Entdecken Sie Millionen von E-Books, Hörbüchern und vieles mehr mit einer kostenlosen Testversion

Nur $11.99/Monat nach der Testphase. Jederzeit kündbar.

Der Koffer meiner Frau: Capriccios III
Der Koffer meiner Frau: Capriccios III
Der Koffer meiner Frau: Capriccios III
eBook96 Seiten1 Stunde

Der Koffer meiner Frau: Capriccios III

Bewertung: 0 von 5 Sternen

()

Vorschau lesen

Über dieses E-Book

Der Koffer meiner Frau, auf dem Bahnsteig vergessen, ein aufwändiger Polizeieinsatz ausgelöst. Inoffizielle Mitarbeiter (IM) von einer Psychologin des Siegmund-Freud-Instituts befragt, haben niemandem geschadet. Der erfahrene Leiter eines Zementwerkes in Ostdeutschland wird vom neuen Eigentümer gemobbt und alle machen brav mit. Die moralische Verantwortung des Ingenieurs der Firma Topf & Söhne für die von ihm entwickelten Krematorien für Konzentrationslager. Ein Haus und eine Frau erzählen von Leben, Krieg und Tod. Katholischer Dogmatismus in Südamerika. Nachbars Krähe krächzt die Wahrheit. Matriarchat herrscht im Hühnerhof, wenn der Hahn schwächelt.
SpracheDeutsch
Herausgeberneobooks
Erscheinungsdatum20. Aug. 2015
ISBN9783738037470
Der Koffer meiner Frau: Capriccios III

Mehr von Klaus Werner Hennig lesen

Ähnlich wie Der Koffer meiner Frau

Ähnliche E-Books

Allgemeine Belletristik für Sie

Mehr anzeigen

Ähnliche Artikel

Rezensionen für Der Koffer meiner Frau

Bewertung: 0 von 5 Sternen
0 Bewertungen

0 Bewertungen0 Rezensionen

Wie hat es Ihnen gefallen?

Zum Bewerten, tippen

Die Rezension muss mindestens 10 Wörter umfassen

    Buchvorschau

    Der Koffer meiner Frau - Klaus Werner Hennig

    IM Susi

    „Niemandem habe ich persönlich geschadet! Keinem! Das dürfen Sie mir glauben. Leute anzuschwärzen war nie mein Ding. Das hätte ich nicht übers Herz gebracht. Lieber setzte ich mich selbst in die Nesseln! Das ist die Wahrheit. Sichten Sie die Akte. Sollte einer meiner Berichte falsch ausgelegt worden sein, es täte mir leid."

    Susanne Leuchtenbrink sitzt auf ihrer Couch voller Kissen und Kuschel­tiere in ihrer Plattenbauwohnung, Straße der Pariser Kommune in Berlin Friedrichshain. Die Beine übereinandergeschlagen, den kurzen Rock immer wieder am Saum zum Knie hinziehend, bleibt sie bemüht, der Gesprächspartnerin aufrichtig in die Augen zu schauen. Ihr Blick ist zu starr, um glaubwürdig zu wirken. Frau Doktor Ingeburg Herz-Züblin vom Sigmund-Freud-Institut der Universität Frankfurt am Main sitzt locker im Sessel, die Aktentasche auf dem Schoß, die Arme lässig auf den Lehnen. Derartige Befragungen ehemaliger inoffizieller Mitarbeiter der Staats­sicher­heit sind Teil psychoanalytischer Untersuchungen über menschliche Deformationen in der Diktatur. Die angestrengte Unschuldsbeteuerung, niemandem geschadet zu haben, ist die einleitend übliche Leier. Frau Herz-Züblin weiß, sie darf keinesfalls widersprechen, sie würde sonst nichts hinterfragen können.

    Susanne wechselt den Beinüberschlag und zieht weiter an ihrem Rock. Warum kleidet sie sich in keinen längeren?, denkt das Weibchen in Frau Herz-Züblin. Will sie mir oder sich selbst weismachen, sie sei im Leben zu kurz gekommen? Doch die Wissenschaftlerin zwingt sich zur Sachlichkeit.

    „Darf ich?" Sie entnimmt der Aktentasche ein kleines Tonbandgerät, legt es auf die Glasplatte des Couchtisches.

    „Wie telefonisch abgemacht, keine Klarnamen, keine Anschrift, kein Foto, ich muss darum bitten." Susanne wirkt verunsichert.

    „Sie können sich auf mich verlassen, Frau Leuchtenbrink. Unsere Forschungsarbeiten sind seriös, diskret, unabhängig und werden von der Bundesbeauftragten für die Unterlagen des Staatssicherheitsdienstes unterstützt. Erst durch meine Befragungen bin ich in die ehemalige DDR gelangt. Mein Fach ist die Psychologie. Mein Interesse rein fachlich. Ich danke Ihnen, dass Sie mich in Ihrer Wohnung empfangen. Hübsch haben Sie es hier."

    Susanne errötet, bleibt aber misstrauisch. Die Wohnung mit Fahrstuhl und Müllschlucker hatte ihr Führungsoffizier vermittelt, nachdem sich ihr Mann hatte scheiden lassen. Sie grübelt, ob sie das nicht erwähnen müsste, unterlässt es aber lieber. Was immer sie getan hat, es geschah aus der inneren Überzeugung beizutragen, die Verhältnisse für alle bessern zu helfen und nicht um kleinlichen Vorteils willen. Daran glaubt sie mit den Jahren immer fester.

    Frau Herz-Züblin überlegt, was IM Susi vortäuschen möchte. Aus der Akte kennt sie deren Begünstigung bei der Wohnungsvergabe durchaus. Sie wird, bemüht um Vertrauen, ihre Vorkenntnis IM Susi nicht spüren lassen. Sie möchte das Tonbandgerät einschalten.

    „Moment, Frau Doktor, ich mache uns fix Kaffee."

    „Vielen herzlichen Dank." Frau Herz-Züblin wägt ab, wie sie sich IM Susi nähern sollte: streng methodisch, wissenschaftlich fundiert, den Psychotest zuvorderst oder von Frau zu Frau, einfühlsam, gewissermaßen als tröstende Freundin? Die Tasse Kaffee kann helfen, den Zugang zu finden. Am besten, die Probandin nicht unterbrechen, vielleicht käme sie so am ehesten aus sich heraus.

    Susanne ist aufgestanden, schiebt den Couchtisch ein wenig zur Seite, stöckelt auf dem Teppichboden zur Küche nebenan. Sie ist rundum eine gepflegte Erscheinung, indes die Absätze zu hoch, der Rock zu kurz, der Ausschnitt zu tief, das Haar zu bleich, der Nagellack zu grell. Ihr aufrechter Gang wirkt dressiert wie bei einem Mannequin. Trotzdem, nicht unsympathisch, befindet Frau Herz-Züblin.

    Ein Glaskasten mit Schiebefenster trennt die Küche vom Wohnzimmer. Durch Vasen und Gläser gebrochen, sieht sie IM Susi hantieren. Über der Couch hängen van Goghs Brücke in Arles, daneben die Absinthtrinkerin Picassos und Rembrandts Selbstporträt mit Saskia, mittelmäßige Farbdrucke in barocken Rahmen aus Gips gegossen. Gegenüber die Schrankwand aus beschichteten Spanholzplatten bis zur Decke reichend, über Eck gestellt, in Nussbaum poliert, mit eingebautem Plattenspieler, Farbfernseher und zwei Glasteilen, aus denen böhmische Kristallgläser bunt glitzern. Der Kaffee ist schnell gekocht. Das Geschirr steht auf einem Tablett schon parat, dunkelbraune Keramik aus Bulgarien, blumig gemustert, vor Jahren mitgebracht vom Urlaub am Schwarzen Meer. Dazu ein Teller mit frischem Käsekuchen. Susanne gießt den Kaffee in die Tassen, reicht lächelnd Zucker und Sahne. Frau Herz-Züblin bedankt sich wortreich für die freundliche Bewirtung, schaltet das Aufnahmegerät ein.

    „Wie gesagt, niemandem habe ich geschadet. Reinen Herzens kann ich das sagen. Wenn überhaupt einer zu Schaden kam, vornehmlich ich selbst. Den Kuchen habe ich extra für Sie gebacken." Susanne bedient Frau Doktor, setzt sich, nimmt auf ihren Schoß einen weißen Plüschhasen, den sie nebenher

    Gefällt Ihnen die Vorschau?
    Seite 1 von 1