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Ein Leben auf See: Erinnerung an die Seefahrt der 1950er bis 90er Jahre
Ein Leben auf See: Erinnerung an die Seefahrt der 1950er bis 90er Jahre
Ein Leben auf See: Erinnerung an die Seefahrt der 1950er bis 90er Jahre
eBook414 Seiten5 Stunden

Ein Leben auf See: Erinnerung an die Seefahrt der 1950er bis 90er Jahre

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Über dieses E-Book

Die Memoiren des Captain E. Feith schildern sehr detailliert und farbig sein interessantes Lebens als Seemann: Beginn als 16jähriger "Moses" auf einem Kümo vor dem Mast im Jahre 1952. Zuletzt Verantwortung als Kapitän eines 71.000-Tonnen-PanMax-Bulk-Carriers Mitte der 1990er Jahre. Jürgen Ruszkowski hält Captain E. Feiths Darstellung der Seefahrt der 1950er, 60er und 90er Jahre für so lebendig und typisch, dass er sie als fünften Band in seiner Reihe "Seemannsschicksale" als zeitgeschichtliches Dokument einer breiteren maritim interessierten Öffentlichkeit zugänglich macht. Dieser Bericht gibt die harte und oft sehr gefahrvolle Wirklichkeit des Seemannsalltags an Bord und das vor prallem vitalem Leben strotzende Treiben in den Häfen der Welt wieder. Er liest sich spannend und amüsant.
SpracheDeutsch
Herausgeberneobooks
Erscheinungsdatum3. Apr. 2014
ISBN9783847682554
Ein Leben auf See: Erinnerung an die Seefahrt der 1950er bis 90er Jahre

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    Buchvorschau

    Ein Leben auf See - Emil Feith

    Vorwort des Herausgebers

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    Siebenundzwanzig Jahre lang hatte ich als Heimleiter des Seemannsheimes am Krayenkamp neben dem Hamburger Michel Kontakt zu Tausenden Seeleuten aus aller Welt und lebte mit ihnen hautnah unter einem Dach zusammen.

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    Ende Januar 1999 traf ich als Ruheständler bei einem Besuch im Seemannsheim den mir vom Ansehen bekannten Kapitän Emil Feith. Nachdem wir kurz ins Gespräch gekommen waren, ob er denn immer noch fahre, erwähnte er beiläufig, er habe seine Memoiren bereits fertig geschrieben in der Schublade zu liegen. Das Wort „Memoiren war für mich das entscheidende Reizwort, denn ich sammle seit 1991 Portraits von Fahrensleuten und hatte bereits etwa fünfzig solcher Lebensläufe und Erlebnisberichte von Seeleuten im ersten Band meiner maritimen gelben Buchreihe „Seemannsschicksale zusammengetragen und zunächst über die Seemannsmission, dann im Ruhestand im Eigenverlag insgesamt über 3.000 Stück davon an ein maritim interessiertes Publikum vertreiben können. Herr Feith war so freundlich, mir eine Kopie seiner Aufzeichnungen zum Lesen zur Verfügung zu stellen, und ich war begeistert über diese sehr detaillierte und farbige Darstellung seines interessanten Lebens als Seemann, angefangen von der Zeit als 16jähriger Moses auf einem Kümo vor dem Mast im Jahre 1952. Obwohl sich in seinem Lebensbericht viele Parallelen zu den von mir gesammelten Seemannsportraits finden, erschien mir Herrn Feiths Darstellung der Seefahrt der 1950er, 60er Jahre und 90er so lebendig und typisch, dass ich meine, sie müsse als zeitgeschichtliches Dokument einer breiteren maritim interessierten Öffentlichkeit zugänglich gemacht werden. Dieser Bericht gibt die harte und oft gefahrvolle Wirklichkeit des Seemannsalltags an Bord und in den Häfen der Welt wieder und strotzt von prallem vitalem Leben. Der Umgang mit der eigenen Libido in dem entbehrungsreichen Alltag dieser junger Männer auf See und in den hafennahen Kaschemmen der ganzen Welt wird ohne Tabus drastisch und offenherzig geschildert. Der Leser sollte frei von gutbürgerlicher Prüderie an die Lektüre dieser Memoiren herangehen. Zarte Seelen könnten von dem öfter rauen Ton, den deftigen Ausdrücken und der moralischen Unbekümmertheit sonst leicht schockiert werden. Bei meiner redaktionellen Überarbeitung wollte ich in den Originaltext möglichst wenig eingreifen und deshalb auch nicht moralisch zensierend die Sprache des Seemanns verändern.

    In diesem Zusammenhang wurde ich bei der Lektüre des Manuskripts an den bekannten Theologieprofessor und langjährigen Prediger auf der Kanzel des Hamburger Michels, Helmut Thielicke, erinnert, der 1958 eine Seereise nach Japan auf einem Frachtschiff der Hapag unternahm und seine Erlebnisse an Bord in dem Buch „Vom Schiff aus gesehen" zusammenfasste. Seine hautnahen Begegnungen auf dieser wochenlangen Reise mit Seeleuten brachten ihn zu dem Bekenntnis, dass ihm eine ganz neue, bisher unbekannte Welt erschlossen worden sei und er nun eigentlich sein kurz zuvor veröffentlichtes Ethikwerk umschreiben müsse. Es erscheint mir deshalb angebracht, ihn hier etwas ausführlicher zu zitieren:

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    Professor Helmut Thielicke

    „In den stillen Tropennächten habe ich mit Offizieren und Matrosen viele Gespräche geführt. Denn da verkroch man sich nicht in seine Kammern, sondern setzte sich unter den südlichen Gestirnen an Deck zusammen. Die Art, wie ganz anders gebaute Menschen existieren, die Gesetze der See und des engsten monatelangen Zusammenlebens haben mich aufs höchste interessiert und mir ebensoviel neue Aspekte geöffnet, wie der Blick in fremde Städte, in Dschungel und exotische Gesichter. Diese scharf umgrenzte und höchst eigenartige Erlebniswelt als eine Totalität zu erkennen und dann auch sichtbar zu machen, habe ich mich all die Monate über bemüht und dadurch neue Reichtümer empfangen... Es ist erstaunlich, was alles in diesen Herzen beieinander ist und sich verträgt, und wie die ethischen Alternativen durchaus da sind, aber wie sie sich völlig anders verteilen als in meiner gesellschaftlichen Schicht. Die Art, wie sie im selben Atemzug von ihrer Familie und von der Geisha in Kobe erzählen können, wie sie zartfühlend und geradezu rührend in dem einen, und wie sie völlig indifferent in dem anderen Lebensraum sein können, das alles gibt mir Fragen über Fragen auf. Als Theoretiker der Ethik könnte ich manchmal zu der Diagnose geneigt sein: Sie leben in einer völligen ethischen Schizophrenie. Einige von ihnen sparen und opfern für ihre Familien; hier gibt es Liebe und innerstes Engagement; und daneben „gehen sie fremd, ohne dass sie auch nur das geringste dabei fänden. Aber diese Diagnose stimmt irgendwie nicht. Man hört sozusagen nirgendwo das Knacken eines Hebels, der beim Übergang von dem einen in den anderen Raum umgelegt würde; es wird nicht auf einen anderen Gang geschaltet. Es scheint vielmehr stets derselbe Gang zu sein. Ich frage mich allen Ernstes, ob hier eine durch Gesellschaft und Lebensstil – in diesem Fall durch das Leben auf See – bedingte andere Struktur der Humanität vorliegt. Sie haben einen Raum in ihrem Leben, in dem die leibseelische Totalität des Geschlechtlichen intakt ist; das ist ihre Heimat, ist ihre Ehe oder ist ihre „beste Freundin. Und sie haben einen anderen Raum, in dem nur physiologisch bedingte Hormonvorgänge ähnlich Verdauungsprozessen stattfinden. Manchmal ist es noch komplizierter: Sie haben feste Freundinnen in verschiedenen Häfen, und es sind nach Ton und Inhalt ihrer Schilderungen gelegentlich sicher mehr als nur körperliche Augenblickskontakte. Es ist nun so, als ob die geographischen Entfernungen und die Isolierschicht der Meere das Problem der Konkurrenz, der „Polygamie, gar nicht aufkommen ließen, als ob sich die Frage der Treue hier ganz anders stelle. Indem ich mich sorgfältig vor vorschnellen moralischen Interventionen hüte – durch die ich das unbefangene Erzählen und mein eigenes unbefangenes Hören ja nur blockieren würde -, versuche ich in aller Vorsicht meine Fragen anzubringen. Zum Beispiel so: „Wenn diese verschiedenen Mädchen so in Ihrem weiten Seemannsherzen nebeneinander Platz haben - wie sieht das nun vom Standpunkt dieser Mädchen her aus? Gerade wenn sie so „prima sind, wie Sie sagen, wenn sie herzig und fürsorglich sind und Sie lieben: meinen Sie, es wäre ihnen dann egal, wenn sie erführen, dass sie nur eine unter mehreren oder gar vielen sind? „Natürlich dürfen sie nichts voneinander wissen, ist die Antwort. „Was ich nicht weiß, macht mich nicht heiß. Und es liegen ja immer so lange Zeiten dazwischen, dass ihnen nichts abgeht. Ist man in einem Hafen, dann ist man ja ganz für die Betreffende da... Natürlich geht das Gespräch noch weiter, und gelegentlich kommt es auch zu einem etwas betretenen Schweigen. Aber als ob das alles, was sie für einen Augenblick verstummen ließ und nachdenklich machte, nur in einem schnell durchmessenen Vorraum stattgefunden hätte, erzählen sie plötzlich weiter, naiv, unbekümmert. Die Grammophonnadel hat ihre Rille wiedergefunden. Sie war nur für Augenblicke aus der Bahn gebracht. Ich kann mich nicht doktrinär darüber erheben und muss die Frage, die in alledem liegt, ernst nehmen. Da schreibt man dicke Bücher über Ethik, will sich auf einer Schiffsreise von dieser Strapaze erholen, und nun tauchen eben auf diesem Trip mit seinen ganz anderen Zielen plötzlich fundamentale und neue Probleme für eben diese Ethik auf. Vielleicht muss es in meinem Unternehmen noch ein ganz neues Kapitel geben, das vielleicht heißen könnte: „Ethik und Typus oder auch „die Brechung der Gut-Böse-Normen in den verschiedenen Lebensmedien. Erst bei solchen Gelegenheiten merkt man, wie relativ homogen der Menschentypus ist, mit dem wir es in unseren Berufen üblicherweise zu tun haben, auch wenn man sich, wie in meinem Falle, in recht verschiedenartigen Kreisen bewegt. Aber wie sehr fehlt einem die Innenansicht völlig anderer Lebenssituationen... Ich bemühte mich nach Kräften, offen zum Hören zu bleiben und - so schwer es mir fällt - selbst meine stabilsten Meinungen in diesem thematischen Umkreis als mögliche Vorurteile zu unterstellen, die vielleicht einer Korrektur bedürfen. Ich frage mich ernstlich, was an diesen meinen stabilen Meinungen christlich und was bürgerlich ist. So radikal wie hier, ist mir diese Frage noch nie gestellt worden, auch während meiner Soldatenzeit nicht. Ich merke, wie schwer es ist, sich im Hinblick auf alles Doktrinäre zu entschlacken und einfach hinzuhören - immer nur hören zu können und alles zu einer Anfrage werden zu lassen... Sie haben zum Teil einen verzehrenden Dienst, wenn ich an die 50 bis 60 und noch mehr Grade in der Maschine denke - einen Dienst, der nach einem Ausgleich durch Weichheit und eine andere Art von Wärme ruft. Ich denke auch daran, dass die Seefahrt selbst schon eine Art von Selektion in puncto Vitalität und körperlicher Kraft besorgt. Und vor allem überlege ich mir, dass diese gesunden und simpel gebauten Burschen ja nicht wie die Gebildeten anderer Gesellschaftsschichten die Möglichkeit der Sublimierung, die Abenteuer des Geistes und der Seele, die Feste der Bücher und Gedanken, „ästhetische Erfüllungen, die Hineingenommenheit durch ein Gespräch und vieles andere kennen. Der Massivität der Seelen entspricht auch die Massivität des Erlebens, und das Vakuum des Erlebnisraumes, das sich in der „Eintönigkeit der Seefahrt ergibt, schreit nach Füllung... Merkwürdig, wie diese Seereise zunächst ganz andere Effekte für mich zeitigt, als ich sie erwartete: alles, was ich bisher zu sehen bekam - und wie viel ist das immerhin schon! –, tritt zurück hinter dieser Attacke auf gewisse Selbstverständlichkeiten meiner Anthropologie. Ich gehe mehr und mehr in der Welt des Schiffes auf, deren Bewohner zu unablässigen Exerzitien des Geistes nötigen und zu harten Revisionen zwingen. Wie merkwürdig sind diese Bewohner doch! Diese jungen Bären, die in jedem Honig der Welt herumwühlen, sind verschämt und verschüchtert, wenn unsere beiden Mädels in das Schwimmbassin steigen. Auch jetzt noch würden sie niemals gleichzeitig hineingehen. Sie haben so etwas wie eine fromme Scheu und sind auf einmal wieder kleine Buben. Bei meiner Bibellektüre achte ich darauf, wie nachsichtig Jesus Christus mit den Sünden der Sinne ist und wie hart und unerbittlich er den Geiz, den Hochmut und die Lieblosigkeit richtet. Bei seinen Christen ist das meist umgekehrt.

    Wenn auch nicht mehr jeder deutsche Knabe einen Matrosenanzug trägt, wie einstmals, so ist doch seit der wilhelminischen Zeit her in unserer Gesellschaft trotz des Niederganges und der gewaltigen Strukturveränderungen der deutschen Seeschifffahrt in den letzten Jahren bei vielen Menschen immer noch ein romantisch verklärtes Interesse an der Seefahrt vorhanden, was seinen Niederschlag in der Langlebigkeit der Hafenkonzert-Rundfunksendungen, der Hans-Albers- und Freddy-Quinn-Romantik findet.

    Die Verhältnisse in der deutschen Schifffahrt änderten sich ab Anfang der 1970er Jahre gewaltig. Anfang bis Mitte der 1970er Jahre eroberte der Container und in den 80er Jahren die Elektronik die Schifffahrt. Die Gewerkschaften erstreikten nie geahnte Errungenschaften für die Seeleute. Wurden diese „Fortschritte" für die deutschen Seeleute bald zum Fluch? Die Hafenliegezeiten reduzierten sich drastisch. Landgang in fremden Häfen wurde immer kürzer und seltener möglich. Die Zahl der Besatzungsmitglieder eines großen Überseefrachters sank in den letzten Jahrzehnten von 40 über 20 auf 12 Mann. Das ferngesteuerte unbemannte Überseeschiff ist nicht nur denkbar, sondern wurde bereits getestet. Obwohl im letzten Vierteljahrhundert Zehntausende deutscher Seeleute freigesetzt wurden und in Landberufe abwandern mussten, ist die Seefahrt ohne die Menschen an Bord noch nicht ganz denkbar. Langlebige Vorurteile in der Gesellschaft gegenüber den Seeleuten treffen heute nach meinen jahrzehntelangen Erfahrungen nur noch sehr eingeschränkt zu. Wer sich als deutscher Seemann heute noch beruflich behaupten kann, muss fachlich hoch qualifiziert und zu großen Opfern an Anpassung, Stress und Vereinsamung an Bord bereit sein. Nur aus Edelholz geschnitzte Charaktere halten das noch durch. Hinzu kommt eine gehörige Portion Glück.

    Die Seefahrt brachte in Jahrhunderten eine eigene Kultur hervor, die auszusterben droht mit dem Einzug der Hochtechnologie und des Containers an Bord und dem dramatischen Sterben des Seemannsberufes in Europa. Träger dieser Kultur sind Menschen, Menschen, die in den letzten Jahrzehnten in der Seefahrt arbeiteten, die mir im Seemannsheim begegneten, die vereinzelt noch heute an Bord tätig sind. Das Schicksal dieser Menschen sollte nicht in Vergessenheit geraten. Einer davon ist Kapitän E. Feith, der über sich, seine Berufswelt und viele seiner Kollegen in seinen vorliegenden Memoiren höchst aufschlussreich und spannend erzählt.

    Herr Feith ist inzwischen leider verstorben.

    Ein besonderer Dank gilt Herrn Jochen Esdohr † aus Magdala und Frau Monica Maria Mieck für das Korrekturlesen.

    Hamburg, 2003 / 2014 Jürgen Ruszkowski

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    Kapitän Emil Feith – Herkunft und Kindheit

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    Der mittesechzigjährige immer noch aktive Kapitän E. Feith wirkt auf den ersten Blick unauffällig und eher etwas spröde, entpuppt sich bei näherem Hinsehen aber schnell als ein mit allen Wassern der Weltmeere gewaschenes interessantes Multitalent. Mit Blick auf eine Parkanlage an der Grenze zwischen den Hamburger Stadtteilen Ottensen und Othmarschen residiert er in einer schönen gutbürgerlichen Altbauwohnung in der Nähe der Elbchaussee mit Frau und Tochter, wenn er nicht gerade mit seinem Schiff auf hoher See unterwegs ist. Seine Wohnung hat er mit vielen Souvenirs aus aller Welt und mit einer Reihe selbstgemalter Kapitänsbilder – in Öl gemalte Segelschiffe – dekoriert. Stolz zeigt er ein liebevoll und mit Sorgfalt gestaltetes Fotoalbum mit interessanten alten Schwarzweißphotographien aus seiner seemännischen Laufbahn in den 1950er und 60er Jahren. Den ersten Teil seiner aufschlussreichen Memoiren vom Aufstieg aus den Anfängen als Moses bis zur verantwortlichen Tätigkeit als 1.Nautischer Offizier und einige Erlebnisse als Kapitän hat er bereits unterwegs an Bord in die Schreibmaschine getippt und dabei seine regelmäßigen fleißigen Eintragungen ins Tagebuch ausgewertet. Die Schilderung der vielen weiteren Erlebnisse seiner über 30jährigen Fahrzeit als Kapitän, werden folgen, wenn er endgültig das Ruder aus der Hand gegeben haben wird. Aber noch mag er nicht ins Altenteil hinüberwechseln. Captain E. Feith berichtet:

    Herkunft und Kindheit

    „Ich wurde am 22. November 1936 in Reval geboren. Mein Vater war Diplomingenieur für Hoch- und Tiefbau. Er hatte meine Mutter auf der estnischen Universität in Dorpat kennen gelernt und im Jahr meiner Geburt geheiratet. Natürlich musste meine Mutter das Studium unter den Bedingungen jener Zeit abbrechen und sich nach den damaligen Moralvorstellungen ganz auf Mutterpflichten umstellen. Die Hochzeit meiner Eltern soll gewaltig gewesen sein und eine Woche lang gedauert haben. Da mein Großvater mütterlicherseits ein angesehener Fischer war, hatte sein ganzes Dorf daran teilgenommen. Mein Großvater väterlicherseits war ein christlich getaufter bekannter und begüterter Lederfabrikant „nicht arischer" Herkunft.

    Ein Jahr nach meiner Geburt erkrankte meine Mutter während eines Besuches in ihrem Heimatdorf an einer schweren Nierenbeckenentzündung. Das war zur Winterzeit, und ein Schneesturm mit Straßenverwehungen verhinderte rechtzeitige ärztliche Hilfe, so dass meine Mutter verstarb. Mein Vater heiratete nicht wieder und überließ meine Erziehung meinen Großeltern väterlicherseits, die für mich ein Kindermädchen einstellten, an das ich mich nicht mehr erinnern kann. Mit fünf Jahren bekam ich eine Gouvernante, eine hübsche, schlanke, dunkelhaarige Endzwanzigerin, die mich in deutscher Sprache, Mathematik und weiteren Fertigkeiten unterrichtete. Sie wohnte bei uns, und so war ich fast immer mit ihr zusammen, und wir mochten uns sehr.

    Meinen Vater sah ich nur am Wochenende, da er in Dorpat ein eigenes Haus und Ingenieurbüro hatte und sehr beschäftigt war. Meine Großeltern waren schon über 60 Jahre alt und während sich mein Großvater tagsüber um seine Fabrik und andere Geschäfte - er war an einigen weiteren Firmen beteiligt - kümmerte, hielt sich meine Großmutter meist im Hause auf. Sie stammte aus Düsseldorf, war eine geborene Thyssen und weitläufig mit der Stahldynastie verwandt. Großmutter war sehr streng. Ich habe sie selten lächeln gesehen und musste sie mit „Sie" anreden. Vom Hauspersonal wurde sie respektiert und gefürchtet. Sie gab sich unnahbar, besaß jedoch ein weiches Herz, was sie zu verbergen suchte.

    Nach dem Hitler-Stalin-Pakt erlebten wir 1940 den Einmarsch der Sowjets und 1941 die „Befreiung durch die deutsche Wehrmacht während des Russlandfeldzuges. Als nicht arischer Deutscher, der noch vor der Machtübernahme der Nationalsozialisten im Reich nach Dorpat emigriert war, musste mein Großvater als ehemaliger deutscher Weltkriegsmajor einen „Schutzengel bei der Wehrmacht gehabt haben, denn man ließ ihn in Ruhe und zog sogar meinen Vater zum Wehrdienst ein und schützte ihn durch ständige Versetzungen vor dem Zugriff der Gestapo. Vermutlich hielten alte Regimentskameraden ihre schützende Hand über meinen Großvater.

    Ende 1943 rückten die Russen immer näher, und die Deutschen mussten der Übermacht weichen. Da mein Großvater in Deutschland als Nichtarier nichts Gutes zu erwarten hatte, schickte er mich mit einem Major der Abwehr zu meiner Tante nach Gotenhafen. Er selber blieb zurück, hatte aber unter den Sowjets keine bessere Perspektive als bei den Faschisten und wurde nach dem Einmarsch der Roten Armee als „Kapitalist und „Ausbeuter nach Sibirien deportiert, wo er 1948 verstarb. Meine Großmutter folgte ihm ein Jahr später. Die Tante in Gotenhafen, die mich zuletzt als dreijähriges Kleinkind gesehen hatte und an die ich mich nicht mehr erinnern konnte, war nicht gerade begeistert, als plötzlich ein siebenjähriger Junge vor ihrer Tür stand. Sie war eine hochgeistige und sensible Dame, die in Wien Musik studiert hatte. Sie sah in mir einen sanften Wiener Sängerknaben oder gar eine Miniaturausgabe von Mozart. Dem entsprach ich jedoch in keiner Weise. Im Gegenteil war ich das, was man einen Lausbuben nennt. So war unser Verhältnis immer ein sehr gespanntes und ich hatte stets das Gefühl, für sie eine ungeliebte Belastung zu sein.

    Ich kann mich nicht erinnern, dass sie mich je einmal in den Arm genommen oder mir einen Kuss gegeben hätte. Ihr fehlte überhaupt das Gefühl für Kinder und jeder mütterliche Instinkt. Trotzdem muss ich ihr anrechnen, dass sie überhaupt diese Belastung meiner Pflege auf sich genommen hat. Nach einer abenteuerlichen Flucht vor den Russen über Hela und Internierung in Dänemark landeten wir 1948 in Weilheim in Oberbayern in der amerikanischen Zone. Wenn ich meiner Tante zu einer zu großen Plage wurde, war sie manchmal drauf und dran, mich in ein Waisenhaus zu geben, zumal mein Vater 1944 als vermisst gemeldet wurde und ich somit als Vollwaise gelten konnte. In späteren Jahren wurde das Verhältnis zwischen meiner Tante und mir ein sehr herzliches und besteht bis heute. Schon früh entwickelte sich in mir der Wunsch, zur See fahren zu wollen. Nach dem Abschluss der Grundschule, welche ich mit dem zweitbesten Zeugnis meiner Klasse verließ, begann meine Laufbahn zur See.

    Ich will zur See fahren

    Als ich 1952 sechzehnjährig auf dem Bahnsteig von Weilheim im tiefsten Oberbayern mit Strickjacke, Seppelhut und billigem Pappkoffer vor meinem Zug in Richtung Hamburg stand, fiel der Abschied von meiner Tante entsprechend kühl aus, denn viel Zuneigung und familiäre Bindungen hatte es zwischen ihr und mir nie gegeben. Das Letzte, das ich von Weilheim sah, waren meine Tante und ihr Lebensgefährte, die mir mit einem Taschentuch nachwinkten. Ich sollte meine Tante erst acht Jahre später wiedersehen. Warum ich damals zur See fahren wollte, habe ich eigentlich nie begriffen. Schon mit 14 hatte mein Entschluss festgestanden, Seemann zu werden. Vielleicht hat das Erbteil meiner so früh verstorbenen Mutter eine Rolle gespielt, da die Familie ihres Vaters seit Generationen der Fischerei nachging. Großvater und seine Söhne, meine Onkel, fuhren aufs Meer hinaus.

    Nun reiste ich als Halbwüchsiger alleine quer durch Deutschland gen Hamburg, allerdings nicht ganz alleine, denn der Vater eines Schulfreundes begleitete mich. Er war Lokomotivführer und hatte zufällig eine Dienstreise nach Hamburg zu machen, um von dort einen Zug nach Bayern zurückzuführen. Wir erreichten Hamburg, das „Tor zur Welt" nach einer langen Nachtfahrt. Es war der 20. Mai 1952. Ich verabschiedete mich von meinem älteren Reisebegleiter, der gegen Mittag seinen Zug zurück nach München bringen sollte und stand nun mutterseelenallein mit meinem Pappkoffer auf dem riesigen Weltstadtbahnhof. Jetzt war ich also das erste Mal in meinem Leben ganz auf mich allein gestellt. Meine ganze Barschaft betrug 27 Mark.

    Laut Instruktion sollte ich mich nach meiner Ankunft zum Arbeitsamt begeben und mich dort bei einem Kapitän Kegck melden. Nach vielen Fragen fand ich den Weg dorthin zu Fuß, denn es war nicht weit entfernt vom Bahnhof. Dieser Kapitän Kegck war der erste leibhaftige Kapitän, den ich zu sehen bekam und meine Ehrfurcht vor ihm war groß. Nach einigen Ratschlägen und Tipps verwies er mich zum Seemannsheim der Deutschen Seemannsmission in der Großen Elbstraße 132 in Altona, wo ich mich beim Hausvater zu melden hätte. Dort sollte ich bis zur Anmusterung wohnen. Hamburg ist groß und es war das erste Mal, dass ich alleine in der Großstadt war. Nach einer Irrfahrt mit der Straßenbahn und einem längeren Fußweg erreichte ich schließlich doch mein Ziel. Das Seemannsheim war ein großes im Jahre 1930 gebautes mehrstöckiges Backsteingebäude direkt am Elbufer mit herrlichem Blick über das Hafengelände beim Altonaer Fischmarkt, das den Krieg zwar nicht ganz unbeschadet, aber doch überstanden hatte und seit 1950 auch als Schiffsjungenheim diente. Das Seemannsheim beherbergte eine größere Zahl abgemusterter und zur Zeit arbeitsloser Seeleute jeglichen Alters und Dienstranges. Ich kam zu einer Gruppe fast gleichaltriger Schiffsjungen, die wie ich als Moses auf irgendeinem Schiff anfangen wollten. Der Schiffsjunge wurde an Bord nach alter Tradition Moses genannt, weil der aus dem alten Ägypten stammende Führer des Volkes Israel als Kleinkind in einem Schilfkörbchen auf dem Nil schwimmend als jüngster Fahrensmann galt.

    Die angehenden Schiffsjungen lebten im Seemannsheim in 4- oder 6-Bett-Zimmern, und für uns Jugendliche galten besondere dem Jugendschutz angepasste Hausvorschriften: Wir durften nicht rauchen und mussten bis 22 Uhr zurück im Hause sein. Zuwiderhandlungen konnte mit Rausschmiss oder Sperrung für den Seemannsberuf geahndet werden.

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    Wir Moses-Aspiranten unterstanden einem altgedienten und erfahrenen Bootsmann, der uns „Seemannschaft beibringen sollte. Er sorge dafür, dass unser Tag voll ausgefüllt war und wir nicht auf dumme Gedanken kommen konnten: Nach dem Frühstück bekamen wir erst einmal theoretischen Unterricht. Da die meisten von uns noch nie ein Schiff betreten oder von innen gesehen hatten, wurden uns erst einmal Begriffe wie „Steven, „achtern, „Backbord oder „Steuerbord erklärt. Außerdem marschierte jeden zweiten Tag ein Teil von uns mit unserem Bootsmann zur Hafenstraße an die Anlegestelle der „Fähre 7. Dort lag die Dreimastbark „SEUTE DEERN - heute Attraktion im Deutschen Schifffahrtsmuseum in Bremerhaven - als Restaurantschiff vertäut. Mit ihrem großen Marinerettungsboot lernten wir das „Pullen, wie das Rudern seemännisch heißt.

    Unser Bootsmann war ein harter Lehrmeister, der uns nicht schonte und uns immer wieder einbläute, dass später an Bord bei Seenot unser Leben von einer richtigen Grundausbildung abhängen würde. Wir lernten alle Bootskommandos und ruderten auf der Elbe gnadenlos vier bis fünf Stunden gegen oder mit dem Strom. Wer aus dem Takt kam, erhielt eins mit dem Tampenende übergezogen. Die ersten Tage hatten wir alle einen furchtbaren Muskelkater, Blasen an den Händen und ließen uns abends todmüde ins Bett fallen. Manchmal pullten wir zu den Bananenschuppen hinüber, wo die Fruchtschiffe lagen. Dann gab es für uns eine große Staude überreifer Südfrüchte, die für den Handel nicht mehr geeignet waren. Wir verputzten sie in Rekordzeit. Ich habe selten in meinem späteren Leben, auch als Kapitän, einen so ausgeglichenen und hervorragenden Seemann kennen gelernt wie unseren damaligen Bootsmann. Er war der geborene Lehrmeister. Wenn wir etwas von der Seemannschaft gelernt haben, so verdanken wir es ihm, auch dass wir nicht so ganz unwissend als Moses an Bord kamen. In dieser kurzen Zeit von sechs Wochen hat er uns mehr beigebracht, als ich später an Bord je an Knoten und Tauspleißen lernen konnte.

    Zwischendurch machten wir bei der SBG (Seeberufsgenossenschaft) unser Seetauglichkeitszeugnis, welches Voraussetzung für die Ausstellung des Seefahrtbuches war. Wir wurden so gründlich, wie es nur möglich war, untersucht und es gab keine Stelle am Körper, die ausgelassen wurde. Wer den Gesundheitstest nicht bestand, konnte gleich nach Hause gehen. Wenn es die Augen waren, konnte er die Maschinen- oder Bedienungslaufbahn einschlagen. Der erhebendste Augenblick war die Aushändigung des Seefahrtbuches. Jetzt war man ja schon ein „beginnender Seemann". Mit dem Besitz des Seefahrtbuches traten auch einige besondere gesetzliche Bestimmungen in Kraft. Während man an Land damals erst mit 21 Jahren volljährig wurde, war man als Seemann unter 21 Jahren beschränkt volljährig. Man konnte im Gegensatz zu einem minderjährigen Lehrling an Land seinen Arbeitsvertrag, den Heuerschein, ohne Einwilligung des Erziehungsberechtigten selbst unterschreiben und auf einem Schiff anmustern oder auch später abmustern.

    An Bord galt allerdings auch das Jugendschutzgesetz mit einigen Einschränkungen, was die Arbeitszeit anbetraf. So konnten Jugendliche auch an Sonn- und Feiertagen eine gewisse Stundenzahl beschäftigt werden, da der Bordbetrieb besondere Regelungen erforderte. Gewisse Arbeiten, wie das Trimmen der Ladung im Hafen, Arbeiten im Mast usw. durften von Jugendlichen nicht ausgeführt werden. Nur wenn die Sicherheit des Schiffes gefährdet war, konnte von diesen gesetzlichen Einschränkungen abgewichen werden. Der Begriff „Sicherheit des Schiffes" war offenbar dehnbar, und oftmals wurden in der Praxis unter diesem Motto gesetzliche Vorschriften umgangen. Besonders in der Küstenschifffahrt nutzte man die Schiffsjungen unter Umgehung der Schutzvorschriften bis zur Erschöpfung aus. Die Arbeitszeitvorschriften wurden nach meiner späteren Borderfahrung nie eingehalten. Die Vorgesetzten hatten auch dafür zu sorgen, das Alkoholkonsum- und Rauchverbot für Jugendliche durchzusetzen und darauf zu achten, dass diese im Hafen bis 22 Uhr vom Landgang an Bord zurück waren. Auch hier sah die Praxis anders aus. Aber davon später, denn bisher waren wir ja immer noch im Seemannsheim.

    In unserer knappen Freizeit und besonders an Sonntagen, an denen wir frei hatten, gingen wir in kleinen Gruppen am Hafen oder auf der Reeperbahn spazieren. Das war für die meisten von uns eine neue unbekannte Welt, besonders das Vergnügungsviertel von St. Pauli mit seinen Kaschemmen, Kneipen, Nachtbars, Straßennutten und Bordellen. Wir kamen uns vor, wie „Alice im Wunderland und brauchten einige Zeit, um dies alles zu verdauen. Viele von uns ließen sich, um ja als Seemann zu gelten, für sechs Mark einen Anker auf den Unterarm tätowieren, den man dann stolz bei halb aufgekrempeltem Ärmel zur Schau stellte. Mit großen Augen bestaunten wir die abenteuerlich aufgetakelten Huren in der Herbertstraße, die vor ihren Fenstern saßen und die Freier animierten. Es gab sie so ganz in Leder mit Peitsche oder als „Salome, und die ganz freizügigen hielten nur ihren Venusberg bedeckt. Die Preise waren natürlich den Ansprüchen gemäß gestaffelt. Die einfache „Nummer" kostete damals fünf Mark. Ich kann mich aber nicht erinnern, dass einer von uns zu einer reingegangen ist. Schüchternheit oder fehlender Mut überwogen. Die Damen wussten natürlich mit erfahrenem Blick, wie unbedarft wir waren und entsprechend fielen ihre Bemerkungen und Kommentare aus.

    Neben unserem Seemannsheim befand sich ein großes Seemannsausrüstungsgeschäft, und wir wunderten uns, was man als Seemann an Bord so alles an Kleidung brauchte. Es gab dort Seesäcke, Takelhosen, Pudelmützen, Ölzeug und Pullover, um nur einiges zu nennen. Da wir alle kein Geld hatten, waren wir natürlich nicht in der Lage, uns etwas zu kaufen. Unser Bootsmann gab uns den Rat, erst mal an Bord zu gehen. Dort würde sich schon alles regeln, man würde dann schon selbst sehen, was man brauche. Wenn ich damals bereits gewusst hätte, dass man sein eigenes Bettzeug an Bord mitbringen muss, hätte ich mir zumindest für mein letztes Geld eine billige Wolldecke gekauft, denn diesen Mangel habe ich später bitter zu spüren bekommen.

    Vor dem Mast

    Moses auf dem Kümo „RÜGEN"

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    Eines Morgens musste ich mich bei unserem Hausvater melden, der mir mitteilte, dass ich sofort zu der Schiffsagentur Thode gehen sollte, da ein Kümo (Küstenmotorschiff) einen Schiffsjungen suchen würde. Auch bestehe die Möglichkeit, dass ich schon am folgenden Tag an Bord gehen müsse. Die Agentur Thode, eine altehrwürdige Hamburger Firma, hatte ihr Kontorgebäude gleich um die Ecke, und eine Stunde später hatte ich bereits meinen Heuerschein für das Kümo „RÜGEN und eine Fahrkarte nach Kiel in der Tasche, außerdem fünf Mark für Spesen. Mein Schiff sollte im Laufe des nächsten Tages in die Holtenauer Schleuse einlaufen und dann weiter in die Ostsee nach Finnland gehen. Ich hätte mich am folgenden Morgen an der Kanalschleuse bei der Schiffsagentur Zerssen & Co, die bereits unterrichtet wäre, zu melden. Das Motorschiff RÜGEN sei ein Kümo von ca. 500 Ladetonnen und gehe in Ballast nach Finnland, wo es Schnittholz laden solle. Man nannte die Kümos damals allgemein „Arschbackenkreuzer, ein Ausdruck, der in der ganzen deutschen Seefahrt geläufig war. Die Schiffsführung bestand allgemein aus dem Kapitän und einem Steuermann mit kleinem „Küstenbefähigungszeugnis, auch „Kleines Patent genannt, welches den Inhabern erlaubte, in der Nord- und Ostsee herumzuschippern. Als Besatzung waren in der Regel vier Mann vorgeschrieben, wovon einer ein Vollgrad (Vollmatrose) sein musste.

    Es war ein schöner sonniger Julimorgen, als ich an der Schleuse Holtenau stand und bangen Herzens auf mein Schiff wartete. Da es noch nicht gemeldet war, hatte ich meinen Pappkoffer bei der Agentur Zerssen & Co abgestellt und beobachtete die in die Schleusen ein- und auslaufenden Schiffe. Sie kamen entweder aus der Ostsee, um durch den Kanal in die Elbe und Nordsee zu gelangen, oder sie verließen den Kanal in Richtung Ostsee. Vom Kümo bis zum großen 15.000-Tonner machten sie in den Schleusen fest und ich beobachtete, wie die Besatzungen auf dem Vorschiff und dem Heck die Schiffsleinen an Land gaben oder beim Ablegen einholten. Ich kam ins Träumen und stellte mir schon vor, dass ich selbst bald auf dem Vorschiff oder am Heck stehen würde, um als wichtiges Rädchen im Bordbetrieb die Befehle des Kapitäns zu befolgen.

    Gegen Mittag wurde bei der Agentur die Ankunft des M/S RÜGEN für den nächsten Schleusendurchgang gemeldet, und ich machte mich zusammen mit dem Vertreter der Agentur auf den Weg zur

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