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Die schöne Luise: oder Wasser ist Leben und Wasser bringt Tod
Die schöne Luise: oder Wasser ist Leben und Wasser bringt Tod
Die schöne Luise: oder Wasser ist Leben und Wasser bringt Tod
eBook267 Seiten3 Stunden

Die schöne Luise: oder Wasser ist Leben und Wasser bringt Tod

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Über dieses E-Book

Wasser ist knapp, nicht bei Ihnen vielleicht, aber anderswo schon. Dass wissen Sie auch, tun aber so, als ob Sie das nicht wissen! Das könnte andere Menschen ziemlich auf die Palme bringen und dazu veranlassen, Ihnen einmal mit ganz einfachen Mitteln zu demonstrieren, wie wichtig Wasser ist. Jedenfalls könnten es andere Menschen so aussehen lassen, um Ihre Aufmerksamkeit auf sich zu konzentrieren. Was könnte schließlich wichtiger sein, als sauberes Wasser? Um genau das im bayerischen Oberland herauszufinden, gründet in dieser Geschichte unser Kriminaloberrat Günther Rogge vom deutschen BKA seine Soko "Wasser" und muss zu seiner Überraschung feststellen, dass es Wasser nicht nur in Bayern gibt.
SpracheDeutsch
Herausgeberneobooks
Erscheinungsdatum8. Aug. 2016
ISBN9783738080001
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    Buchvorschau

    Die schöne Luise - Ekkehard Wolf

    Die schöne Luise und Wasser ist Leben und Wasser bringt Tod

    Europakrimi „Schattenmann" – Band 5

    Wasser ist Leben und Wasser bringt Tod

    von Ekkehard Wolf

    Kapitel 1

    Wasser, Wasser, Gift im Wasser? Die Situation war ein wenig befremdlich. Kriminaloberrat Günther Rogge musste sich das unumwunden eingestehen. Trotzdem war er nur wenig amüsiert. Das war nun bereits das dritte Mal, dass er sich in dienstlichem Auftrag in dieser zugegebenermaßen wirklich reizvollen landschaftlichen Umgebung des bayerischen Oberlandes aufhalten durfte, ohne im Grunde wirklich begriffen zu haben, warum es ausgerechnet immer ihn erwischen musste. So etwas konnte zu einem Selbstläufer werden. Das wusste er aus Erfahrung nur allzu gut. „Also Herr Rogge, Sie kennen sich dort doch inzwischen ganz gut aus, hatte ihm seine vorgesetzte Abteilungsleiterin, die Kriminaldirektorin Dr. Andrea Grafunder in ihrem Wiesbadener Büro zur Begründung mit auf den Weg gegeben, als es darum ging zu erklären, warum ausgerechnet er wieder dorthin geschickt wurde. Dabei waren die Indizien, die eine Einschaltung des BKA geboten erscheinen lassen konnten, in diesem Fall so dürftig, wie schon lange nicht mehr. Jedenfalls hatte er das so gesehen, war aber mit dieser Einschätzung bei seiner Vorgesetzten nicht durchgedrungen. Also war er jetzt hier und betrachtete mit nur schwach ausgeprägtem Interesse die Fahrzeugpapiere des klapperigen alten Golfs II, der noch immer nur wenige hundert Meter entfernt von dem Hochbehälter stand, über den die Gemeinde Eurasburg mit Trinkwasser versorgt wurde. Günther Rogge faltete die Zulassungsbescheinigung auf, entzifferte ohne Brille mühsam den Halter des Fahrzeugs und stutzte. Mit einem schnellen Blick überzeugte er sich davon, hier nicht einem verspäteten Aprilscherz aufgesessen zu sein. Doch die teilnahmslosen Blicke der um ihn herum stehenden Beamten seiner „Soko mit dem bedeutungsvollen Namen „Wasser deuteten nicht gerade darauf hin, dass ihn hier jemand auf den Arm nehmen wollte. Seiner Gewohnheit zu Übertreibung nachgehend erschien es ihm vielmehr so, als ob bei niemandem auch nur eine Spur von Interesse für das zu entdecken war, was er hier tat. Günther Rogge zog seine Lesebrille aus der Brusttasche und vergewisserte sich, den Namen auf dem Zulassungspapier richtig gelesen zu haben. Er hatte sich nicht geirrt. Ruth, Andrea, Roswitha Waldner stand dort geschrieben. Wie viele Menschen dieses Namens mochte es wohl so geben? Hier in der Gegend? Ausgerechnet hier in der Gegend! Ein merkwürdiger Zufall? Wenn ja, dann auf jeden Fall schon sehr merkwürdig. Der Oberrat verzog das Gesicht zu einer etwas abstrusen Maske, wie er das immer tat, wenn ihm etwas spanisch vorkam. Aber das merkte er nicht. Der Führerschein wäre jetzt schön gewesen. Da wäre wenigstens ein Bild dabei. Aber nein, kein Führerschein, leider. Angelika Schwarz schüttelte bedauernd den Kopf und ließ dabei ihr langes blondes Haar so heftig wehen, dass dessen Spitzen Rogges Gesicht fast gestreift hätten. Er sah sie befremdet an. Laut Dienstvorschrift waren die Haare doch wohl genau so nicht zu tragen, doch der Oberrat verkniff sich den entsprechenden Tadel. „Auch sonst nichts? Nur diese Karre hier und der Wisch? „Doch, doch, schon. Die Raabe beeilte sich um Klarstellung. „Wir haben einen Datenträger gefunden, der bereits in der Auswertung ist und das hier, stellte sie klar, deutete mit der Hand auf den Kofferraum des Wagens und wiederholte, als es ihr gelungen war, Rogges Aufmerksamkeit von den langen blonden Haaren der Schwarz auf sich zu lenken, „also hier, da ist noch was. Sie wartete, bis der Oberrat sich ans Heck des Wagens bemüht hatte und deutete auf die Klapptasche, die aussah, wie die Werkzeugtaschen, mit denen vor ewigen Zeiten einmal die russischen Lada serienmäßig ausgestattet waren. „Hm, was ist das?, erkundigte er sich trotzdem und erhielt die nicht so ganz überraschende Rückfrage: „Ne Werkzeugtasche? Vielleicht? Günther Rogge fühlte sich zurecht veräppelt und reagierte verärgert. „Na und? Anstelle einer Antwort klappte Hauptkommissar Uwe Carstens die Tasche auf. Zum Vorschein kamen ein Bolzenschneider und mehrere Röhrchen, die aussahen, wie Zigarrenbehälter nur eben aus Glas und gefüllt mit einer Flüssigkeit, die Rogge spontan an etwas erinnerte. „Scheiße? Bei diesem Wort blickte er nach oben, entdeckte die kleine Krähe, die lauthals um Entschuldigung bittend in der Luft über ihm flatterte, dachte sich aber nichts dabei. Die Antwort auf die Frage des Oberrats folgte auf den Fuß. „Scheiße - sieht so aus. Wollen Sie mal probieren? Die Schwarz hatte wieder ihr loses Maulwerk nicht halten können und fing sich dafür von der Raabe einen unfreundlichen Blick ein. Rogges Blick war ebenfalls nicht besonders freundlich. Eine Antwort blieb er jedoch schuldig. Er hatte sich soeben entschlossen, die Provokationen der jungen Beamtin auf Probe einfach zu ignorieren. Er vergewisserte sich, den Zusammenhang richtig verstanden zu haben, indem er mit der Hand in Richtung des Hochbehälters deutete und sich erkundigte, ob das deswegen sei. Das Kopfnicken der Umstehenden quittierte er mit einem wissenden Brummen, das bei den Beamten wie ein Hmmmm ankam. Damit war es dann aber bereits vorbei mit der Übereinstimmung. Rogge hatte sich seinen Kollegen zugewandt und seiner Verwunderung darüber Ausdruck verliehen, dass das hier alles so offen herumstand. Den Grund für seine Verwunderung beim Lesen des Namens auf dem Fahrzeugschein hatte er indessen vorerst einmal für sich behalten. Gemeinsam waren die Beamten sodann nach Königswies gefahren und hatten mit dem dortigen Bürgermeister ein ausgedehntes Gespräch zu den Sicherheitsmaßnahmen geführt, die von den Sicherheitsorganen angeordnet worden waren, nachdem im dortigen Trinkwassernetz zum wiederholten Male „Verunreinigungen durch Fäkalien, also Scheiße festgestellt worden war. Darüber hinaus war man sich selbstverständlich mit dem Rathauschef einig gewesen, dass es auch weiterhin nicht wünschenswert war, die Öffentlichkeit mit den Hintergründen der Belastung zu beunruhigen. Beim „Bruch der Trinkwasserleitung im nahegelegenen Wolfratsried war das bekanntlich nicht anders gehandhabt worden und man war gut damit gefahren. In diesem Fall verständigte man sich darauf, der Öffentlichkeit offiziell die Variante mit den Kolibakterien als Ursache und dem Ultravioletten Licht als Lösung zu präsentieren. Der ganze Vorfall lag inzwischen bereits Wochen zurück. Die rund um die Uhr Online-Überwachung hatte seither keinerlei Ergebnisse erbracht. Aber das hatte im Grunde auch niemanden wirklich überrascht. Schließlich waren die Einfallstore für die Einleitung solcher Beigaben zum Trinkwasser ja auch viel zu groß. Die Analyse des Inhalts der im Kofferraum des Golfs II am Beurasburger Hochbehälter aufgefundenen kleinen Röhrchens hatte unglücklicherweise ergeben, dass sich darin keineswegs nur Scheiße befunden hatte. Die Überwachungsmaßnahmen waren daraufhin auf alle entsprechenden Reservoire der Umgebung ausgeweitet worden. In Ermangelung ausreichender personeller Kapazitäten hatte sich das nunmehr auch offiziell als Sonderkommission fungierende Team um Rogge mit einem Satz Wildkameras ausgestattet, die es gerade günstig bei einem der Discounter in der Region käuflich zu erwerben gab. Tatsächlich war es den Ermittlern auf diese Weise dann auch gelungen, gleich mehrere Tatverdächtige, also drei streunende Katzen, zwei Igel und ein Rudel Wildschweine ins Bild zu bekommen. Da sich weitere Verdächtige nicht einstellen wollten, war nach wenigen Tagen Routine eingekehrt. Das hatte sich erst geändert, als die finnische Polizei sich mit einer Anfrage ans BKA gewandt hatte, die zur Abwechslung und seiner Überraschung einmal unverzüglich an Rogge weitergeleitet worden war.

    Viola Ekström blickte genervt auf das Kommen und Gehen, das sich vor ihren Augen abspielte. Bereits vor einer guten Viertelstunde hatte sie ihren nagelneuen Audi in eine der Parklücken rangiert, die den Raum zwischen den beiden Supermärkten an der Königswieserstraße ausfüllten. Bis vor einigen Jahren hatte sich hier ein Volksfestplatz befunden. Aber da die verantwortlichen Politiker der kleinen Stadt einen Ausweg aus der damaligen Schuldenkrise gesucht hatten, war das Terrain kurzerhand zwei Gemischtwarenkonzernen angeboten worden. Diese hatten das Angebot freudig angenommen, jeweils einen üppig dimensionierten Markt errichtet und damit das Warenangebot in dieser kleinen Stadt nachhaltig bereichert. Sie wissen es inzwischen, ich spreche von Wolfratsried an der Loisach. Da es die klammen Stadtväter und –mütter nicht für nötig befunden oder sich nicht getraut hatten, in die Verträge mit den Konzernen eine Zufahrtsregelung zu schreiben, die den An- und Abfahrtsgewohnheiten der Kundschaft entsprach, spielte sich auf der Bundesstraße der alltägliche Kleinkrieg zwischen Ortskundigen und Ortsunkundigen ab. Dieser äußerte sich in sporadischen Hubkonzerten und diese wiederum spielten sich nur wenige Meter vor dem kleinen Ensemble von Tischchen ab, die von dem in einem der in beiden Märkte residierenden Backwarenverkäufer aufgestellt worden waren, damit die geneigte Kundschaft ihren Kaffee in einer rundum von Abgasen angereicherten Umgebung in vollen Zügen genießen konnte. Genau hier hatte sich Viola Ekström vor ziemlich genau 10 Minuten nieder gelassen und sch dabei gefragt, was um alles in der Welt der Vater ihrer Tochter sich nur dabei gedacht haben mochte, ausgerechnet diesen öden Ort für ihr Treffen vorzuschlagen. Auf einen Kaffee hätte sie unter diesen Umständen gern verzichtet. Aber dann hatte ihr die kleine Praktikantin leid getan, die zu ihr nach draußen geschickt worden war, um die Bestellung aufzunehmen. Der Kaffee war inzwischen kalt, aber ihr Date, der liebe Günther Rogge hatte es bisher leider nicht bis zu ihr an den Tisch geschafft. Statt dessen musste sie sich die lautstarke Auseinandersetzung zwischen zwei leicht bis mittelschwer alkoholisierten Herren mittleren Alters anhören, die sich nicht einig werden konnten, welcher Verein nun das Endspiel der Champions League gewinnen würde. Es war keineswegs so, dass Viola nicht bereit gewesen wäre, dieser Frage eine gewisse Wichtigkeit zuzusprechen. Nur zu diesem Zeitpunkt – immerhin waren noch nicht einmal die Halbfinals entschieden – schien ihr die Entscheidung vielleicht ein „ganz klein wenig spekulativ zu sein. Da sie sich langweilte, hatte sie sich mit dieser Vermutung ungefragt in die Auseinandersetzung der beiden angetrunkenen Experten eingemischt. Daraufhin waren diese für einen klitzekleinen Moment lang sprachlos vor Überraschung gewesen. Doch nur, um gleich im nächsten Augenblick buchstäblich eine Selbstexplosionsübung zu veranstalten. Nach einem kurzen, gegenseitigen Blickkontakt war der größere und dickere der beiden Männer aufgestanden und hatte so tief Luft geholt, dass sich seine gesamte Statur in einen Ballon zu verwandeln drohte. Viola Ekström hatte es sich nicht verkneifen können, ihm ihre daraus resultierende Sorge unverblümt mitzuteilen. Anschließend lehnte sie sich entspannt zurück und genoss die Erfahrung, Männern wie diesem inzwischen wieder einigermaßen angstfrei begegnen zu können. Die mit dem gebührenden Augenaufschlag besorgt vorgetragene Frage, ob er jetzt gleich platzen würde, löste bei dem Korpulenten erst ein kurzes Nachdenken und dann einen so heftigen Wutausbruch aus, dass auch sein Kopf anschwoll und eine krebsartige Färbung annahm. Noch bevor es ihm jedoch gelungen war, seine guten Vorsätze ihr gegenüber auch tatsächlich umzusetzen, musste er sich erneut auf eine neue Situation einstellen. „Bei Ihnen alles in Ordnung? Die Fragestellerin war dem Angesprochenen körperlich allein schon deshalb eindeutig unterlegen, weil sie mindestens zwei Köpfe kleiner ausgefallen war, als der Rotgesichtige. Dafür aber trug sie die gelbgrüne Uniform einer Bayerischen Schutzpolizistin und allein dieser Umstand genügte, um den Zweimetermann ganz klein werden zu lassen. Viola Ekström hatte sich köstlich über diese Verwandlungskünste amüsiert und ihre Belustigung mit einem herzhaften Lachanfall auch so überdeutlich zum Ausdruck gebracht, dass der Große und sein kleinerer Bruder in Anbetracht der Staatsmacht jetzt gemeinsam einen roten Kopf bekamen. Gerade als Viola Ekström ansetzte, um mit einer weiteren kleinen Bösartigkeit für eine neuerliche Eskalation der Situation zu sorgen, wandte sich die Uniformierte mit aufgesetzt freundlichem Lächeln direkt an sie. „Frau Ekström? Ohne eine Antwort abzuwarten, teilte die junge Beamtin der jetzt um ihr Vergnügen gebrachten Mittdreißigerin in dienstlichem Ton mit, dass „Herr Rogge Sie bittet, zu ihm auf die Wache zu kommen. Viola Ekström zögerte einen Augenblick, schüttelte kurz den Kopf, kam für sich zu dem Schluss, dass das ja wieder perfekt zu Rogge passte und begriff amüsiert, warum er sie zunächst hierher bestellt hatte. „Oh Günther, murmelte sie auf dem Weg zu ihrem Wagen in gespielter Verzweiflung so deutlich vor sich hin, dass die junge Beamtin ihren Blick für einen kurzen Moment aufmerksam auf sie richtete. Viola Ekström war sich sicher, dass Rogge sie die ganze Zeit über von einem der im Umkreis parkenden Fahrzeuge aus beobachtet hatte und sie war gelangweilt von dieser penetranten Art, „für ihre Sicherheit zu sorgen. Sie fand das natürlich reichlich albern, hatte aber nicht vor, sich deswegen mit dem Vater ihrer Tochter herumzustreiten. Den schwarzen Vogel, der sie seit ihrer Ankunft hier, ganz unauffällig beäugt hatte und der ihr nun ebenso um Unauffälligkeit bemüht zur Wache folgte, schenkte sie derweil keinerlei Beachtung.

    Die Polizeiwache der kleinen, oberbayerischen Stadt namens Wolfratsried wurde erst vor wenigen Jahren im Gewerbegebiet in einen Stil neu errichtet, der wohl irgendwie Modernität und bayerische Gemütlichkeit miteinander vereinen sollte. Viola Ekström fiel vor allem die Holzfassade an dem schrägen Gebäude auf. Es vermittelte ein leicht skandinavisches Flair. Auf dem kurzen Weg vom Parkplatzcafé hierher, hatten die junge Beamtin und sie kein Wort gewechselt. Viola Ekström war noch viel zu sehr damit beschäftigt gewesen, sich über Rogge zu ärgern. Dass sie vor lauter Erleichterung über ihre wiedererlangte innere Ruhe vergessen hatte, den Kaffee zu bezahlen, wurde ihr erst bewusst, als der vorausfahrende, blauweiße Dienstwagen in den geschützten Bereich der Polizeiinspektion einfuhr.

    Rogge erwartete sie bereits vor dem Gebäude und lotste seine frühere Geliebte nach einer um Herzlichkeit bemühten Begrüßung, auf die sie lediglich mit einer säuerlichen Miene reagiert hatte, den Korridor entlang in den Lageraum, in dem die Dienstbesprechungen abgehalten wurden. Dort wurde sie auch noch kurz begrüßt vom neuen Leiter der Dienststelle, dem Polizeihauptkommissar Werner Reisinger. Der Mann hatte Humor. Auf Violas spontan geäußerte Frage, ob er denn tatsächlich gerne reise, hatte er ohne mit der Wimper zu zucken geantwortet, dass er jetzt jedenfalls in Eile sei und sich aber darauf freue, seine Reiseerinnerungen einmal mit ihr auszutauschen. Auf ihren verdutzten Blick hin hatte er Rogge kurz zugenickt und war entschwunden. Viola Ekström blickte sich im Raum um. Ein langer Tisch umrandet von Stühlen. An der Stirnseite eine Leinwand. An der Decke kurz davor ein Projektor. Die Fenster vergittert mit Drahtgeflecht, so dass genügend Licht hereinfiel aber nicht sofort auffiel, dass die Scheiben schon lange nicht mehr geputzt worden waren. Selbstkritisch musste sich Viola eingestehen, dass ausgerechnet das ihr sofort wieder auffallen musste. Sie wandte sich Rogge zu und war gerade im Begriff, ihre Arme um seinen Hals zu legen, als die junge Beamtin, ein Tablett balancierend, den Raum betrat.

    „Kaffee, Tee?"

    Anstatt eine Antwort abzuwarten grinste die mittelblonde Frau Viola Ekstöm nur mit einem vielsagenden Blick herausfordernd an, stellte das Tablett mit dem Kaffee auf den Tisch und verließ Rogge zugewandt dann augenzwinkernd wieder den Besprechungsraum. Viola Ekström traute ihren Augen nicht.

    „Sag’ mal, die hat’s ja wohl drauf. Vielleicht solltest du sie mal zum Essen einladen – oder so."

    „Oder so?"

    „Oder so!"

    Rogge sah Viola Ekström mit einem Anflug von Sentimentalität an, zog die Augenbrauen hoch, deutete ihr mit einer einladenden Handbewegung an, sich zu setzen und schaltete den Projektor ein.

    „Rogge, was können wir für dich tun?" Die Tonlage der Frau schien nicht dazu angetan, Sentimentalitäten aufkommen zu lassen. Aber das sollte täuschen.

    Während das Bild, das der Projektor an die Wand warf, immer klarere Konturen annahm, stellte sich Viola hinter den Stuhl, auf dem Rogge Platz genommen hatte, und strich ihm mit den Fingern durchs Haar.

    „Ihr?"

    An der leicht fahrigen Art, mit der sie auf diese Frage hin sein Haar mit ihren Fingern durchwühlte, wurde ihm klar, dass die Frau mit dem besonderen Draht zur NSA tatsächlich gerade nicht wirklich bei der Sache war. Er wandte sich zu Viola um und sah ihr in die Augen. Aber sie wich seinem Blick aus und deutete auf die Leinwand.

    Dort scrollte sich der Globus von Google Earth gerade auf Finnland ein und zoomte eine Stadt nahe der finnisch russischen Grenze heran. Dazu wurde die folgende Meldung eingeblendet:

    „SAAG baut ein riesiges Datenzentrum!

    Nicht nur ausländische Risikokapital-Anleger haben Finnland für sich entdeckt: Im März kaufte der Internet-Riese SAAG eine alte Papierfabrik in der rund 150 Kilometer östlich von Helsinki gelegenen Hafenstadt Hamina. Ziel ist dort ein Datenzentrum für das Cloud-Computing-Business, bei dem IT-Infrastrukturen über Netzwerke zur Verfügung gestellt werden zu errichten, das auch andere Internetdienste nutzen können. Insgesamt will das Unternehmen 350 Millionen Euro investieren. Gelockt haben SAAG Energiepreise, die um die Hälfte billiger sind als beispielsweise in Deutschland. Und dass es hier das ganze Jahr über kalt genug ist, um mit Meerwasser die gigantischen Rechner zu kühlen. Groß an die Glocke gehängt hat SAAG das alles nicht - im Gegenteil. Auf Verkehrsschildern rund um Hamina sucht man den Namen vergeblich, wer sich dem Werksgelände am Rande der Stadt nähert, wird vom hauseigenen Sicherheitsdienst in Empfang genommen. Kein Zutritt! Erst recht nicht für Journalisten: E-Mail-Anfragen bleiben unbeantwortet, telefonische verlaufen im Nichts. In Hamina kennt man das schon. Die Geheimniskrämerei des Suchmaschinen-Spezialisten hat dazu geführt, dass die Gerüchte sprießen. Wie das, wonach SAAG angeblich Minen im Meer versenkt haben soll, um Fischer daran zu hindern, von der See aus auf das Gelände vorzudringen."

    „Ach nee."

    Viola Ekström gähnte deutlich vernehmbar vor sich hin und schüttelte mit dem Ausdruck extremer Langeweile den Kopf. „Was soll das werden? Willst du jetzt zur Abwechslung mal wieder beim großen Bruder auf die Pirsch gehen? Günther Rogge konnte sich ein leichtes Stöhnen nicht verkneifen. Der Neuigkeitswert der Meldung war für Viola offenkundig nicht besonders hoch. Dabei hatte er angenommen, dass bei ihr alle Warnlämpchen gleichzeitig aufflackern würden, sobald der Name Hamina fallen würde. Schließlich verband sich mit dem Namen dieses finnischen Städtchens jedenfalls für ihn die Erinnerung an seinen letzten Fall, der ihm bis heute den Angstschweiß über den Rücken laufen ließ. Bei Viola Ekström war das aber offensichtlich eben nicht so. Der Kriminaloberrat vom BKA beeilte sich daher mit einer Klarstellung: „Da sind andere auf der Pirsch. Unsere Weltverbesserer vielleicht. Vielleicht aber auch sonst irgendeine von diesen kriminellen Banden. Aber es sieht nicht so aus, als ob denen zum Spaßen zumute wäre. Anschließend durfte sich Viola einen gut halbstündigen Vortrag anhören, dass das deutsche BKA, also Rogge, ziemlich eindeutige Hinweise darauf hatte, dass „Trittbrettfahrer im Begriff waren, „etwas zu tun, was die Kommunikationsstrukturen und damit die Machtverhältnisse im Internet möglicherweise so gründlich durcheinanderbringen könnte, dass die Welt danach nicht wieder zu erkennen ist. Viola Ekström hatte ganz ausgeprägt das Gefühl, dass Rogge zur Melodramatik zu neigen beliebte.

    „Möglicherweise könnte?" Viola Ekström gab sich Mühe, den Spott in ihrer Stimme so unüberhörbar zu machen, dass ihn auch Rogge nicht zu überhören vermochte. In durchaus provokativer Absicht nestelte sie sogleich einen kleinen Handspiegel aus ihrer Handtasche und begann sich demonstrativ die Nase zu pudern. Nach den jüngsten Erfahrungen in Finnland verspürte sie zudem keinerlei Neigung, sich voreilig dort schon wieder auf etwas einzulassen, was sie nicht überblicken konnte. Schon gar nicht im Rahmen einer solchen Mission, wie sie Rogge offenkundig gerade vorschwebte.

    „Undercover zur Suchmaschine?"

    Viola Ekström hatte wirklich keine Lust darauf und ließ das Rogge auch ohne viele Worte spüren.

    „Du, es geht hier nicht allein um SAAG oder die Manipulation von Suchanfragen oder etwas in dieser Art. Ich fürchte, das hier hat eine etwas andere Dimension."

    Rogge blickte ihr mit unsicherem Blick in die Augen und fügte hinzu, „eine persönliche, verstehst du?"

    Viola war sich im Klaren darüber, das Rogge nicht umhin kam, sie von der Wichtigkeit und Dringlichkeit des Problems zu überzeugen, bei dessen Lösung er ihre Mithilfe in Anspruch zu nehmen gedachte und gab sich weiterhin gelangweilt. Nach all den verschiedenen Einsätzen, an denen sie teilgenommen hatte, war ihr klar, dass Rogge bei aller persönlichen Nähe bisher

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