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Humor schafft Abstand zu den Nazis
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eBook615 Seiten8 Stunden

Humor schafft Abstand zu den Nazis

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Über dieses E-Book

Ein erratisches Leben in Deutschland ab Geburt 1936 unter Hakenkreuzfahnen in einer äusserst fragwürdigen Zeit in einer hinterfragbaren Welt. Zum Todlachen? Nein! Garantiert nicht. Das wäre blanker Hohn. Schmunzeln ist hingegen erlaubt und erwünscht. Nichts ist gelogen. Einiges nur anders gesagt. Schonungslos, aber nicht unverschämt. Eine mitreissende Lektüre für ausgesprochene wache kritische "Leseratten"!
SpracheDeutsch
Herausgeberepubli
Erscheinungsdatum21. Jan. 2019
ISBN9783748504771
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    Buchvorschau

    Humor schafft Abstand zu den Nazis - Wolfgang Honold-Sacoto

    Inhaltsverzeichnis

    Impressum

    eBook-Produktion und Cover

    Einführung

    Annäherung

    Kurzbeschreibung:

    Das ist die Hauptfigur im Buche

    Erster Lebensabschnitt - Humor schafft Abstand zu den Nazis

    Meine Kindheit unter dem Hakenkreuz

    Am Anfang war hier nicht das Wort, sondern die (gut gemeinte) Tat:

    Künstlerische Ader

    Nachkriegszeit und Wirtschaftswunder

    Zweite Lebensphase "Wer ist dein Freund? Wer dein Feind? Warum?

    Wolfgang`s Schul- und Ausbildungszeit

    Anlehrstelle zum Revolverdreher

    Berufsausbildung zum Hotelkaufmann

    Transitpassagiere und Biologie

    Wie man als geschäftstüchtiger Mitarbeiter ein stiller Teilhaber werden kann

    Variante 1): Der Kellner als Verkäufer und Lieferant, i.P.U. (in Personalunion)

    Variante 2): Der Kellner als mäuschenstiller Teilhaber (des Hotelrestaurants, versteht sich!)

    Mein Bruder Peter (Pitterchen)

    Dritte Lebensphase: Karriere und das weibliche Geschlecht

    Karriere am Lago Maggiore als internationaler Kulturreiseleiter

    Sprungbrett - Diplom als Fremdsprachenkorrespondent

    Auf nach Global Tours in London

    Wie aus Wolfgang- Donald wurde...

    Donald als gefragter Kultur-Reiseleiter in London

    Donald wird zum wilden Wätzchen

    Besuch in den Niederlanden

    Herausforderung an der Loreley

    Kleiner Nebenverdienst - oder keiner hat`s gesehen

    Die Reise geht weiter zum wunderschönen Italien

    Venedig ist eine Reise wert

    Ein begehrenswerter Ring

    Und plötzlich waren die Räder vom Bus verschwunden

    Frankreich - Die Côte d'Azur zahlt sich aus

    Zurück in London zum briefing

    Donald als Troubleshooter

    Als der Reifen platzte

    So ein Sauhaufen

    Alles in Butter

    Ich habe meine Mutter und ihren Lebensgefährten zur Mitfahrt eingeladen

    Eine stattliche Provision

    Quer durch`s interessante Spanien

    Entartete Kunst

    Durch Frankreich zurück nach London

    In 48 Stunden beginnt eine neue Fahrt

    Die Sache mit dem Alkohol

    Donalds`s erstes Auto wurde 14 Tage alt

    Zwei alte Freunde

    Mit Mary in die Oper

    Ankunft in West-Berlin

    Abschied von Donald

    Aus Donald wird Mambo

    Achtzehn Jahr und blondes Haar

    Die Lufthansa suchte junge, mehrsprachige Flugbegleiter

    Das gefährliche Straßenrennen

    Neuer Anfang am Titisee

    Neue Kontakte öffnen Türen

    Erste Begegnung mit Netti, der ex-Prinzessin Sophie Antoinette von und zu Fürstenberg

    Eine portogiesiche junge Dame wird einmal mein Leben verändern

    Gefährlich übermüdet...

    Tote Hose am Titisee - Zeit zum Umdenken

    Auf dem Acker gelandet

    Anstellungsvertrag bei der Kienzle GmbH als Exportsachbearbeiter

    Gleichberechtigung für Netti

    Trauriger Abschied von Netti

    Mutter`s geheime Küche

    Ein Schritt in die Selbstständigkeit

    Celeste - Eine Partnerin für`s Leben

    Ein sehr gutes Arbeitszeugnis ist Gold wert

    Zum Pseudonym in der Printausgabe

    PS.: Mit meiner lieben Frau Celeste lebe ich glücklich in der Schweiz bis zum heutigen Tage.

    Impressum

    Titel: Humor schafft Abstand zu den Nazis

             - eine sarkastische Autobiographie von Wolfgang Honold-Sacoto über die Jahre 1936 bis 1966 -

     Autor: Wolfgang Honold-Sacoto, Schweiz

               Copyright: © 2018 by Wolfgang Honold, Schweiz

    eBook-Produktion und Cover

    Eckhard Toboll, D-45772 Marl

    Mail: eckhard86@hotmail.com

    Website: www.ectob.de

    Einführung

    Dieses Werk, vom Autor Wolfgang Honold-Sacoto, war im Jahr 2015 in einer Print-Ausgabe 

    unter dem Pseudonym Bonifatius Helveticus im Verlag Paramon (Schweiz) erschienen.

    ISBN: 978-3-03830-160-8

    Unter dem Titel:

    Das erratische Leben von Wolfgang, alias Donald, alias Mambo

    WARUM ?

    Band 1 - 1936 bis 1966 

    1.Buch

    Bonifatius Helveticus  

    (ex Coloniae Agripinae)

    in post-römischer Urheimatsprache: Dä jootjemaate Emmijrant, wo us Kölle affjetrokken is,

    beschreibt als Pseudonym p.p.A. und i.P.U. (in Personalunion) mit dem Betroffenen Episoden aus:

    Das erratische Leben von Wolfgang, alias Donald, alias Mambo

    unter dem Titel: WARUM ? Band 1 -  1936 bis 1966

    Printausgabe ISBN: 978-3-03830-160-8

    Annäherung

    Viele fassen den Entschluss, ihre Lebensgeschichten in einer Autobiografie zu resümieren. Doch nur die wenigsten setzen ein solches Projekt auch in die Tat um. Noch viel weniger schaffen es dann, mit Schilderungen ihres bisherigen Daseins ein Buch (Hardcover) von über 400 Seiten zu füllen. Einer dieser wenigen ist der Fahrweider Autor Wolfgang Honold. Sein Werk «Das erratische Leben von Wolfgang alias Donald alias Mambo – Warum?» verfasste er unter dem Pseudonym Bonifatius Helveticus und beschreibt darin seine ersten 30 erratischen, also irrigen Lebensjahre, die von einer Reihe Aufs und Abs geprägt waren.

    Für die eBook-Version wurde der gesamte Text, sprich 439 Seiten, aus der Print-Version (Buch) übernommen. Eigens für das eBook wurde ein neues Inhaltsverzeichnis angefertig und der Titel wurde geändert. Die Seitenzahlen im eBook sind nicht identisch mit der früheren Printausgabe.

    Der neue Titel ist jetzt: Humor schafft Abstand zu den Nazis - eine sarkastische Autobiographie von Wolfgang Honold-Sacoto über die Jahre 1936 bis 1966 - Der Titel wurde geändert, weil der Autor auch in den Nachkriegsjahren, durch Erinnerungen und Anekdoten, gedanklich in die Nazi-Zeit zurückkehrt. 

    «Ich sah Leute sterben»

    Es ist April im Jahr 1936: Honolds Hausgeburt an der Ewaldistrasse in Köln bildet gleichwohl den Startschuss zu seinem Leben und zu seiner Autobiografie. «Meine Kindheit war geprägt von Bildern des Kriegs», so Honold. Diese nimmt er in seinem Buch auf, beschreibt sie detailliert und kommentiert sie aus seiner heutigen Sicht. Klassenbesuche der nationalsozialistischen Sturmabteilung (SA) prägten den jungen Wolfgang Honold genauso wie Szenarien von Bombardements: «Ich sah viele Leute sterben», sagt er und verweist auf ein Erlebnis, als Bomben niedergingen und eine Frau mit Kleinkind im Arm nur wenige Meter entfernt von ihm getroffen wurde. Solche Erlebnisse schildert Honold in unverblümter Sprache und bleibt dabei stets trocken, was der Leser als schwarzen Humor verstehen könnte. Mehrmals verweist er im Buch darauf, dass seine Aussagen «kein Witz» seien.

    «Das Buch ist sicherlich nicht zum Lachen, doch ist Schmunzeln erlaubt», sagt der 82-jährige. Dass viele Menschen das Thema Nationalsozialismus nicht humoristisch aufbereitet sehen wollen, dafür hat er Verständnis. «Doch sind gewisse Dinge derart tragisch und unverständlich, dass Humor Abstand schafft», sagt er. Mit einer gewissen Lustigkeit könne das Thema auch unverkrampfter angegangen werden.

    Die weiteren Namen, die im Titel vorkommen, Donald und Mambo, sind eine Referenz auf spätere Lebensphasen. Als Donald bezeichnet sich Honold in seiner Adoleszenz, als er in London als Touristenführer arbeitete. Danach folgte die Phase als Mambo, in welcher er in Süddeutschland als Gastronom tätig war: «Ebenfalls spannende und ereignisreiche Zeiten, die eindrückliche Anekdoten mit sich bringen.»

    Auf die Idee, die Memoiren zu schreiben, kam Honold durch seine beiden Kinder. «Sie sagten mir ständig, dass mein Leben niedergeschrieben werden sollte. Anfang des Jahres 2014 war es dann so weit. Ich setzte mich an meinen Schreibtisch und nahm das Projekt in Angriff. Was die genaue Initialzündung war, weiss ich gar nicht.» Eine intensive Phase begann, während  er tageweise an seinem Werk schrieb. Gut neun Monate später war der Text vollendet und die Suche nach einem Verlag startete. Fündig wurde er nach einem knappen Jahr beim Frankfurter Selbstkostenverlag Paramon, wo sich der Autor an den Druckkosten beteiligt.

    Kurzbeschreibung:

    Das eBook ist nicht in Kapitel unterteilt, aber es behandelt 3 Lebensphasen: Geburt, Kriegsjahre, Nachkriegsjahre, Schulen, Berufsausbildung, Arbeitspraxis in Deutschland, Schweiz (Lausanne), Italien (Lago Maggiore) als WOLFGANG, dann kommt London (GB ) mit dem Namen DONALD als europaweit tätiger Kulturreiseleiter mit zahlungskräftigen Amis, Kanadiern, Australiern, Südafrikanern (also alle englischsprechend) von 1959 bis 1962, dann die 3. und letzte Phase mit dem Spitznamen MAMBO als vielsprachiger Oberkellner im Schwarzwald Hotel in Titisee, später Besitzer eines kleinen Restaurants mit Cuisine française in Garnisonsstadt Donaueschingen mit 3000 franz. Soldaten, die Besuch von Ihren Eltern bekamen und dann meist bei mir zu essen kamen. In der Zeit entstand auch meine mésalliance von 1,5 Jahren mit der von Ihrem Mann Getrennten Gräfin von Bergheim, ehedem Netti, d.h. Prinzessin Sophie Antoinette von und zu Fürstenberg, dann - nach Trennung von dieser kam Umschulung als technischer vielsprachiger Industriekaufmann mit Tätigkeit in der Exportabteilung u. Dolmetscher für Techniker-Seminare bei Kienzle Apparate GmbH (heute MAN) in Villingen (Schwarzwald). Ende 1966 war Schluss mit alledem. Anf. 1967 Auswanderung in die Schweiz (Zürich) und von da ab eine jahrelange weltweite Tätigkeit als Industrie-Kaufmann, Verkaufsleiter, Marketingchef, Geschäftsführer, Troubleshooter, und zum Schluss mit eigener Firma Wolfgang Honold-MARKETING mit Mandaten von mittelgrossen europäischen Unternehmen für weltweite Problemlösungen auf allen Kontinenten auch Djungeln (Nigeria,usw.). Das würde einen aufregenden 2. Band ergeben, den ich aber wahrscheinlich nicht mehr schreiben werde. Aber: Mal sehen, sagte der Blinde ! Vielleicht sagte er's ja auch nicht zum Taubstummen.

    Das ist die Hauptfigur im Buche

    Wolfgang_old24

    Der Autor Wolfgang Honold-Sacoto, wie er heute, d.h. 52 Jahre nach 1966 aussieht. Seine englisch sprechenden Freunde würden dazu sagen : Time takes its toll on a body, d.h. der Zahn der Zeit nagt an einem Körper.

    Wofang_home

    Erster Lebensabschnitt  - Humor schafft Abstand zu den Nazis

    Meine Kindheit unter dem Hakenkreuz

    Am Anfang war hier nicht das Wort, sondern die (gut gemeinte) Tat:

    1

    Am 19. April 1936 fand in der Ewaldistrasse in Köln eine Hausgeburt statt, was damals Gang und Gäbe war. Es kam ein menschliches Wesen männlichen Geschlechts zutage, das von den umstehenden oder sitzenden betreuenden Seelen als solches erkannt und einzig von seiner Mutter als schön gesehen wurde. Der zappelnde Fleischkloss schrie wie am Spiess. Er wollte damit fragen: WARUM ?- Er wurde jedoch, wie meist auch später im Leben, nicht verstanden. Es hiess: Der ist ja kerngesund. Mit so einer kräftigen Stimme wird man dann später auch gehört! Nun, es war eine Zeit, in der eine Stimme vor allen Dingen laut zu sein hatte, denn laut war schön. Laut war die Zukunft. Nur schon ein leiser Gruss war verdächtig. Flüsterer waren Untermenschen und Staatsfeinde, die man laut zurecht wies und leise verschwinden sah, aber nicht sehen wollte. Alles das hat der Neugeborene jedoch erst sehr viel später erfahren, sonst hätte er sicher noch lauter geschrien. Die Hebamme meinte noch man könne in den Papieren die Geburtsstunde um wenige Stunden nach vorne schieben. Dann wäre es der 20. April, des Führers Geburtstag geworden. Das hätte ein wunderschönes Geschenk gegeben, ein Buch mit dem strammen Titel: Mein Kampf. Das hatte seine Mutter jedoch mit leiser Stimme abgelehnt. Das war mutig. Mit lauter Stimme wäre es verhängnisvoll gewesen. Als Abkömmling von Schöngeistern bekam der Wonneproppen auch einen Namen, den schon andere Schön- und Grossgeister vor ihm getragen hatten. Er begann mit dem Vornamen Wolfgang, und dabei wollen wir's mal belassen. Schliesslich gibt es noch andere Menschen mit seinem Nachnamen, die noch leben und nicht möchten, dass da irgendwelche Verwechslungen entstehen. Jedem das Seine! Sein voller Vorname wurde in seinen ersten Lebensjahren jedoch kaum benutzt. Es wurden meist die verschiedensten in nordwestlicheren Gefilden des deutschen Sprachraumes beliebte Diminutive angehängt, welche den Namen je nach Auge des Betrachters verunstalteten oder verschönerten. Beispiele: Wulfes, Wölfjen, Wölfchen, und weiter südlich, wo man mit der Vielfalt von Diminutiven oder Kosewort-formen eher knausert, bis an die schweizer Grenze war's dann: Wolfgängle,  wenn's hoch kommt, Wolfi und auf schweizer Seite: Wolfgängli. Hier taucht wieder die Frage auf, die er noch nicht in Worte fassen konnte, nämlich das Wort: WARUM?. Was nützt ein schöner Name, wenn ihn keiner benutzt? Nun, viele dieser  auch gut meinenden Namenschöpfer sind inzwischen hingeschieden. Heute, mit seinen 82,5 Jahren, wird er endlich mit seinem vollen Vornamen angesprochen, wenn er überhaupt angesprochen wird.

    Bild1

    (Zum Bild: Der kleine Mann namens Wolfgang im Strampelhöschen hatte „gut lächeln". Ihm war nicht bewusst, dass ein knappes Jahr später der Zweite Weltkrieg ausbrechen würde.)

    Aber gehen wir noch mal zurück an den Anfang. In jenen Jahren trugen die meisten Menschen um et Wölfjen herum schöne glitzernde Abzeichen. Ein Onkel aus entfernterer, aber für seine Eltern immer noch zu naher Verwandtschaft, mit hinreichend teutonischem Namen Heinrich oder Wilhelm oder so ähnlich, trug nebst seinem Schullterrrrriemen (Aussprache mit Explosivlaut von Adolf Hitler) einen Revolver am Gurt, was seine beiden kleinen völkischen Zöglinge mächtig stolz machte, auf seiner goldgelben Uniform gut sichtbar ganz viele davon. Fast überall war ein Hakenkreuz drauf, welches er mit und ab 1945 schlagartig durch ein einfacheres Kreuz ohne Haken ersetzte, welches ab da wieder ganz stark in Mode kam. Einige Leute, meist ältere Jahrgänge, trugen keine Uniformen, aber trotzdem das Parteiabzeichen und zwar sichtbar aussen auf dem Revers. Andere trugen es von aussen nicht sofort sichtbar auf der Innenseite des Revers. Zu denen gehörte Wolfgang's Vater. Der hatte im Gegensatz zu seinem Onkel, dem Volks-schullehrer und Goldfasan - wie dreiste lebensmüde Zeitgenossen, wohl gemerkt, nicht Volksgenossen, die SA-Leute im Flüsterton zu nennen pflegten, den damals sogar lebensgefährlichen Beruf eines Theater - und Kunstkritikers mit sehr eigenen Ideen darüber, die aber auch er nur ausflüsterte bevor er diesbezüglich mit der Zeit ganz verstummte. Wölfjens Mutter hatte überhaupt keine Abzeichen und, wie konnte es anders sein, stellte Wulfes, sobald sein Wortschatz dies zuliess, natürlich wieder die Frage: WARUM?

    2

    Er konnte nicht ahnen, dass er seine Mutter damit ganz schön in Verlegenheit brachte. Schliesslich hatte er ihr auch erzählt,  dass beim besagten Onkel, welcher im kleinen deutschsprachigen Teil vom deutsch besetzten Belgien die erste Volkschulklasse unterrichtete, wohin auch Wölfchen vorübergehend hin ausparkiert (damals nannte man es evakuiert) wurde, um der bombigen Luft der Stadt Köln zu entkommen, in der er öfters beinahe umgekommen wäre, seien 2 Männer mit langen schwarzen Ledermänteln und Schlapphüten in die Klasse gekommen und hätten genau das gleiche Klopfzeichen (dreimal dumm, dumm, dumm: kurze Pause und dann wieder: dumm), welches bei Wolfgang zuhause auch oft am Radio gehört wurde, abgespielt und dabei die Reaktion der Kinder genau beobachtet. Seiner Mutter dämmerte sofort was das bedeutete. Es war das Sendezeichen vom Feindsender BBC London. Wer solche Sender hörte, wurde mit dem Tode bestraft. Kein fauler Witz! Der glückliche Zufall wollte es, dass Wölfchen keine Miene verzogen hatte, aber das konnte seine Mutter ja nicht wissen. Wolfgang erkannte recht bald, dass man sich mit dem Wort WARUM fast überall nur einen Haufen Ärger einhandelte. Er gebrauchte es fortan immer sparsamer oder sagen wir: lautloser. Er liess es nicht mehr so schnell über die Lippen gleiten. Das fiel ihm nicht leicht, denn er war vorwitzig. Zum Beispiel brannte die Frage auf seiner Zunge, WARUM die Leute mit den Uniformen und den Abzeichen so stramm und munter stolzen Schrittes dahermarschierten, während andere ohne Abzeichen, aber einem aufgenähten Stern, geduckt mit gesenkten Köpfen wie graue Mäuse den Hauswänden entlang schlichen, wie wenn sie gerade etwas gestohlen hätten. Auf die Antwort musste Wolfgang eine verdammt lange Zeit warten. Danach war ihm aber klar: Ein strammer Gang wäre ihnen von Leuten verübelt worden, wie seinem Grossonkel, von denen es eben verdammt viele gab, und die, als der Spuk vorbei war, die Beichtstühle wieder bis zum Bersten füllten und diese Dinge dort auch nicht beichten mussten, denn man hatte ihnen ja noch nicht einmal den gebückten Gang vergönnt. In den Beichtstühlen wurden ganz andere Dinge gefragt, wie der herangewachsene Wolfgang später selber einmal erleben musste: Das waren mehr so ganz intime Fragen, die sich eher um Dinge unterhalb der Gürtellinie drehten. Aber, hold the horses, wie man jetzt auf neudeutsch sagen würde: Wieder zurück zum Anfang. Da ist vieles noch nicht gesagt. Gut, alles wird auch nicht gesagt werden, denn der inzwischen olle kosewortlos gewordene Wolfgang will keinem mit ollen Kammellen auf den Wecker gehen.

    Diesen Punkt sollten wir an dieser Stelle kurz abarbeiten und dann abhaken bevor wir weiter machen. Es ist schon so, dass sich auch bei Wolfgang mit fortschreitendem Alter das Langzeitgedächtnis progressiv seinen Platz im Kurzzeitgedächtnis zurückerobern wollte. Zumindest solange nicht alles etwa zusammen mit der bösen Tante Dementia den Bach runter ginge. Trotzdem wäre Old Wolfgäng nie auf die Idee gekommen, ein Buch über sich, die Welt und wen sonst noch zu schreiben. Und auf entsprechende Anempfehlungen seitens Freunden und vor allem  seiner Familie, Nachfahren, usw. hatte er immer nur eine Antwort parat: Kommt nicht in die Tüte! Als kompromissfähiger Mensch merkte er nach gewisser Zeit, dass er hier wohl nachgeben müsse. Die Lösung sah er in einer für ihn typischen Kompromissformel, nämlich, ein Pseudonym musste für diese undankbare Drecksarbeit gefunden werden und dafür herhalten, wenn's hart auf hart käme.. In der heutigen Arbeitswelt und Politik, sofern man letztere auch dazu zählen will, hat man dafür den Begriff  delegieren geschaffen. Auch kann Objektivität nur durch Abstand erreicht werden, was dem Pseudonym ja leichter fallen sollte als ihm. Also musste er jetzt nur noch aufpassen, dass nicht zu viel ausgeplaudert würde. Und, keine Sorge, da wird aufgepasst! Ein gewisser Hang seines Pseudonyms zu Sarkasmus wird jedoch kaum zu bändigen sein. Vielleicht könnte man auch sagen: Surrealismus, der auf einer ausgesprochenen Vorliebe für Salvador Dalí's Bilder wie die brennende Giraffe gründet. Übrigens, als er, ganz klein Wölfchen, das Bild zum ersten Mal sah, fragte: Mamma, WARUM hat der Dalí die Giraffe angezündet?. Da war sie wieder mal in Verlegenheit. Zwar hatte sie die Antwort parat, wusste aber, dass Wulfi sie, wenn überhaupt, nur sehr, sehr viel später verstehen würde. Hätte sie sie ausgesprochen, hätte sie in etwa gelautet: Das weiss nur er und posthum nur seine Verwandten im Geiste, zu denen sich Old Wolfgäng dann auch zählte.

    Also, ab geht's, zurück zum Thema:

    3

    Künstlerische Ader

    Schon sehr früh, als der kleine Strampel- und Zappelphilipp, gemeint ist ganz klar et Wölfje, die Welt durch Gitterstäbe (an seinem Bettgestellchen, versteht sich!) kennen lernen musste, zeigten sich bereits Symptome einer künstlerischen Ader eines zeit-genössischen modernen Kunstmalers, der abstrakte, nicht wirklich verständliche oder hinsichtlich Sinnfälligkeit entschlüsselbare Werke schuf, welche die biederen, geistig nicht pervertierten und auf jeden Fall der arischen Rasse - was auch immer das sein sollte - zugehörigen Volksgenossen unter dem Diktat ihres grossen Führers, nicht zuletzt auch in Sachen Kunstverständnis, der zwar als Kunstmaler kläglich gescheitert war, mit dessen Wortschöpfung  als entartete Kunst betiteln und demgemäss verachten mussten. Genau ein solches unbewusst Picasso nachempfundenes Werk schuf Wulfes, das kleine Künstlergenie mit Material, dass ihm reichlich zur Verfügung stand: Er malte an die angrenzende, für ihn gerade noch erreichbare Wand unter Zuhilfenahme dessen, was ihm zu dem Zeitpunkt in Kindergartenkindessprache als A, A und erst viel später als Kot bekannt war, frei nach der in seinem späteren Leben, auch für sein Nachleben, kreierten ureigenen Devise: Kunst, die erklärt werden muss, ist keine!, die phantasievollsten Figuren. Hier war tatsächlich der Begriff entartete Kunst nicht fehl am Platze. Und auch hier fand der Künstler einzig wieder gebührende Anerkennung bei seiner Mama, die sich dabei allerdings die Nase zuhielt. 

    Bild2

    (Zum Bild: Seiner Mammi, Wilma, war kaum noch ein Lächeln abzugewinnen. Ihr war bewusst, dass dieser Krieg kommen würde. Sie hatte auch keinen Zweifel darüber, wer ihn anzetteln würde. Darüber verlor sie jedoch kein Wort. Sie wollte schliesslich nicht schon vor Ausbruch des Krieges sterben.)

    Ein weiteres solches Werk, dass man fast als Gesamtkunstwerk einstufen konnte, schuf er in jener Zeit unbeabsichtigt, d.h. schon mit Absicht, mit grosser  sogar, aber ohne künstlerische Zielsetzung. Damals herrschte rundum im Volke die von Alters her überlieferte, in Stein gemeisselte Meinung, dass im Spinat sehr viel Eisen enthalten sei. Merke: Die heutige Wissenschaft stützt, gestützt auf intensivere Naturbeobachtung, diese These nicht mehr! Eisen war in jener Zeit fast ein Zauberwort, fast wichtiger als Gold. Man konnte es nicht nur essen (Beispiel Spinat), sondern auch Kanonenkugeln, Panzer und dergleichen daraus herstellen. Man verwendete es auch in Form von Orden zur Auszeichnung von im Kriegshandwerk erfolgreichen Soldaten. Da hiess es Eisernes Kreuz und war seitens derer Anwärter als Ordensträger sehr begehrt und seitens derer Bewunderer hoch verehrt. Wenn's ein bisschen mehr sein sollte, dann hiess das Ding Ritterkreuz, was in gewisser Weise ja auch, in dem, dass die Namensleihgeber, die alten Ritter eiserne Rüstungen trugen, Eisen suggerierte. Man verwendete Eisen als Wort auch mit Vorliebe im Satzbau: Eiserne Faust, eiserner Wille, usw. Diese Vorliebe hatte sogar den 2. Weltkrieg überdauert. Beispiel: Eiserner Vorhang. Jetzt war aber der Winzling Wulfes alles andere als ein Freund von Spinat. Trotzdem stopfte man den grünen Brei in ihn hinein, als gälte es, eine Weihnachtsgans zu mästen. Seine diversen vehementen Verteidigungsan-strengungen waren nicht von Erfolg gekrönt. Da dämmerte ihm, was in dem Alter selten ist, dass er hier zunächst mal wieder eine Kompromissformel ins Spiel bringen müsse, so nach dem Motto der Klügere gibt nach. Also machte er für jeden einfahrenden Löffel immer schön brav das Mündchen auf, schluckte aber nichts herunter. Als seine Bäckchen sein Mondgesichtchen vollends zum Vollmond gemacht hatten, gab es plötzlich eine gewaltige Explosion. Ja, man kann es wirklich nicht anders sagen, denn er hatte zwecks Auslösung derselben auch eine gehörige Menge Luft durch sein Stupsnäschen einge-sogen. Das Bild war dieses Mal sehr viel grösser und bezog die Spinatmästerin von Kopf bis Fuss mit ein. Gut, Farbe und Geruch waren dieses Mal anders.

    Solche Dinge hätte er seiner russischen Gouvernante, oder besser, bzw. genauer gesagt, dem Kindermädchen niemals angetan, das sehr viel später kam, als er schon auf eigenen Füssen drauflos hoppelte. Dieses kam nicht aus freien Stücken, sondern wurde zugeteilt , etwa so wie Essen auf Lebensmittelmarken, nur mit dem Unterschied, dass man für Essen zusätzlich auch noch Reichsmark brauchte. Beim Kindermädchen entfiel letzteres, denn es war eine sogenannte Zwangsarbeiterin. Sie konnte kein deutsch. Nur russisch, aber das war diesen Menschen verboten, zu sprechen. Seine Mutter fand russisch prima, konnte es aber leider nicht sprechen. Kurzum: Es ging nicht lange, da konnte Klein-Wolfgang dann russisch so gut wie deutsch, alles in Massen, die seinem Alter entsprachen, versteht sich! Er konnte sein WARUM jetzt auch auf russisch sagen. Es hiess: Patschemú.

    4

    Dank Dummheit, Unwissenheit, Gedankenlosigkeit oder was sonst noch, zum Beispiel: Nichtberücksichtigung von Naturgesetzen, was im vorliegenden Fall ja auch Grundkenntnisse in Biologie vorausgesetzt hätte, wurde seitens  vieler grosser, sprich: erwachsener Menschen nicht erkannt, dass Klein-Wolfgang seine vielen WARUMS, jedenfalls in seiner damaligen Lebensphase, nicht für kritisches Hinterfragen der Dinge verwenden wollte, bzw. leider noch nicht konnte. Sie sollten lediglich als Hilfswerkzeuge dazu dienen, seinen Wissensdurst zu stillen oder seine Wissbegierde zu befriedigen. Ist beides zutreffend, lediglich ein Pleonasmus. Hätte er da schon eine kritische Sicht der Dinge gehabt, hätte er mit Sicherheit gefragt: WARUM braucht man Pleonasmen?.

    Bild3

    (Zum Bild: Im Jahre 1947, als alles vorbei war und man trotzdem noch lebte, sah Wolfgang so aus, wie ihn der grosse und 2 Meter lange Freund und Kunstmaler letzten Bleistift gezeichnet hatte. Extreme Kälte und lebensbedrohlicher Hunger spiegeln sich in Wolfgang’s Augen. Aus seiner Bettdecke hatte ihm seine Mammi eine schicke Skiehose geschneidert. Die hat er dann auch im Bett nicht mehr ausgezogen. Damit blieben wenigstens schon mal die Beine und der Hintern  bedeckt. Man kann halt nicht alles)

    Was Klein-Wolfgang damals schon zunehmend beobachtete, oder sagen wir lieber, zur Kenntnis nahm, ohne es zu verstehen - wozu auch?- es musste ja normal für ihn sein, war: Es gab zwei Welten, eine laute und eine leise. Dazwischen war nichts! Die laute, die Welt der libben Volllksgenossn und Genossennen, wie Hitler sie bei seinen Reden im Brüllaffenton anzusprechen pflegte, war zeitweise auf den Strassen mit genagelten Stiefeln, aber mit selbigen meist in Biergärten und Bierkellern, den beliebten Tummelplätzen für Goldfasane. Flüstern war dort nie angesagt. Brüllen war dort die Devise, und wenn man damit fertig war, auf Kommando lauter, weithin vernehmbarer, sozusagen frisch von der Leber gegrölter Gesang mit sehr leicht einprägsamen, gewollt grossen, galoppierenden Optimismus schürenden Texten wie: Die Fahne hoch ...dumm, dumm. ...die Reihen fest geschlossen...dumm, dumm....usw. Man brauchte dazu kein Hirn, nur eine zur geballten Faust geschlossene Hand, meist die linke, damit die rechte, allerdings dann ausgestreckte Hand für den Hitler-Gruss frei verfügbar blieb. Für die nicht minder laute akustische Wiedergabe der Dumm, dumms  benötigte man lediglich eine Tischplatte, und für die taktschlagenden Nagelsohlenstiefel einen festen Untergrund - und das hatten sie ja alles.  Dann gab es aber auch die friedlicher, obgleich  wie alte deutsche Volksweisen vom Text her fast noch einfältiger klingenden Gesänge wie: Auf der Heide blüht ein kleines Blümelein...zwei,drei,vier (Pausenzeichen von Nagelstiefeln akustisch wiedergeben)..und das heisst ...zwei,drei,vier, ...Eeeerika! Die gab es zuhauf. Sie waren vornehmlich den grünen, oder sagen wir, mausgrau-grünen (selbst bei Rommel im braunen Wüstensand nicht nur feldgrün genannten, sondern auch getragenen) Uniformen der Wehrmacht vorbehalten. Sie mussten in den meisten Fällen von unfreiwilligen Rekruten bei Ausmärschen zwecks Erhöhung von Wehrkraft, bzw. diesbezüglicher Ertüchtigung und Stütze von Disziplin und Korpsgeist auf den kurzen, trommelfellgefährdend gebrüllten Befehl: Ein Lied...zwei,drei,vier! recht laut gesungen werden. Ein anderes ging so: Schwarzbraun ist die Haselnuss....schwarzbraun bist auch du...jehudihu oder so ähnlich. Eins von diesen vielen Liedern, die den 2. Weltkrieg überdauert haben, die noch heute von Vielen, eigentlich zu Vielen, gerne gehört werden, womit ein verwitternder, aber im Herzen jung gebliebener singender deutscher Konditor mit dank Perücke vollem Blondschopf namens HEINO ein Vermögen gemacht hat und wahrscheinlich, solange die Stimmbänder nicht reissen, weiter machen wird. Selbst die Franzosen mussten sich nach vollzogenem deutschen Einmarsch in Paris von diesen Zauberklängen beglücken lassen, welche in Siegesparaden von Musikkorps auf Pferderücken mit links- und rechtsseitig von Pferdebäuchen baumelnden Riesentrommeln auf sie nieder prasselten. Gut, von den Franzosen weiss man was sie davon hielten. Leider wird man nie erfahren, was die Pferde, die ja auch nicht gefragt wurden,  davon hielten. Eigentlich schade, denn die hätten, wie wir seit 1945 von den Amerikanern wissen, horse sense (gesunden Menschenverstand) gehabt.

    Die leise Welt war eine völlig andere Welt, sozusagen eine Inselwelt. Nur wusste man vor 1945 überhaupt nicht wie gross oder klein sie war, bzw. wie viele Inselchen es darin gab, weil es ja - wie gesagt - eine leise, ja, man kann sagen, allzu leise Welt war. Erst nach 1945 konnte man, wenn man wollte, ahnen, dass es doch eine wahnsinnig grosse Welt gewesen sein muss,  denn jedem, dem man nicht nachweisen konnte oder wollte, zur lauten Welt gehört zu haben, musste man letztendlich jetzt in der Demokratie abnehmen, auch damals ein harmloser Mitbürger auf den leisen Inseln gewesen zu sein. Dabei waren auch die Amerikaner mit ihrem pragmatischen Entnazifierungsprozedere und nicht zuletzt die Kirche mit ihrer grossherzig verzeihenden Wiederaufnahmepraxis aufgrund ihres dringenden Auffüllbedarfs an über lange Zeit verlorengegangenen kirchensteuerzahlenden und jetzt besonders gefügigen Gläubigen für diese Menschen wohlbegründete Hoffnungsgeber auf eine Neue Zukunft, natürlich mit anderen Vorzeichen, man kann sagen, wenn man's nett sagen will, ohne Haken am Kreuz! Die Zukunft war nicht mehr laut, aber zumindest im westlichen Teil des ehemaligen Reiches, welches der Köllsche Jeck im Karneval als Trizonesien (englische, französische u. amerikanische Besatzungszonen) bezeichnete, im Westen schwarz (CDU/CSU) und manchmal blass-rot (SPD), oder manchmal als Koalitionsmischprodukt von allem ein bisschen was, sogar ein bisschen grün. Im Osten, der sowjetisch besetzten Ostzone und späteren DDR, war die Zukunft schlagartig dunkelrot (SED), wohlbehütet durch einen undurch-lässigen eisernen Vorhang, hinter den in einer sehr viel späteren Lebensphase Business Agent  Wolfgang nicht immer. aber immer öfter, einem heutigen Werbetext entnommen passend formuliert, gelangte. 

    5

    Das Leben musste ja weitergehen. Lieber wohl als übel, versteht sich. Es musste alles wieder aufgebaut werden. Dafür brauchte man Leute, die im Land geblieben waren, weil sie dies aufgrund der Macht, die sie hatten, auch konnten. Aus den Kriegsgefangenenlagern in Workuta, Novosibirsk und weiss der Teufel wo sonst noch, den Gulags (nachzulesen in Soljenitzyne's Buch Archipel Gulag) konnte man den schäbigen Rest, der es noch bis in die Lager geschafft hatte, nicht rechtzeitig, wenn überhaupt, zurückbekommen. Aber Schluss damit! Zurück ins III. Reich:

    Klein-Wolfgang hatte in seiner Frühphase und mit Unterbrechungen auch etwas später das sagenhafte Glück, wieder mit seinen Eltern zusammen auf einer dieser leisen Inselchen zu leben. Leider waren diese nicht im wahrsten Sinne des Wortes bombensicher und gingen daher der Familie mehr als einmal verloren. Es hiess dann, man war ausgebombt, wobei immer nur entscheidend war, ob mit heiler Haut oder nicht. Da unter den ständigen Bombenteppichen Wohnungen sehr schnell sehr knapp wurden, musste man auch Ortswechsel ins Auge fassen, und so landete die Familie von Klein-Wolfgang in Düren, einer wesentlich kleineren Stadt, aber nicht Kleinstadt, zwischen Köln und Aachen. Hier geschah dann die zweite (gutgemeinte) Tat, die Geburt 1940 im Krankenhaus eines Brüderchens von Wolfgang, das zum Vornamen den Namen Peter bekam, genau wieder wie ein grosser geschichtlicher Vornamensvetter, dem allerdings als Nachnamen das Anhängsel der Grosse gegeben war. Gut, dass der Name nicht mit I anfing, das heisst zum Beispiel Ivan war, sonst wäre der Schreckliche drangehangen. Für die Familie war auch dieser neue Winzling, obwohl kein Vorkriegsprodukt mehr,  sofort ein ganz Grosser. Auch er hatte bald einmal einen wunderschönen gold-blonden Lockenkopf, aber mit sehr viel mehr Locken als Wolfgang, der jedoch dieses Mal nicht fragte: WARUM? Sondern sagte: Der hat ja mehr Locken als Haare. Er sagte es wörtlich, meinte es aber sicher nicht wörtlich so. Da waren wohl gewisse Synapsen noch nicht richtig verbunden. Schwamm drüber! 

    Sie wohnten da am Stadtrand und so kam der drei Käse hohe Wolfgang mit dem russischen Kindermädchen, Jekatarina, bei ihren Ausgängen schneller ins Grüne, speziell zu einem Grossbauernhof. Da waren viele sehr freundliche Männer in braunen Uniformen ohne glitzernde Abzeichen (ganz anders als die SA-Uniformen), die kein deutsch, aber auch kein russisch sprachen, aber Jekatarina schöne Augen machten. Es waren französische Kriegsgefangene, die zur Feldarbeit dort festgehalten wurden. Unglaublich!: Die wollten dem kleinen Wolfgang Schokolade geben, die erste in Wolfgangs  Leben, aber er zögerte, sie anzunehmen. Man (nicht seine Eltern) hatte ihm gesagt, er dürfe von solchen Leuten keine Schokolade annehmen. Die sei vergiftet. Jekatarina meinte dazu: Tschisch!, jada nitschewó njet, Quatsch mit Sauce!, die ist doch nicht vergiftet. Sie schmeckte köstlich und starei (der alte) Wolfgang lebt noch heute mit 82,5 Jahren munter weiter, sogar als wahlschweizer Eidgenosse, der seinen deutschen Pass als Souvenir behalten durfte. Es musste ja so kommen, denn, obwohl er damals noch nicht einmal ansatzweise begreifen konnte was Eidgenosse bedeutete (er hatte bei den Eltern und deren Freunden und am Radio, genannt Volksempfänger, immer nur das Wort Volksgenossen gehört), so hatte er doch irgendwie gemerkt, dass Eidgenosse etwas gutes sein musste, WARUM? Die Antwort ist schwierig und kann nicht sofort gegeben werden, aber wer's unbedingt genau wissen will, muss weiterlesen. Sorry!

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    Wolfgangs Eltern zogen eine klare Trennungslinie zwischen Freundeskreis und Bekanntenkreis, was damals auch dank schärferer Konturen einfacher war als heute. Im Freundeskreis befanden sich keine Volksgenossen und Volksgenossinnen. Diese befanden sich nur im Bekanntenkreis und ergaben auch keine Schnittmenge (wie man heute sagen würde) im Freundeskreis. In letzterem befand sich, wenigstens vorübergehend, eine andere Sorte von Genossen, nämlich, Eidgenossen. Eine Frau und ein Mann, beide mit Nachnamen Rooters, die von irgendwo aus Bern, genauer gesagt, dem Kanton Bern kamen und als Zeitungskorrespondenten auf dem Boden des nördlichen übergrossen oder besser gesagt, grössenwahnsinnigen Nachbarn tätig waren und in die Schweiz berichteten, was die dort meistens sowieso schon wussten, denn, alles, was dieser Nachbar tat, war immer laut und weithin sichtbar. Wollte man etwa mehr, als das Laute und Sichtbare herausfinden, musste man sich zu intensiv und zu intim mit den Leuten, Behörden, usw. einlassen und sich dabei womöglich eine Laus in den Pelz setzen oder noch Schlimmeres. Das wollten die Rooters nicht. Ausserdem mussten sie sehr darauf achten, dass sie dem Nachbarn nicht zu sehr auf die Hühneraugen traten, denn dieser war, obwohl ansonsten recht unsensibel, in letzterer Hinsicht fast überempfindlich. Die Rooters hatten aber auch einen einigermassen wirksamen Schutzschild mit Namen Neutralität, um den sie die Eltern von Wolfgang ziemlich beneideten. 

    Daran hat der grosse Nachbar auf diplomatischem Wege, wenn  man es so nennen will, (und hinsichtlich kriegerischer Massnahmen lediglich mit dem Zaunpfahl winkend) teils mit gutem Erfolg versucht, Ecken und Kanten abzufeilen. Es ging da immer um Kompromissformeln, wie sie der kleine Wolfgang in seinem Mini-Umfeld (z.B.: Gesamtkunstwerk Spinat) ebenfalls bereits suchte und anwendete. So gesehen, mit diesem Talent, eine gute Voraussetzung, später auch Eidgenosse zu werden. Die Rooters machten, ohne sich dessen bewusst zu sein, einen riesigen Eindruck auf den kleinen Wolfgang. Sie waren freundlich, lieb, sehr aufmerksam und irgendwie für Klein-Wolfgang ein bisschen exotisch. Sie sprachen ein komisches Deutsch - aber, ehrlich gesagt, auch nicht komischer als der Kölner- nur eben anders (sie würden  nicht eben anders gesagt haben, sondern anderst halt und brauchten anscheinend weniger Wörter, um die Dinge zu sagen. Ihre Aussprache und manche Wörter klangen ein bisschen wie arabisch, aber das konnte Wolfi nicht so genau sagen, da er davon noch keinen blassen Schimmer hatte. Diese Sprache lernte er als Erwachsener sehr viel später, hauptsächlich in Ägypten. Ausserdem nahmen sich die Rooters fürs Sprechen mehr Zeit dafür. Das hatte sicher den Vorteil, dass sie dadurch mehr Zeit zum Nachdenken gewannen. Leider hatten sie bald einmal von der bombigen Luft die Nase voll. Bei ihnen zuhause war die Luft sehr gut und keiner konnte sie hindern, dahin zurückzukehren. Das war weit bekannt und hatte dann auch den deutschen Schriftsteller Thomas Mann, der damals ja auch das Weite gesucht hatte, dazu bewogen, einen Roman mit dem Titel Zauberberg zu schreiben. Ganz selten kamen bei Wolfgangs Mutter auch mal Leute vorbei, die französisch mit ihr sprachen und die waren, obwohl sie auch sehr freundlich waren, für Klein-Wolfgang weniger interessant. Er selber sprach da noch kein französisch. 

    Das kam aber sehr bald später. Von ihren Vorfahren aus Nizza aus Napoleon's Zeit konnte seine Mutter ihr Französisch nicht gekonnt haben. Aber, egal, sei's drumm, sie konnte es eben und konnte es 1945 sehr gut gebrauchen. Davor war es eher eine extrem lebensgefährliche Last. Leute wie ihr lieber Onkel vermuteten, dass sie mit dem maquis (wer's nicht weiss: Französische Untergrundorganisation im 2. Weltkrieg) angebandelt hatte. Stimmte nicht. Musste auch nicht stimmen. Der Verdacht war ausreichend, die Todesstrafe anzuwenden. Lebensmüde hatten es sehr viel leichter, Behinderte sogar ganz leicht, auch ungefragt, an Sterbehilfe zu gelangen als dies heute der Fall ist. Die Kirche hatte damals jedenfalls keinen Versuch unternommen, als Quertreiberin aufzutreten. Heutzutage unterlässt sie keinen Versuch dazu. Gut, in der Schweiz hatte und hat sie heute noch weniger Erfolg damit. Der grosse Nachteil war damals: Man hatte keinen Einfluss oder keine Wahl auf die Todesart. Und man weiss ja: Viele Leute haben keine Angst vor dem Tod, aber alle haben Angst vorm Sensemann. Zumindest in unseren Breitengraden. In der mit Sofas und Sesseln und, wenn erforderlich, Küchenhockern ausgestatteten Plauderecke im Wohnzimmer von der neuen leisen Insel, wieder ohne Hitlerbild an der Wand, versteht sich!, in Düren, erschienen bald mal wieder Gesichter. Alles neue natürlich, denn von Köln kam niemand mehr angereist. Vergnügungsreisen waren auch bei den materiell meist nicht besonders gesegneten Schöngeistern noch nicht in Mode. Autos hatte ja praktisch kein Privatmensch, auch keine Volkswagen, die, wie der Name andeutet, ihnen eigentlich zugedacht waren. Alles was Räder hatte, musste an die Front. Das offizielle Motto hiess: Räder müssen rollen für den Sieg! 

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    Andere Eliten zählte man nicht zu den Schöngeistern. Waren sie Naturwissenschaftler, janicht zu verwechseln mit Geisteswissenschaftlern, so bekam man sie sowieso nicht zu Gesicht. Auch wenn sie nach aussen hin sichtbar oft nicht (doch manchmal schon) zu den strammen Volksgenossen gezählt werden konnten, wurden sie an anderer Stelle dringendst mit Haut und Haaren gebraucht und sogar versteckt, nach dem laut verbreiteten Motto: Feind hört und sieht mit! Wie wäre man sonst in der Lage gewesen, solche Dinger wie die V1 und V2 nach England zu schiessen? Wofür allerdings die Engländer, tatkräftig und solidarisch unterstützt von ihren besten Freunden, den alliierten (wie man das nannte) Amerikanern, sich mit dem Abwurf von Bombenteppichen im Vollschichtbetrieb revanchierten. Die dachten eben, die Engländer wenigstens, die amerikanischen Freunde hatten dazu ja eigentlich weniger Grund: Wie du mir, so ich dir! Den sehr viel später im Pentagon in USA geprägten Begriff Kollateralschäden kannte man damals noch nicht. Wozu auch?! Solche Schäden waren ja erwünscht. Natürlich nur von alliierter Seite. Klein-Wolfgang kannte diesen Spruch wenig später als Erstklässler vom Schulhof, wo auch jeweils eisern (da haben wir's wieder, das Eisen) und unweigerlich ohne Rücksicht auf Verluste nach dieser Regel verfahren wurde. Jedoch auch Geisteswissenschaftler, die schon eher in die Dürener Plauderecke gepasst und sich dort auch wohl gefühlt hätten und zu denen eigentlich Wolfgang's Vater gezählt hätte, es aber nicht wollte, bekam man immer weniger zu Gesicht. Sie lebten, mit einigen Ausnahmen allerdings,  allein durch ihren Status bedingt, saugefährlich.

    Auch diejenigen, die keinen aufgenähten Stern auf der Brust trugen, landeten mehr den jeh dorthin, wo auch die mit dem Stern landeten. Jedoch, sofern als arisch registriert,  fein säuberlich getrennt von jenen, versteht sich! Ordnung muss sein! Oder: Es muss alles seine Ordnung haben! (Schon wieder ein Pleonasmus!). Ordnung war und ist schliesslich immer noch eine von der ganzen Welt den Deutschen zugeordneteTugend, für die auch manchmal Bewunderung, aber keinesfalls besondere Sympathie entgegen gebracht wird. Zu den rühmlichen Ausnahmen zählten jene schlafwandlerisch verbohrten Geisteswissenschaftler, die zum Beispiel auch die pseudo-wissenschaftlichen Grundlagen geschaffen haben, welche dann zu den so genannten Nürnberger Rassengesetzen geführt hatten. Diese Leute bekam man sehr wohl zu Gesicht, und zwar meist in SS-Uniformen mit vielen glitzernden Abzeichen und Armbändern mit Hakenkreuz, aber auch mit einem mattgrauen Totenkopf irgendwo darauf. Genauer gesagt war letzterer vorne auf einer Mütze, wie sie auch Bahnschaffner ohne Totenkopf und ranghöhere Kriegshandwerker der Wehrmacht mit Abzeichen, die einen fliegenden Adler darstellen sollten, trugen. Sogar der Reichsführer Adolf Hitler hatte die Mütze mit dem Adler drauf, obwohl man sagen könnte, der Totenkopf hätte besser dazu gepasst! Aber eben: Alles musste seine Ordnung haben! Diese Mütze trug daher der Mann (inklusive seiner Gefolgsleute), welche mit die tatkräftigste und vor allem spürbarste und wirksamste Stütze des Regimes bildeten, der besonders ordnungsorientierte Reichsführer SS Heinrich Himmler, mit zwei m statt einem t in der Mitte des Nachnamens, sonst hätte es Ärger gegeben. Und den wollte der ums Verrecken nicht. Schliesslich war er ja dazu angetreten, Leute, die Hitler Ärger machten oder einfach nicht passten aus dem Wege zu räumen, ja, man könnte sagen, zu entsorgen. Er durfte sich tatsächlich rühmen - tat es auch! - , der grösste Entsorger dessen zu sein, was gemäss Parteidoktrin der NSDAP, nationalsozialistische deutsche Arbeiterpartei (abgekürzt: Nazis), als menschlicher Müll auch ohne Rücksicht auf Staatsangehörigkeiten angesehen und oftmals unverhohlen bezeichnet wurde. Sie waren auch der Grund, ja mehr noch, der Auslöser für Jekatarina's Schicksal, Zwangsarbeiterin geworden zu sein. Diese konnte indessen nicht nur mangels deutscher Sprachkenntnisse nicht genau sagen, WER daran Schuld war.

    Für sie waren es daher einfach die DEUTSCHEN oder die Fritzei wie man daraufhin in Russland, bzw. der Sowjetunion, zu denen sagte. Sie war sich dann bald mal auch dabei nicht mehr sicher, denn sie merkte, die Eltern vom kleinen Wolfgang und inzwischen auch dem noch kleineren Peter, Pittermännchen, Pitt, usw. und deren Freunde konnten es nicht sein. Also waren es nicht ALLE DEUTSCHEN. Einfach zu viele davon! Ausserdem: Solche kleinen Blondschöpfe wie Wolfi und Pittermännchen gab es in Russland viele. Hinzu kam, dass Klein-Wolfgang jetzt auch noch russisch sprach. Wie wollte man da, wenigstens aus grösstenteils russischer Sicht, nämlich Jekatarina's Sicht, noch einen Unterschied machen?! Ansonsten war auch bei Jekatarina zuhause eine Einheitssichtweise von Staats wegen verordnet. Verstösse dagegen wurden auch dort sogar mit vergleichbaren Methoden pickelhart geahndet. Ein wesentlicher Unterschied: Dort wäre ihr in gleicher Situation das Attribut Mensch nicht aberkannt worden. Allenfalls wäre sie als Untermensch behandelt, aber keinesfalls so bezeichnet worden. Slawen waren und blieben dort Menschen. Dies traf sogar später für Deutsche Landser in Gefangenenlagern zu. Die Steckrübensuppe (Borschtsch, aber ziemlich abgespeckt) war für Wächter und Gefangene die gleiche. Nicht jedoch für Goldfasane und SS-Grössen. Die bekamen keine. Im Osten baumelten die. Natürlich nur, wenn man sie erwischte. Und das war (leider) seltener der Fall. Viele von denen, wenn nicht gar die meisten, haben sich eben immer rechtzeitig abgesetzt. Dabei half ihnen der Umstand, dass sie auf vielen Gebieten (Spionage, Verhörmethoden, usw., usw.) spezifische Kenntnisse und Erfahrung hatten, für die auch in der Nachkriegszeit an verschiedenen Orten der Welt (USA nicht ausgenommen) Nachfrage bestand. Was sie im Osten nicht hatten, waren Gaskammern, auch nicht in Stalins furchtbaren Gulags in Sibirien, aber - und das weiss man - schon zu Zarenzeiten gab es immer wieder sporadische, nichtsdestoweniger furchtbare, grausame Pogrome, meistens auch dort gegen Juden. Wo ist denn da der Unterschied? sagen manche Leute. Die Pogrome waren nicht ordentlich....da war keine deutsche Ordnung! Auch keine Disziplin, könnte man noch hinzufügen. Wer den Unterschied nicht auf Anhieb aus sich heraus erkennt, dem kann man nichts mehr beibringen. Da ist Hopfen und Malz verloren. Aber, hold the wedding..dieser Begriff ist in neudeutsch noch nicht so üblich, stammt - wie auch anders? - ebenfalls aus den USA und bedeutet so viel wie hold the horses, auf rustikaldeutsch: Brrr...oha...stopp oder so ähnlich. Also zurück in die Plauderecke in Düren:

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    Eliten, die weder Schön- noch Grossgeister waren, aber einen Adelstitel trugen und noch nicht total verarmt waren, zählten nicht zur Runde in jener Plauderecke. Die hielten sich stattdessen an ihren Höfen und bei ihren öffentlichen Auftritten wie eh und je Schöngeister ausschliesslich als dekoratives Element, wobei sie peinlich darauf achteten, dass immer möglichst von allem etwas in der Runde dabei war: Uniformen diverser Couleurs, Gold-fasane, SS, alle Farben der Waffengattungen, Heer, Marine, Luftwaffe, Volkstrachten (mehrheitlich aus den Alpenländern, von denen sie selber gewisse Teile mit Vorliebe trugen)  und grüne Försteruniformen mit Hüten mit seitlich befestigtem Gamsbart (à la Kaiser Wilhelm), die sie auf jeden Fall dann auch selber auf der Jagd trugen. Last but not least musste immer auch wenigstens ein Kleriker eher unauffällig dabei sein. Jahrhunderte hatten sie gelehrt: Man durfte sich nicht irreversibel einseitig zu sehr festlegen. Man wusste anfangs ja nicht wie's ausgeht. Besonders Wolfgang's Mutter war froh, dass genau diese Leute nicht erschienen, denn für diese Sorte Menschen hatte sie gar nichts übrig. Das beruhte auf Gegenseitigkeit. Seine Mutter mag zwar keine ausgesprochene Marxistin gewesen sein, den Stalin mochte sie so wenig, wie sie den Hitler mochte. Aber Leute wie Jean Paul Sartre mit seiner Existenzphilosophie und Simone de Beauvoir und viele, viele andere, die deren Sichtweisen oder ähnliche vertraten, waren ihr ans geistige Herz gewachsen. Dem Vater von Wolfgang und seinem Brüderchen Peter,  einem Bauernsohn aus dem aus köllscher Sicht nicht nur kulturell finsteren Südschwarzwald war erkennbar eigentlich nichts mehr so richtig ans Herz gewachsen. Seine Frau, Wolfgangs und Peters Mutter, brachte es manchmal echauffiert so auf den Punkt: Dich haben die Pfaffen zu lang in der Mangel gehabt! Das stimmte auch, aber dafür konnte er nichts. Das ist eine lange Geschichte, über die man für sich genommen schon ein ganzes Buch schreiben könnte. Aber das wollen wir nicht! Also nur soviel: 

    Der Vater vom Vater von Wolfgang (wir müssen fortan nicht dauernd wiederholen, dass Brüderchen Peter auch dazu gehörte. Das kann schliesslich jeder für sich selber gedanklich hinzufügen) war der zweitgrösste Bauer in einem kleinen Dorf am untersten Rockzipfel des Schwarzwalds und fast in Sichtweite der schweizer Grenze, dessen Namen, wie fast alle Dorf- und Städtenamen in der Gegend mit ingen endeten, so wie beim Nachnamen des seinerzeit berühmten und seiner Komik wegen beliebten deutschen Filmschauspielers, Theo Lingen. Zum Vornamen hiessen, bzw. als Prefix hatten diese Orte dann

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