und ließen sich ganz selbstverständlich sofort darüber aus, wie sie in der Vergangenheit von männlichen Zeitgenossen an der Nase herumgeführt worden waren. Dabei vergaßen sie nicht zu erzählen, dass auch sie sich mitunter als Grund und Auslöser für den Liebeskummer von Männern sehen durften. Letzteres jedoch war eher die Seltenheit.

    Bemerkenswert schien, wie sehr sie sich selbst in der jeweiligen Geschichte der anderen wiederfanden. Dabei war es egal, wie abstrus sie auch klingen mochte. Leidlicher Weise aber lief es meistens auf ein und dasselbe Ergebnis hinaus, was verdeutlichte, dass sie häufig als das schwächere der Geschlechter auf dem Schlachtfeld der Gefühle geschlagen zurückgeblieben waren. Erniedrigt, gedemütigt, ungeliebt und ach so klein, einem Nacktmull ähnelnd, blind der Liebe hinterherkriechend.

    Jezna war die Einzige, die dieses, nennen wir es, devote Verhalten ablehnte. Sie war es, die den männlichen Part in ihren Beziehungen übernahm. Momentan zeitgleich, in genau dieser Manier, mit drei Männern. Das aber bedeutete nicht zwangsläufig, dass sie ihre Partnerschaften nicht irgendwie ernsthaft unterhielt.

    Jeder von ihren Freunden hatte seine Daseinsberechtigung, eben jeder seinem eigenen Zweck zugeführt und tatsächlich der Meinung, der alleinige Kerl an Jeznas Seite zu sein.

    Ohne Reue genoss sie sodann das Prickeln der anfänglichen Verliebtheit bei Stefan, Holger und dann Richard. Die Geborgenheit und traumhaft leckeren Risottos dagegen bei Patrick und die sexuellen Höhenflüge und Herausforderungen derzeit mit Tobias.

    Leni waren diese Gepflogenheiten schon lange bekannt. Aus diesem Grund konnte Jezna ihre Freundin Leni auch nicht mit ihren Erzählungen überraschen. Umso heftiger quollen die Augen von Emma und Isabelle über, als sie das erste Mal von den Eskapaden der selbsternannten Polygamistin erfuhren.

    Im Laufe der darauffolgenden Zeit verwoben sich unweigerlich ihre Leben miteinander.

    »Wir könnten glatt Carrie, Samantha, Miranda und Charlotte sein«, sagte Emma immer wieder, wenn sie wieder einmal beieinander saßen und den Feierabend zusammen genossen.

    Als an Halloween auch noch Lenis Freundin Sofi für einige Tage zu Besuch aus Chemnitz anreiste, da waren sich die Fünf sicher, dass sie selbst die Attraktivität der Vierergemeinschaft aus »Sex and the City« geschlagen hatten.

    Denn Ihre Freundschaft war einfach einzigartig.

    Kapitel 1:

    Die Erfahrung zeigte es immer wieder, dass selbst ein Tag, der düsterer nicht beginnen konnte, häufig eine unerwartete Wendung nehmen mochte, eben so wie heute, am Freitag, den zweiten April.

    Isabelle sah frustriert auf den Wandkalender in der Küche und tippte mit dem Zeigefinger auf den roten Kringel: »Um den Termin komme ich nicht drum herum.« Sie verdrehte die Augen, ging aus dem Raum und steuerte direkt das Badezimmer an. Hier stellte sie sich vor den Spiegel und starrte schweigend auf die vor ihr stehende Frau, wobei sie eine einzige Stelle in ihrem Gesicht fixierte. War das etwa ein weiteres Fältchen, das sich auf ihre Stirn verirrt hatte? Himmel nochmal, sie war gerade erst 35 Jahre alt, oder so. Wie konnte es sein, dass sie begann zu schrumpeln, wie eine alte Pflaume? Jetzt schon? Völlig unerwartet, ehe sie den Mann kennengelernt hatte, mit dem sie ihr restliches Leben zu teilen beabsichtigte, oder zumindest einen potenziellen Kerl, der sie nach einer unendlichen Durststrecke eine ganze Nacht lang verwöhnen würde.

    Sie fiel der Alterung anheim, noch bevor sie einen sexy Typ gefunden hatte, der sich ihr dabei behilflich zeigte, die überschüssige Energie zu entladen. Der ihr erlaubte, lusterfüllt die Anspannung aus dem Leib zu kreischen. Ja, ohne Zweifel, ihr lief allmählich die Zeit davon, redete sie sich mit aller Sturheit ein. Da half es auch nichts, wenn ihre Freundinnen mit ehrlicher Überzeugung schwärmten, wie glatt ihre Haut und wie straff ihr Körper doch war.

    Sie fragte sich, wer schon eine Greisin in sein Bett lassen wollte, wo der Markt unendlich viele junge und knackige Frauen bot.

    Heute stand für sie wieder einer dieser beschissenen Termine bei der Agentur für Arbeit an, weil Isabelle seit einigen Monaten als arbeitssuchend galt. Völlig unverschuldet war sie in diese Situation geraten, denn ihr Arbeitgeber hatte den Laden insolvent zum Teufel gejagt.

    Arbeitssuchend, na prima, wie sich dies schon anhörte.

    Seit jeher war sie in einem Beschäftigungsverhältnis gestanden, nachdem Isabelle das Abitur mit Bravour geschafft und das Studium der Betriebswirtschaft mit ansehnlichem Ergebnis durchgezogen hatte.

    Kurz darauf machte sie sich in einem Unternehmen nützlich, dem bald schon eine wirtschaftliche Blütezeit prognostiziert worden war. Trotzdem saßen die Mitarbeiter und eben auch Isabelle irgendwann auf der Straße.

    Sie strich sich das blonde Haar auf der linken Seite hinter das Ohr, starrte ihr Gegenüber an, zupfte die Strähne wieder hervor und wuschelte sich durch den Schopf.

    Kopfschüttelnd öffnete sie die große Schnalle des breiten Gürtels um ihre Taille und zog das Leder enger. Sie hatte bereits das letzte Loch gewählt und noch immer saß er recht locker um den schmalen Leib.

    Der Kragen des grauen Strickkleides kratzte sie und sie zog genervt daran, bis sie die Naht krachen hörte: »Ach Scheiße, Mann.« Panisch drehte sie sich hin und her, rückte näher zum Spiegelbild. Zum Glück war darin kein Riss zu erkennen.

    Der Blick auf die Armbanduhr alarmierte sie, sich nun etwas mehr zu beeilen, denn zu spät zu kommen, das war für Isabelle undenkbar. Selbst wenn es sich um einen solch unangenehmen Termin handelte, wie den Heutigen. Eilig legte sie den Lippenstift auf, schmiss ihn zurück in die Acrylschublade des Spiegelschrankes, drehte sich um und schlug auf den Lichtschalter an der Wand, bevor sie den Raum verließ.

    Einige Minuten später bereits lenkte Isabelle ihren weißen Peugeot auf den Parkplatz der `Arge´. Sie tröstete sich mit dem Gedanken, dass wenigstens der Abend einen angenehmeren Verlauf nehmen würde. Dann, wenn sie sich mit Emma, Jezna und Leni im `Taverna´ treffen wollte, um gepflegt ein paar `Aperol Spritz´ oder sonst etwas Süffiges zu schlürfen.

    ***

    Emma kritzelte Kringel auf ihren Notizblick, nickte stumm und ließ sich die Schimpftirade mit halbem Ohr gefallen. Sie nahm den Hörer und hielt ihn am ausgestreckten Arm zur Seite, als ihre Sekretärin ins Zimmer schaute und einen weiteren Rückrufzettel zeigte. Emma nickte erneut, verdrehte die Augen, weil ihr der Papierfetzen nun auch noch vor der Nase hin und her gewedelt wurde. Sie winkte ab, richtete ihre Aufmerksamkeit wieder auf den tobenden Gesprächspartner und schloss konzentriert die Augen, bevor sie ansetzte: »Natürlich kann ich ihren Ärger verstehen, Herr Schubert! Aber meinen Sie nicht, dass wir die Versäumnisse meines Kollegen vergessen sollten, damit wir nun gemeinsam an Ihre Belange herangehen können?« Emma lehnte sich im Schreibtischsessel zurück.

    »Endlich einmal ein vernünftiger Vorschlag«, dröhnte der Kunde mit vor Schreien heißerer Stimme.

    »Selbstverständlich werde ich mich unverzüglich darum kümmern, sobald Sie mir Ihre Unterlagen vorbeigebracht haben. Vielleicht gleich Morgen, was halten Sie davon?«

    »Das würde mich doch etwas beruhigen!«, antwortete Hans Schubert.

    Einige Momente vergingen, bis die Steuerberaterin mit schmeichelnder Stimme und einem freundlichen Gruß endlich auflegen durfte. Sie stemmte die Ellbogen gegen die Tischplatte, legte die Stirn in die Handflächen und schloss die Augen.

    »Nimmt dieser Tag eigentlich gar kein Ende mehr?«

    Genervt griff sie nach dem auf dem Taschenrechner klebenden Notizzettel, wählte die Taste eins der Telefonanlage und wartete einen Augenblick, bis ihre Sekretärin abhob. »Marlene, sei so lieb und bring mir die Akte von `Jansen´. Bevor ich ihn zurückrufe, möchte ich doch nochmals reinschauen.«

    Kaum, dass Emma aufgelegt hatte, nahm sie das Piepen ihres PCs wahr, der damit den Eingang einer E-Mail signalisierte.

    Ihr Herz setzte einen Schlag aus, als sie sah, dass Paul Berger geschrieben hatte. Seine Firma war ein Mandant von ihr, deswegen standen sie in regelmäßigem Kontakt zueinander.

    Schon allein mit seiner sexy Stimme hatte er sie für sich eingenommen, gleich bei ihrem allerersten Telefongespräch und sie hoffte seither, dass er immer öfters unter fadenscheinigen Gründen anrufen würde, nur um ihn hören zu können. Das Phantom Paul Berger und seinen herrlichen Bass mit dem ausgeprägte Rollen seines `R-s´, was ihr immer wieder diese prickelnde Gänsehaut über den Körper jagte.

    Wie er aussah, das wusste Emma nicht, denn er gab immer dann seine Akten hier im Büro ab, wenn sie noch nicht im Haus war. Sein Timing war demnach mehr als blöd. Stets rief er im Laufe des Tages an und erklärte, wie sehr er bedauere, sie erneut verfehlt zu haben. Ihre Knie wurden jedes Mal weich, obwohl er nur von den Zahlen in den, ihr vorliegenden Unterlagen, redete. Klar waren Ziffern und Fachwörter aus der Buchhaltung an sich wenig sexy, aber nicht, wenn sie aus seinem Mund strömten. Allein mit einem gehauchten `Fakturierung´ oder dem `Einnahmen-Ausgaben-Überschuss´ im samtenen Klang seiner Stimme, begannen ihre Schenkel zu beben.

    Marlene trat ein, legte schweigend die gewünschte Akte auf den Tisch und verließ wieder unbemerkt den Raum. Emma starrte unterdessen noch immer angespannt auf den Bildschirm.

    Sie führte den Mauszeiger über die Symbole verschlossener und geöffneter Briefumschläge und klickte doppelt auf den obersten. Unendlich lange Sekunden später öffnete sich die E-Mail und die Schrift flackerte verschwommen vor ihren Augen auf. Sie rieb sich

    die Lider, verschmierte sich dabei den Mascara und sah auf die Buchstaben. Erst jetzt fiel ihr auf, was hier im Argen lag. »Brille. Verdammt, wo ist die?« Sie wühlte die losen Papiere zur Seite, griff nach der Jansen Akte, legte sie auf den Haufen rechts von ihr und fand endlich die Lesehilfe. Sie ärgerte sich seit langem darüber, dass die Schriftgröße hier bei den Emaileinstellungen sehr viel kleiner gehalten war, als bei den Kurznachrichten ihres mobilen Telefons, hatte bislang jedoch nicht herausgefunden, wie sie diese ändern konnte.

    Kaum dass sie sich das silberne Designergestell auf die Nase geschoben hatte, versenkte sie nun neugierig den Blick in den Text auf dem Bildschirm.

    »Hallo Emma, auch wenn ich diesmal keinen Grund habe anzurufen, um mich für mein gewohnt miserables Timing zu entschuldigen, habe ich gerade jetzt das Bedürfnis mich bei Ihnen zu melden. Ich möchte Sie nur fragen, wie es Ihnen geht.

    Bald werde ich für meine Firma wieder Ihre Hilfe in Anspruch nehmen müssen und darf dann Ihr Büro aufsuchen. Glauben Sie, wir schaffen es endlich, uns zu sehen?

    Nachdem wir schon einige Male miteinander gesprochen haben, würde ich so gern auch privat `Hallo´ sagen oder `Gute Nacht´.

    Wäre es Ihnen arg unangenehm, mir Ihre Mobilfunknummer zu geben? Nur zu diesem Zweck, versprochen, nicht um Telefonterror zu treiben :) Oder vielleicht doch! ;) Tja, dieses Risiko müssten Sie in Kauf nehmen.

    Jedenfalls schicke ich sicherheitshalber meine eigene Nummer, es könnte ja sein, dass es Ihnen lieber ist, wenn Sie mich stalken können *lacht*.

    Im Anhang finden Sie meine digitale Visitenkarte.

    Viele Grüße von Paul Berger«

    Ein breites Grinsen legte sich auf Emmas Gesicht und sie spürte, wie es ihr die Hitze in die Wangen trieb.

    Sie griff nach ihrem Mobiltelefon, öffnete die Kontakte und gab unter dem Namen Paul seine Nummer ein. Längere Zeit starrte sie auf die Ziffern, unsicher, ob sie ihm tatsächlich gleich schreiben, oder doch noch etwas abwarten sollte.

    Emma entschied sich dazu, zunächst nur die E-Mail zu beantworten und ihm noch ein klein wenig die eigene private Telefonnummer vorzuenthalten. Neben einem lachenden Smiley bedankte sie sich und wünschte ihm, von wildem Herzklopfen begleitet, einen schönen Tag.

    Auf ihre Antwort hin schwieg er sich aus, was verständlich war in Anbetracht dessen, dass sie ihn, für den Moment zumindest, abgewürgt hatte. Doch wenn es eine Regel im Umgang mit potenziellen Verehrern gab, dann diese, dass sich eine Frau zu Anfang unnahbar geben sollte. Dass sie sich nicht wie ein erlegtes Reh dem Kerl vor die Füße schmeißen durfte. Damit nämlich würde sie seinen naturgegebenen Jagdtrieb gleich von vorneherein im Keim ersticken. Ein Fehler, ein wirklich dummer Fehler wäre das, redete sie auf sich ein.

    In der Theorie war dies Emma schon bewusst. Leider hatte sie es in der Vergangenheit nicht geschafft, sich an diese banale Regel zu halten. Natürlich wollte sie sich erkämpfen lassen, doch genau das ging ihr gewohnheitsgemäß zu langsam vonstatten. Letztlich endeten ihre frischen Beziehungen schnell damit, dass sie in einer Art Nacktschneckenmanier dem gelangweilten Kerl hinterherrutschte und kaum etwas anderes erntete als seine Schuhsohle, die sich auf ihren verletzlichen Leib presste.

    Sie mochte schon gar nicht mehr darüber nachdenken, wie es ihr erginge, falls es diesmal wieder so enden würde. Tatsache war, dass es das nicht musste, solange sie sich nur beherrschte, nicht sofort in die Tastatur des Telefons zu hauen.

    Emma schlug hämmernd mit dem Bleistift auf die Schreibtischplatte, sah letztlich auf den zweckentfremdeten Holzstängel und patschte mit der anderen Hand darauf. Ruhe kehrte ein und mit dieser drängte sich ein seltsames Rauschen in den Ohren in den Vordergrund.

    Es war wie verhext, denn als sie weiter auf seinen Namen in der Kontaktliste schaute, konnte sie aus dem Augenwinkel heraus ihren Zeigefinger dabei beobachten, wie er kreuz und quer auf den Tasten ihres Telefons herumfuhrwerkte und letztlich, ohne Emmas willentliches Dazutun, löste dieser auch schon den Sendeknopf aus. Nur einen Moment später bereits, stahl sich gespiegelt die geschriebene Kurznachricht auf ihre schreckensgeweiteten Pupillen: »Hallo. Hier nun also meine Nummer. Gruß von Emma«

    Sie schlug sich die flache Hand gegen die Stirn, verließ eilig das Programm, schaltete das Display aus und legte das Gerät vor sich auf dem Schreibtisch ab.

    Minutenlang tat sich nichts, selbst wenn sie fast schon mit hypnotischem Blick den dunklen Bildschirm betrachtete und diesen in Gedanken beschwor, endlich aufzuleuchten.

    Emma saß nur da, klemmte weiterhin die inzwischen blutleeren Hände auf dem Sitz unter den Po, wippte dazu nervös mit den Füßen und wartete ungeduldig auf das ersehnte Lebenszeichen.

    ***

    Nach diesem mehr als bescheidenen Tag freute sich Isabelle darauf, endlich ihre neuen hochhackigen Pumps ausführen zu können, selbst wenn der Winter sich noch eisern am April festklammerte.

    Emma wartete bereits am Eingang vor dem Taverna auf sie, als Isabelle in ihren dicken Wintermantel gehüllt, die schlanken, inzwischen tiefgefrorenen Beine stöckelnd die schneebedeckten Stufen hinaufjagte, darauf bedacht, nicht mit den glatten Sohlen auszurutschen und auf dem Po zu landen.

    Sie lachte winkend, als sie die zierliche Gestalt mit der roten Strickmütze auf dem Kopf erkannte.

    Emma hüpfte auf und ab und ihr braunes, schulterlanges Haar, das seitlich aus der Mütze hing, peitschte ihr dabei ins Gesicht.

    Arm in Arm betraten sie die Bar, gingen zielstrebig an der Theke vorüber und nahmen an einem Zweiertisch Platz, abseits vom Gedrängel im vorderen Bereich. Es roch verlockend nach frischgebackenen Baguettes, nach Käse und gebratenem Schinken und auch wenn Isabelles Geruchs- und Geschmacksnerven ein bisschen verkorkst waren, raubte ihr dieser intensive Duft fast die Beherrschung. Sie schüttelte unmerklich den Kopf, redete gedanklich vehement

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