Der männliche Baum: Ein Leben zwischen zwei Kulturen
Von Nam-Sig Gross
()
Über dieses E-Book
Ähnlich wie Der männliche Baum
Ähnliche E-Books
Als Timo und seine Freunde die Welt retteten: Band 1 - Der Anfang, das Schiff und die Burg Bewertung: 0 von 5 Sternen0 BewertungenEquinox Bewertung: 0 von 5 Sternen0 BewertungenRaumErlebnisse - LebensErinnerungen Bewertung: 0 von 5 Sternen0 BewertungenKindheit: Ein autobiographischer Roman Bewertung: 0 von 5 Sternen0 BewertungenIm leeren Himmel Bewertung: 0 von 5 Sternen0 BewertungenDie Ordnung der Worte Bewertung: 0 von 5 Sternen0 BewertungenBlätter am Baum des Lebens Bewertung: 0 von 5 Sternen0 BewertungenWo Menschen wohnen: Gedichte Bewertung: 0 von 5 Sternen0 BewertungenDas Windspiel Lyrik und Prosa: Nachwort: Dichtung und Macht Bewertung: 0 von 5 Sternen0 BewertungenDie ersten Tage der Welt Bewertung: 0 von 5 Sternen0 BewertungenDie 4 Uhr Woche Bewertung: 0 von 5 Sternen0 BewertungenWenn der Mond auf dem Rücken liegt: Gedichte auf Hoch und Platt Bewertung: 0 von 5 Sternen0 BewertungenZur Zeit Bewertung: 0 von 5 Sternen0 BewertungenDas Glück beim Händewaschen: Roman Bewertung: 0 von 5 Sternen0 BewertungenAus meiner Umwelt: Lebenseindrücke und hinterlassene Gedanken Bewertung: 0 von 5 Sternen0 BewertungenSieben klingt schöner als vier: eine sinnstiftende Erzählung Bewertung: 0 von 5 Sternen0 BewertungenIm Land der unbegrenzten Möglichkeiten - eine Hommage an die menschliche Vorstellungskraft Bewertung: 0 von 5 Sternen0 BewertungenMeins!: Erzählungen über eine Kindheit im Norden Kasachstans Bewertung: 0 von 5 Sternen0 BewertungenUnd was ich dir noch erzählen wollte Bewertung: 0 von 5 Sternen0 BewertungenSmökern mit utklamüüstert Döntjes...: Kurzgeschichten von einem Exil lebenden Hamburger in NRW Bewertung: 0 von 5 Sternen0 BewertungenHammer + Veilchen Nr. 22: Flugschriften für neue Kurzprosa Bewertung: 0 von 5 Sternen0 BewertungenUnendlich ist die Nacht Bewertung: 0 von 5 Sternen0 BewertungenLuisa: Lebenstörtchen mit Himmelsahne Bewertung: 0 von 5 Sternen0 BewertungenDas Leben in der Geisterwelt Bewertung: 0 von 5 Sternen0 BewertungenSeele in Flammen: Roman Bewertung: 0 von 5 Sternen0 BewertungenMädchen, Mystik und Musik und meine Metanoia: Eine siebziger Jugend Bewertung: 0 von 5 Sternen0 BewertungenHerzräume: Geborgen im eigenen Leben Bewertung: 0 von 5 Sternen0 BewertungenScheherazade: Erzählung Bewertung: 0 von 5 Sternen0 BewertungenStörfaktor: Mein schwerer Weg ins Leben Bewertung: 0 von 5 Sternen0 BewertungenSind wir Freitag wieder Schriftsteller?: Zum Schreiben verlocken Bewertung: 0 von 5 Sternen0 Bewertungen
Künstler und Musiker für Sie
Lady sings the Blues Bewertung: 0 von 5 Sternen0 BewertungenAlways Look On The Bright Side Of Life: Eine Art Autobiografie Bewertung: 0 von 5 Sternen0 BewertungenGünter Grass - Streitbar und umstritten: Ein SPIEGEL E-Book Bewertung: 0 von 5 Sternen0 BewertungenFrauen in der Kunst - Visionär. Mutig. Unangepasst. Unterschätzt.: Ein SPIEGEL E-Book Bewertung: 0 von 5 Sternen0 BewertungenDer Pakt Bewertung: 4 von 5 Sternen4/5David Garrett: Die exklusive Biografie Bewertung: 3 von 5 Sternen3/5Johann Sebastian Bach: Der größte Komponist der Musikgeschichte: Leben und Werk Bewertung: 0 von 5 Sternen0 BewertungenDer unsichtbare Drache: Ein Gespräch mit Heinrich Detering Bewertung: 0 von 5 Sternen0 BewertungenFalco: Die Biografie Bewertung: 0 von 5 Sternen0 Bewertungen007 - Live And Let Die: Die Filmtagebücher Bewertung: 0 von 5 Sternen0 BewertungenDAS IST ALPHA!: Die 10 Boss-Gebote Bewertung: 5 von 5 Sternen5/5Carl Flesch: und seine Sommerkurse in Baden-Baden Bewertung: 0 von 5 Sternen0 BewertungenLesen ist Denken mit fremdem Gehirn: Gespräche mit Osvaldo Ferrari Bewertung: 0 von 5 Sternen0 BewertungenGlenn Gould oder das innere Klavier Bewertung: 0 von 5 Sternen0 BewertungenMozarts Briefe: Ausgewählt Korrespondenz (1769 - 1791) Bewertung: 0 von 5 Sternen0 BewertungenMy Thoughts Exactly: Das Leben, wie ich es sehe Bewertung: 5 von 5 Sternen5/5Johann Sebastian Bach. Weihnachtsoratorium Bewertung: 0 von 5 Sternen0 BewertungenSpirit of Shaolin: Eine Kung-Fu-Philosophie Bewertung: 0 von 5 Sternen0 BewertungenDer Klang der Stille Bewertung: 0 von 5 Sternen0 BewertungenGeorg Danzer: Große Dinge - Erlebtes und Erzähltes Bewertung: 5 von 5 Sternen5/5Marcel Reich-Ranicki: und die Frankfurter Allgemeine Zeitung Bewertung: 0 von 5 Sternen0 BewertungenNikolaus Harnoncourt: Vom Denken des Herzens Eine Biographie Bewertung: 0 von 5 Sternen0 BewertungenEmilie Mayer: Europas größte Komponistin. Eine Spurensuche Bewertung: 0 von 5 Sternen0 BewertungenJohann Sebastian Bach. Messe in h-Moll BWV 232: Bärenreiter Werkeinführungen Bewertung: 0 von 5 Sternen0 BewertungenGerhard Richter - Maler des Unbegreiflichen: Ein SPIEGEL E-Book Bewertung: 0 von 5 Sternen0 BewertungenGiacomo Puccini: Wohllaut, Wahrheit und Gefühl Bewertung: 5 von 5 Sternen5/5Mozart - Sein Leben und Schaffen: Die Biografie von Wolfgang Amadeus Mozart (Genius und Eros) Bewertung: 0 von 5 Sternen0 BewertungenStardust Interviews: Ein Leben in Gesprächen Bewertung: 0 von 5 Sternen0 Bewertungen
Rezensionen für Der männliche Baum
0 Bewertungen0 Rezensionen
Buchvorschau
Der männliche Baum - Nam-Sig Gross
1. Ein dritter Raum
Einen dritten Raum soll es geben.
Einen vertrauten, eigenen.
Ein solcher Raum entsteht aus einer Mischung des Fremden, das im Laufe der Jahre zu etwas Vertrautem wurde, und des angeborenen Vertrauten, das zu Fremdem wird. Eingravierte Überzeugungen werden von Neuem überschrieben. Vermeintlich Verstandenes wird von unvorhergesehenen Ereignissen des Lebens wieder in Frage gestellt.
Ein Fluss kehrt nie wieder zurück zur Quelle, sagte ein alter Mann, sein Lebensende ahnend. Doch am Ende trägt jeder Fluss unzählige Erfahrungen mit sich, gewonnen im kurvenreichen Verlauf seines Weges. Und es lohnt sich, diese noch einmal zu reflektieren, bevor sie mit dem großen Meer verschmelzen.
Ich spürte solch einen dritten Raum, der nur mir zugänglich war. Eigentlich von Anfang an.
Bereits als ich ein kleines Kind war und unsere acht Familienmitglieder mit zwei Zimmern auskommen mussten, besaß ich meine eigene Ecke. Als ich meine Ecke dann doch mit anderen teilen musste, wich ich über eine Holztreppe in einen Zwischenraum aus, eine Art Einbauschrank. Er hatte ein kleines Fenster, das Tageslicht spendete. Dort stellten wir tagsüber unsere Schlafmatten ab, wenn unser Schlafzimmer in ein Wohn-, Arbeits- oder Esszimmer umgewandelt wurde. Wir mussten unsere Schlafmatten mit einem aus Baumwolle fest gesteppten unteren Teil und einer etwas lockerer gesteppten Decke ordentlich falten, damit alle Matten in diese schmale Nische passten. Dann kamen noch die länglichen Kopfkissen darauf, aus Baumwollstoff genäht und mit verschiedenem Getreide gefüllt. Da jeder ein Kissen besaß, kam doch einiges zusammen, das den Lagerraum füllte.
In diesem Raum konnte man nicht aufrecht stehen. Selbst ich als kleines Mädchen musste mich im Sitzen bewegen. Ich schob dann die Matten etwas beiseite, soweit es der Raum erlaubte und stellte einen kleinen alten Esstisch, der keine Verwendung mehr fand, nachdem eines der Beine abgebrochen war, als Schreibtisch dort hinein. Das fehlende Tischbein konnte ich durch meine alten Bücher ersetzen, so hoch gestapelt, bis der Tisch eine einigermaßen ebene Fläche zum Schreiben ergab. So war mein geliebter Schreibtisch, mit alten Büchern repariert, etwa vierzig Zentimeter hoch. Unsere Tische waren immer so niedrig, denn damals saßen wir im Schneidersitz auf dem Boden.
Ich stellte meinen Schreibtisch neben das Fenster, um das Tageslicht zu nutzen und meine müden Augen nach draußen richten zu können. Das Fenster war so klein, dass ich es mit meinen beiden Händen völlig verdunkeln konnte. Es war jedoch immer noch groß genug, um meinen Namen vollständig darauf schreiben zu können. Ich atmete ganz tief ein, hauchte warme, feuchte Atemluft an die Scheibe, schrieb ganz eilig mit den Fingern meinen Namen und beobachtete, wie schnell die Buchstaben wieder verschwanden.
Mein Name mit Atemluft geschrieben.
Wenn ich über die Holztreppe, die aus drei Querhölzern zwischen langen Holzstangen rechts und links bestand, mein Zimmer betrat, die Schiebetür hinter mir schloss, war ich ganz mit mir allein und es störte niemanden, wie viele Male ich meinen Namen schrieb. Ich konnte auch viele Decken zu mir holen, wenn mir im Winter kalt wurde. Zwischen den gelagerten Schlafmatten der ganzen Familie und meinem Schreibtisch waren gerade mal zehn Zentimeter Abstand. Das war viel Platz in meinen Kinderaugen.
Ich habe immer auf meinem Schreibtisch geschrieben. Ich weiß gar nicht mehr, was ich geschrieben habe. Meistens Tagebücher vermutlich. Ich unterhielt mich, wie ich es immer noch tue, mit mir.
Fünfzig Jahre später.
Gestern habe ich wieder mein eigenes Schreibzimmer eingerichtet. Ein Zimmer in der Nähe des Waschraums, in dem unsere Waschmaschine fleißig ihre Arbeit verrichtet, neben ihr sogar ein Trockner, der unabhängig von der Wetterlage unsere Kleidung wieder schrankfertig trocknet. Eine Etage höher habe ich ein Musikzimmer, in dem ich an meinen beiden Flügeln arbeite. Dort bringe ich meinen Schülern bei, wie man Klavier spielt. Unsere Küche daneben, mein anderes Arbeitszimmer, ist auch ein wichtiger Lebensraum, den ich mehrmals täglich betrete. Noch eine Etage höher befinden sich unsere Schlafräume. Inzwischen schlafen unsere erwachsenen Kinder in ihren eigenen vier Wänden, doch ihre Sachen liegen noch erkennbar in den Kinderzimmern. Ich glaube, die Kinder als Gäste sind froh, dass der vertraute Zimmergeruch noch immer da ist. Sie kommen häufig mit ihren Partnern und schlafen gerne in ihren eigenen engen Bettchen.
Ich gehe noch oft in ihre Zimmer und denke, dass sie gleich um die Ecke kommen und dass ich sie ermahnen muss ihre Sachen endlich aufzuräumen.
Wir haben noch ein Wohn- und Esszimmer, das man nicht zum Schlafen umräumen muss, wie ich es von früher kenne, und das zum Garten führt, wo mein Kaki-Baum wächst.
Ich kann durch all diese Räume auch als Erwachsene aufrechten Ganges schreiten und die Zimmer bieten ausreichend Platz für die großen Kronleuchter aus dem Nachlass der deutschen Großeltern meiner Kinder.
Solche Räume waren mir fremd, als ich klein war. Mein innerer Raum aber ist geblieben, sowohl in Korea als auch in Deutschland. Ich fange wieder an zu schreiben, auf meinem Schreibtisch, der viel höher ist als damals in meinem Zwischenraum neben den Schlafmatten.
Mal koreanisch.
Mal deutsch.
Die äußeren Begebenheiten sind nicht die, die mich verändern. Meine eigene Wahrnehmung ist es, die mich verändert in meinem Denken.
Egal wo.
2. Schreiben
Ein gelebtes Leben zu reflektieren ist einfacher als sich auszumalen, wie es werden könnte. Der Zeitpunkt des Reflektierens bestimmt die jeweilige Sichtweise. Es wird gefiltert, was einem wichtig erscheint. Vieles ist in Vergessenheit geraten, weil es für das weitere Leben keine Rolle spielt. Manches vergisst man einfach.
Dankbar nehme ich an, was geblieben ist in meinem Gedächtnis, was die eigene Auswahl bewahrt hat. Es ist nicht immer die leichte Seite des Lebens, an die man sich erinnert, aber überwundenen Schmerz fühlt man meistens als Erleichterung. Die vergangene Zeit kehrt zurück durch Ereignisse, die mit der Vergangenheit noch in Verbindung stehen und man erlebt sie deshalb sehr nah. Manchmal so lebendig, dass das Leben im Zeitraffer einem erschreckend kurz vorkommt.
Die Frage nach dem Sinn des Lebens kommt auf. Die Zeitspanne, die Farbigkeit und die Bewegtheit der Gefühle werden wieder ins Bewusstsein geholt.
Tief atmen.
Das Leben spüren.
Die Gefühle werden wieder lebendig.
Schreiben ist rein menschlich. Einzig darin unterscheidet sich das Tier Mensch von anderen Tieren. Den übrigen Tieren genügt es einfach zu leben und sie folgen ihrem Weg.
Ich beschreibe mich mit Buchstaben. Ich spiele mit ihnen, seit ich schreiben gelernt habe. Seitdem sind viele Jahre vergangen. Ich betrachte mich in meinem jetzigen Zustand. Welche Lichtverhältnisse der jeweiligen Zeit haben meine Erscheinung beeinflusst, welche Erlebnisse mein Denken?
Meine Gefühle durch die Musik auszudrücken kam später. Das Erlernen eines Instruments bedarf viele Jahre Beschäftigung mit den motorischen und geistigen Fähigkeiten. In jedem Moment des Musizierens sucht man die Übereinstimmung mit sich selbst und mit dem Klang. Ein ganzes Leben lang eine Bemühung mit sich ins Reine zu kommen.
Betrachte ich ein Bild, richte ich mein Auge auf das, was ich sehen will oder auch nicht. Aber der Klang durchdringt uns, und es ist nicht möglich meinen Körper der Bewegung der Schallwellen zu entziehen. Ich bin selber ein Teil der Resonanz. Schreiben ist viel intimer.
Meine Gedanken kann ich selbst heimlich zurechtschneiden, wie ich es für richtig halte. Geschriebene Buchstaben kann man wieder löschen, wenn sie für einen selbst keine Bedeutung mehr haben.
So spiele ich immer mit meinen Buchstaben. Zuerst auf koreanisch, später auch auf deutsch. Und inzwischen auch viele Male in beiden Sprachen, mit kleinen Zeitverschiebungen. Ich übersetze die beiden Sprachen von der einen in die andere, um den Sinn in der anderen Kulturebene wiederzuerkennen.
Dort treffe ich meistens mich selbst.
Es gibt bei bestimmten Wörtern, wie Geburt, Leben, Freude, Trauer, Abschied und Tod, kein Missverständnis der richtigen Übersetzung. Es gibt nur einen Unterschied in der Intensität der Gefühlsebene. Geschriebene Wörter helfen, unsere Erinnerung wieder ins Leben zu holen.
Meine viel zu früh verstorbene Schwester gab mir von ihr geschriebene Zeilen als Abschiedsgeschenk, als sie wieder nach Korea flog, nachdem sie mich in Deutschland besucht hatte.
Diese Zeilen trage ich immer und überall bei mir. So lebt meine Schwester in mir, ganz lebendig.
„Dort, wo wir verweilten"
Wir sprachen nur mit unseren Augen.
Es war trotzdem so warm, wie ein kommender Frühling.
Am Ende der kalten Wintertage
grüssen uns Forsythienblümlein.
In uns den Abschied tragend,
nahmen wir das Lachen der Kinder auf.
Wir teilten unsere Haut und unser Blut,
deshalb wagten wir nicht zu sprechen.
Um die schlaflose Nacht des Reisenden
kreist die Liebe ganz zäh –
Wie der ruhig fließende Fluss hinter dem Haus
schreiten Du und Ich weiter unsere Wege.
Manchmal gewollt gegen die Strömung,
manchmal gewollt festhaltend die