Entdecken Sie Millionen von E-Books, Hörbüchern und vieles mehr mit einer kostenlosen Testversion

Nur $11.99/Monat nach der Testphase. Jederzeit kündbar.

Noch 24 Geschichten bis Weihnachten: Zwölfmal zwei Kurzfilme für's Kopfkino
Noch 24 Geschichten bis Weihnachten: Zwölfmal zwei Kurzfilme für's Kopfkino
Noch 24 Geschichten bis Weihnachten: Zwölfmal zwei Kurzfilme für's Kopfkino
eBook160 Seiten2 Stunden

Noch 24 Geschichten bis Weihnachten: Zwölfmal zwei Kurzfilme für's Kopfkino

Bewertung: 0 von 5 Sternen

()

Vorschau lesen

Über dieses E-Book

Ob in der Bahn, im Bett oder auf der Toilette. Ob am Morgen oder als Gute-Nacht-Geschichte: In Krimis, Liebes-, Grusel-, realistischen und fantastischen Geschichten erleben Sie – zur Verkürzung welcher Wartezeit auch immer – Freude, Trauer, Schmerz, Triumphe, Niederlagen und Romanzen der Protagonisten.
24 Geschichten, die einen Adventskalender der besonderen Art bilden. Kalorienarm und abwechslungsreich. Statt Schokolade gibt es eine Kurzgeschichte pro Tag und anstelle von einseitiger Weihnachtslaune das ganze Gefühlsspektrum.
SpracheDeutsch
Herausgeberepubli
Erscheinungsdatum5. Okt. 2012
ISBN9783844234176
Noch 24 Geschichten bis Weihnachten: Zwölfmal zwei Kurzfilme für's Kopfkino

Ähnlich wie Noch 24 Geschichten bis Weihnachten

Ähnliche E-Books

Anthologien für Sie

Mehr anzeigen

Ähnliche Artikel

Rezensionen für Noch 24 Geschichten bis Weihnachten

Bewertung: 0 von 5 Sternen
0 Bewertungen

0 Bewertungen0 Rezensionen

Wie hat es Ihnen gefallen?

Zum Bewerten, tippen

Die Rezension muss mindestens 10 Wörter umfassen

    Buchvorschau

    Noch 24 Geschichten bis Weihnachten - Frank Böskind Ronald Nielitz

    Imprint

    Noch 24 Geschichten bis Weihnachten

    Zwölfmal zwei Kurzfilme für’s Kopfkino

    Ronald Nielitz, Frank Böskind

    Published by: epubli GmbH, Berlin,

    www.epubli.de

    Copyright: © 2012 Ronald Nielitz, Frank Böskind

    ISBN 978-3-8442-3417-6

    Inhaltsverzeichnis

    Geschichte und Seite

    Eins 3

    Zwei 6

    Drei 8

    Vier 13

    Fünf 16

    Sechs 18

    Sieben 20

    Acht 22

    Neun 24

    Zehn 27

    Elf 29

    Zwölf 31

    Dreizehn 34

    Vierzehn 36

    Fünfzehn 39

    Sechzehn 41

    Siebzehn 44

    Achtzehn 47

    Neunzehn 49

    Zwanzig 53

    Einundzwanzig 56

    Zweiundzwanzig 59

    Dreiundzwanzig 61

    Vierundzwanzig 63

    Eins

    Verstohlen grinste der alte Mann unter seinem ins Gesicht gezogenen Strohhut. Da war er wieder. Er erinnerte ihn an früher, an die Zeit als er selbst noch jung, an die Zeit, als sein eigener Sohn noch klein gewesen war. Kraemer spürte herbsüße Sehnsucht in sich aufsteigen. Die Sehnsucht nach der Vergangenheit, nach der eigenen Kindheit, nach dem Herumstreunen durch das Unterholz im lichtdurchfluteten sommerwarmen Wald, dem unter den Fußballschuhen wegrutschenden Schotter des Sportplatzes, von dem bei jedem Schritt rote Staubwölkchen aufstoben, und nach Jonas Kindheit. In Gedanken ließ er unter dem Hut für Jona Drachen steigen, brachte ihm wieder das Fahrradfahren bei und schwamm mit ihm im Weiher hinter dem Dorf. Alles in Sekundenschnelle. Er spürte wieder die Tränen von Sara und sich bei Jonas ersten unbeholfenen Schritten. Josh, dachte er, Du wirst ja sentimental. Du hast doch die Fotos, hast doch Deine Erinnerung. Was willst Du mehr? – Was ist der Geschmack eines Steaks verglichen mit dem Studieren der Speisekarte? Was die Jugend gegen ein Foto von ihr?, widersprach eine zweite Stimme in seinem Kopf. Dass alternder Weinbrand immer edler wird, ist kein Trost. Nichts kannst Du festhalten, nichts bewahren, nichts konservieren. Alles, aber auch alles verrottet und zerfällt zu Staub. Es ist nur eine Frage der Zeit und die Zeit arbeitet wie ein Schnellkomposter. Schonungslos. Warte nur balde, alter Mann...

    Der Junge! – Fast hätte er ihn vergessen. Er schob den Hut in den Nacken und schielte zu dem Spiegel an der Decke hinauf. Ein kleiner Junge in einem Antiquitätenladen war schon eine Seltenheit. Gerade stand er am Ende des Querganges. Kraemer ließ seinen einzigen Kunden nicht mehr aus den Augen. So groß wie er mochte inzwischen auch Joel sein.

    Kraemer verstand es nicht. Wie und warum hatte die Schwiegertochter Jona davon überzeugen können, dass es besser sei, Joel seine Großeltern nicht kennen lernen zu lassen? Was hatten Sie ihr getan? Sie hatten ein Recht, ihren Enkel zu sehen. Aber sie schiss auf die Gefühle von Sara und ihm. Dabei litt Sara mehr als er. Er hatte den Laden und konnte sich ablenken. Sie hatte nichts. Nur die Vorfreude auf Joels Geburtstag und die Feiertage, an denen sie ein Päckchen für ihn schnürte. Ein Päckchen, dass er vermutlich niemals zu Gesicht bekam, weil Carmen es zu verhindern wusste. Ein Kind ohne Großeltern. Bei den Verhandlungen mit Carmen steckten sie in einer Sackgasse und sie waren einfach zu alt, um die Mauer an deren Ende zu durchbrechen oder hinüber zu springen.  

    Der Junge kam zurück! Kraemer griff nach dem erstbesten Buch und tat, als habe er die ganze Zeit gelesen. Heute schlug sein Besucher die Klingel auf dem Tresen. Kraemer blickte auf und sah in das Sommersprossen-Gesicht, dessen Stirn sich immer mehr fragend in Falten zog. Nach Augenblicken brach der Junge das Schweigen.

    „Was machen Sie da?"

    „Ich lese, antwortete Kraemer knapp und fügte entschuldigend „Ich liebe es einfach hinzu.

    „Niemand liebt das Postleitzahlenbuch."

    Kraemer wusste, dass ihn sein überraschtes Gesicht längst verraten hatte, stotterte aber trotzdem drauflos.

    „Ja, ... weißt Du, ich muss... ich muss mein Gedächtnis trainieren. Langsam stand er aus seinem Schaukelstuhl auf. „Welche Postleitzahl haben zum Beispiel die Leute in der dritten Straße?

    Der Junge zuckte die Achseln. „Mir doch egal."

    „Nun ja, so egal kann es nicht sein, sonst gäbe es wohl keine Postleitzahlen."

    „Wollen Sie nur labern oder auch was verkaufen?"

    Kraemer schluckte.

    „Was wollen Sie dafür?" Der Junge schob eine bunt gepunktete gelbe Pappschachtel über den Verkaufstisch. Kraemer wusste genau, dass sie mit rotem Samt ausgeschlagen war und er wusste auch, was in ihr schlummerte.

    „Heute kein Buch?" Über seine Lesebrille hinweg sah er den Jungen prüfend an. Der wurde rot, aber Kraemer tat, als merke er es gar nicht.

    „Das hier..., fuhr er fort und tippte auf die Schachtel. „Das hier ist etwas ganz Besonderes.

    Spöttisch sah der Junge ihn an.

    „Es ist eine Art Zauber, würde ich sagen."

    „Ja und?"

    „Was würdest Du geben?"

    „Fünf!"

    „Fünf? Zauberei kostet eigentlich viel mehr. Sieh doch nur!" Kraemer öffnete die Schachtel und nahm behutsam ein Kaleidoskop heraus. Sacht schüttelte er das Spielzeug und reichte es über den Tresen. Der Junge trat einen Schritt zurück und wich dem hingestreckten Rohr aus. Kraemer spürte, dass er aufpassen musste. Er durfte nicht zu viel riskieren, denn er träumte. Vom ersten Tag an, an dem der Junge seinen Laden betreten hatte, träumte er davon, dieser, wie sich jetzt herausstellte, Frechdachs könne seinen Enkel wenigstens vertreten. Ersetzen konnte er ihn nicht, aber vertreten. Vertreten, das ging.

    „Verführt es Dich nicht zum Träumen?"

    „Ich weiß, wie es funktioniert, gab der Junge zurück. „Ich finde es blöd, aber ich nehme es trotzdem. Es ist nicht für mich.

    „Ist es Dir zu kindisch? Kinderkram? Die Zeit, in der wir keine Kinder sein wollen, ist nur kurz. Bald hast Du sie hinter Dir." Der Junge schien, nicht zugehört zu haben.

    „Und eine Tüte. Es passt nicht in meine Tasche."

    „Ach so, jetzt verstehe ich", lachte Kraemer.

    „Sind Sie pädophil, oder was?"

    Jetzt war es heraus. Eine Scheißzeit war das, in der jeder immerzu verdächtig war, pervers zu sein, Kinder zu schänden oder in seinem Keller Frauen zu zerstückeln. Kraemer ballte die Fäuste, ging zu der alten Registrierkasse und hämmerte auf die Tasten. „Also, begann er und sah angestrengt zur Decke. „Das macht dann fünfundzwanzig. Brauchst Du einen Beleg?

    „Was?"

    „Eine Rechnung."

    „Ich dachte fünf."

    „Ja, ja, fünf für das Kaleidoskop, begann Kraemer zu erklären. „Fünf für ‚20.000 Meilen unter dem Meer’, fünf für ‚Der Graf von Monte Christo’, fünf für...

    „Den Verne habe ich zurückgebracht", unterbrach ihn der Junge.

    „Oh, stieß Kraemer mit gespielter Bewunderung aus. „Du stellst wohl vorsichtiger zurück, als Du stiehlst, was? Immerhin.

    „Ich stehle nicht. Die Bücher sind nur geliehen." Die Stimme des Jungen wirkte irgendwie heiser.

    „Sowas hat mich mal einen Job gekostet. Ich hatte den Locher vom Büro auch nur geliehen und mir fest vorgenommen, ihn von zu Hause zurückzubringen, sobald er kaputt sein würde, aber das hat meinem Chef einfach nicht genügt."

    Mit einem Mal wirkte der Junge klein und verloren hinter dem Tresen so weit unter Kraemers Augen.

    „Wie haben Sie es denn gemerkt?" Kleinlaut griff der Ertappte nach seinem Brustbeutel.

    „Ich kenne jedes Staubkörnchen hier mit Namen, weil ich jedes Teil liebe und..."

    Kraemer stockte. Als der Junge zu ihm aufsah, erschrak er. Er sah sicher schrecklich aus. Die Augen des Jungen weiteten sich vor Besorgnis. Kraemer musste sich setzen.

    „Was ist mit Ihnen? Geht es Ihnen nicht gut?"

    Wie betäubt starrte er auf das lederne Halsband des Jungen, das er zusammen mit dem Geldbeutel unter dem T-Shirt hervorgezogen hatte, und an dem ein Haifischzahn baumelte. Aus dem Meer der Vergessenheit schoss der in die Höhe wie ein Riff, drang an die Oberfläche, teilte die dunklen seine Erinnerung überdeckenden Fluten und legte versunkengeglaubte Jahrzehnte wieder frei. Man vergaß nichts. Kraemer fühlte sich schwach. Kraftlos zeigte er auf die Brust des Jungen.

    „Hast Du den auch geliehen?"

    „Nein, den hab ich von meinem Vater. Aber, Sir – Ist Ihnen nicht gut? Brauchen Sie einen Arzt?" Der Junge stand unentschlossen im Laden und blickte zwischen der Tür, Kraemer und dem Telefon hin und her. Kraemer wandte sich um und öffnete eine Schublade, überlegte und schob sie dann wieder zu.

    „Nein, nein. Es ist nichts. Es geht schon wieder", beschwichtigte er.

    „Kennen Sie meinen Vater?" Kraemer glaubte, ein wenig Angst in der Stimme des Jungen mitschwingen zu hören. Tief atmete er durch und stand wieder auf. Dann nahm er die Schachtel, schlug sie mit geübten Griffen in einen Bogen Geschenkpapier ein und legte das Päckchen behutsam in eine Tüte.

    „Ich bin mir nicht sicher. Früher. Vielleicht. Das wäre lange her."

    Der Junge verstand offenbar nichts. Stumm stand er da mit dem Geld in der Hand. Kraemer führte ihn zur Tür und übergab ihm die Plastiktüte.

    „Aber Ihr Geld!"

    Kraemer winkte ab. „Beim nächsten Mal", sagte er und legte seine ganze Hoffnung in diesen Vorschlag.

    „Das mit den Büchern bleibt unter uns", raunte er noch verschwörerisch, dann schloss er die Tür und drehte das Schild im Fenster herum. ‚Geschlossen’. Das alles hatte ihn mitgenommen. Langsam ging er zum Tresen zurück und zog die Schublade wieder auf. Draußen drückte sich der Junge gegen die Scheibe und spähte herein. Schließlich lief er davon.

    Entgegen einem ersten Impuls hatte ihm Kraemer das alte Foto doch nicht gezeigt. Vielleicht wäre er nie wiedergekommen. Hätte nie wiederkommen dürfen. Was, wenn er trotzdem nicht wiederkam? Wahrscheinlich hatte er alles falsch gemacht. Joshua Kraemer war ratlos. Er wusste nur eins.

    Es war während eines Urlaubs am Meer gewesen. Jona hatte Ihnen keine Ruhe gelassen, bis sie ihm den Zahn einer dieser Bestien gekauft hatten. Daheim hatten sie ihn dann gemeinsam durchbohrt. Zitternd strich er über das Haar des Jungen mit dem Haifischzahnhalsband. Eine Träne suchte sich ihren Weg durch das zerfurchte Gesicht des alten Mannes und ließ sich auf das vergilbende Foto fallen. Er musste schnell nach Hause zu Sara. Heute war ein besonderer Tag. Der Sohn seines Sohnes hatte ihn besucht.

    Zwei

    Dörpen im Emsland. 10 Quadratkilometer Weideland für 6000 Kühe, 3000 Schweine und 1000 Schafe sowie ein paar freilaufende Hühner. Die Durchschnittstemperatur im Winter beträgt 15° C minus und im Sommer nebelfeuchte 17,56° C plus. Die Bauern hatten dieselbe Temperatur und ihr Permafrostkörper taute nur einmal im Jahr auf zum Schützenfest. Dann blieb das Viehzeug in seinen 50 Quadratmetern Stall und auf den Weiden wurden Festzelte aufgebaut. Das Bauernvolk soff sich bis 5 Uhr nachts mit Doppelkorn auf die Bohlen der Zelte.  Ein anderes wiederkehrendes Highlight war der Viehtransporter, der alle drei Monate die Stiere zum Abdecker brachte. Dann mussten alle Männer ran und die Tiere in den Laster prügeln. Ansonsten

    Gefällt Ihnen die Vorschau?
    Seite 1 von 1